Protocol of the Session on January 30, 2020

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da gab es eine Mietpreisbindung bis Mitte der Achtzigerjahre, und das war kein schlechtes Leben für die Mieterinnen und Mieter.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Bis 89 nach Ost-Berlin! Zuruf von der AfD: Ist es doch auch heute so!]

Die Regulierung des Mietenmarktes wird jetzt von der Opposition als ein schwerwiegender Eingriff und eine Attacke auf die soziale Marktwirtschaft kritisiert. Meine Damen und Herren! Ich glaube, dem liegt ein elementares Missverständnis zugrunde. Soziale Marktwirtschaft heißt nicht das ungebremste freie Spiel der Marktkräfte,

[Zuruf von der AfD: Doch!]

sondern soziale Marktwirtschaft hieß immer, dass dem Markt Regeln gegeben werden und dass es eine politische Aufgabe ist, Rahmenbedingungen vorzugeben, die den sozialen Ausgleich und nicht das freie Spiel der Marktkräfte gewährleisten. Und genau das tun wir mit diesem Mietendeckel.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von Christian Buchholz (AfD) und Gunnar Lindemann (AfD)]

Ich will an dieser Stelle – ich weiß, Sie haben es nicht so mit dem Grundgesetz – das Grundgesetz zitieren.

[Lachen bei der CDU, der AfD und der FDP – Georg Pazderski (AfD): Das sagt Die Linke! Die Sozialisten!]

Im Grundgesetz heißt es:

Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Und da das Immobilieneigentum in Berlin immer weniger diesem Wohl der Allgemeinheit dient, sondern der individuellen Profitmaximierung für Aktionäre und Couponschneider,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Quatsch! – Zurufe von Dr. Kristin Brinker (AfD) und von Franz Kerker (AfD)]

muss dieser Verfassungsgrundsatz wieder zur Geltung gebracht werden, und deshalb beschließen wir heute den Mietendeckel.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Dass der Wohnungsmarkt aus den Fugen geraten ist, sieht man auch daran, dass das verfügbare Haushaltseinkommen, die ortsübliche Vergleichsmiete, die Neuvertragsmieten und die Immobilienpreise sich immer weiter auseinanderentwickeln. Da hilft auch ein Blick in den IBBWohnungsmarktbericht; da wird man feststellen, dass von 2013 bis 2017 das verfügbare Haushaltseinkommen um

(Präsident Ralf Wieland)

8,3 Prozent gestiegen ist, die ortsübliche Vergleichsmiete um 15,3 Prozent – fast um das Doppelte –, die Angebotsmieten um 24,5 Prozent und die Immobilienpreise um 50 Prozent.

[Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Das ist nicht nur eine sozial extrem bedenkliche Entwicklung, sondern das ist auch eine wirtschaftlich hochgefährliche Entwicklung.

[Ronald Gläser (AfD): Ergebnis Ihrer Politik!]

Denn was bedeutet diese Entkopplung von Einkommen, von Mietpreisen und von Immobilienpreisen? – Das heißt, dass hohe, überhöhte Immobilienpreise über die Miete refinanziert werden müssen. Wenn aber das verfügbare Haushaltseinkommen deutlich hinter der Steigerung der Mietpreise und der Immobilienpreise zurückbleibt und diese Schere immer größer wird, wird irgendwann diese spekulative Entwicklung nicht mehr finanzierbar sein. Das ist hochgefährlich, weil das nichts anderes ist, als ein Zeichen für Immobilienspekulation und eine Immobilienblase; nicht von ungefähr hat der Finanzmarktstabilitätsbericht der Deutschen Bundesbank seit Jahren darauf hingewiesen, dass diese Entwicklung auf den Immobilienmärkten, insbesondere in den Metropolen, hochgefährlich ist,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das liegt an der Eurorettungs- und Niedrigzinspolitik!]

und dass eine Überbewertung der Immobilienpreise in den Metropolen von 30 Prozent vorliegt.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das liegt am Betongold!]

Das Empirica-Forschungsinstitut sagt sogar, in Berlin beträgt die Überbewertung 37 Prozent. Das ist eine Entwicklung, der wir Einhalt gebieten müssen. Die Spekulation muss gebremst werden, und es muss das klare Signal geben: Es kann keine grenzenlose Mietpreissteigerung geben, es kann keine grenzenlose Verwertung geben, und deshalb werden wir den Mietendeckel beschließen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Bravo! von der LINKEN]

Und jetzt gibt es die Horrorszenarien, die in der Kampagne der letzten Wochen und Monate an die Wand gemalt worden sind, wir würden die Immobilieneigentümer massenhaft in den Ruin treiben. Zunächst findet ja ein Einfrieren der Bestandsmieten statt. Wer will mir sagen, dass die Bestandsmieten gegenwärtig nicht auskömmlich sind? – Ich glaube, das ist eine absurde Idee. Nach neun Monaten treten die Mietobergrenzen in Kraft, die sich am Mietspiegel 2013 orientieren, plus einer Indexierung. Auch der Mietspiegel 2013 war ein Mietspiegel, mit dem die Mietpreise nicht ins Bodenlose gesunken waren, sondern bei dem durchaus auskömmliche Mietpreise genommen worden sind. Eine Absenkung tritt überhaupt erst in Kraft, wenn die Mietobergrenze um 20 Prozent

überhöht ist. Insofern: Lassen Sie Ihre Horrorszenarien stecken.

Nun mag es durchaus sein, dass, wenn Menschen zu überhöhten Preisen ihre Immobilie gekauft und mit hohen Mieten kalkuliert haben, in dem einen oder anderen Fall wirtschaftliche Schwierigkeiten auftreten – aber dafür haben wir die Härtefallregelung. Und an dieser Stelle möchte ich auch gerne das Bundesverfassungsgericht zitieren, das in seiner Entscheidung zur Mietpreisbremse sagt:

Auf dem sozialpolitisch umstrittenen Gebiet des Mietrechts müssen Vermieter mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen und können nicht auf den Fortbestand einer ihnen günstigen Rechtslage vertrauen. Ihr Vertrauen, mit der Wohnung höchstmögliche Mieteinkünfte erzielen zu können, wird durch die Eigentumsgarantie

des Grundgesetzes –

nicht geschützt.

So viel dazu.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Jetzt hat sich die CDU zur Untermauerung ihrer Horrorszenarien ein Gutachten schreiben lassen vom Institut der Wirtschaft aus Köln. Dieses gleiche Institut hat zum Thema der Mietpreisbremse – verabschiedet von einer Koalition aus CDU und SPD – ebenfalls Stellungnahmen abgegeben, und dort kann man genau die gleichen Horrorszenarien nachlesen, die sie für den Mietendeckel an die Wand malen: Die Mietpreisbremse sollte zum Erliegen der Neubautätigkeit führen, zum Einbruch der Investitionen und alles Mögliche. Nichts davon ist passiert.

[Paul Fresdorf (FDP): Das wollen wir doch genauer hören! – Dirk Stettner (CDU): Ha!]

Das gleiche Institut hat übrigens bei der Einführung des Mindestlohns den Verlust von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen prognostiziert – nichts davon ist eingetreten.

Nichtsdestotrotz habe ich mir – mit begrenztem Vergnügen – die Mühe gemacht, dieses Gutachten zu lesen. Deshalb möchte ich zwei Punkte aus diesem Gutachten zum Besten geben: Das Gutachten sagt – ich zitiere –: Mit dem Mietendeckel verlieren die Mietpreise ihre Allokationsfunktion. – Da fragt man sich: Was heißt das? Wenn man weiterliest in diesem Gutachten, wird das erläutert. Das heißt nämlich, es wird ein Preissignal ausgesendet durch hohe Mieten, das den Menschen mitteilt: Ihr könnt euch in bestimmten Bereichen der Stadt die Miete nicht leisten, deshalb ist es sinnvoll, euch in der Peripherie oder im Speckgürtel in Brandenburg umzusehen. – Das ist die Allokationsfunktion, die hier aufrechterhalten werden soll. Und ich sage: Nein, das ist nicht

das, was wir wollen; dieses Preissignal an die Menschen: Ihr habt in dieser Stadt keinen Platz – das wollen wir nicht.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Wir wollen eine soziale Mischung innerhalb dieser Stadt. Wir wollen keine Banlieues, in die die Menschen verdrängt werden. Wir wollen, dass alle Menschen in dieser Stadt einen Platz haben, wir wollen, dass alle Menschen die Möglichkeit haben, eine erschwingliche Miete zu bekommen, und wir wollen eine soziale Mischung, in der die Tochter der Alleinerziehenden zusammen mit der Tochter des Professors oder eines Geschäftsführers oder eines Investmentbankers im gleichen Stadtquartier und in der gleichen Schule leben kann – das ist die Perspektive, die wir für diese Stadt haben, und nicht die Entmischung und die Segregation.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Wir auch, aber nicht so! – Holger Krestel (FDP): Ah!]

An dieser Stelle sage ich auch noch mal: Auch das Bundesverfassungsgericht will diese so schön genannte Allokationsfunktion nicht. Das Bundesverfassungsgericht sagt in seinem Urteil zur Mietpreisbremse – ich zitiere –:

Es liegt im öffentlichen Interesse, der Verdrängung … weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen … entgegenzuwirken.

Und genau das machen wir mit diesem Mietendeckel.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Dann sagt dieses Gutachten auch noch: Na ja, mit diesem Mietendeckel würde sich die Nachfrage nach Wohnungen erhöhen, weil sich das jetzt alle möglichen Leute leisten können, und dann würden die Vermieter sich diejenigen mit den höheren Einkommen und der besten Bonität aussuchen. – Da frage ich mich: Wo leben Sie denn? Als ob die Vermieter heute nicht gucken, wer leistungsfähig ist. Aber heute haben die Menschen mit geringem oder durchschnittlichem Einkommen überhaupt keine Möglichkeit, sich für bestimmte Wohnungen zu bewerben.

[Dr. Kristin Brinker (AfD): In Zukunft doch noch weniger! – Zuruf von Henner Schmidt (FDP)]

Mit dem Mietendeckel haben sie wenigstens eine Chance, und diese Chance wollen wir ihnen eröffnen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]