Protocol of the Session on January 24, 2019

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 36. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Ich begrüße Sie, unsere Gäste, Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Medienvertreterinnen und Medienvertreter sehr herzlich. Allen, denen ich das noch nicht persönlich sagen konnte, wünsche ich ein gutes neues Jahr, vor allen Dingen Glück und Gesundheit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Ich habe zunächst zwei traurige Mitteilungen zu machen. Bereits am 25. November 2018 verstarb der Stadtälteste und langjährige Staatssekretär für Finanzen Werner Heubaum nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 87 Jahren. Werner Heubaum startete 1949 seine berufliche Laufbahn mit einer Ausbildung zum Maschinenschlosser, wechselte dann aber in eine Verwaltungsausbildung beim Bezirksamt Kreuzberg. Dort durchlief er alle Stationen bis zum höheren Dienst. Mit 21 Jahren – 1952 – trat Werner Heubaum in die SPD ein.

Als engagierter Funktionär der Partei bewarb er sich 1967 um ein Mandat im Abgeordnetenhaus. Die Wählerinnen und Wähler im Wahlkreis 4 im Bezirk Schöneberg statteten ihn mit dem Direktmandat für diesen Wahlkreis aus. Im Landesparlament wirkte Werner Heubaum im Hauptausschuss und im Rechnungsprüfungsausschuss mit. In dieser Zeit entwickelte er eine tiefe Leidenschaft für das politische Zahlenwerk der Stadt.

Seine Fähigkeiten führten zu einem Ruf an die Verwaltungsspitze der Senatsverwaltung für Finanzen – er wurde 1973 zum Staatssekretär ernannt. Diese Aufgabe füllte er stolze 22 Jahre aus – trotz wechselnder Senatoren, auch von anderen Parteien. Auf Werner Heubaum wollte kein Berliner Finanzsenator verzichten. Seine Expertise hatte Gewicht, besonders in den schwierigen Zeiten der städtischen Wiedervereinigung. Wir werden das Andenken an Werner Heubaum bewahren. Unsere Anteilnahme gilt seiner Ehefrau und dem Sohn.

Eine weitere traurige Nachricht hat uns zu Beginn dieses Jahres erreicht. Christa Friedl ist am 10. Januar im Alter von 83 Jahren verstorben. Die ehemalige SPD-Abgeordnete wurde am 14. Dezember 1935 in Berlin geboren. Nachdem Christa Friedl 1951 die Realschule absolvierte, folgte eine Schneiderlehre an der Berufsfachschule für Damenschneiderei. Im Jahr 1954 schloss sie die Gesellenprüfung ab und arbeitete einige Jahre als Modezeichnerin in der Modellkonfektion. Der SPD trat sie 1971 bei und engagierte sich hier zunächst als Vorsitzende der

Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen in Zehlendorf.

Zehn Jahre lang machte sie sich als Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung für Zehlendorf stark. Sie amtierte dort auch von 1981 bis 1989 als stellvertretende Vorsteherin, bevor sie im März 1989 ins Berliner Abgeordnetenhaus gewählt wurde. Hier wirkte Christa Friedl vor allem im Ausschuss für Frauenfragen, dessen Vorsitz sie in der 11. Wahlperiode innehatte. Außerdem engagierte sie sich in den Ausschüssen für Gesundheit und Soziales, Jugend und Familie sowie dem Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr.

Darüber hinaus war Christa Friedl auch Mitglied im Kuratorium der Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik Alice Salomon sowie bei der Arbeiterwohlfahrt. Christa Friedl trat in unterschiedlichen Funktionen für die Belange der Berliner Bevölkerung ein. Unsere Anteilnahme gilt ihrem Ehemann und ihrer Familie.

[Gedenkminute]

Ich danke Ihnen, dass Sie sich zu Ehren von Christa Friedl und Werner Heubaum erhoben haben.

Bevor ich zum weiteren Verfahrensablauf komme, habe ich noch einige Glückwünsche auszusprechen: Der Kollegin Frau Dr. Susanna Kahlefeld von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen darf ich zum heutigen Geburtstag gratulieren. – Herzlichen Glückwunsch!

[Allgemeiner Beifall]

Ebenfalls zum heutigen Geburtstag gratuliere ich dem Kollegen Torsten Schneider von der Fraktion der SPD. – Auch Ihnen alles Gute, Herr Kollege!

[Allgemeiner Beifall]

Schließlich darf ich dem Kollegen Sebastian Schlüsselburg von der Fraktion Die Linke zur Hochzeit gratulieren. – Herzlichen Glückwunsch!

[Allgemeiner Beifall]

Dann habe ich Geschäftliches mitzuteilen: Der Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/0538: „Berliner Großmarkt fit für die Zukunft machen – Interessensgemeinschaft Lebensmittel- und Frischecluster Berlin unterstützen“ wurde in der 15. Sitzung am 18. September 2017 federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Betriebe und an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen sowie an den Hauptausschuss überwiesen. Dieser Antrag wurde von der antragstellenden Fraktion nunmehr zurückgezogen.

Am Montag sind folgende sechs Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

− Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „100 Jahre

Frauenwahlrecht – 8. März wird Feiertag“

− Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Zurück

bleiben bitte: Umfragetief lässt SPD am Rad drehen. Querschüsse gegen BVG und Koalitionspartner statt Lösungsvorschläge zu Berlins Nahverkehrskrise“

− Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema:

„100 Jahre Frauenwahlrecht – 8. März wird Feiertag“

− Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum

Thema: „100 Jahre Frauenwahlrecht – 8. März wird Feiertag“

− Antrag der AfD-Fraktion zum Thema: „Bauen statt

enteignen – Investoren ermutigen statt Steuerzahler abzocken! Für eine Wohnungspolitik ohne längst gescheiterte sozialistische Ideologien“

− Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Enteig

nung statt Zukunft – R2G ohne Maß bei der Finanz- und Wohnungsbaupolitik“

Die Fraktionen haben sich auf das Thema der Fraktion der CDU „Zurückbleiben bitte: Umfragetief lässt SPD am Rad drehen. Querschüsse gegen BVG und Koalitionspartner statt Lösungsvorschläge zu Berlins Nahverkehrskrise“ verständigt. Somit werde ich dieses Thema in der Aktuellen Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufen. Die anderen Anträge auf Aktuelle Stunde haben ihre Erledigung gefunden.

Sodann verweise ich auf die Ihnen vorliegende Dringlichkeitsliste. Die Fraktionen haben sich einvernehmlich darauf verständigt, die dort verzeichneten Vorgänge unter den Tagessordnungspunkten 4 A, 4 B, 9 A, 25, 26 und 26 A in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ich gehe davon aus, dass den zuvor genannten Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Dabei darf ich darauf hinweisen, dass nach der Regelung in § 59 Abs. 3 Satz 2 unserer Geschäftsordnung für die dringliche erste Lesung einer Gesetzesvorlage, wie bei dem Tagesordnungspunkt 9 A „Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen“, eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des Abgeordnetenhauses erforderlich ist. – Widerspruch zur Dringlichkeitsliste höre ich nicht. Dann sind diese Ergänzungen der Tagesordnung einvernehmlich so beschlossen.

Auf die Ihnen vorliegende Konsensliste darf ich ebenfalls hinweisen und stelle fest, dass dazu kein Widerspruch erfolgt ist. Auch die Konsensliste ist damit so angenommen.

Die AfD-Fraktion beantragt eine Verbindung von Tagesordnungspunkt 4 B, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 21. Januar 2019, Drucksache 18/1621, zum Antrag der AfDFraktion Drucksache 18/1503: „Gesetz über die Befragung zur Einführung eines neuen gesetzlichen Feiertages in Berlin“ mit Tagesordnungspunkt 4.1, Priorität der Fraktion Die Linke, zweite Lesung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage.

Dieser TOP ist bereits verbunden mit dem Antrag der Fraktion der CDU „Für ein bewusstes Gedenken!“. Eine gemeinsame Aussprache über die zusammenhängenden Gegenstände kann gemäß § 59 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung jederzeit beschlossen werden. Vor der Abstimmung kann einmal für und einmal gegen die Verbindung gesprochen werden. – Herr Trefzer begründet den Geschäftsordnungsantrag der Fraktion der AfD.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Wir entscheiden hier heute über die Frage eines möglichen zusätzlichen gesetzlichen Feiertages in Berlin. Dazu liegen zwei Gesetzentwürfe und ein Antrag vor: der Gesetzentwurf der Koalition zur Einführung des Frauentages, der Gesetzentwurf der AfD-Fraktion zu einer Volksbefragung über einen Feiertag und ein Antrag der CDU-Fraktion über ein rollierendes Feiertagssystem. Alle drei Vorgänge sind am Montag im Innenausschuss gemeinsam behandelt worden und sind auch mit Dringlichkeit hier an diese Stelle überwiesen worden.

Es gibt aus der Sicht meiner Fraktion keinen sachlogischen Grund, warum diese drei Punkte – die beiden Gesetzentwürfe und der Antrag – nicht gemeinsam behandelt werden sollten. Es ist vielmehr nach unserer Auffassung zwingend erforderlich, dass zunächst auch über unseren Antrag zu einer Volksbefragung zum Thema Feiertag abgestimmt und Klarheit darüber erzielt wird, ob das Haus diesem Vorschlag folgt, ob wir eine Volksbefragung durchführen werden. Und erst wenn das durch dieses Haus abgelehnt worden sein sollte, können wir uns der konkreten Frage, dem konkreten Gesetzentwurf über einen konkreten Feiertag zuwenden. Das ist die logische Reihenfolge, und es gibt aus unserer Sicht keine Gründe, auch keine verfassungsrechtlichen Gründe, warum diese beiden Gesetzentwürfe getrennt werden sollten. Das Gutachten zum Thema Volksbefragung – das sogenannte Olympiagutachten aus dem Jahr 2015 – zeigt ganz klar, dass es keiner verfassungsrechtlichen Ergänzungen für diese einfach-gesetzliche Lösung, für eine Volksbefragung bedarf, und deswegen bitte ich Sie, dass wir diese Punkte gemeinsam beraten und dass der Punkt 4 B zusammen mit dem Punkt 4 A behandelt wird. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) und Kay Nerstheimer (fraktionslos)]

Zur Gegenrede hat Kollege Zillich das Wort!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie bereits im Ältestenrat erklärt und besprochen, sprechen

(Präsident Ralf Wieland)

wir gegen eine solche Verbindung. Der Präsident hat ausgeführt, unter welchen Voraussetzungen – nämlich wenn es einen Sachzusammenhang sieht – das Haus die Möglichkeit hat, Gegenstände miteinander zu verbinden. Wir halten das in diesem Zusammenhang nicht für sinnvoll, und wir sehen im Übrigen auch den Sachzusammenhang nicht. Ich werde das erläutern. – Zunächst aber müssen Sie sich vorhalten lassen, dass es nicht ganz üblich ist, erst fünf Minuten vor Beginn der Tagung einen solchen Geschäftsordnungsantrag zu stellen, aber Sie müssen selber vertreten, wie Sie damit umgehen wollen.

Dann ist es auch so, dass wir die gleiche Auseinandersetzung bereits in der ersten Lesung dieser Anträge hatten. Auch dort wurde hier im Plenum nicht verbunden, mit der gleichen Argumentation. Dort haben Sie keinen Verbindungsantrag gestellt – warum Sie ihn erst jetzt stellen, müssen Sie selber entscheiden.

[Beifall bei, der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der AfD]

Zweitens: Wir sehen den Sachzusammenhang nicht. Es ist ein Unterschied, ob man darüber redet, welchen Feiertag man haben will, oder ob man das Instrument einer Volksbefragung oder eines Referendums einführen will. Das ist ein ganz deutlicher Unterschied im Gegenstand.

[Georg Pazderski (AfD): Wirklich absurd!]

Bei dem, was Sie sagen, geht es nicht nur darum, welchen Feiertag es geben soll, sondern es geht darum, inwieweit Volksbefragungen von oben, inwieweit Referenden von oben sich einpassen in das Gesetzgebungssystem, was in der Verfassung vorgegeben ist. Es sind auch Verfassungsfragen berührt, inwieweit es dazu einer Verfassungsänderung bedarf, es ist die Frage berührt, inwieweit die Möglichkeiten der direkten Demokratie durch eine solche Befragung von oben eingeschränkt werden – Sie haben ja selber darauf verwiesen, dass sich daraus eine Reihenfolge im Gesetzgebungsverfahren ergebe. Insofern ist es ein deutlich anderer Gegenstand, der auch eine andere Erörterung verlangt, deswegen sehen wir den Sachzusammenhang nicht und stimmen der Zusammenführung nicht zu.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]