Eine abschließende Beratung zu dem Entschließungsantrag fand am 12. März 2015 statt. Zur Beratung lag dem Ausschuss ein von den Fraktionen der CDU und der SPD eingereichter Beschlussvorschlag vor. In diesem Beschlussvorschlag findet sich im Gegensatz zu dem ursprünglichen, von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegten Entschließungsantrag das Bekenntnis, weiterhin zu den Leitlinien für die Unterbringung und soziale Betreuung von nicht dauerhaft aufenthaltsberechtigten Ausländerinnen und Ausländern vom 15. Januar 2013 zu stehen.
Die Kommunen sind bemüht, die Leitlinien auch weiterhin umzusetzen, wobei sich der Anteil der nicht dezentral Untergebrachten vor dem Hintergrund der wachsenden Anzahl von Flüchtlingen und Asylsuchenden im Moment nicht reduzieren lässt. Eine gesetzliche Festlegung dazu lehnten die Koalitionsfraktionen ab.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Beschlussvorschlag der regierungstragenden Fraktionen kam zur Abstimmung und wurde mit 6 : 5 : 1 Stimmen angenommen. Im Namen des Ausschusses für Inneres und Sport darf ich um Ihre Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung in der Drs. 6/3877 bitten. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank.
Danke sehr für die Berichterstattung, Kollege Dr. Brachmann. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Stahlknecht. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen stellt eine besondere Herausforderung dar. Wir haben auch in diesem Jahr eine steigende Zahl von Asylsuchenden zu verzeichnen. Im
Jahr 2013 gab es in Sachsen-Anhalt 3 405 Asylanträge; im Jahr 2014 verzeichnete unser Land 6 618 Erstanträge. Das entspricht einer Verdoppelung. Nach der letzten Prognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erwarten wir im Jahr 2015 mindestens 7 140 Asylanträge.
Wir nehmen die Herausforderungen ernst. Ich bin dankbar dafür, dass sich der Ausschuss für Inneres und Sport in den letzten Sitzungen sehr intensiv mit dieser Frage beschäftigt hat.
Die auskömmliche Finanzierung der Landkreise und kreisfreien Städte für die Aufgaben der Aufnahme und Unterbringung ist ein besonderer Schwerpunkt und liegt im besonderen Interesse des Landes. Daher haben wir die Kostenerstattung im Wege der Auftragskostenpauschale in § 4a des Finanzausgleichsgesetzes mit einer neuen Regelung ausgestattet. Wir stellen in diesem Jahr Mittel in Höhe von mehr als 60 Millionen € zur Verfügung. Darin sind Bundesmittel in Höhe von 13,5 Millionen € inkludiert. Wir haben in dieser Woche veranlasst, dass der erste Teil in Höhe von 6,5 Millionen € unbürokratisch an die Aufnahmekommunen ausgezahlt wird.
Wir wollen weiterhin dezentral unterbringen; auch das ist in den Leitlinien festgestellt worden. Die Leitlinien werden einem Monitoring unterzogen, und es wird überlegt, ob es noch weitere Verbesserungen gibt.
Das soll es von meiner Seite aus gewesen sein. Ich denke, wir werden gemeinsam die vor uns liegenden Aufgaben lösen, die die Situation mitbringt, dass die Welt in Bewegung ist und Menschen zu uns kommen, die Schutz suchen und ein Schutzbedürfnis haben. Insofern kann ich zu der Beschlussempfehlung eigentlich nur meine Zustimmung signalisieren. - Herzlichen Dank.
Danke sehr, Herr Minister. - Wir treten in eine Fünfminutendebatte ein. Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abgeordnete Frau Quade.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird dieser Beschlussempfehlung nicht zustimmen.
Die Beantwortung der Großen Anfrage ermöglichte einen umfassenden und detaillierten Blick auf die Unterbringungs- und die Betreuungssituation von Asylsuchenden und Geflüchteten in Sachsen-Anhalt und erlaubte eben auch einen ebenso detaillierten Blick auf sich daraus ergebende Probleme, auf bestehende Probleme, auf Defizite und Unzulänglichkeiten - und die sind nicht zu knapp - und gab ein Stück weit Aufschluss zu der Frage, wie
Mit dem mittlerweile vorgelegten Monitoringbericht zum Erlass der Landesregierung wird das noch einmal präzisiert und vertieft. Wenn man sich das anschaut, dann wird deutlich: Die im Ursprungsantrag vorgeschlagenen und geforderten Punkte sind einfach völlig richtig.
Die Richtlinie wird ihrem empfehlenden Charakter entsprechend eben nicht umfassend umgesetzt. Die Zielstellung, Familien dezentral unterzubringen, wird nicht umfassend erfüllt. Auch wenn die Anzahl der dezentral untergebrachten Familien gestiegen ist - was mich freut, was ich anerkenne und was ich auch zu würdigen weiß, gerade unter den schwierigen Bedingungen -, bleibt es bei den steigenden Aufnahmezahlen insgesamt bei 78 % der Familien, die dezentral untergebracht sind. Das sind eben nicht alle. Und auch wenn die Verweildauer in den Gemeinschaftsunterkünften kürzer geworden ist - es bleibt dabei: Die Vorgaben des Erlasses werden nicht umfassend erfüllt.
Die Vorgaben zur Größe der Gemeinschaftsunterkünfte werden ebenfalls nicht konsequent berücksichtigt. Eine Kapazität von maximal 150 Plätzen plus 50 Plätze Reserve ist die Empfehlung. Deutlich größere Gemeinschaftsunterkünfte, teilweise mit mehr als 300 Plätzen, sind die Realität. Gemeinschaftsräume, Kinderspielzimmer, Krankenzimmer, Räume zum Wäschewaschen und -trocknen, Waschmaschinen und Kochmöglichkeiten sind nach wie vor nicht überall in dem vorgeschriebenen bzw. empfohlenen Maße vorhanden.
Ein besonderes Problem ist die soziale Betreuung. Nur etwas mehr als die Hälfte der eingesetzten Betreuungskräfte ist mit der geeigneten und in der Leitlinie geforderten Qualifikation ausgestattet. Man muss dazu sagen, dass auch diese Vorgaben die Messlatte nicht allzu hoch hängen. Das zeigt: Ja, natürlich, es gibt durchaus Verbesserungen, aber von einer umfassenden Umsetzung der Leitlinien kann man nicht sprechen.
Ein Bekenntnis des Landtages zu diesen Leitlinien, wie es die Beschlussempfehlung vorsieht, scheint für meine Fraktion deshalb ein wenig anachronistisch, vor allem aber auch nicht weitgehend genug. Es braucht verbindliche Vorgaben und es braucht eine gesetzliche Regelung, die die dezentrale Unterbringung zur Regel und die Gemeinschaftsunterbringung zur Ausnahme bzw. zur Übergangslösung macht.
Die Beschlussempfehlung schreibt den Status quo fest und erhebt bereits getroffene Entscheidungen zum Gegenstand eines Beschlusses. Das ändert an der Situation, wie auch immer man diese findet
Zentrale Handlungsfelder, wie zum Beispiel intensivere und engmaschigere Kontrollen durch das Landesverwaltungsamt, die im Ursprungsantrag sehr zu Recht aufgezeigt worden sind, fehlen in der Beschlussempfehlung. Bereits existierende Finanzierungslücken für die Kommunen werden weiterhin ignoriert. Eine Idee für die Fortentwicklung der Abrechnungsmodalitäten, der Abrechnungspraxis, für eine Anpassung an die tatsächlichen Bedarfe der Kommunen fehlt. Deshalb ist diese Beschlussempfehlung für uns nicht zustimmungsfähig.
Der vorgelegte Änderungsantrag der Kollegen von den Grünen greift die wichtigsten Punkte aus dem Ursprungsantrag noch einmal auf. Meine Fraktion wird diesen selbstverständlich mittragen. Das ist völlig richtig.
Weil eine Mehrheit für diese Beschlussempfehlung im Hause absehbar ist, möchte ich noch einen Satz sagen: Einen Landtagsbeschluss, der auflistet, was bereits an anderer Stelle entschieden worden ist, braucht tatsächlich kein Mensch. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts der weltweiten Krisen geht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge davon aus, dass wir mindestens 300 000 Asylanträge zu erwarten haben. Einige Bundesländer rechnen sogar mit 500 000 Asylanträgen. Im letzten Jahr waren es noch etwas mehr als 200 000 Anträge.
Deutschland wird seiner humanitären Verantwortung gerecht und nimmt nach Kräften Asylsuchende und Flüchtlinge auf. Auch das gehört zur Wahrheit: Die ansteigenden Asylbewerberzahlen sind eine logische Konsequenz aus den im internationalen Vergleich hohen Unterbringungsstandards und Sozialleistungen. Im ersten Halbjahr 2014 wurden in Deutschland knapp 100 000 Asylanträge gestellt. In Estland waren es nur 70 und in der Tschechischen Republik 560 Anträge.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kommen wir nunmehr auf unser Bundesland zu sprechen. Wir können im Jahr 2015 für unser Bundesland 9 000 bis 10 000 Asylantragsteller prognostizieren.
Es besteht absolute Einigkeit darin: Die Unterbringung von Asylsuchenden und geduldeten ehemaligen Asylbewerbern, deren Antrag rechtskräftig
abgelehnt worden ist, muss einen Standard haben, der die Würde des einzelnen Menschen achtet. Wir brauchen humanitäre Mindeststandards für die Aufnahme, Unterbringung und soziale Betreuung.
Die Unterbringung von Asylbewerbern und von Geduldeten wird in der Bundesrepublik durch das Asylverfahrensgesetz geregelt. Nach dem Asylverfahrensgesetz sollen Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben und nicht oder nicht mehr verpflichtet sind, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen, in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Wir haben damit eine bundesgesetzliche Vorgabe, die eine generelle Wohnungsunterbringung von Asylbewerbern ausschließt.
Das Ministerium des Inneren hat bereits unter Minister Hövelmann in der letzten Wahlperiode Landkreise und kreisfreie Städte gebeten, Familien und Alleinstehende mit Kindern nach Möglichkeit in Wohnungen unterzubringen. Mit Beginn des Jahres 2013 hat Minister Stahlknecht klare Leitlinien für die Unterbringung und soziale Betreuung von nicht dauerhaft aufenthaltsberechtigten Ausländern eingeführt. Es gibt Länder, etwa Nordrhein-Westfalen, die solche Leitlinien für die Unterbringung nicht haben.
Der Runderlass des Ministeriums als Handlungsempfehlung an die Landkreise und kreisfreien Städte sieht vor, dass Familien und Alleinerziehende mit mindestens einem Kind vorrangig in Wohnungen unterzubringen sind. Weiterhin sieht der Erlass für jeden eine Wohnungsunterbringung spätestens nach dem Ablauf von drei Jahren der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften vor.
Schauen wir uns das Monitoring der Leitlinien näher an. Die Zahl der asylbegehrenden und geduldeten Ausländer ist im Land Sachsen-Anhalt von knapp 4 000 zum Ende 2012 auf mehr als 8 000 im Jahr 2014 gestiegen. Obwohl die Zahl der aufzunehmenden Ausländer stark angestiegen ist und auch weiterhin steigen wird, haben es das Land und die Landkreise sowie die kreisfreien Städte geschafft, die Unterbringungsverhältnisse zu verbessern. Die Unterbringung der nicht dauerhaft aufenthaltsberechtigten Ausländer in Wohnungen wurde von 48 % im Jahr 2012 auf nunmehr 64 % erhöht. Damit liegen wir klar über dem Bundesdurchschnitt von 55 %.
Als Fazit des Monitorings können wir festhalten, dass die Handlungsempfehlungen für die Unterbringung und die soziale Betreuung durch die Aufgabenträger mit großem Verantwortungsbewusstsein in vielen Bereichen gut umgesetzt werden. Die Empfehlungen zur Wohnungsunterbringung wurden generell angenommen. Die Standards der Gemeinschaftsunterkünfte bezüglich materieller und personeller Ausstattung haben sich im Allgemeinen verbessert.
Ich bitte Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport. - Vielen Dank.
Danke sehr, Kollege Kolze. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Herr Herbst. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, die Große Anfrage, die die zweite dieser Art ist - wir werden auch eine Folgeanfrage stellen, das kann ich an dieser Stelle gleich ankündigen - ist wichtig. Sie ist wichtig, weil sie Transparenz und Öffentlichkeit herstellt, weil sie nicht nur das Parlament informiert, sondern auch die Fachverbände und die interessierte Öffentlichkeit.
Sie trägt gerade deswegen dazu bei, dass eine Grauzone, ein Bereich, der in den letzten zwei Jahrzehnten der Existenz unseres Bundeslandes nicht genug Aufmerksamkeit bekommen hat, nämlich die Unterbringung und soziale Betreuung von Asylsuchenden, beleuchtet wird, sodass man überhaupt erst einmal Änderungen anstrengen kann.
Lieber Herr Kollege Kolze! Wir müssen heute konstatieren, auch nach dem Monitoring der Leitlinien, dass die Leitlinien in den Unterkünften im Land, wenn wir die Leitlinien als Qualitätsmaßstab ansetzen, zum großen Teil eben noch nicht eingehalten werden. Es sind ganz grundlegende Dinge, auch einfachere Dinge wie Mindestgrößen von Zimmern, die Anzahl der Sozialbetreuerinnen und -betreuer, die oft noch immer nicht über die entsprechende Ausbildung verfügen. Es sind aber auch andere Rahmenbedingungen, die letztlich dazu führen - dies betrifft die oft noch isoliert liegenden Einrichtungen -, dass man in einer gröberen Draufschau zu keiner anderen Schlussfolgerung kommen kann, als dass unsere Unterkünfte im Land teilweise nicht menschenrechtskonform sind.
Sie schränken das Menschenrecht auf gesundheitliche Unversehrtheit und andere, den Zugang zu Bildung und anderem ein.