Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Namen des Ausschusses bitte ich um Ihre Zustim

mung zu dieser Beschlussempfehlung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Danke sehr für die Berichterstattung. - Die Landesregierung hat signalisiert, dass sie auf einen Redebeitrag verzichtet. Damit treten wir in eine Dreiminutendebatte ein. Als erste Debattenrednerin wird Frau Quade für die Fraktion DIE LINKE sprechen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben den Antrag, auf den die heutige Beschlussvorlage zurückzuführen ist, im Februar 2013 in den Landtag eingebracht. In der Tat hat die Koalitionsmehrheit - der Kollege Kolze hat es berichtet - entschieden, ihn in den Innenausschuss zu überweisen.

Meine Fraktion reagierte mit dem damaligen Antrag unter anderem auf die damals aktuellen Ereignisse anlässlich des Naziaufmarsches in Magdeburg und das aus unserer Sicht stellenweise problematische Agieren der Polizei, aber auch des Innenministers, der damals empfahl, Naziaufmärsche mit Missachtung zu strafen.

Wir haben darüber hier erwartungsgemäß kontrovers diskutiert. Im Innenausschuss ist das Thema zwar mehrfach aufgerufen worden, eine inhaltliche Debatte hat jedoch nicht wirklich stattgefunden.

Nach einiger Verzögerung aufgrund offenkundig nur schwer herstellbarer Einigkeit unter den Koalitionsfraktionen wurde nun diese Beschlussempfehlung gefasst. Das Gute an dieser Beschlussempfehlung ist: Sie deutet zumindest den koalitionsinternen Dissens an.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Die Polizei habe mit ihrem Konzept besonnen, umsichtig und souverän - kurz also: ohne jeglichen Tadel - agiert. Zugleich wird aber darauf hingewiesen, dass kurzfristiges friedliches Behindern, sprich das Blockieren von Neonaziaufmärschen, vom Versammlungs- und Verfassungsrecht gedeckt sein kann.

Genau das ist aber etwas, was die Polizei und offenbar ihre Führungsspitze am 12. Januar 2013 in Madgeburg dezidiert anders bewertet hat und deshalb präventiv gegen Nazis Protestierende in großer Entfernung mit teilweise unverhältnismäßiger Gewaltanwendung mit der Begründung festgehalten hat, sie könnten irgendwann den Naziaufmarsch behindern wollen.

Protest in Sicht- und Hörweite gegen die menschenfeindlichen Positionierungen der Nazis war damit kaum möglich. Diejenigen, die diesen artiku

lieren wollten, sahen sich unversehens als gewaltbereite Extremisten diffamiert. Genau dieses Einsatzkonzept und dieses politische Konzept waren Gegenstand unserer Kritik.

Wir werden wie auch im Ausschuss gegen diese Beschlussempfehlung stimmen. Wir lehnen sie ab, weil sie trotz einzelner in unseren Augen zustimmungsfähiger Sätze eine völlig andere Gesamteinschätzung des 12. Januar 2013 in Magdeburg vornimmt und weil hierin die konservative Legende des pauschalen Extremismus, gegen den sich die Demokratie verteidigen müsse, weitergestrickt wird. Diese lehnen wir prinzipiell ab, weil sie letztlich der Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements im Wege steht. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Frau Quade. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Miesterfeldt.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute Vormittag darüber gesprochen und miteinander debattiert, mit welchem Einsatz Menschen in diktatorischen Systemen für Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit kämpfen müssen.

Ich denke, in diesem Raum ist niemand, der nicht froh darüber ist, dass wir in einem System, in einem Rechtsstaat leben, in dem es ein verbrieftes Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit gibt. Wir müssen dieses Recht auch in Anspruch nehmen, um diejenigen, die gern wieder etwas anderes als Demokratie machen würden, an ihrem Wirken zu hindern.

Die Legende vom pauschalen Extremismus kann man vielleicht teilen, wenn man jung ist und den Extremismus nicht von allen Seiten erlebt hat. Ich kann sie nicht teilen.

(Zustimmung von Herrn Kolze, CDU, und von Herrn Weigelt, CDU - Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

Wer heute die „Volksstimme“ gelesen hat, der hat erfahren, was dem Oberbürgermeister von Magdeburg passiert ist, weil er in einem eiligen Moment dem Falschen die Hand gegeben hat, und dann ein linker Shitstorm über ihn hereingebrochen ist.

Wenn ich es heute früh richtig verstanden habe, Herr Minister, brach über Sie kürzlich ein rechter Shitstorm herein, als Sie sich zu einer Bedrohungslage geäußert haben.

Es gibt also eine klare Gemeinsamkeit im Hinblick auf die Gewalt der geschriebenen Worte, und es

gibt unterschiedliche Gelegenheiten, bei denen wir leider auch die ausgeglichene physische Gewalt erlebt haben.

(Herr Lange, DIE LINKE: Geht’s noch?)

Die Polizei hat im Einzelfall die schwierige Aufgabe, das zu verhindern. Das wird sie im Nachgang auch jeweils kritisch auswerten. Dann wird sie an der einen Stelle zu dem Ergebnis kommen: Das hat richtig funktioniert. Und sie wird an der anderen Stelle zu dem Ergebnis kommen: Das war nicht verhältnismäßig oder man hätte es besser oder anders machen können.

(Herr Lange, DIE LINKE: Das habe ich noch nicht erlebt!)

Ich erinnere mich noch daran, dass wir bei der Einbringung des Antrags hier über die Entfernung der beiden Gruppen voneinander diskutiert haben, ob 100 m, 200 m oder 700 m. Man wird sicherlich auch zukünftig über solche Dinge diskutieren.

Ich und auch die SPD-Fraktion können der Beschlussempfehlung, die aus dem Innenausschuss gekommen ist, zustimmen, weil sie den Aspekt beinhaltet, dass die Demokratie nur Bestand hat, wenn nicht nur der Staat, sondern auch die Bürger sich für die Demokratie engagieren und gegen Extreme von allen Seiten zur Wehr setzen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Herr Striegel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer gegen Nazis auf die Straße geht, sich ihnen friedlich entgegenstellt und versucht, ihre Aufmärsche zu blockieren, der ist kein Extremist, sondern Verteidiger von Demokratie und Menschenrechten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Herr Kollege Miesterfeldt, Sie haben hier eindrucksvoll bewiesen, dass es offensichtlich nicht eine Frage des Alters ist, dass die Diffamierungswirkung des Extremismusbegriffs anschlägt. Für diese Klarstellung am Ende Ihrer Rede bin ich Ihnen sehr dankbar.

Dass CDU und SPD mit der vorliegenden Beschlussempfehlung erneut versuchen, den Protest gegen Neonazis in Magdeburg zu spalten und zu kriminalisieren, dass demokratisches Engagement gegen Neonazis gleichgesetzt wird mit dem Ver

such von Nazis, die Bombardierung Magdeburgs im Zweiten Weltkrieg für die eigene Propaganda zu instrumentalisieren, ist aus meiner Sicht und aus der Sicht meiner Fraktion beschämend.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Wir können daher der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres nicht zustimmen. Demokratisches und zivilgesellschaftliches Engagement bis hin zu friedlichen, ja auch zu länger andauernden Sitzblockaden und anderen Formen des zivilen Ungehorsams verdient unseren Respekt und unsere Solidarität.

Politische und gesellschaftliche Gegenwehr ist dort notwendig, wo diejenigen, die gegen Nazis aktiv werden, von Verfassungsschutz, Polizei und Staatsanwaltschaften kriminalisiert werden, wie dies aktuell dem Träger des ersten Thüringer Demokratiepreises, dem Jenaer Jugendpfarrer Lothar König, passiert, dem in einem politischen Prozess in Dresden Landfriedensbruch vorgeworfen wird. Sein Engagement steht für die Tausenden, die unsere Demokratie verteidigen, indem sie sich Nazis in den Weg stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Einsatzlagen wie in Magdeburg, bei denen die Polizei - im Übrigen parteilich für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, nicht neutral - Ordnung und Sicherheit ebenso aufrechterhalten muss, wie sie die Grundrechte aller in Ausgleich bringen muss, sind zweifellos eine Herausforderung.

Meine Fraktion erkennt die nicht immer einfache Arbeit der Polizei in diesem Zusammenhang an. Gerade im demokratischen Rechtsstaat bleibt die Beobachtung der Polizei durch unabhängige Dritte - ja, auch und besonders durch Vertreter des Parlaments - eine Notwendigkeit. Sie ist weder Ausdruck eines speziellen Misstrauens noch ein Sittenverfall oder gar ein Zivilisationsbruch. Stattdessen ist sie gelebter Ausdruck der gewaltengeteilten Demokratie.

(Zustimmung von Herrn Erdmenger, GRÜ- NE)

Meine Fraktion wird auch in Zukunft jeden Versuch zurückweisen, unabhängige oder parlamentarische Polizeibeobachterinnen zu diskreditieren oder sie einzuschüchtern - unabhängig, von wem entsprechende Aktivitäten ausgehen.

(Zustimmung von Herrn Erdmenger, GRÜ- NE, und von der LINKEN)

Danke sehr, Herr Kollege Striegel. - Für die CDUFraktion spricht der Abgeordnete Herr Kolze.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ursprungsantrag der LINKEN beinhaltet eine Bewertung des Demonstrationsgeschehens vom 12. Januar 2013, die wir so nicht teilen. Sie wollen uns erklären, wie Sie sich Demokratie vorstellen und welche Maßnahmen zur Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements dringend notwendig sind.

Es ist offensichtlich: Ihr Antrag ist in diesem Hohen Haus nicht mehrheitsfähig. Anscheinend ist der Ursprungsantrag noch nicht einmal in Ihrer Fraktion mehrheitsfähig. Ich kann es mir nicht anders erklären; denn Sie haben in der abschließenden Ausschussbefassung dem Änderungsantrag der Bündnisgrünen zugestimmt.

Gleichwohl - das gebe ich zu - kann man ihn aber auch nicht ablehnen. Daher werden die Koalitionsfraktionen mit der Zustimmung zur Beschlussempfehlung eine Änderung Ihres Antrags herbeiführen. Betrachten Sie die Beschlussempfehlung als wesensgleiches Minus zu Ihrem Ursprungsantrag.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch die „Meile der Demokratie“, durch friedliche Gegendemonstrationen im gesamten Stadtgebiet, aber auch durch das Großaufgebot der Polizei und die Änderung der Demonstrationsroute weitab vom Zentrum konnte erfolgreich verhindert werden, dass Rechtsextremisten das Gedenken an die Zerstörung Magdeburgs für ihre menschenverachtende Gesinnung missbrauchen konnten. In Magdeburg wurde damit - wie auch in Dresden und Dessau - ein klares Signal gegen Rechtsextremismus und Rassismus und für Weltoffenheit und Toleranz gesetzt.

(Zustimmung bei der CDU)