Protokoll der Sitzung vom 21.02.2013

Meine Damen und Herren! Ich bin emotional sehr aufgewühlt, weil ich wahrscheinlich im Gegensatz

zu manchem anderen momentan sehr nah an den Kitas und auch an den Kommunen bin, die jetzt versuchen, die Umsetzung des KiFöG irgendwie auf die Reihe zu kriegen, und dabei auf erhebliche Probleme stoßen.

Ich bin eigentlich dafür angetreten, dass das KiFöG am 1. August 2013 vernünftig läuft und vernünftig praktisch organisiert wird. Das, was ich jetzt erlebe und was ich vom Minister und auch von Herrn Jantos gehört habe, macht mich eigentlich etwas traurig.

Wir wollten, dass die Erzieherinnen und Erzieher klare Aussagen zur Einführung des Bildungsprogramms ab 1. August 2013 bekommen. Dann sollten auch die folgenden Fragen beantwortet sein: Welche Chance zur Fortbildung habe ich? Wo kann ich mich fortbilden? Welche Anbieter sind für mich zuständig? - Es geht also um alle organisatorischen Dinge.

Wir haben am Montag im Landesjugendhilfeausschuss gesessen. Dort war noch keine Rede davon, wie das organisiert werden soll. Also auch da herrscht noch Leere. Ich denke schon, dass die Erzieherinnen einen Anspruch auf Informationen haben. Sie wollen sich auch fortbilden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das haben wir auch in den Kita-Dialogreihen gehört. Sie wollen das. Aber sie können es momentan gar nicht, weil entweder die Referentinnen nicht da sind oder sie noch gar nicht wissen, an wen sie sich momentan überhaupt wenden können. Unser Antrag zielte wirklich darauf, zu schauen, was wir ihnen anbieten können und wie es weitergehen soll, damit sie das Ganze wirklich vernünftig umsetzen können.

Dass Erzieherinnen das Bildungsprogramm nicht lesen oder aus diesem nichts herauslesen können, unterstelle ich ihnen doch gar nicht. Natürlich können sie das. Aber sie brauchen natürlich Impulse dahin gehend, wie es weitergehen soll; denn immerhin 50 % aller Kitas - das haben Sie vorhin gesagt - hatten die Chance - aus welchen Gründen auch immer - bisher noch nicht. Ich denke, selbst wenn sie gewollt hätten, dann hätten sie es nicht gekonnt, weil 50 Fortbildungsreferenten wirklich zu wenig sind. Das war eigentlich unser Anliegen.

Ich komme zu der nächsten Sache, mit der ich momentan Schwierigkeiten habe. Ich habe gestern Abend an einer Versammlung eines Elternkuratoriums teilgenommen. Eine Stadt in unserem Land möchte aufgrund einer Forderung der Kommunalaufsicht eine neue Satzung beschließen. Dort sollen die Kita-Gebühren erhöht werden. In der Satzung sind Betreuungsverträge mit einer fünfstündigen und einer zehnstündigen Betreuungszeit vorgesehen. Die Gebühren für die Eltern sollen drastisch erhöht werden.

Wir wissen aber, dass am 1. August alle Eltern das Wunsch- und Wahlrecht haben und ihren Betreuungsumfang selbst bestimmen können. Das heißt, es ist doch ein Widerspruch in sich, dass eine Kommunalaufsicht fordert, am 1. April solle eine solche Satzung in Kraft treten, und die Eltern noch nicht wissen, wie das finanziell überhaupt untersetzt ist. Wir schreiben in das Gesetz, dass die Gemeinde mindestens 50 % des Defizits tragen muss. Diese Kosten sind nicht aufgezeigt worden. Das Beispiel, von dem ich erzähle, ist nicht das einzige, das es im Land gibt.

Die Tendenz gestern Abend war - O-Ton -: Wir bezahlen jetzt den Zehn-Stunden-Ganztagsanspruch. Wenn es den nicht gäbe, hätten wir diese Gebührenerhöhung nicht.

Ich warne vor solchen Sachen. Wir haben mit unserem Zehn-Stunden-Ganztagsanspruch wirklich etwas Gutes auf den Weg gebracht. Wenn das gekippt wird, dann weiß ich nicht.

(Herr Felke, SPD: Haben Sie zugestimmt?)

Zum Beispiel erhebe ich für mich den Anspruch, dass das Ganze vernünftig über die Runden geht. Deshalb zielt unser Antrag auch dahin, dass dem Wildwuchs, den es momentan in unserem Land gibt, Einhalt geboten wird.

Herr Jantos, Sie sagten, dass Sie diesbezüglich keinen Bedarf sehen und dass die das alles schon irgendwie machen werden. Das halte ich wirklich für sehr vage.

(Herr Leimbach, CDU: Nein, Sie erzählen Unfug! - Zuruf von Herrn Jantos, CDU)

Ich bitte dennoch darum, dass Sie unserem Antrag zumindest so zustimmen, dass wir ihn im Ausschuss behandeln können.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Hohmann, es gibt eine Nachfrage von Frau Grimm-Benne. Ich hatte durch den Beifall jetzt nicht verstanden, ob Sie für die Überweisung sind.

Frau Grimm-Benne.

Ich habe keine Nachfrage, sondern ich möchte gern eine Intervention machen. Ich denke, Frau Hohmann, Sie verwechseln zwei Dinge. Wir werden Ihren Antrag auch ablehnen, weil er zu noch viel mehr Verwirrung führt, als ohnehin bereits besteht.

Sie fordern - das werden wir gemeinsam mit dem Ministerium auch sehr schnell machen - die Umsetzung des Kinderförderungsgesetzes, also die Erarbeitung von Rechtsverordnungen und danach von Handreichungen. Mir liegen mittlerweile mehr als 50 Fragen des Städte- und Gemeindebundes und verschiedener anderer vor, die wir mit dem Ministerium gemeinsam in eine einheitliche Sprachregelung und Interpretationsregelung führen, damit gerade die Punkte, die Sie angesprochen haben, funktionieren.

Auch wir wollen, dass das neue Kinderförderungsgesetz zum 1. August gut umgesetzt wird. Sie wollen on top eine Qualitätsoffensive zu dem Bildungsprogramm „Bildung elementar“ haben und tun so, als ob das jetzt etwas ganz Neues wäre.

(Herr Leimbach, CDU: Ja!)

Zusätzlich verwirren Sie alle, indem Sie sagen, jetzt müssen wir auch noch Weiterbildung machen und in die Qualität hineingehen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Damit überfordern Sie meines Erachtens alle vollkommen. Das werden wir nicht zulassen; vielmehr werden wir jetzt schauen, dass wir eine eindeutige Regelung für das Kinderförderungsgesetz haben, damit das vom Landesjugendamt, vom Ministerium und von uns allen zum 1. August ordentlich umgesetzt wird. Dann kann man auch sehr gut mit Fortbildung etc. und dem Programm „Bildung elementar“ zusätzlich arbeiten.

Damals waren Sie noch nicht im Landtag. Aber ich kann mich daran erinnern, dass beim Ministerium, als wir das Bildungsprogramm eingeführt haben, natürlich Dialogveranstaltungen durchgeführt wurden, in denen allgemein darüber informiert wurde.

Darüber hinaus haben wir sehr viele Multiplikatorinnen in den Einrichtungen und bei den Trägern ausgebildet. Diese Multiplikatorinnen werden wieder selbst in den Einrichtungen unterrichten, also quasi ihre eigenen Leute informieren. Diesbezüglich hat Herr Jantos völlig Recht: Dabei gibt es auch eine Verantwortung der Träger.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich will ganz kurz darauf eingehen. In den KitaDialogreihen gab es viele Erzieherinnen, die verunsichert waren, weil sie ab dem 1. August 2013 auf der Grundlage des Bildungsprogramms arbeiten sollen. Wir hätten ihnen diese Verunsicherung nehmen können, indem wir ganz klar sagen: Leute, ihr habt die Chance; das bieten wir euch an; daran könnt ihr teilnehmen. - Nicht mehr und nicht weniger wollte ich damit erreichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau Hohmann. - Damit ist die Debatte beendet und wir stimmen über den Antrag in der Drs. 6/1790 ab. Zunächst ist eine Überweisung beantragt worden. Ich muss das Haus erst einmal generell fragen, ob es einer Überweisung zustimmen will.

Wer stimmt einer Überweisung zu? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist die Überweisung abgelehnt worden.

Dann stimmen wir jetzt über die Drs. 6/1790 als solche ab. Wer stimmt dem zu? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Antrag abgelehnt worden und wir verlassen den Tagesordnungspunkt 18.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf:

Beratung

Öffentlich geförderte Beschäftigung neu gestalten

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/1793

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/1825

Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Dirlich. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Am 23. November 2012 brachten die Länder Brandenburg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein auf Initiative des Landes Baden-Württemberg einen Antrag mit dem Titel „Öffentlich geförderte Beschäftigung neu gestalten“ in den Bundesrat ein. Dieser Antrag wurde mehrheitlich in die Ausschüsse für Soziales, für Finanzen und für Wirtschaft überwiesen. Ich sage es noch einmal: Das war am 23. November.

Schon am 14. Dezember 2012 war dieser Antrag zurück im Plenum und wurde dort abgelehnt. Ich habe mir das, offen gesagt, mit den anstehenden Wahlen und den drohenden anderen Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat erklärt.

Für uns gibt es zwei Gründe, den Antrag hier im Landtag aufzugreifen. Es wird Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sicherlich schon aufgefallen sein, dass sich unser Antrag ziemlich streng an dem Antrag im Bundesrat orientiert. Das ist Absicht. Zu den Unterschieden komme ich noch.

Der erste Grund ist: Wir halten den Inhalt dieses Antrags für einen erheblichen Schritt der SPD

nach vorn, nachdem sie 2002 mit den Hartz-Gesetzen so viele Schritte rückwärts gemacht hat, auch wenn er uns selbstverständlich nicht weit genug geht.

Der zweite Grund ist: Die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat haben sich gerade geändert, sodass dieses Anliegen nun möglicherweise eine echte Chance hat.

Eines gleich am Anfang: Ich bin erstaunt, aber ich bin vor allem erfreut über den Alternativantrag, weil er trotz aller Mängel, aller Lücken, auf die ich auch noch zu sprechen kommen werde, deutlich macht, dass die SPD und vor allen Dingen die CDU hier bereit sind, gemeinsam wirklich einen Schritt nach vorn zu machen. Das erkenne ich sehr wohl an.

Zum Inhalt: Deutschland hat einen im europäischen Vergleich ungewöhnlich hohen Anteil an Langzeitarbeitslosen. Das haben nicht wir festgestellt, sondern die OECD. Da ist von einem Anteil der Langzeitarbeitslosen an den Arbeitslosen insgesamt von etwa 50 % die Rede. In SachsenAnhalt sind fast 75 %, also fast drei Viertel, aller Arbeitslosen im SGB-II-Bezug.

Vom Grundsatz des Förderns und Forderns ist nach den jüngsten Reformen am Arbeitsmarkt nahezu nur noch das Fordern übrig geblieben. Zumutbarkeitskriterien wurden verschärft. Sanktionen wurden massiv ausgedehnt. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sind zusammengestrichen worden, und Einsparungen verhindern, dass quantitativ oder qualitativ ausreichende Angebote der Eingliederung an Arbeitslose gemacht werden können.