Protokoll der Sitzung vom 20.09.2012

(Minister Herr Stahlknecht: Das ist doch selbstverständlich!)

- Ja, genau. Allerdings leider zu Ihrem Unglück, Herr Stahlknecht, ist das ein Thema, bei dem es eben nicht umgesetzt wurde.

Im Jahr 2010 gab es den Landesradverkehrsplan. Auch das ist - ganz ehrlich - ein super Werk, gut ausgearbeitet, sehr detailliert mit einer klaren strategischen Zielrichtung.

In diesem guten Dokument steht, dass vieles schon bis 2012 passieren soll. Der erste Planungshorizont ging bis 2012. Wir haben im Jahr 2011 gedacht, in diesem Planungshorizont ist schon richtig was passiert, und haben im Landtag eine mündliche Anfrage gestellt.

Ich musste mich von Minister Herrn Webel noch auf die Schippe nehmen lassen, der sagte, ich solle doch bitte Fragen stellen, die man kurz beantworten kann. Auch der Landtagspräsident ist dem beigesprungen. Er hat die Geschäftsordnung zitiert, man solle doch Fragen stellen, die kurz beantwortet werden können.

Wenn man die damalige Antwort des Ministers beschreiben sollte, dann muss man feststellen, dass vieles aus dem Vorwort des Landesradverkehrsplanes von 2010 in der Antwort im Jahr 2011 enthalten war. Jedenfalls hieß es dort: Wir haben doch noch bis 2012 Zeit.

(Herr Schröder, CDU: Was richtig ist, kann doch so bleiben!)

Heute bekommen wir aber die Antwort, die besagt: Bis 2012 haben wir eine Abrechnung der Maßnahmen nicht vorgesehen; vielmehr soll eine Abrechnung der Maßnahmen und Empfehlungen aus den einzelnen Handlungsfeldern des Plans die Grundlage der Fortschreibung des LRVP nach 2017 bilden. Also ist die mittlere Planungsperiode um fünf Jahre verschoben worden.

Dann darf man sich nicht wundern; denn wenn das Ministerium so herangeht, dann kommt man nicht zu einer konkreten Umsetzung dessen, was man geplant hat.

So richtig wundern darf man sich auch nicht, wenn man die Antwort liest, wie viel Personal am Landesradverkehrsplan arbeitet. Im Verkehrsministerium sind es 0,25 Stellen. Das ist dort allen Ernstes ausgewiesen. Das ist dafür da, diesen Plan umzusetzen. Nur zur Erinnerung, es sind etwa 200 Stellen im Ministerium vorhanden.

Noch schöner ist es im Landesstraßenbaubetrieb. Von den 1 400 Mitarbeitern sind nicht einer oder mehrere verantwortlich, sondern alle. Das ist ein

gutes Prinzip. Wenn alle verantwortlich sind, dann braucht man sich nicht weiter zu rechtfertigen.

Allerdings ist bemerkenswert, dass dies ein Betrieb ist, der im Jahr 2007 die Kosten- und Leistungsrechnung eingeführt hat und dementsprechend in der Lage sein sollte nachzuweisen, welche Leistungen zu welchen Themen erbracht wurden. Aber das erfahren wir leider nicht.

Besonders gut gefallen - jetzt ist Herr Bischoff nicht mehr im Saal - hat mir die Angabe aus dem Ministerium für Arbeit und Soziales. Dort sind nämlich 0,02 Stellen angegeben. Das sind umgerechnet drei Stunden im Monat oder 34 Stunden im Jahr.

Vor diesem Hintergrund fragt man sich: Was könnte denn da passieren, außer zu den Treffen der interministeriellen Arbeitsgruppe zu gehen? - Ich glaube, dafür, aus dieser interministeriellen Arbeitsgruppe zu berichten, reicht es nicht.

Kein Grund zur Erheiterung. Eigentlich eine sehr ernste Sache, wenn sich das Parlament darüber Gedanken macht, ob es überhaupt eine Chance zur Umsetzung gibt, und dann solche nichtssagenden Antworten bekommt.

Kommen wir zu den positiven Punkten. Ich hatte gesagt, ich rede über den Alltagsradverkehr. Das ist trotz allem noch immer der wichtigste Bereich. Der meiste Verkehr in unserem Bundesland spielt sich im Alltag ab. Auch die meisten Radfahrten, die meisten Kilometer auf dem Fahrrad werden nicht im Bereich des Tourismus, sondern im Alltagsradverkehr zurückgelegt.

Diesbezüglich macht die Landesregierung etwas ganz Tolles. Sie setzt sich richtig ambitionierte Ziele. Ich habe es zweimal lesen müssen. Ziel ist es, einen Radverkehrsanteil von 20 % an allen Wegen im Lande und von 30 % in den Städten zu erreichen. Die beste Stadt, von der wir in SachsenAnhalt Werte haben, ist zurzeit Dessau mit einem Radverkehrsanteil von etwa 26 %, der auf etwa 23 % zurückgegangen ist.

Dabei den Trend umzukehren und zu sagen, wir wollen auf 30 % kommen, ist wirklich ambitioniert. Ich will auch nicht über einzelne Formulierungen, die darin enthalten sind, hinweggehen. Das ist wirklich ein guter Ansatzpunkt.

Aber dann kommt eine abenteuerliche Gedankenkette in der Antwort. Es wird gleich am Anfang gefragt: „Wissen Sie, wer verantwortlich ist, um in Bezug auf den Radverkehr etwas zu erreichen?“ und darauf hingewiesen: Das sind die Kommunen. Das ist nicht falsch. Die kommunale Wegeplanung beeinflusst viel im Radverkehr. Auch können die Kommunen in Sachen Marketing, Attraktivität usw. einiges dazu tun.

Aber dann kommt der nächste Hinweis nämlich auf die Frage: Welche Kommunen haben denn zum

Beispiel eine Radverkehrsnetzplanung? - Das ist etwas, was die Kommunen machen können. Daraufhin sagt die Landesregierung: Das wissen wir nicht.

Das ist übrigens weniger, als sie zum Zeitpunkt des Erstellens des Landesradverkehrsplanes wusste. Darin steht nämlich, welche Kommungen so eine Radverkehrsplanung haben. Aber nein, das weiß die Landesregierung nicht.

Dann geht es weiter. In Bezug auf die Aktivitäten der Kommunen wird zum Beispiel gefragt, ob ein Netzwerk gegründet worden ist. Dazu sagt die Landesregierung: Wir glauben, die Kommunen haben eigentlich kein Interesse an diesen Aktivitäten.

Das ist doch wirklich eine tolle Gedankenkette: erstens, die müssen es machen, zweitens, wir wissen gar nicht, ob sie es machen, und drittens, weil wir eigentlich glauben, die machen es nicht, interessieren wir uns auch nicht dafür, ob sie es machen. Das ist wirklich toll. Dann braucht man gar nicht mehr anzufangen. Dann hat sich das Problem schon von selbst erledigt.

Ich kann Ihnen sagen, ich bin regelmäßig in den Städten in Sachsen-Anhalt unterwegs, mache öffentliche Radtouren, wobei wir uns Radwege anschauen. Das ist immer eine sehr gute Sache. Es gibt immer engagierte Bürgerinnen und Bürger, die sagen, ich will mitmachen und ich kann Ihnen auch vor Ort etwas zeigen.

Es gibt in der Regel auch engagierte Mitarbeiterinnen in den Kommunen, die sagen: Toll, dass sich hier jemand für mein Thema interessiert. Ich bin auch sehr interessiert daran, einmal zu zeigen, worum es hierbei vor Ort geht.

Also die Einschätzung, die Kommunen sind nicht am Thema interessiert oder niemand in den Kommunen, ist sicherlich falsch. Es gibt auch immer Klagen über weniger interessierte kommunale Kollegen.

(Freu Feußner, CDU: Die sind sehr interes- siert!)

Eine effektive Maßnahme, die das Land machen kann, um den Alltagsradverkehr zu fördern, ist, bei Landesförderungen Radverkehrsstandards verbindlich zu machen. Das hat das Land auch für Radwege gemacht und macht das derzeit. Es geht um Radwege, die mit Landesförderung neu gebaut oder saniert werden. Für diese gelten jetzt endlich Mindeststandards.

Die sind nicht überall bekannt, werden auch nicht überall eingehalten. Ich habe gerade ein schönes Beispiel in Köthen erlebt. Aber immerhin, da gibt es diese Hinweise.

Wo dies aber nicht passiert, ist im Hochbau. Wir fördern vieles im Hochbau, meine sehr verehrten Damen und Herren. Da achtet das Land keinen

Meter darauf, was für Radabstellanlagen dahin kommen.

Ich kann Ihnen ein Beispiel sagen: In Dessau ist gerade eine Sporthalle saniert worden, die Sporthalle am Philanthropinum, eine sehr schöne Halle. Sie wurde im Jahr 2011 fertiggestellt. Von den Baukosten in Höhe von 2,5 Millionen € kommen 2,18 Millionen € vom Land, sind Konjunkturpaketmittel.

Installiert sind die schrecklichsten Radabstellanlagen, die man sich vorstellen kann. Für diejenigen, die sich auskennen: Es sind sogenannte Felgenkiller. Man glaubt es kaum, dass so etwas in dieser Zeit noch installiert wird.

Noch besser kommt es aber beim Stadion in Halle, ein sehr schönes Stadion. Diese Anlage wurde mit Mitteln in Höhe von 6 Millionen € vom Land gefördert. Raten Sie einmal, wie viele Fahrradabstellplätze es am Stadion in Halle gibt. - 13! Das ist die Zahl der Fahrradabstellplätze, die am Stadion in Halle geschaffen wurden.

Das ist ein Punkt, an dem man feststellt: Hier könnte Landesförderung sofort viel Gutes tun, indem man sagt: Natürlich muss die Erreichbarkeit mit dem Fahrrad von solchen zentralen Einrichtungen sichergestellt werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Herr Borg- wardt, CDU: Wie viel von den 13 Fahrrad- abstellplätzen sind bei Fußballspielen be- legt? Drei, vier?)

Die nächste Antwort lautet: Die amtliche Statistik weist nichts darüber aus, wie viel Fahrradabstellplätze wir in Landesliegenschaften haben. Hierbei kommt das Finanzministerium ins Spiel. Sie merken, es wäre doch gut, wenn sich auch das Finanzministerium um Fahrradabstellplätze kümmern würde; denn bei der Erreichbarkeit der Landesliegenschaften müsste es doch für den größten Arbeitsgeber im Land eine Ehrensache sein zu sagen: Hierbei wollen wir vorn dabei sein und gute Fahrradabstellplätze haben.

Bei meinem zweiten Thema geht es um den Radtourismus. Ich muss mich ein wenig ranhalten; denn meine Redezeit läuft ab. Hierzu haben wir in Sachsen-Anhalt eine echte Erfolgsstory. Aber die Landesregierung weiß sehr wenig darüber.

Wir haben gefragt: Was weiß die Landesregierung darüber, welchen wirtschaftlichen Effekt der Radtourismus hat? - In der Antwort auf die Große Anfrage wird eine bundesweite Studie zitiert, die besagt: Eine Wertschöpfung pro Tagestourist könnte so und so sein.

Wenn man dann die Zahlen addiert, dann kann man sich ausrechnen, dass im Jahr ein Umsatz in Höhe von 86 Millionen € von Tagestouristen auf dem Fahrrad gemacht wird. Man kann die Zahl der Touristen auf dem Elberadweg dazu nehmen.

Wenn man diese mit Blick auf ihre durchschnittliche Verweildauer umrechnet, kommt man noch einmal auf einen bestimmten Betrag.

Wenn man das über Wertschöpfung umrechnet, kommt man auf etwa 2 000 Vollzeitarbeitsplätze in Sachsen-Anhalt, die durch den Radtourismus entstehen könnten. Das ist gerechnet ohne Wege, ohne Ausrüstung und ohne Anreise. Das ist nur die Wertschöpfung, die quasi touristisch vor Ort entsteht.

Das ist ein bedeutender Faktor und man fragt sich: Warum stellt das die Landesregierung nicht nach vorn und sagt: Wir sind richtig stolz darauf, dass wir das erreicht haben?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Erreicht und beigetragen hat das Land hierbei durchaus etwas. Das Land macht eine vernünftige Ausschilderung von Radverkehrsfernrouten. Das hat das Land jetzt in die Hand genommen. Das hat früher nicht funktioniert, als das die Kommunen gemacht haben. Deshalb hat das Land dies übernommen.

Man kann darüber diskutieren, ob die Schilder gut sichtbar sind oder nicht. Bei dieser Frage ist auch der ADFC kritisch. Aber trotzdem: Wir haben ein einheitliches Ausschilderungssystem und das ist sehr wichtig. Das hat die Landesregierung tatsächlich in die Hand genommen.

Ein Schild allein reicht natürlich nicht aus, sondern man muss mit seinem Fahrrad auch auf irgendetwas fahren, in der Regel auf einem Weg. Die Landesregierung weiß offenbar, dass von den etwa 2 400 km Fernradwegen im Land ca. 600 km in einem schlechten Zustand sind. Auf die Frage, wo sich diese befinden, folgt der Satz: Die Landesregierung veröffentlicht die Mängelstellen nicht.

Diesbezüglich ist schon wieder fraglich, wie der Umgang mit dem Parlament ist und warum das nicht veröffentlicht werden kann.

Interessant ist auch: Es wird etwas zur Verbesserung der Radwege getan. Seit dem Jahr 2007 sind im Rahmen der GRW Mittel in Höhe von etwa 5 Millionen €, also jährlich Mittel in Höhe von etwa 1 Million € für Radwege ausgegeben worden. Das hat für etwa 40 km gereicht.