Protokoll der Sitzung vom 13.11.2015

Beratung

Frauenquote in den Aufsichtsratsgremien von Unternehmen mit Landesbeteiligung verbindlich festsetzen

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/4480

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/4545

Einbringerin ist die Kollegin Lüddemann. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Eine Untersuchung der Beratungsgesellschaft Ernst & Young kommt zu dem Ergebnis, dass die größten börsennotierten Unternehmen Europas mit weiblichen Vorstandsmitgliedern von 2005 bis 2010 bei Umsatz, Gewinn und Börsenwert im Schnitt besser dastanden als Gesellschaften ohne Frauen in den Topetagen.

Natürlich bedeutet das im Unkehrschluss nicht, dass Frauen per se die besseren Führungskräfte sind, obwohl man manchmal dazu neigen könnte, dies zu denken. Der Frauenanteil ist allerdings tatsächlich ein Kriterium für eine moderne und innovative Unternehmenskultur. Moderne Unternehmenskulturen können erfolgreicher auf die sich immer schneller verändernden Rahmenbedingungen reagieren.

Das Land Sachsen-Anhalt ist derzeit an 58 Unternehmen des privaten Rechts und an zwölf Anstalten des öffentlichen Rechts beteiligt. Laut aktuellem Beteiligungsbericht mit Stand vom 12. Januar 2015 betrug der Anteil der weiblichen Landesbediensteten im Verhältnis zur Gesamtanzahl der Landesmandate in Aufsichtsgremien ca. 21 % und

ist damit im Vergleich zum Vorjahr und zu den Jahren davor gering, aber rückläufig - so ist es im Beteiligungsbericht nachzulesen.

Angesichts dessen fragt sich Frau und vielleicht auch mancher Mann - in unserer Fraktion war das jedenfalls so -, was beispielsweise der Beschluss der Landesregierung über die Nominierung und Entsendung von Vertreterinnen und Vertretern des Landes für gremienwirtschaftliche Unternehmen, sonstiger juristischer Personen des öffentlichen und privaten Rechts sowie sonstiger Einrichtungen, auf deren Gremienbesetzung das Land Einfluss hat, heute noch wert ist.

Zugegeben, dieser Beschluss stammt aus dem Jahr 1998. Aber wir haben ein gültiges Frauenfördergesetz. Das ist sicherlich bei vielen nicht mehr so präsent, aber es ist gültig. Darin ist die hälftige Besetzung für Frauen und für Männer vorgesehen. Dass das zuständige Ministerium jeweils auf geeignete Personen des jeweils einen oder anderen Geschlechts wert legen soll, entsprechende Benennungsvorschläge unterbreiten soll und dazu verpflichtet ist, ist auch im realen Handeln nicht immer präsent.

Angesichts eines Frauenanteils von lediglich 21 % frage ich mich auch, was der Koalitionsvertrag wert ist. Denn dieser sieht zwar nicht 50 % vor - schon damals habe ich gefragt, warum man sich freiwillig unter die geltende Gesetzeslage begibt -, sondern immerhin 40 % vor. Auch das ist weit entfernt von 21 %.

Ich habe meine Zweifel daran, dass tatsächlich alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um den Anteil von Frauen in den Gremien, in diesem Fall in den Aufsichtsgremien der Unternehmen mit Landesbeteiligung, zu erhöhen. Ernsthafter politischer Gestaltungswille sieht für mich anders aus.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Fakt ist - an dieser Stelle kann man nicht herumdiskutieren -: Frauen sind deutlich unterrepräsentiert. An den Stellen, an denen die Politik unmittelbar Einfluss auf die Besetzung von Führungspositionen nehmen kann, nutzt sie diesen Einfluss nicht.

Man kann sich fragen, warum sie das nicht tut. Ein gleichstellungspolitisches Ziel unseres Landes muss es sein, die Repräsentanz von Frauen in der Wirtschaft generell zu erhöhen. Und wie heißt es so schön im Volksmund: Man soll doch zuerst vor der eigenen Türe kehren. Also muss die Landesregierung zumindest bei den eigenen nicht unerheblichen Beteiligungen durch die eigene Entsendungspolitik Vorbild sein. Das Ziel, den Frauenanteil in Aufsichtsgremien signifikant zu erhöhen, muss klar verfolgt werden.

Die Unterrepräsentanz von Frauen kann nicht mit deren mangelndem Qualifikationsniveau gerechtfertigt werden, im Gegenteil. In Deutschland sind Frauen heute sehr gut und zum Teil deutlich besser qualifiziert als Männer. Sie stellen - die Zahlen sind bereits häufig im Hohen Hause debattiert worden - 53,3 % der Studienberechtigten und knapp die Hälfte der Hochschulabsolventen. Jeder zweite Absolvent der Betriebswirtschaftslehre ist weiblich, also auch eine Absolventin. In den Rechtswissenschaften legen Frauen seit Jahren die besten Examina ab.

Häufig kommt das Argument, dass die Entsendung in Aufsichtsgremien von Unternehmen mit Landesbeteiligung an bestimmte Mandate gebunden ist, dass beispielsweise ein Staatssekretär zu entsenden ist. Damit komme ich wieder auf die Aufgaben zu sprechen. Wenn man eine kontinuierliche Förderung von Frauenpolitik auf allen Ebenen betreibt und beispielsweise die Staatssekretärsposten auch paritätisch besetzt wären, dann gäbe es überhaupt kein Problem, auch diese Gremien paritätisch mit Frauen und Männern zu besetzen. Ich freue mich, dass die Kollegin von der SPD an der Stelle wenigstens nickt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Frau Ham- pel, SPD: Zustimmung bei der SPD!)

Die Erwerbstätigkeit von Frauen mit und ohne Kinder hat in allen Bereichen zugenommen. Es steigt auch der Anteil jener Väter, die im Rahmen der Elternzeit familiäre Auszeiten nehmen. Es ist gesellschaftspolitisch nicht zu erklären, dass Frauen, die über 50 % der Bevölkerung in Deutschland ausmachen, nach einer gut abgeschlossen Ausbildung nur zu einem sehr geringen Anteil in Führungspositionen der deutschen Wirtschaft und der Verwaltung tätig sind. Auch rein betriebswirtschaftlich und ökonomisch betrachtet ist dies eine unverantwortliche Verschwendung von Ressourcen.

Die große Mehrheit der Wirtschaft geht beim Thema Quote reflexartig immer wieder auf Abwehrhaltung, obwohl die Quote natürlich immer an die gleiche Qualifikation gebunden ist. Es ist eigentlich unnötig, das zu sagen; denn es ist völlig klar, dass man natürlich den Anforderungen, die ein Posten mit sich bringt, auch gewachsen sein muss. Darüber wird gern ein falsches Bild gezeichnet. Hierzu kann ich wiederholt sagen, dass das eindeutig Quatsch ist.

Worauf es ankommt, ist die Mischung von Frauen und Männern in den Aufsichtsgremien. Wir brauchen die Vielfalt, weil sie zu besseren Ergebnissen führt. Gemischte Teams treffen bessere Entscheidungen. Nicht nur Ernst & Young haben darüber mittlerweile haufenweise Studien vorgelegt.

In solchen gemischten Teams werden Fragestellungen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, unterschiedliche Dimensionen werden ab

gewogen und daraus resultieren die besseren und tragfähigeren Entscheidungen. Es gibt genügend qualifizierte Frauen, die dies leisten können. Man - Sie können sich aussuchen, ob nun mit einem oder zwei „n“ - muss sie nur finden wollen.

Uns Bündnisgrünen ist es dabei wichtig, dass Frauen auf allen Ebenen, auf allen Hierarchiestufen bis in die höchste Führungsebene gut - gut heißt gleichberechtigt zu einem Anteil von 50 % - vertreten sind. Zu oft stecken sie noch in den unteren und mittleren Unternehmensebenen fest. Die gläsernen Decken sind immer noch existent, in der Privatwirtschaft genauso wie in der öffentlichen Verwaltung, in der Wissenschaft, in der Medizin, in den Medien; die Liste ließe sich unendlich fortsetzen, faktisch in jedem Feld.

Diese Verschwendung von Potenzialen und Fähigkeiten von Frauen können wir uns gesellschaftlich und ökonomisch nicht mehr leisten. Es geht um Gerechtigkeit für Frauen, werte Kolleginnen und Kollegen. Daher fordern wir mit unserem Antrag nochmals die Landesregierung auf, eine verbindliche Quote in den Aufsichtsratgremien von Unternehmen mit Landesbeteiligung festzusetzen, also schlicht das Frauenfördergesetz umzusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen das, weil der Frauenanteil von 21 % - ich will es noch einmal sagen, um es deutlich zu machen - einem Männeranteil von 79 % gegenübersteht und sich die Schale dadurch sehr nachteilig für Frauen neigt. Das liegt nicht an der Qualifikation der Frauen, das liegt nicht an der Bereitschaft der Frauen und es liegt nicht an der Geeignetheit von Frauen.

Es liegt schlicht und eingreifend daran - an dieser Stelle zitiere ich wieder den Volksmund -, dass sich gleich und gleich gern gesellt; Anzugträger ziehen gern Anzugträger nach. Das kennen sie, damit fühlen sie sich wohl und es besteht für sie keine Gefahr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist und bleibt die Folge von anhaltenden Geschlechtsstereotypen, verfestigten Strukturen, starken Vorurteilen, arbeitnehmerunfreundlichen Behörden- und Unternehmenskulturen. Das trifft Frauen in unverantwortlicher Weise und es ist ein fataler Fehler für unser Land.

(Zustimmung von Frau Hampel, SPD)

Meine Damen und Herren! Die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern ist eine zentrale Herausforderung, um Sachsen-Anhalt zukunftsfähig, erfolgreich und gerecht zu gestalten. Ich glaube, diesen Satz könnte jede Fraktion unterzeichnen. Vielleicht steht er sogar im Koalitionsvertrag oder in anderen Parteiprogrammen. Der Unterschied ist aber, Papier ist geduldig. Wichtig

ist daher, dass man von der Analyse zum Handeln kommt.

Das Frauenfördergesetz gilt seit 23 Jahren. Sätzen wie „man müsste“, „man sollte“, „es wäre schön“ bringen uns nicht weiter. Wir müssen eine klare Zielstellung haben, die rechtsverbindlich und im Zweifel auch einklagbar ist.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Mit einer Frauenquote in den Aufsichtsratsgremien von Unternehmen mit Landesbeteiligung soll mindestens mittelfristig eine signifikante Erhöhung des Frauenanteils erreicht werden, um letztlich in der Perspektive eine Geschlechterparität herzustellen.

Vor allem brauchen wir durch dieses Signal auch eine Ermutigung für all die klugen Frauen im Land, dass es sich lohnt, sich in diesem Land zu engagieren. Schauen Sie sich einmal an, wohin die Absolventinnen mit den guten Zeugnissen gehen und wohin auch gut qualifizierte Frauen aus der Landesverwaltung gehen. Sie gehen nämlich in die Länder oder auch ins Ausland, wo Frauen tatsächlich gefördert werden. Diese Entwicklung sollten wir im Land nicht noch weiter vorantreiben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Der Vollständigkeit halber möchte ich noch sagen, dass die Forderungen unseres Antrages nur eine Säule sind. Weiterhin brauchen wir gute Bedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wir brauchen zudem weitere Bestrebungen, um eine gleiche Bezahlung von Frauen und Männern zu erreichen.

Ich habe das Frauenfördergesetz mehrfach erwähnt. Heute liegt einmal mehr ein Befund dafür vor, dass das Frauenfördergesetz vor 23 Jahren sicherlich aus der Zeit heraus gut gemeint war - wir waren an dessen Entstehung maßgeblich beteiligt waren -, aber dass es heutzutage ein zahnloser Tiger ist. Wir haben das in unserem Wahlprogramm auch dezidiert aufgeführt. Wir müssen das Frauenfördergesetz in der nächsten Wahlperiode definitiv weiterentwickeln hin zu einem modernen Gleichstellungsgesetz, das dann auch klare Zielstellungen beinhaltet.

(Frau Hampel, SPD: Das machen wir zu- sammen!)

Dabei helfen alle Plakate nichts, mit Verlaub, Frau Ministerin. Wenn ich mir den Alternativantrag der Koalition anschaue, der darauf abzielt, Strategien und Maßnahmen zu entwickeln, dann frage ich mich, was Sie uns in den letzten Jahren erzählt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Ich kann mich an viele Ihrer Reden erinnern, in denen Sie immer wieder erzählt haben, welch tolle Maßnahmen, welch tolle Kampagnen, welch Mentoringprogramme usw. aufgelegt wurden. Es ist Quatsch. Es ist im eigenen Beteiligungsbericht nachzulesen, dass dies nicht wirkt.

(Frau Hampel, SPD: Zu wenig!)

Die Maßnahmen und Ziele sind vorhanden. Wir müssen uns endlich auf eine Rechtsverbindlichkeit einlassen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Danke sehr für die Einbringung, Kollegin Lüddemann. - Für die Landesregierung spricht Ministerin Frau Professor Dr. Kolb.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stehe nicht zum ersten Mal an diesem Pult und fordere eine Frauenquote, ein modernes Gleichstellungsgesetz, das nicht nur eine solche konkrete Zielquote zum Inhalt hat, sondern auch Sanktionen beinhaltet, die dafür sorgen, dass diese Zielquoten auch umgesetzt werden.

Insoweit habe ich mich heute gefreut, als ich auf der ersten Seite der „Volksstimme“ gelesen habe, dass das jetzt auch von den Medien unterstützt wird. Das ist tatsächlich ein Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung. In der Vergangenheit bin ich für die Forderung nach einer Frauenquote immer gescholten und kritisiert worden mit dem Hinweis, auch eine Quote würde nichts ändern.