Jedes Angebot, das Ihnen nicht passt, wird öffentlich kleingeredet. Die Ernsthaftigkeit dieser Vorschläge ist unbestritten. Deshalb: Nehmen Sie endlich diese Angebote an! Schlagen Sie den Unternehmen nicht die Tür vor der Nase zu, und entschwinden Sie nicht auf die nächste Party, Herr Wowereit! Fordern Sie doch die Unternehmen in einem Interessenbekundungsverfahren zur Angebotsabgabe auf! – Dann werden wir sehen, wer Recht hat. Bringen Sie nicht Ihr Standardargument, das da heißt: „Basta!“ – Das kann nicht das letzte Wort der Luftverkehrspolitik in dieser Stadt sein. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr von Lüdeke! Sie wollen originell sein, indem Sie den Begriff „Schließung Tempelhof“ in Gänsefüßchen setzen. Da haben Sie offenbar dem Springer-Verlag nacheifern wollen. Der war damals auch nicht so originell mit seinem Gänsefüßchenverfahren bezüglich der DDR.
Sie sind auch nicht besonders originell mit diesem Verfahren, aber den Versuch war es vielleicht wert, ein bisschen Amüsement herein zu bringen.
Das Flugwesen ist in diesem Hause immer eine Rederunde wert, und es wird niemanden verwundern: Das Flugwesen – es entwickelt sich! Das vollständige Zitat heißt: „Genossen Bauern – es entwickelt sich!“
Die Koalition hat sich zu Beginn ihrer Tätigkeit darauf konzentriert, die Altlasten zu beheben. Auch in diesem Projekt sind Altlasten enthalten. Die einvernehmliche und rechtssichere Beendigung des für die öffentliche Hand höchst riskanten Privatisierungsverfahrens gehört genauso dazu wie die Umstrukturierung der ehemaligen Flughafenholding BBF, die Ertüchtigung der Flughafengesellschaft Berlin-Schönefeld FBS und die Zurückführung der verschiedenen Tochtergesellschaften in die FBS.
Für Tempelhof tritt das beantragte Schließungsverfahren jetzt in seine Endphase. Der Antrag auf Aufhebung des gültigen Planfeststellungsbeschlusses wurde aus wirtschaftlichen Erwägungen verbunden mit dem Antrag auf Befreiung von der Betriebspflicht zum Oktober dieses Jahres. Dieser Schritt ist logisch und nachvollziehbar. Eine Befreiung von der Betriebspflicht ist nach dem Luftverkehrsrecht möglich. Sie wurde z. B. auch in Düsseldorf praktiziert. Sie wird in Tempelhof aus wirtschaftlichen Gründen beantragt. Das wollen Sie, werte Kollegen von der FDP und von der CDU, nicht akzeptieren und werfen deshalb mit Nebelkerzen.
Es wird behauptet, Tempelhof könnte wirtschaftlich betrieben werden, wenn man denn wollte. Das ist ein bewusst gestreutes Märchen. Tempelhof bringt jährliche Verluste von 15 bis 17 Millionen €. Diese Verluste resultieren entgegen der Behauptung von Tempelhofer Lobbyisten zu 60 % aus dem Luftverkehr.
Es wird behauptet, ein Weiterbetrieb von Tempelhof würde Schönefeld nicht belasten oder verhindern. Doch, Herr Kaczmarek, genau das würde es tun! Es ist die feste Absicht der Koalition, die Investitionskosten für Schönefeld zu einem großen Teil aus den Betriebsergebnissen der Flughafengesellschaft selbst zu erwirtschaften. Das ist nötig, um den Haushalt Berlins nicht über Gebühr zu belasten. Genau diese Betriebsergebnisse würden durch eine Fortführung des Flugbetriebes in Tempelhof enorm belastet werden. Die Kreditwürdigkeit der Flughafengesellschaft würde belastet. Der Businessplan für die Errichtung von Schönefeld würde belastet. Wer Tempelhof offen halten will, will Schönefeld verhindern. Das ist die nackte Wahrheit. Da hilft auch überhaupt kein Aufheulen.
Die Koalition hat sich dazu geeinigt, das Flugwesen zu entwickeln. Der Planfeststellungsbeschluss wird in diesem Jahr ergehen. Die Planfeststellungsanträge wurden in vielen wichtigen Belangen, insbesondere denen der Anwohner, der Umweltverträglichkeit, des Lärmschutzes und der Standortbegründung mehrfach überarbeitet. Aus dem Planfeststellungsbeschluss werden alle Sachverhalte der Standortentwicklung in Schönefeld ersichtlich sein, auch, ob der Standort überhaupt geeignet ist. Möglicherweise wird es auch Auflagen geben, die dann zu berücksichtigen sind, auch dann in dem Business-Plan und dem Finanzierungskonzept zu berücksichtigen sind. Das ist ganz klar.
Wollte man Tempelhof aus der Verlustzone bringen, müsste der Luftverkehr an diesem Standort mindestens vervierfacht werden.
Aber auch der Verlust ist nicht hinnehmbar. Gerade die FDP, die doch so für Wirtschaftskompetenz stehen will, sollte doch einmal bitte einem Unternehmer erklären, weshalb er gezwungenermaßen ein Verlustgeschäft fortführen soll. Das macht kein Unternehmer. Wenn aber die Verluste letztlich vom Steuerzahler getragen werden sollen, kennen FDP und CDU offensichtlich keine Grenzen. Die rot-rote Koalition wird ein bewusstes Ausplündern der Steuerkassen zu Gunsten einiger weniger Luftverkehrsgesellschaften nicht zulassen.
Den in Tempelhof ansässigen Luftverkehrsgesellschaften wird mitnichten eine Einstellung ihrer Geschäftstätigkeit abverlangt. Ihnen werden Möglichkeiten in Tegel und Schönefeld angeboten bis hin zu Umzugshilfen. Dazu laufen im Übrigen auch die Gespräche mit den ansässigen Luftverkehrsgesellschaften. Die Kapazitäten sind dafür in Tegel und Schönefeld vorhanden. Wer etwas anderes behauptet, kennt entweder nicht die Flughäfen oder verbreitet wissentlich Unsinn.
Es wird behauptet, die Schließung von Tempelhof sei teurer als ein Weiterbetrieb. Das ist falsch. Bei Fortführung des Betriebes bis 2010 würde ein kumulierter Verlust von ca. 120 Millionen € entstehen. Die Schließung kostet aber nur – das ist auch viel Geld – 32 Millionen €, davon sind 24 Millionen € Sozialplankosten und 4 Millionen € Ausgleichskosten für die Airlines. Diese Kosten fallen an, egal wann der Flughafen geschlossen wird. Aber ein Weiterbetrieb heißt im Klartext: 70 bis 80 Millionen € Steuergroschen werden verbrannt. Das ist das Verwerfliche an der Position von FDP und CDU. Sie verlangen eine Steuerverschwendung auf hohem Niveau und jammern auch noch über die angebliche Unfähigkeit der Regierung!
Es wird behauptet, es würden willige Investoren verschreckt. Dem steht gegenüber, dass es gar kein belastbares Angebot zur Übernahme von Tempelhof gibt. All den schönen Presseerklärungen lag niemals ein Konzept zur Übernahme der Betreiberfunktionen zu Grunde. Und auch das, was Sie zitiert haben, hat genau das ausgeschlossen. Zum Betreiben dieses Flughafens müsste nämlich eine behördliche Unternehmergenehmigung angestrebt werden. Es gibt diesbezüglich aber noch nicht einmal eine Anfrage, geschweige denn eine ernsthafte Absicht oder gar eine Kalkulation. Und, wie gesagt, eine Vervierfachung des Flugverkehrs an diesem Standort kommt aus stadtentwicklungspolitischen Erwägungen nicht in Frage.
Der Business-Plan und das Finanzierungskonzept werden in diesem Jahr vorgelegt werden. Für den Business-Plan wurden ebenfalls neue Prognosen der Verkehrsentwicklung, des Immobilienmarktes, der Einnahmeerwartung, der Wirtschaftlichkeit auf einer aktuellen Preisbasis und anderes mehr erarbeitet. Das sind alles Maßnahmen, um das Projekt BBI vom Kopf auf die Füße zu stellen. Die positive Entwicklung des Flugwesens hat enorme Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung Berlins. Der Regierende Bürgermeister sprach davon. Es sei auch mir vergönnt, eine Zahl zu nennen.
Nach Angaben der Berlin Tourismus Marketing wenden Flugtouristen in Berlin, die hier mehrere Tage bleiben, pro Tag etwa 181 € einschließlich Übernachtung auf. Die zusätzliche Akquirierung von 2,3 Millionen Touristen pro Jahr, die die Low-Cost-Carrier jetzt anstreben, die jeweils geschätzt drei Tage bleiben, würden einen zusätzlichen Umsatz für Berlin von 1,3 Milliarden € erbringen. Das ist eine Entwicklung, die wir sehen. Wir werden diese Entwicklung nicht gefährden und im Übrigen die Anträge der FDP sowie den Antrag der Grünen, der etwas unqualifiziert war – er wurde auch im Ausschuss lange behandelt – ablehnen! Vielen Dank!
Danke schön, Frau Matuschek! – Für die Grünen hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Cramer. – Bitte sehr!
Die Konzentration auf einen Flughafen ist nicht nur wegen der Reduzierung der Lärm- und Schadstoffemissionen richtig und notwendig. Sie ist auch ein Gebot der finanziellen Vernunft. Im Geschäftsjahr 2003 schrieben, wie in den Jahren davor, 2 der 3 Flughäfen in Berlin tiefrote Zahlen. In Tempelhof stieg das Minus – Herr Regierender Bürgermeister, Sie haben es erwähnt – in einem
Jahr von 11 Millionen € auf 15,4 Millionen €. Deshalb wollen wir mit einem Single-Airport nicht nur große Teile der Bevölkerung vom Fluglärm befreien, sondern auch alle Berliner von einer schweren Finanzlast erlösen.
Seit 1991 verzeichnet Tempelhof einen Verlust von insgesamt 140 Millionen €. Wird weiter gewurschtelt wie bisher, kommen bis 2010 noch einmal 120 Millionen € hinzu. Wer wie CDU und FDP angesichts solcher Zahlen die Offenhaltung fordert, entpuppt sich als das größte Finanzrisiko Berlins seit dem Bankenskandal.
Wenn wir von der Schließung in Tegel und Tempelhof reden, dürfen wir aber nicht die Menschen in Schönefeld vergessen. Das sage ich auch an diejenigen, die im Süden wohnen, die zusätzlich belastet werden. Deshalb unterstützen wir Bundesumweltminister Jürgen Trittin in seinen Bemühungen, das Fluglärmgesetz im Interesse der Anwohner zu verbessern. Und da hoffe ich auf die Unterstützung auch der SPD, nicht nur hier, sondern auch im Deutschen Bundestag. Geben Sie die Blockade auf, das gilt auch für CDU und FDP. Die Anwohnerinnen und Anwohner haben einen Anspruch auf gesunde Nachtruhe, und das sollten wir ihnen auch an Flughäfen ermöglichen.
Wer sagt, aus wirtschaftlichen Erwägungen sei dies nicht möglich, dem sage ich: Was in Frankfurt am Main möglich ist, nämlich ein Nachtflugverbot auf dem größten deutschen Flughafen, das dürfen Sie in Schönefeld nicht verhindern.
Ich möchte Sie einmal daran erinnern, dass es ein Flugverkehrskonzept für die Region Berlin-Brandenburg gibt, das 1996 verabschiedet worden ist. Beteiligt waren die Bundesregierung und die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg. Unterschrieben haben diesen Konsensbeschluss für das Land Brandenburg der Ministerpräsident Stolpe sowie die Minister Platzeck und Dreher. Für Berlin unterschrieben Eberhard Diepgen, der Bausenator Klemann und der Wirtschaftssenator Pieroth. Für die Bundesregierung unterschrieben Herr Kohl als Bundeskanzler, Herr Wissmann als Verkehrsminister und Herr Rexrodt als Wirtschaftsminister. Wenn die alle blöde sein sollen, dann sagen Sie es! Damals ist jedoch der Beschluss gefasst worden. Man kann sich nicht einfach aus der Verantwortung stehlen.
Günther Rexrodt hieß er. Vor 15 Jahren fiel die Berliner Mauer. Seitdem wird über das Flughafenkonzept Berlin und Brandenburg diskutiert. Ich kann mich noch gut an den Wahlkampf 1990 erinnern, als der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Walter Momper, in Reinickendorf verkündete, dass der neue Airport im Jahr 2000 betriebsbereit sei und Tegel und Tempelhof geschlossen würden. Seitdem ist viel Wasser die Spree hinuntergelaufen. Geändert hat sich bis heute – wir schreiben das Jahr 2004 – faktisch nichts.