Protokoll der Sitzung vom 26.01.2023

(Nicole Anger, DIE LINKE, steht am Saalmik- rofon)

Frau Anger, wir sind in einer Dreiminutendebatte, deshalb gibt es nicht noch eine Verlängerung. - Danke, Frau Schneider. - Dann geht es weiter. Für die GRÜNEN spricht Frau Sziborra-Seidlitz. - Sie haben das Wort.

Vielen Dank. -Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich könnte meinen Redebeitrag zur Einbringung des ursprünglichen Antrags an dieser Stelle im Grunde genommen nur wiederholen. Long und Post Covid, aber vor allem die von lang an- haltenden Gesundheitseinschränkungen betroffenen Menschen werden uns leider noch

lange beschäftigen. Die Entwicklung zielgerichteter und wirksamer Behandlungsmethoden, flächendeckender Beratungsangebote und

einer gesellschaftlichen Sensibilisierung für diese Erkrankungen wird nicht schon morgen erreicht sein.

Auch die Anerkennung einer Long-Covid-Erkrankung als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit ist aktuell ein schwieriger Prozess. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ im Dezember noch meldete, haben ca. 500 000 Menschen in Deutschland eine Coronainfektion als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit angemeldet. Aber außer bei Pflegekräften oder Ärzten wird bis- her nur ein kleiner Teil dieser Anträge anerkannt.

Für die Betroffenen, z. B. Erzieherinnen, die sich auch in Sachsen-Anhalt überdurchschnittlich häufig mit Corona angesteckt haben, heißt es dann im schlimmsten Fall, dass sie, wenn die Erkrankung - wie es der Name ja schon sagt - länger dauert und die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt, in die Sozialhilfe rutschen. Neben dem gesundheitlichen Leid kommt also auch eine ganz konkrete Armutsgefährdung hinzu.

Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass das Land sein Möglichstes tut: Informationen sammeln und aufbereiten, Akteure vernetzen, immer und immer wieder aus- und ansprechen, auch im Austausch mit der Selbstverwaltung und mit den Krankenkassen, den wissenschaftlichen Diskurs intensiv verfolgen und vorantreiben und natürlich die epidemiologische Lage im Blick behalten - das auch insbesondere, damit sich unser Land aktiv einbringen kann bei der Erarbeitung und Fortschreibung des Nationalen Aktionsplans für das Post-CovidSyndrom.

Sachsen-Anhalt muss sich bei der avisierten Schaffung eines deutschlandweiten Netzwerkes

von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen in Stellung bringen, damit diese vom Bund geplanten Strukturen auch hierzulande Standorte finden und den Menschen helfen können.

Auch wenn die vorliegende Beschlussempfehlung eine weitere Behandlung des Themas im Sozialausschuss nicht vorsieht, so sollten wir als Landtag das Thema nicht ad acta legen. Es wird uns noch lange beschäftigen. Gerade die Punkte des Nationalen Aktionsplans und der angesprochenen Versorgungsstrukturen sollten wir beizeiten im Ausschuss wieder aufrufen und regelmäßig im Blick behalten. Wir werden uns trotzdem der Stimme enthalten. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion spricht Herr Pott. - Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Long und Post Covid bezeichnen längerfristige gesundheitliche Folgen, die nach einer Covid-19-Infektion auf- treten. Wie bereits Kollegin Schneider gesagt hat, glaube ich, dass wir im Sozialausschuss insgesamt eine gute Beschlussempfehlung zusammenbekommen haben, die viele unterschiedliche Punkte aufgreift.

Uns ist allen bewusst, dass es Probleme gibt, auch bei der Versorgung, und dass Betroffene noch zu häufig alleingelassen sind. Das liegt

aber auch daran, dass noch nicht so viel über Long Covid bekannt ist, wie wir uns das mit Sicherheit gern wünschen. Deswegen haben wir einen entscheidenden Schwerpunkt auf das Thema Forschung gelegt.

Ich glaube, es ist der richtige Schritt, dass wir versuchen, die Kompetenzen zu bündeln und nicht immer wieder einzelne kleine Forschungsvorhaben aufzumachen. Daher ist es richtig, auch die Bestrebung auf Bundesebene zu unterstützen, damit wir durch das Bündeln von Kompetenzen zu einem guten Forschungsergebnis und zu einem zügigen Forschungsfortschritt kommen.

(Zustimmung bei der FDP)

In Sachsen-Anhalt gibt es durchaus Anlaufstellen; auch das hat die Kollegin Schneider angesprochen. Deswegen ist es gut, wenn das Ministerium darauf in Zukunft verstärkt verweisen wird. Auch dabei geht es darum, Kompetenzen zu bündeln und den Betroffenen so gut zu helfen, wie es möglich ist. Das kann nur funktionieren, wenn die Betroffenen sehr schnell und ohne große Hürden an diese Informationen kommen. Das steht in der Beschlussempfehlung; auch, dass wir die Ärztinnen und Ärzte informieren und sensibilisieren wollen. Das ist wichtig, damit die ersten Ansprechpartner der Betroffenen darauf verweisen können. Deshalb bitte ich um Zustimmung zur Beschlussempfehlung. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Dann kommen wir zur Fraktion DIE LINKE und Frau Anger. - Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor nunmehr fast einem Jahr hat meine Fraktion den hier vorliegenden Antrag eingebracht. Bereits damals brauchten an Long und Post Covid Erkrankte schnellstmöglich Hilfe. Passiert ist seitdem gar nichts, um es ganz deutlich zu sagen. Schon damals habe ich darauf verwiesen, dass wir extrem schlecht auf die gesundheitlichen Folgen der Pandemie vorbereitet sind, wenn wir nicht handeln.

Mittlerweile ist die Zahl der Betroffenen weiter angestiegen. Wir haben in unserem Antrag ganz konkrete Vorschläge gemacht, an welchen Stellen wir ansetzen können und vor allem ansetzen müssen, um erkrankten Personen effektiv Hilfestellung zu geben. In der hier vorliegenden Beschlussempfehlung steht, was Sie daraus gemacht haben: nichts, schlichtweg nichts. Ein Nichts, das Sie mit ganz vielen inhaltsleeren Phrasen verpacken. Sie haben es innerhalb eines Jahres nicht einmal geschafft, sich um eine Webseite mit speziellen Informationen für Sachsen-Anhalt zu kümmern. Ich gehe auch ganz stark davon aus, dass Sie sich in diesem Jahr nicht einmal das Beispiel angesehen haben, welches ich genannt habe.

Kurzum: Uns liegt ein Ergebnis vor, das uns nicht voranbringt und das vor allem für die Betroffenen keine Hilfe ist.

Die große Rettungsrolle soll jetzt wie so oft der Bund übernehmen. Nur wird auch dadurch nicht viel passieren. Dort soll es eine Hotline für Betroffene geben? Ich kann Ihnen sagen, wie die Hotline helfen kann. Schauen wir auf die Webseite von Long Covid Deutschland und suchen dort nach spezialisierten

Mediziner*innen, finden wir für Sachsen-Anhalt niemanden. Wen soll also die Hotline empfehlen?

Informationsmaterial wurde vonseiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bereitgestellt. Infomaterial, welches Rehas anpreist und Belastungsintoleranzen völlig ignoriert - absolute Unkenntnis. Das scheint auch bei der Gesundheitsministerin noch nicht angekommen zu sein.

Das angedachte Netzwerk, meine Damen und Herren, wurde erst einmal verschoben. Welche Kompetenzzentren will man denn auch vernetzen in einem Netzwerk, wenn es keine gibt? Es geht um Hunderttausende Menschen in unserem Land, die unter Long Covid, Post Covid oder auch unter ME/CFS, als Folge da- von, leiden. Es geht auch um ihre Angehörigen. Ihnen läuft die Zeit weg. Sie sind dringend auf schnelle Hilfe angewiesen. Sie hoffen, dass die Politik sie unterstützt und handelt. Die beiden Ambulanzen in Bayern und Berlin schaffen das nicht.

Gerade in der letzten Woche machten viele Betroffene von ME/CFS vor dem Bundestag auf diese Situation aufmerksam. Die Debatte zu ME/CFS im Bundestag habe ich optimistisch verfolgt. Dort fand man parteiübergreifend zwischen den demokratischen Fraktionen einen guten Konsens zum Wohle der erkrankten Personen. Einen solchen guten Konsens hätten wir auch heute hier beschließen können. Aber Ihre Beschlussempfehlung bleibt leider weit hinter alldem deutlich zurück.

Sie hinterlassen bei mir nicht nur den Eindruck, dass Ihnen die Vorstellung fehlt, wie schwer es für die Betroffenen ist, Mediziner*innen zu finden, Beratung zu finden, Anlaufstellen zu

finden und sich mit der Komplexität der Langzeitfolgen von Covid und ME/CFS im Besonderen auseinanderzusetzen.

Dann gibt es immer noch diese irrtümlichen Diagnosen eines Erschöpfungssyndroms, oder schlimmer noch, es wird als psychosomatisch abgestempelt.

Es geht hierbei um viel mehr als Erschöpfung. Es geht um Belastungsintoleranzen. Diese Menschen brauchen dringend wohnortnahe und gute Behandlungsoptionen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Beschlussvorlage es leider keine Hilfe. So wichtig mir dieses Thema ist, aber dieser Beschlussempfehlung können wir nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Richter-Airijoki macht sich bereits auf den Weg. Sie wird die Debatte für die SPD-Fraktion beenden. - Sie haben das Wort.

Danke schön. Ich warte darauf, dass die Uhr angezeigt wird.

Frau Richter-Airijoki, es ist gar nicht in Ihrem Interesse, auf die Anzeige der Uhr zu warten.

Ach, na dann ist es ja gut.

Wenn Sie vorher beginnen, dann haben Sie mehr Zeit.

Dr. Heide Richter‐Airijoki (SPD):

Dann kann ich die Extrazeit auch nutzen?

Genau. Aber jetzt nicht mehr; denn jetzt sind zehn Sekunden weg.

Dr. Heide Richter‐Airijoki (SPD):

Danke, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich bitte um Ihre Zustimmung zur Beschlussempfehlung.

Im Einzelnen. Wenn die Covid-Infektion selbst überstanden ist und Folgebeschwerden bleiben, dann spricht man von Long Covid. Die Unterscheidung zwischen Long Covid, Post Covid, Chronischem Fatigue-Syndrom etc. ist nach neuesten Erkenntnissen wenig relevant.

Bleiben wir bei Long Covid. Es ist eine heimtückische postinfektiöse Erkrankung, die das Leben der Menschen komplett aus der Bahn werfen kann. Die Mechanismen und Ausmaße sind noch nicht vollständig geklärt; man vermutet jedoch unter anderem, dass persistente immunogene Virusreservoirs im Körper die

überschießende Immunreaktion auslösen. Ich gehe spontan auf das ein, was Herr Kirchner sagte: Impfnebenwirkungen hätten wahr

scheinlich den gleichen Mechanismus. - Nein, das ist keineswegs so. Das wurde in dieser Woche bei einem Webseminar der Deutschen Hochschulmedizin angesprochen.

(Zuruf von der AfD: Natürlich!)