Protocol of the Session on March 8, 2018

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 23. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute ist Internationaler Frauentag. In diesem Jahr steht der Frauentag in Deutschland auch im Zeichen eines großen Jubiläums. Vor 100 Jahren – im November 1918 – wurde das aktive und passive Wahlrecht für Frauen in Deutschland eingeführt. Die Wahlen zur verfassungsgebenden Weimarer Nationalversammlung am 19. Januar 1919 stehen für die ersten demokratischen Wahlen der deutschen Geschichte.

Es ist wichtig, sich auch heute noch daran zu erinnern, dass das Frauenwahlrecht hart erstritten und erkämpft werden musste. Denn trotz aller Erfolge wissen wir auch um den Widerspruch zwischen faktischer Gleichberechtigung und den strukturellen Rahmenbedingungen. Für die tatsächliche Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern muss immer noch gekämpft werden.

Wir Politikerinnen und Politiker sind einerseits gefordert, Gleichberechtigung durchzusetzen. Andererseits ist es unsere Aufgabe, Vorbilder zu präsentieren. Die Gesetze, die wir hier verabschieden, gestalten die Lebenswirklichkeit der Berlinerinnen und Berliner. Ungefähr die Hälfte der Berliner Bevölkerung ist weiblich; daher halte ich persönlich einen entsprechenden Anteil im Abgeordnetenhaus für erstrebenswert.

Das Leben der meisten Frauen spielt sich aber jenseits unseres Politikbetriebs ab. Bestimmend für die meisten Frauen ist der Alltag. Und hier sind wir oft noch meilenweit von einer wirklichen Gleichberechtigung entfernt. Das gilt im Familienleben, und das gilt in der Berufswelt der privaten Wirtschaft. Es kann nicht sein, dass Frauen nicht leistungsgerecht bezahlt werden. Es kann nicht sein, dass Frauen nur rudimentär Verantwortung übertragen bekommen, obwohl sie genauso qualifiziert sind wie ihre männlichen Kollegen.

[Beifall bei der SPD, der CDU, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP]

Und es kann nicht sein, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf viele Frauen zu einer „Entweder-oder“Entscheidung zwingt. Es ist Aufgabe der Politik, sich diesen Problemen zu stellen und Lösungen anzubieten – heute, am Internationalen Frauentag, und morgen, wenn das Thema wieder aus den Schlagzeilen verschwindet. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD, der CDU, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Bevor ich zum weiteren Verfahrensablauf komme, habe ich eine Mandatsänderung in der Fraktion der SPD bekanntzugeben: Frau Karin Korte hat ihr Abgeordnetenmandat mit Ablauf des 1. März 2018 niedergelegt. Frau Dr. Nicola Böcker-Giannini ist mit Wirkung vom 6. März 2018 für Frau Karin Korte nachgerückt.

Nun habe ich Geschäftliches mitzuteilen: Es wurden zwei Anträge zurückgezogen. Die Fraktion der FDP hat zurückgezogen den Antrag auf Drucksache 18/0236 – Groben Unfug verhindern – Kein Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen in Berlin. – Der Antrag wurde in der 9. Sitzung am 6. April 2017 an den Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz überwiesen.

Die AfD-Fraktion hat zurückgezogen den Antrag auf Drucksache 18/0745 – Neuen Wohnraum schaffen – Einheimischenmodell für Berlin. – Dieser Antrag ist noch nicht in einer Plenarsitzung behandelt worden.

Der Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/0505 Neu – Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum: „Homesharing“ legalisieren – kurzzeitige private Wohnungs- oder Zimmervermietung erlauben! – wurde in den 14. Sitzung federführend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen und mitberatend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung überwiesen. Die Fraktion der FDP beantragt, die Überweisung des Antrags an den mitberatenden Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung aufzuheben. – Widerspruch höre ich nicht. Dann ist dies so einvernehmlich beschlossen.

Am Montag sind folgende sechs Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

− Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Berlin

bekommt das bundesweit erste Mobilitätsgesetz“

− Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Woh

nungsbau, Videoüberwachung, Bundesratsreden: Bei Rot-Rot-Grün regiert der Streit“

− Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Berlin

bekommt das bundesweit erste Mobilitätsgesetz“

− Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum

Thema: „Berlin bekommt das bundesweit erste Mobilitätsgesetz“

− Antrag der AfD-Fraktion zum Thema: „Null Toleranz

mit Konsequenz und Härte die Verwahrlosung der Stadt stoppen“

− Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Planlos,

willkürlich, konfrontativ – der Blankenburger Süden als Paradebeispiel gescheiterter Stadtentwicklungspolitik“

Ich lasse nun abstimmen, und zwar über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – „Berlin bekommt das bundesweit erste Mobilitätsgesetz“. – Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? – Das sind die Oppositionsfraktionen und ein fraktionsloser Kollege. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Ersteres war die Mehrheit. Dann rufe ich dieses Thema für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 auf, und zwar in Verbindung mit dem Tagesordnungspunkt 8. Die anderen Anträge auf Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.

Dann möchte ich auf die Ihnen vorliegende Dringlichkeitsliste mit dem Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Die Fraktionen haben sich einvernehmlich darauf verständigt, die dort verzeichneten und nach dem Redaktionsschluss eingegangenen Vorgänge unter den Tagesordnungspunkten 5, 18, 19, 19 A sowie 40 A in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ich gehe davon aus, dass den zuvor genannten Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. – Widerspruch höre ich nicht. Dann ist dies so einvernehmlich beschlossen.

Auf die Ihnen vorliegende Konsensliste darf ich ebenfalls hinweisen und stelle fest, dass dazu kein Widerspruch erfolgt. Die Konsensliste ist damit so angenommen.

Entschuldigungen von Senatsmitgliedern liegen nicht vor.

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 1:

Aktuelle Stunde

gemäß § 52 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Berlin bekommt das bundesweit erste Mobilitätsgesetz

(auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen)

in Verbindung mit

lfd. Nr. 8:

Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mobilitätsgewährleistung

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/0878

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung. Für die Besprechung der Aktuellen Stunde und die Beratung des Tagesordnungspunktes 8 steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Frau Kollegin Kapek, bitte schön! Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Mobilitätsgesetz feiern wir heute zwei Premieren gleichzeitig. Zum einen ist es das allererste Mobilitätsgesetz deutschlandweit, und zum anderen ist es in einem bundesweit einmaligen Beteiligungsverfahren erarbeitet worden. Dieses Gesetz ist etwas Besonderes.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Sebastian Czaja (FDP): Man kann es auch wieder abschaffen, dann ist es ein gutes Gesetz!]

Wir haben uns mit denen an einen Tisch gesetzt, die jahrzehntelang ignoriert wurden, aber natürlich waren auch ADAC bis BUND bei der Erarbeitung des Gesetzes dabei.

[Zuruf von der CDU: Das glaube ich nicht!]

Der Dialog „Radgesetz“ hat wiederum gezeigt, wie man zivilgesellschaftliches Engagement erfolgreich in konkrete Politik umsetzen kann. So geht Beteiligung richtig.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für diesen Prozess möchte ich mich ausdrücklich bedanken bei allen Initiativen, bei allen Verbänden, bei den Kollegen hier im Haus und natürlich auch bei Verkehrssenatorin Günther und Staatssekretär Kirchner. Danke euch allen für eure Leidenschaft, für eure Mühe, für eure Kompromissbereitschaft und für die Liebe zum Detail, aber vor allem Danke schön für dieses Gesetz!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Denn erstmals denkt ein Gesetz Fußverkehr, Radverkehr, öffentlichen Personennahverkehr und Wirtschaftsverkehr zusammen statt in Konkurrenz zueinander.