Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 10. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, begrüße Sie alle, unsere Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich. Besonders begrüße ich die anwesenden Mädchen – heute ist ja Girls’ Day. – Herzlich willkommen im Berliner Abgeordnetenhaus!
Vor Beginn unserer Beratungen habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen und bitte Sie, sich zu erheben.
Der frühere Abgeordnete Fredy Stach ist am 3. April 2007 im Alter von 71 Jahren in seiner Wahlheimat Edemissen verstorben.
Fredy Stach war drei Jahrzehnte in der Kommunal- und in der Landespolitik in Berlin tätig. Nach drei Jahren Tätigkeit in der Bezirksverordnetenversammlung Spandau wurde Fredy Stach 1974 Abgeordneter. Von Februar 1974 bis April 1975 und von April 1979 bis März 1989 war er Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Der Sozialdemokrat Stach begann seine Arbeit im Abgeordnetenhaus im Ausschuss für Gesundheit und Umweltschutz und im Ausschuss für Sport. Von 1981 bis 1989 leitete er als Vorsitzender den Sportausschuss des Abgeordnetenhauses, der dann auch zum Schulausschuss wurde.
1989 wurde Fredy Stach in Spandau zum Bezirksstadtrat für Jugend und Sport gewählt. Gleichzeitig bekleidete er das Amt des Stellvertretenden Bezirksbürgermeisters. Beide Funktionen übte er über 10 Jahre lang bis 1999 aus. Im Jahre 2000 zeichnete der Bundespräsident Fredy Stach mit dem Bundesverdienstkreuz aus.
Ursprünglich hatte Fredy Stach den Beruf des Melkers gelernt. Danach studierte er an der Freien Universität Mathematik und Physik und arbeitete seit 1971 an der Lessing-Oberschule im Bezirk Wedding als Lehrer. Bis zu seiner Wahl zum Bezirksstadtrat 1989 war er dort als Fachbereichsleiter für Mathematik tätig.
Fredy Stach war seit 1965 Mitglied der SPD. Er setzte sich sein Leben lang beruflich und politisch für Kinder, Jugendliche, Familien und für den Sport ein. Sport war seine große Leidenschaft – auch in der Politik. Er selbst war begeisterter Wassersportler. Sein großer Optimismus und seine vertrauensvolle Ausstrahlung öffneten ihm die Herzen der Menschen. Er achtete darauf, dass er immer bürgernah blieb. Er war Zeit seines Lebens in der praktischen Vereinsarbeit der Sportverbände. Seine Ruhe und sein Humor waren vorbildlich. Sein zupackendes Lachen wird denen unter Ihnen, die ihn kannten, noch gut in Erinnerung sein.
Der Sozialdemokrat Fredy Stach war ein beliebter und ein verlässlicher Politiker und Kollege. Wir schulden Fredy
Sodann habe ich das Geschäftliche zu verkünden. Für den am 15. April 2007 ausgeschiedenen Abgeordneten Harald Wolf von der Linksfraktion ist die Abgeordnete Mari Weiß von der Linksfraktion nachgerückt. – Herzlich willkommen im Berliner Abgeordnetenhaus und auf eine gute Zusammenarbeit, schön, dass Sie da sind!
Für die ebenfalls am 15. April 2007 ausgeschiedene Abgeordnete Dr. Heidi Knake-Werner von der Linksfraktion ist der Abgeordnete Steffen Zillich nachgerückt. Ihn kennen wir schon – herzlich willkommen zurück im Abgeordnetenhaus!
Wir haben eine Änderung einer Ausschussüberweisung zur Drucksache 16/0340: Der Antrag der Fraktion der CDU über Weiterentwicklung des Adressraums Internet – Unterstützung der Einführung der Top-Level-Domain „berlin“, eingebracht in der 9. Sitzung am 22. März 2007 und überwiesen an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien, Berlin-Brandenburg, wurde zusätzlich auf Wunsch der antragstellenden Fraktion mitberatend an den Ausschuss für Verwaltungsreform, Kommunikations- und Informationstechnik überwiesen. Die nachträgliche Zustimmung hierzu stelle ich fest.
Sodann haben wir die Zurückziehung einer Ausschussüberweisung zur Drucksache 16/0360 zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über „Für eine zukunftsfähige Wasserpolitik – Abwasserbeseitigungsplan für Berlin fortschreiben“, eingebracht in der 9. Sitzung am 22. März 207, überwiesen federführend an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen. Auf Wunsch der antragstellenden Fraktion wird die mitberatende Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen rückgängig gemacht. – Dazu höre ich keinen Widerspruch; damit ist die Mitberatung aufgehoben.
Folgende Senatsmitglieder sind für die teilweise Abwesenheit an unserer heutigen Sitzung entschuldigt: Frau Senatorin Lompscher wird ab ca. 18.00 Uhr abwesend sein, um bei der Verleihung „Gesunde-Städte-Preis“ anwesend zu sein. Herr Senator Prof. Zöllner wird ab 17.45 Uhr abwesend sein, um die Humboldt Graduate School mit zu eröffnen. Herr Senator Dr. Sarrazin wird bis gegen 16.00 Uhr abwesend sein. Er nimmt an der Länderarbeitsgruppe zur Reform der Erbschaftssteuer teil.
1. Antrag der Fraktion der SPD und der Linksfraktion zum Thema: „Kurs halten statt Bruchlandung – Flughafenplanung für Berlin und Brandenburg konsequent umsetzen“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Flugverkehr in Tempelhof erhalten – warum ignoriert Wowereit Investoren und Rechtsgutachten?“,
3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Konsequenzen aus der Tschernobyl-Katastrophe ziehen – Atomausstieg selber machen!“,
4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Ministerpräsidenten bieten Berlin Teilentschuldung an – und wo ist Wowereit?!“.
Zur Begründung der Aktualität – und ich betone: Aktualität! – rufe ich für SPD und Linkspartei Frau Matuschek auf. – Bitte schön, Frau Matuschek!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter der Überschrift „Kurs halten statt Bruchlandung“ schlagen wir vor, darüber zu sprechen, welche Gefahren dem größten und zukunftsträchtigsten Projekt Berlin-Brandenburgs – dem BBI – von interessierter Seite, namentlich der CDU, aufgebürdet werden und welche Chancen Berlins verspielt werden könnten.
Es ist schlicht unerträglich, mit welcher Vehemenz Herr Pflüger dem BBI-Projekt – und damit Berlin – Schaden zufügt.
Glaubt man der CDU und FDP, dann liegt Berlins Wirtschaftskraft allein in Tempelhof. Mit den SpringerMedien im Schlepptau werden Öffentlichkeit und interessierte Investoren getäuscht und verschaukelt. Herr Pflüger handelt verantwortungslos und fahrlässig, wenn er immer wieder behauptet, dass Tempelhof weiterbetrieben werden könnte, risikolos und problemlos.
Diese Falschdarstellungen werden wir heute zurückweisen und Klarheit über die tatsächlichen Chancen Berlins, die nämlich nicht in Tempelhof, sondern in Schönefeld liegen, schaffen.
[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Dr. Martin Lindner (FDP): Mit Ihrem sechsseitigen Gefäl- ligkeitsgutachten!]
Das neuerliche Gutachten – wie alle vorherigen – bestätigt klipp und klar, dass Tempelhof nicht einfach weiterbetrieben werden kann, sondern nur – und das ist entscheidend –, wenn der Landesentwicklungsplan geändert würde. Neu ist nur die merkwürdige Idee einer Feststellungsklage, aber darüber reden wir dann nachher noch einmal.
Herr Pflüger verschweigt die Grundlagen der Standortwahl Schönefeld, und diese Standortwahl wurde insbesondere von Eberhard Diepgen und der CDU gegen andere Möglichkeiten durchgesetzt. Dieser Standort, und das war allen, die am sogenannten Konsensbeschluss eine Aktie haben, klar, ist politisch, rechtlich und wirtschaftlich nur durchsetzbar um den Preis der Schließung von Tempelhof und Tegel. Das hat übrigens auch die Bundesregierung mehrfach bestätigt. Im Konsensbeschluss steht folgerichtig die Schließung beider Flughäfen. Da steht nichts von Rückstufung von Verkehrsflughafen auf Verkehrslandeplatz oder gar Sonderflugplatz. Diese juristischen Feinheiten sind aber dann auch entscheidend in der Diskussion über das Gutachten. Es steht im Konsensbeschluss eindeutig: Schließung.
Warum will die CDU nichts mehr davon wissen? – Weil sie nicht mehr an der Regierung ist und Opposition aus Prinzip macht, weil sie sich dem Lobbydruck einiger weniger Privatflieger beugt, denen eine zehnminütige Autofahrt durch Berlin unzumutbar erscheint, oder weil sie damals schon gelogen hat, nach dem Motto: Erst die Schließung von Tegel und Tempelhof propagieren, um Schönefeld zu bekommen, und später dann doch etwas anderes tun, denn 1996 konnte sich niemand in der CDU vorstellen, jemals in der Opposition zu landen. Der Landesentwicklungsplan ist die gesetzliche Grundlage für den Planfeststellungsbeschluss, und wer daran rüttelt, rüttelt an BBI.
Die juristischen Finessen zum Thema Sonderlandeplatz werden wir nachher in der Debatte offenlegen. – Aber noch einmal ganz aktuell: Berlin ist das Bundesland mit der höchsten Steigerung der durchschnittlichen Temperaturen. Berlin hat ein Klimaproblem, das jetzt endlich auch durch wissenschaftliche Untersuchungen öffentlich belegt werden konnte, wie zum Beispiel gestern in der „Berliner Zeitung“. Dieses Klimaproblem hat einen direkten Bezug zum Flughafen Tempelhof, denn diese große unbebaute Fläche ist das Kaltluftentstehungsgebiet für die Berliner Innenstadtbezirke schlechthin. Berlin braucht angesichts einer allgemeinen Erwärmung dringend mehr kalte Luft im Zentrum der Stadt statt heiße Luft in Pflügers grünen Luftballons.
Tempelhof hat eine vielversprechende Zukunft ohne Flugverkehr vor sich. Darüber reden wir, wo die wahren Chancen Berlins sind, nämlich in BBI. Der Bau ist begonnen. Da sind über 1 Milliarde € Investitionen schon getätigt worden oder gerade dabei, getätigt zu werden. Diese Investitionen werden wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Darüber reden wir heute. – Vielen Dank!
Danke schön, Frau Kollegin! – Für die CDU-Fraktion hat nunmehr der Vorsitzende Herr Pflüger das Wort! – Bitte schön, Herr Pflüger!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im RBB, in der Abendschau, ist am 13. Februar 2007 eine Umfrage veröffentlicht worden, nach der 75 % der Berliner der Auffassung sind, dass Tempelhof offen bleiben soll. Ich war unmittelbar nach der Veröffentlichung dieser Zahlen mit der verehrten Vorrednerin, Frau Matuschek, in der Sendung „Klipp und Klar“. Dann wurde Frau Matuschek mit dieser Zahl konfrontiert. Drei Viertel aller Berliner sind für die Offenhaltung von Tempelhof. Dann sagte Frau Matuschek, die Frage sei falsch gestellt worden. So ist es in diesem Haus bei PDS und SPD. Wenn das Ergebnis von Bürgerbefragungen nicht ins Konzept fällt, dann wird die Frage infrage gestellt, dann ist falsch gefragt worden. Diese Art von Demokratie lobe ich mir. Das ist der falsche Weg, wenn man mehr direkte Demokratie und mehr Bürgerbeteiligung in unserer Stadt schaffen will.
Ich kann Ihnen nur sagen: Zu glauben, da sei nur die CDU gegen die Schließung, da haben Sie die letzten Monate keine Zeitung gelesen. Es ist die FDP, es ist die IHK, es sind Künstler, es sind Intellektuelle, alle möglichen Leute aus allen Teilen der Gesellschaft, die sagen: Wieso schließt ihr ohne jede Not diesen großartigen historischen Flughafen für Berlin?
[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Aus ökologischen Gründen, aus stadtentwicklungspolitischen Gründen!]
Es ist ein Irrweg, auf dem Sie sich befinden, und wir werden immer kämpfen, dass dieser Irrweg endlich ein Ende findet und dass diese Stadt eine wirtschaftliche Zukunft mit BBI und Tempelhof hat; beides zusammen ist nämlich möglich.
Lassen Sie uns doch einmal ganz in Ruhe feststellen, wo wir uns einig sind. – Wir sind uns alle einig, und versuchen Sie nicht immer diesen Eindruck hervorzurufen, dass das nicht so sei: Wir wollen alle BBI. Jeder hier sieht in BBI eine enorme Chance für Berlin, und das sollten Sie nicht kleinreden, nehmen Sie es einfach zur Kenntnis. Es geht hier nicht um Ost oder West, Tempelhof oder BBI. BBI ist eine enorme Chance, und wir werden alles tun, damit BBI rechtzeitig und endlich kommt, damit Berlin eine großartige wirtschaftspolitische Chance hat. BBI ist Konsens in diesem Hause, zerreden Sie diesen Konsens nicht.