Protokoll der Sitzung vom 12.12.2013

Vielen Dank, Frau Kollegin Bull. - Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Dorgerloh. Bitte schön, Herr Minister.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag wird ein Thema aufgegriffen, das in Auswertung des Endberichts der wissenschaftlichen Begleitung des ESFProgramms und in Vorbereitung der kommenden EU-Förderperiode Anlass für eine genauere Betrachtung ist.

Die Förderrichtlinie zum Schulerfolgsprogramm ist seit dem Jahr 2008 gültig. Darin wird ausgeführt, dass Personalausgaben für sozialpädagogisches Fachpersonal bis zur Entgeltgruppe 9 TV-L förderfähig sind. Die für eine tarifgerechte Einstufung der Beschäftigten notwendigen Voraussetzungen sind durch die freien Träger anhand der Qualifikation und einer Tätigkeitsbeschreibung bei der Antragstellung nachzuweisen.

Hinsichtlich der tatsächlich gezahlten Vergütung zeigt sich kein einheitliches Bild; Frau Bull hat es gerade beschrieben. Die Unterschiede liegen vor allem in den verschiedenen tariflichen Voraussetzungen der Zuwendungsempfänger begründet. Es gibt Träger, die nach TV-L vergüten. Andere zahlen Haustarife mit Löhnen unterhalb des Niveaus des TV-L, in Einzelfällen aber auch darüber. Bei den Letztgenannten erfolgen nach Prüfung der Einhaltung des Besserstellungsverbots Kürzungen durch die Bewilligungsbehörde, weil die Förderrichtlinie eben sagt: förderfähig sind nur Löhne bis Entgeltgruppe 9 TV-L.

Grundsätzlich muss man sagen, dass alle vorgenannten Vergütungsverfahren richtlinienkonform sind.

Eine Änderung der Förderrichtlinie unmittelbar vor dem Abschluss der EU-Förderperiode, wie es der Antrag vorsieht, ist aus vielen Gründen problematisch. Ich will kurz drei Gründe nennen, die unterschiedlich gewichtet sind.

Erstens. Eine rechtssichere Änderung der Richtlinie in Bezug auf die Eingruppierung der Schulsozialarbeiter in eine höhere Tarifgruppe muss mit der EU-Verwaltungsbehörde abgestimmt und von dieser auch genehmigt werden.

Zweitens. Die Änderung der Richtlinien ist in diesem speziellen Fall mit den Akteuren, den freien Träger der Jugendhilfe, den kommunalen Spitzenverbänden, den öffentlichen Träger der Jugendhilfe, dem Landesjugendamt und dem Sozialministerium, abzustimmen bzw. diese sind anzuhören.

Das heißt, allein wenn man diese beiden Punkte nimmt, dann stellt man fest, dass es ein sehr aufwendiges Verfahren ist.

Drittens. Da die ESF-Mittel in der laufenden Förderperiode sowie der dann folgende Lückenschluss komplett für die kontinuierliche Fortsetzung aller Projekte bis zu einer Einstufung maximal nach Entgeltgruppe 9 geplant sind, würde eine Höhergruppierung zwangsläufig zur Beendigung von ca. 35 Projekten führen. Das ist die Frage, die Herr Borgwardt eben gestellt hat. Also ungefähr 35 Projekte würden wegfallen, wenn wir das jetzt in dieser Form machen würden.

Verehrte Frau Bull, ich kann und möchte Ihnen aber zusagen, dass wir in Vorbereitung der neuen Förderperiode eine verbindliche Eingruppierung unter Wahrung der Tarifautonomie vornehmen werden.

(Frau Bull, DIE LINKE: Darum geht es!)

Dazu gehört auch eine Prüfung im Rahmen der mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, ob künftig nur jenen Trägern Zuwendungen gewährt werden, die nicht nur eine hohe Fachlichkeit sichern, sondern auch in angemessener Form nach öffentlichem Tarif entlohnen. Das sollten wir uns aber noch im Detail anschauen, auch bezogen auf die Fragen, wie viele Träger wir haben, wie breit das Netz ist und ob die Träger das schaffen, was wir uns vorstellen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. Es gibt Fragen von Frau Bull und von Herrn Gallert. Zuerst Frau Bull und dann Herrn Gallert? - Sie haben sich so geeinigt. Wunderbar. Bitte.

Herr Minister, vielen Dank für die Zusage. Mich hat die Zahl 35 aber stutzig gemacht. Das ist eine sehr hohe Zahl. Sind Sie in der Lage, das zu berech

nen? Wie haben Sie das gemacht? Auf die Frage, wie die Einkommensverhältnisse bei den Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern vor Ort aussehen, hat mir die Landesregierung geantwortet, dass dazu keine Daten erhoben werden.

Das ist eine geschätzte Zahl, die hier in der Zuarbeit meines Hauses steht. Es geht um ungefähr 1,9 Millionen € bis 2 Millionen €. Es ist eine geschätzte Zahl, die wir auf die Zahl der Projekte hochgerechnet haben.

Herr Gallert.

Mir geht es auch um die Relation. Es ist geschätzt. Ich würde gern die Bezugsgrößen erfahren. Wenn ich richtig informiert bin, dann haben wir ungefähr 230

(Frau Bull, DIE LINKE: 220!)

- 220, gut - Schulsozialarbeiter in dem ESF-Programm. Wenn wir diese 220 Schulsozialarbeiter tariflich bezahlen würden, dann würden 35 Stellen wegfallen?

Nein. Die werden nach Tarif bezahlt, aber erstens sind es unterschiedliche Tarife und zweitens sind sie unterschiedlich eingestuft

Wenn wir die nach TVöD bezahlen würden - -

und alle nach der gleichen Endstufe sozusagen, unabhängig davon, wie es die einzelnen Träger gemacht haben.

Es gibt ja immer einen Träger, der einen Antrag für eine entsprechende Stelle stellt und diese Stelle ausschreibt usw. Wir müssten mit allen Trägern, mit der EU-Verwaltungsbehörde und mit den Ministerien reden. Das wäre ein ziemlich großer Anhörungsprozess. Einfacher als die bestehenden Verhältnisse zu ändern ist es, es in der neuen Förderrichtlinie gleich so zu verankern.

Ja. Mir geht es nur um die Relation. Das ist auch argumentativ gegenüber den Trägern wichtig. Wenn alle 220 Schulsozialarbeiter richtig eingruppiert werden nach TVöD und dann 35 Stellen wegfallen würden, dann heißt das, dass die fast alle 17 bis 18 % unter Tarif nach TVöD bezahlt werden. Ansonsten komme ich bei 220 Stellen nicht

auf 35 Stellen, die wegfallen würden. Dann bedeutete das, dass wir in diesem Bereich durchschnittlich ein massives Unterschreiten des eigentlichen Lohngefüges hätten.

Das kann ich weder bestätigen noch negieren.

Aber es ist mathematisch logisch.

Das sagen Sie! Wir haben für die nächste Runde mehr ESF-Mittel beantragt. Dann kriegen wir das hin, denke ich.

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir treten in die vereinbarte Fünfminutendebatte ein. Als Erste spricht für die CDU-Fraktion die Abgeordnete Frau KochKupfer. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der hier zur Diskussion stehende Antrag und das damit verbundene Problem greifen neben dem von meinen Vorrednern erläuterten formalen Kontext und den tatsächlichen individuellen Problemen vor Ort meiner Meinung nach auch einen weiteren wesentlichen Aspekt für Erfolg und Motivation in der Arbeitswelt auf.

Sie erwarten sicherlich, dass ich mich hier für meine Fraktion grundsätzlich zu dem Problem positioniere. Wenn wir über Erfolg und Motivation in der Arbeitswelt nachdenken, stellen wir fest, dass es in der Forschung - da stimme ich Frau Bull grundsätzlich zu - um Wertschätzung geht, und zwar für eine erbrachte Leistung. Wertschätzung ist ein menschliches Grundbedürfnis. Ohne Wertschätzung folgt Demotivation, manchmal sogar eine Gefährdung für die Gesundheit von Mitarbeitern.

Wie kann Wertschätzung zum Ausdruck gebracht werden? Zum einen durch einen anerkennenden Umgang, zum anderen durch Aufmerksamkeit. Ich möchte es nicht verhehlen: Im Zusammenhang mit dem Thema Schulsozialarbeit betrat meine Fraktion, die CDU-Fraktion, zunächst einmal Neuland und musste sich zu diesem Thema verhalten. Das war ein nicht ganz einfacher Prozess. Heute allerdings kann ich sagen, dass wir Schulsozialarbeit durchaus als einen wesentlichen Bestandteil im pädagogischen Kontext anerkennen und ihren Wert sehen.

Mitarbeiter brauchen für eine dauerhafte Motivation natürlich auch das Gefühl und das Empfinden von Gerechtigkeit in Behandlung und Bezahlung. Deswegen greift der Antrag der Fraktion DIE LIN

KE in seiner Zielsetzung ein Problem auf, das aller Ehren wert ist.

Der zuständige Minister hat eben berichtet, dass dieses Problem im Ministerium angekommen ist und das Ministerium die Förderrichtlinie überarbeiten wird. Der zuständige Ausschuss sollte diesen Prozess - das kann ich für meine Fraktion konstatieren - aktiv begleiten.

Die CDU-Fraktion plädiert dafür, den vorliegenden Antrag in den zuständigen Ausschuss für Bildung und Kultur zu überweisen, und verbindet damit den Wunsch einer förderlichen Klärung des im Antrag aufgeworfenen Problems. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Frau Professor Dalbert. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank an die Fraktion DIE LINKE für ihren Antrag. Sie greifen hier ein zentrales Problem auf, das sich aus der Sicht meiner Fraktion in drei Punkte gliedern lässt.

Das erste Problem, das Sie feststellen, ist, dass Schulsozialarbeit nicht so bezahlt wird, wie die Richtlinie es erlauben würde. Sehr geschätzte Frau Kollegin Koch-Kupfer, ich glaube, es geht nicht nur um Gefühle und Wertschätzung, sondern es geht um gerechte Bezahlung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Zu diesem Problem sind zwei interessante Dinge zu bemerken, um die sich die Debatte eben bereits rankte. Zum einen ist es interessant, dass wir anhand der Antworten auf die Kleine Anfrage feststellen können, dass massive Abweichungen von bis zu 19 % nach unten zu beobachten sind. Das ist ein Warnsignal bei dieser ohnehin schon prekären Einstufung in die Entgeltgruppe 9 des TV-L. Insofern sind wir Ihnen dankbar, dass Sie dieses Problem aufgreifen.

Zum anderen ist in diesem Zusammenhang die Aussage der Landesregierung interessant - die sich eben noch einmal erhärtet hat -, dass sie nicht weiß, wie viele Personen das betrifft. Es gibt also je nach Jahr zwischen 210 und 280 Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter - das variiert -, und die Landesregierung weiß nicht, um wie viele Personen mit zu geringer Bezahlung es sich hierbei handelt. Das macht noch einmal das Problem deutlich, dass eine unangemessene Bezahlung an verschiedenen Stellen im Land erfolgt und die

Richtlinie nicht ausgeschöpft wird. Das ist das eine Problem.

Das zweite Problem, das Sie mit Ihrem Antrag aufgreifen, ist, dass Entgeltgruppe 9 TV-L keine angemessene Bezahlung für einen Beruf ist, der ein Hochschulstudium voraussetzt - denn davon reden wir hier.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Insofern halte ich es für hoch notwendig, dass hierbei eine Änderung vorgenommen wird. Frau Bull, hier erlaube ich mir eine kritische Anmerkung. Ich verstehe diesen Zwiespalt. Er begleitet uns in den unterschiedlichsten Feldern, ob das die Theater mit den Haustarifverträgen sind oder ob das die Schulsozialarbeit ist, wo nach TV-L 9 eingruppiert wird. Ich halte es aber nicht für angemessen, dass man Leute nicht ihrer Ausbildung und Verantwortung entsprechend bezahlt. Man kann Probleme im Land - egal ob im kulturellen, sozialen oder im Bildungsbereich - nicht dauerhaft lösen, indem man Leute unangemessen bezahlt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)