Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 32. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und die Zuhörer sowie die Medienvertreter ganz herzlich.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich an ein historisches Datum erinnern. Am 24. Juni 1948 – kaum drei Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung vom Hitler-Faschismus – riegelte die sowjetische Besatzungsmacht West-Berlin von den westlichen Besatzungszonen ab: Sämtliche Zufahrtswege zu Wasser und zu Land wurden blockiert. Die Lieferung von Strom aus dem östlichen Großkraftwerk GolpaZschornewitz in die Westsektoren wurde angeblich wegen Kohlemangels abrupt beendet. Mehr als zwei Millionen Menschen wurden von der Versorgung abgeschnitten.
Auslöser war der anhaltende Streit der Siegermächte um die Währungsreform, die auf die Westsektoren der Stadt ausgedehnt werden sollte. Die unterschiedlichen Interessen der Siegermächte in der Mitte Europas waren allerdings schon vorher deutlich zutage getreten. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED und den Marshallplan. Vorher hatten die Sowjets bereits den Alliierten Kontrollrat und die Alliierte Kommandantura für Berlin verlassen. Die Westalliierten sollten zur Aufgabe ihrer Deutschlandpolitik und zur Aufgabe des Vorpostens West-Berlin gezwungen werden.
Der amerikanische Oberbefehlshaber General Lucius D. Clay zögerte nicht und ordnete die Errichtung einer Luftbrücke an – bereits einen Tag nach Beginn der Blockade.
Heute, am 26. Juni 2008, jährt sich zum 60. Mal der Beginn dieser beispiellosen Versorgungsaktion. Durch die drei Luftkorridore der Westalliierten flogen rund 300 Flugzeuge Tag für Tag Lebensmittel, Industriegüter und Kohle nach West-Berlin – insgesamt in den elf Monaten 2,3 Millionen Tonnen. Sogar ein komplettes Kraftwerk, das Kraftwerk West, das später den Namen „Ernst Reuter“ erhielt, wurde über die Luftbrücke nach Berlin geflogen. Die US Air Force und die britische Royal Air Force wurden dabei von französischen und kanadischen Einheiten und von Fliegern aus dem Commonwealth unterstützt.
Wir danken den westalliierten Mächten, allen voran den Amerikanern und den Briten, für diese einzigartige humanitäre Hilfsleistung. Ohne die Luftbrücke, ohne den Mut der Piloten, ohne die Großzügigkeit der amerikanischen, britischen und französischen Bevölkerung, die mit ihren Steuergeldern diese Operation finanziert haben, wäre auch diese Hälfte Berlins nicht Teil der freien Welt geblieben.
Mit rund 280 000 Flügen war die Berliner Luftbrücke die größte Hilfsaktion aller Zeiten. Zahlreiche alliierte Piloten und Flieger verunglückten und verloren ihr Leben während ihrer gefährlichen Tages- und Nachteinsätze für die notleidende West-Berliner Bevölkerung. Wir verbeugen uns vor den Opfern.
Die Luftbrücke ist weltweit zum Sinnbild des freiheitlichen Selbstbehauptungswillens geworden. Für die Entschlossenheit der Westalliierten, West-Berlin nicht aufzugeben, waren die Berlinerinnen und Berliner ihnen dankbar. Aus den einstigen Feinden und Gegnern wurden Freunde und Beschützer.
Das Abgeordnetenhaus bedankt sich bei den USA, bei Großbritannien und Frankreich für diese große historische Leistung im Namen der Freiheit. Wir werden das nie vergessen.
Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich dem Kollegen Wechselberg zur Geburt seines Sohnes Emil-Anton gratulieren. – Herzlichen Glückwunsch!
Außerdem habe ich Geschäftliches mitzuteilen, nämlich eine veränderte Ausschussüberweisung. Die Vorlage – zur Beschlussfassung – über Siebtes Gesetz zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes – 7. PersVGÄndG – Drucksache 16/1108, überwiesen in der 23. Sitzung am 24. Januar 2008 federführend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie mitberatend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie unter Zuladung des Ausschusses für Wirtschaft, Technologie und Frauen und an den Hauptausschuss, soll nunmehr an den Innenausschuss unter Zuladung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie sowie an den Hauptausschuss überwiesen werden. – Widerspruch dazu höre ich nicht, dann verfahren wir so.
1. Antrag der Fraktion der SPD und der Linksfraktion zum Thema: „Ein neuer Leuchtturm für Berlin – Internationales Forum für Spitzenforschung“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Regierender Bürgermeister Wowereit als Kultursenator – planlos, ideenlos, überflüssig!“,
3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Die Koalition nach dem SPD-Parteitag – die SPD gibt auf: das politische Bezirksamt und den Konsolidierungskurs“,
4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Steuer- und Abgabenerhöhungen auf allen Ebenen schaden massiv den Bürgern und Unternehmen in Berlin“.
Zur Begründung der Aktualität rufe ich SPD und Linksfraktion auf. – Frau Dr. Koch-Unterseher, Sie haben das Wort!
Danke, Herr Präsident! – Der Vorschlag der Koalitionsfraktionen ist das Thema „Ein neuer Leuchtturm für Berlin – das Internationales Forum für Spitzenforschung“. Dies ist ein aktuelles Thema für die Koalitionsfraktionen, weil die Verabredung zum Berlin International Forum for Excellence zwischen den Präsidenten der Universitäten, den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und dem Senat vor wenigen Tagen vereinbart worden ist. Diese Verabredung ist ein bedeutsamer Erfolg für die Weiterentwicklung des Wissenschafts- und Forschungsstandortes Berlin, und es lohnt sich für alle, sie nun auch umzusetzen.
Es lohnt sich für das Land und die Stadt Berlin mit ihrer einzigartigen, vielfältigen Struktur aus universitärer Forschung, renommierten außeruniversitären Einrichtungen, Forschungsverbünden an mehreren, an vielen Standorten. Ein Erfolg ist dies und deshalb lohnt sich die Umsetzung auch für die Akteure, die die Eckpunkte vereinbart haben. Alle Beteiligten haben das behutsame und effiziente Verhandlungsverfahren gelobt, für die aufseiten des Landes Berlin Senator Zöllner und Staatssekretär a. D. Catenhusen beteiligt waren. Die Sorgen insbesondere der Universitäten, etwa dass das Promotionsrecht nicht weiter bei ihnen verbleibe, sind in den bisherigen Gespräche sorgfältig erörtert und in ihrem Sinne in das Konzept aufgenommen worden.
Was sind nun die Eckpunkte, die am 9. Juni vereinbart, in einem Memorandum of Understanding einvernehmlich unterzeichnet und der Öffentlichkeit vorgestellt wurden? – Es geht in wenigen Worten um das Konzept einer Stiftung, die bis zum Jahresende konkretisiert werden wird, um eine kluge und zukunftsweisende Verwendung der bereits eingeplanten zusätzlichen Landesmittel, um die Förderung von zukunftsträchtigen Schwerpunktforschungsvorhaben, um Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Berliner Wissenschafts- und Forschungslandschaft, und es geht darum, dass Berlin auch im Bereich der Qualitätssicherung innovativ Maßnahmen ergreift. Die entsprechenden Gremien sind der Vorstand, die wissenschaftliche Kommission und das Kuratorium, das sich um Zustiftungen kümmern soll. Dies ist das Grundgerüst für ein neues Modell der Zusammenarbeit zwischen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, das es so in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gibt. Das ist ein guter Tag für Berlin gewesen.
Es gilt nun, diesen – bis jetzt im Konsens abgesprochenen – Rahmen gemeinsam auszuarbeiten und parlamentarisch zu beraten. Diese Einrichtung hat die Kraft, ein Renommee und eine Ausstrahlung zu entwickeln, die so nur
in Berlin möglich ist, die Berlin – auch nach außen, international – stärkt und die Berlin in der internationalen Forschungskonkurrenz qualitative Vorteile einbringen wird.
Unser vorgeschlagenes Thema hat längerfristig positive Wirkungen in Berlin und aus Berlin heraus und bleibt deshalb auch in den nächsten Monaten aktuell und für uns auf der Tagesordnung.
Es ist erstaunlich, dass die Grünen lieber über SPDParteitagsbeschlüsse reden wollen – das ist nachvollziehbar, die SPD ist eine wichtige Partei. Aber es erstaunt, dass sie lieber darüber reden wollen und die Koalition kritisieren, weil sie nun – das geschieht ab und an aus gutem parlamentarischen Brauch heraus – Oppositionsthemen zustimmt. Die Opposition nimmt, so erscheint es mir, ihre eigenen Anträge auf Aktuelle Stunden und deren inhaltliche Begründung nicht sonderlich ernst. Diesen Eindruck hatte ich auch in der letzten Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung vor zehn Tagen.
Dort schien es, dass das Interesse am Forum seitens der Oppositionsfraktionen in Bezug auf Vertiefung und Nachfragen außerordentlich dünn war.
Für uns bleibt das Thema weiterhin aktuell und wichtig für die Stadt. Wir werden uns heute allerdings dem Vorschlag der FDP anschließen, denn insbesondere vor dem Hintergrund der Föderalismusreform-II-Debatte hat auch das große Bedeutung für Berlin. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Frau Dr. Koch-Unterseher! – Für die CDUFraktion hat Herr Kollege Braun das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Berlin auf etwas stolz sein kann, dann auf seine Kultur. Die Kulturmetropole Berlin bestimmt weltweit den Zeitgeist mit. Tradition und Moderne, Museales, Weltkulturerbe, zeitgenössische Kunst, Berlinale, Fashion Week, Kirchenmusik, hervorragende Theater, moderne Opern, herausragende Symphonieorchester, unzählige Galerien, junge Musik, Karneval der Kulturen, Off-Szene – das ist Berlin, wie es weltweit zwischen Prag und New York wahrgenommen wird.
Dies alles ist umso beachtlicher, weil und obwohl Rot-Rot kein oder bestenfalls ein distanziertes Verhältnis zur Kultur hat, schon gar nicht, weil es der Senat gewollt oder gar gefördert hat. Seit 2001 hat der Senat die Zuwendungen für die Kultur in Berlin von 510 Millionen € auf 394 Millionen € gekürzt,
er hat nicht ein Projekt auf den Weg gebracht, geschweige denn kulturpolitische Debatten initiiert. Der Feuilletonist der „Welt“ Manuel Brug spricht von „intensiver Planlosigkeit.“
Wenn sich in Berlin kulturpolitisch etwas tut, dann vor allem mit Hilfe des Bundes, sei es, weil dieser die Sanierung der Museumsinsel vorantreibt, die Preußenstiftung personell hervorragend aufstellt, die Berliner Festspiele übernimmt, sich um die Schlösser und Gärten kümmert, den Bau des Stadtschlosses endlich entschieden hat oder weil er grünes Licht für die Sanierung der Staatsoper gab. Dies alles ist nicht selbstverständlich und verdient den Dank auch dieses Hauses.
Es tut sich kulturpolitisch etwas in unserer Stadt, weil wir großzügige Mäzene wie Peter Dussmann, Herrn Thiede, Herrn Berggruen und andere haben und weil wir großartige Fördervereine haben, für die ich stellvertretend Peter Raue und den Freundeskreis der Nationalgalerie nenne, die mit viel Engagement große und weltweit beachtete Ausstellungen in Berlin finanzieren. Auch ihnen gilt der Dank der Berliner CDU.
Doch was macht Berlin, was macht der Kultursenator Klaus Wowereit? – Er produziert am laufenden Band politische Scherbenhaufen.
Die Staatsoper macht nur noch durch interne personelle Querelen Schlagzeilen – eine Nachfolge für den geschassten Intendanten Musbach ist nicht in Sicht, und es wird zugeschaut, wie Daniel Barenboim die Staatsoper zum zweiten philharmonischen Orchester umgestaltet. Es wird zugeschaut, wie die Volksbühne unter Frank Castorf kreativ erschlafft, in die Krise geratene Standorte wie die Tribüne werden abgewickelt, statt zu überlegen, wie ihnen geholfen werden kann, und der Senat sieht tatenlos zu. Er sieht tatenlos zu, wie weltberühmte, hier lebende Künstler wie Thomas Demand oder Olafur Eliasson in New York gefeiert werden, während kein Museum in Berlin sie zur Kenntnis nimmt. Für eine Kunsthalle, die wir dringend brauchen, gibt es kein inhaltliches Konzept, die Kosten ihrer Errichtung und Unterhaltung erhofft man sich durch Teilnahme am Berliner Grundstücks-Monopoly. So wird Herr Wowereit in den Medien – und zwar bundesweit – kommentiert.
Wir wollen von Herrn Wowereit und seinem Senat hören, welche Pläne er hat, wir wollen mit ihm darüber diskutieren, welche Bedeutung er der Kultur der Stadt beimisst, wie er sich in die kulturpolitischen Debatten der Stadt einbringt. Ich appelliere an die rot-roten Koalitionäre: Geben Sie Herrn Wowereit, geben Sie Herrn Schmitz die Chance zu beweisen, dass die Kommentare in allen führenden deutschen Medien falsch sind, die immer wieder behaupten, die Kulturpolitik in Berlin zeichne sich durch