Wichtig ist mir auch die vorgesehene Schaffung von anerkannten Tagespflegestellen. Dabei geht es - der Minister hat das gerade schon gesagt - nicht darum, dass nun jeder sich als Tagesmutter - in Anführungszeichen - verdingen kann. Es geht vielmehr darum, dass die Kommunen den Rechtsanspruch, den die Bürger gegenüber der Kommune haben, auch mit flexiblen Tagespflegestellen sicherstellen können. Insbesondere im ländlichen Raum - ich denke zum Beispiel an die Altmark - wird dies sicherlich dazu führen, dass vielen Eltern lange Wege morgens vor der Arbeit und nach der Arbeit erspart bleiben, die sie in Kauf nehmen müssen, um die Kinder zu bringen und abzuholen.
Darüber hinaus sind die Tagesmütter für die Gemeinden natürlich auch eine Möglichkeit der Ergänzung zu klassischen Einrichtungen, zum Beispiel eben in dem Punkt, dass eine junge Mutter einen Arbeitsplatz gefunden hat und nun schnell einen Betreuungsplatz braucht. Große Einrichtungen mögen zwar manchmal Gastplätze haben, aber nur in einzelnen Fällen; das wird sicherlich nicht immer der Fall sein. Dann kann durch eine Pflegestelle schnell Abhilfe geschaffen werden. Darüber hinaus kann sich die FDP natürlich auch weitere alternative Betreuungsformen vorstellen, die es in anderen Bundesländern zuhauf gibt.
Vor dem Hintergrund dieser Kombination halte ich es auch für vertretbar, den Rechtsanspruch auf einen Kinderkrippenplatz an die Berufstätigkeit beider Elternteile zu koppeln. Dazu muss ich schon einmal sagen, ich finde es in der Diskussion immer ganz interessant, dass vor Ort von den Damen und Herren aus der Opposition immer nur davon geredet wird, dass dies die Arbeit der Mutter behindern könnte.
Ich finde das ganz niedlich: Uns wird als bürgerlichen Parteien normalerweise immer vorgeworfen, ein rückwärts gewandtes Weltbild zu haben. Aber von Vätern ist dabei ganz selten die Rede.
- Das haben Sie, Frau Bull, auch gerade gesagt. - Ich halte es persönlich für normal, dass sich Eltern, wenn sie nicht arbeiten, um ihre Kinder kümmern.
Jeder von uns im Plenum wird mir zustimmen, wenn ich sage, dass Eltern, die nicht beide arbeiten, zunächst ihre Kinder selber betreuen wollen. Staatliche Kindererziehung ist meiner Meinung nach immer nur eine Alternative, gerade bei kleinen Kindern, wenn ich Berufstätigkeit und Kindererziehung unter einen Hut bringen möchte und als Vater oder Mutter meine berufliche Perspektive nicht dem Kind völlig opfern möchte.
Das ändert sich dann ein wenig, wenn die Kinder größer sind und dringend pädagogische Betreuung bzw. das Spiel mit anderen Kindern brauchen. Und den Punkt möchte ich noch einmal betonen: Es muss gewährleistet sein, dass die Arbeitssuche und die Aufnahme der Arbeit nicht behindert wird. Hierzu muss das Ministerium für Soziales eine ähnliche Einigung mit dem Landesarbeitsamt herbeiführen - vielleicht noch eine bessere - wie die, die in Brandenburg existiert. Diese Einigung brauchen wir natürlich, bevor wir den Aspekt umsetzen können.
Gefragt ist meiner Meinung nach aber auch eine andere Initiative der Landesregierung, und zwar in Richtung Bund. Wir haben alle mit großem Interesse in den Medien verfolgt, dass der Bund vorhat, ein 1,5-MilliardenProgramm für die Kinderbetreuung aufzulegen.
Hierbei muss Sachsen-Anhalt ähnlich wie die anderen neuen Bundesländer dringend dafür sorgen, dass diese Gelder nicht an uns vorbeirauschen. Diese Gefahr besteht, denn der Bund hat das hehre Ziel, dafür zu sorgen, dass zukünftig jedem fünften Kind unter drei Jahren ein Betreuungsplatz geboten werden soll. Da haben wir ganz andere Quoten.
Es muss erreicht werden, dass der Bund nicht nur den Neubau von Einrichtungen fördert - denn üblicherweise fördert er keine Personalpauschalen -, sondern dass er auch Sanierungen bestehender Einrichtungen finanziert, sodass die öffentlichen Haushalte in unserem Bundesland zumindest etwas entlastet werden.
Ich möchte abschließend nur noch einmal feststellen: Die vorgesehenen Änderungen werden die Qualität der
Kinderbetreuung nicht verschlechtern. Die Stärkung pädagogischer Konzepte, der Bildungsauftrag, der zukünftig wieder wahrgenommen wird, verbessern sogar die Qualität. Den Einschnitt in den Rechtsanspruch halte ich deshalb für akzeptabel, und ich gehe davon aus, dass wir über das Gesamtpaket, über das wir im Augenblick zum Teil noch philosophieren, dann im November hier intensiv diskutieren können und dies auch in den Ausschüssen machen. - Ich danke Ihnen.
Frau Hüskens, würden Sie mir Recht geben, dass es in der Regel die Frauen sind, die bei der Nachfrage beim Arbeitsamt nach der Vermittelbarkeit darauf angesprochen werden, ob sie Kinder haben und ob diese betreut sind? In der Regel ist es so, dass die Frauen danach gefragt werden.
Frau Budde, mit dem Arbeitsamt habe ich persönlich noch nicht so arg viel Erfahrungen. Aber ich habe zahlreiche Einstellungsgespräche begleitet in verschiedenen Einrichtungen, und ich muss sagen, dass inzwischen auch schon die jungen Männer danach gefragt werden. Das finde ich persönlich erfreulich. Aber Sie haben natürlich Recht, dass es ab einem gewissen Alter - ich möchte den älteren Herrschaften nicht zu nahe treten - noch ein klein wenig üblich ist, überwiegend die Frauen zu fragen. Aber die Tendenz ist auch positiv.
Frau Dr. Hüskens, das war eben eine sehr sachliche Rede. Man wünschte sich nur, Sie hätten das vor der Wahl getan.
Aber eine konkrete Frage: Ich habe immer wieder von 43 Millionen € gehört. Nehmen wir einmal an, es kommt im Februar zur Beschlussfassung über das Gesetz. Dann wird man das noch umsetzen müssen, es greift vielleicht im Sommer oder im Frühsommer. Es soll dann gelingen, 43 Millionen € zu sparen.
Rechnet man dies auf das ganze Haushaltsjahr um, heißt das, dass es dann möglich sein wird, im Jahr 2004 noch viel mehr zu sparen, vielleicht - ganz platt gesagt, wie Finanzer so sind - 80 oder 90 Millionen €. Ich weiß nicht, wie viele Kinder aufwachsen, aber ich muss ja die Leute vorhalten. Das sind natürlich Zahlen, die eine ganz andere Sprache sprechen.
Deswegen, sage ich, sollte man bei der Einbringung die Katze endlich aus dem Sack lassen, und ich frage noch
einmal: Glauben Sie allen Ernstes, dass das immer noch die gleiche Qualität besitzt? Das können Sie doch keinem erklären wollen.
Herr Bullerjahn, nach den mir derzeit vorliegenden Informationen gehe ich fest davon aus, sonst würde ich das nicht sagen. Auf der anderen Seite stimme ich Ihnen zu: Wir werden bei der Einbringung exakt über die Details reden müssen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Geschichte der Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt scheint eine unendliche zu werden. Immer wenn man denkt, der Tiefstpunkt möglicher Entwicklung ist schon erreicht, kommt immer noch jemand und meint, dass die Ausstattung der Kinderbetreuung immer noch zu üppig sei.
Sicher haben wir im Vergleich zu den alten Bundesländern nach wie vor ein beträchtliches Landesengagement. Aber warum um alles in der Welt müssen wir uns dem katastrophalen Zustand der Kinderbetreuung in den alten Ländern ständig mehr annähern,
wo doch mindestens europaweit die Einsicht gewachsen ist und wächst, dass der frühkindlichen Entwicklung für die tatsächliche Chancengleichheit höchste Priorität zukommt und dass dies eben familiäre und staatliche Verantwortung erfordert? Ich bitte Sie doch, Frau Dr. Hüskens, dass Sie nicht unter der Hand jenen Eltern, die ihre Kinder in Einrichtungen bringen, weil sie Arbeit haben, unterstellen - ich nehme an, Sie haben das nicht so gemeint -, sie würden sich dann nicht um ihre Kinder kümmern.
Ich möchte Sie auch gleich noch bitten, vielleicht Ihrem Sozialminister Ihr emanzipatorisches Verständnis etwas näher zu bringen.
Denn er hat sowohl gestern auf der Demonstration als auch vorhin in der Rede einmal von Frauen und einmal von Müttern gesprochen, die einen Kinderbetreuungsplatz brauchen. Einmal abgesehen davon, dass er die Väter nicht mit erwähnt hat, wäre beides falsch. Auch dazu muss Herr Kley vermutlich einmal in die Gesetze schauen, die er zu vertreten hat. In Sachsen-Anhalt ist
es von Anfang an ein gutes Selbstverständnis, dass das Recht auf einen Kinderbetreuungsplatz ein Recht des Kindes ist.
Zumindest insofern finde ich auch die Bemerkung zum Schlagabtausch ziemlich daneben. Uns zumindest geht es um die Rechte der Kinder, um ihre qualitätvolle Betreuung, und zwar von null Jahren bis mindestens zum Schuleintritt und im Hort ebenfalls.
Übrigens hat auch Herr Schäuble seine Partei in dieser Sache zum Umdenken aufgerufen, wenn auch nur aus der Sicht heraus, dass dort, wo es eine solche Kinderbetreuung gibt, die Geburtenraten höher sind. Aber die Geburtenraten werden eben auch nur dann höher sein, wenn die Betreuung von null bis drei Jahren nicht eingeschränkt ist, sondern eben auch vollständig zugänglich ist. Ich finde diese Sicht von Herrn Schäuble einen Anfang, wenn es auch eine sehr einseitige Sicht ist.
Ich glaube auch nicht, dass es angemessen ist, in diesem Zusammenhang, wenn wir über die Rechte von Kindern reden, zu sagen, es sei kein Recht, sondern eine staatliche Leistung für diejenigen, die sie brauchten, aber nicht für jedermann. - Das war wieder ein Zitat des Ministers. Es ist für jedes Kind ein Recht, und daran, bitte schön, halten zumindest wir fest.