Protocol of the Session on April 6, 2017

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 9. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, und ich begrüße Sie, unsere Gäste, unsere Zuhörer sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien sehr herzlich.

Ich möchte Sie bitten, sich von den Plätzen zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Am 22. März starb der Stadtälteste und langjährige ehemalige SPD-Abgeordnete Rüdiger Hitzigrath im Alter von 87 Jahren.

Geboren wurde Rüdiger Hitzigrath am 27. Dezember 1929 in Berlin. Er selbst bezeichnete sich als „Kind der Weimarer Republik“, womit er seine demokratische Einstellung unterstrich. Seine Schulzeit beendete er 1948 mit dem Abitur, studierte im Anschluss daran Jura und beendete das Studium 1956 mit dem ersten Staatsexamen. Zunächst arbeitete er für die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, später dann als freier Versicherungsvertreter.

1963 trat Rüdiger Hitzigrath in die SPD ein, wurde Bezirksverordneter in Wilmersdorf, und seit April 1971 war er Abgeordneter in unserem Haus. Sein Abgeordnetenhausmandat übte Rüdiger Hitzigrath bis 1981 aus, rückte dann als Vertreter Berlins für Marie Schlei in den Deutschen Bundestag nach. Nachdem er am Ende der Legislaturperiode 1983 aus dem Bundestag ausschied, rückte er 1984 ins Europaparlament nach, dem er bis 1989 angehörte.

Nach seiner Laufbahn als aktiver Abgeordneter wirkte Rüdiger Hitzigrath als Vorsitzender der Stiftung „Hospitäler zum Heiligen Geist und St. Georg“. Er setzte sich in dieser Funktion besonders für Menschen mit Behinderungen ein. Rüdiger Hitzigrath hat sich als Berliner Volksvertreter bleibende Verdienste erworben.

Anlässlich eines Interviews sagte er vor dreizehn Jahren: „Wir müssen die Chancen, die in Europa liegen, deutlich machen.“ Diese Aussage ist immer noch aktuell.

Wir werden Rüdiger Hitzigrath in ehrenvoller Erinnerung behalten.

[Gedenkminute]

Ich danke Ihnen, dass Sie sich zu Ehren des Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben haben.

In der letzten Woche wurden wir mit einer Nachricht konfrontiert, die unglaublich klang. Der türkische Geheimdienst hatte dem Bundesnachrichtendienst Listen

übermittelt, auf denen Personen standen, die in Deutschland leben und angeblich der Gülen-Bewegung nahestehen. Der Wunsch an den BND war: Wir möchten Amtshilfe bei der Bespitzelung der Personen, die auf der Liste stehen, leisten. Es war gut und richtig, dass unsere Geheimdienste diesen Vorgang zurückgewiesen haben. Es wäre aber besser gewesen, wenn die betroffenen Personen rechtzeitiger informiert worden wären. Welchen Respekt die türkische Regierung vor der deutschen Staatsangehörigkeit hat, bekommen wir im Fall des inhaftierten Journalisten Deniz Yücel drastisch vor Augen geführt.

Was die türkische Regierung vorhat, können wir nicht tolerieren: Sie versucht, in unserer Gesellschaft Konflikte zu schüren. Sie versucht, Misstrauen zu säen. Sie versucht, Menschen einzuschüchtern, und sie versucht, was das Schlimmste ist, Angst zu verbreiten. Das lassen wir uns nicht gefallen, meine Damen und Herren! Jeder Mensch, der in Deutschland zu Hause ist, lebt in einem freien Land. Dabei spielt es keine Rolle, woher er stammt und welchen Glauben er hat. Wer sich an unsere Gesetze hält, kann die Freiheit und die Freizügigkeit in unserem Land genießen, so wie er oder sie es für richtig hält. An diesem gesellschaftlichen und politischen Grundkonsens lassen wir nicht rütteln – weder von inneren politischen Kräften noch von äußeren Mächten. Diese Einmischung verbitten wir uns! Wir verbitten uns diese Einmischung übrigens auch dann, wenn sie religiöse Motive verfolgt.

Ich weise ebenso das Ansinnen zurück, Abgeordnete in deutschen Parlamenten zu bespitzeln, zu denunzieren und zu kriminalisieren. Diese Respektlosigkeit gegenüber unseren demokratisch legitimierten Instanzen und deren Mitgliedern ist ungeheuerlich!

Sehr geehrte Frau Demirbüken-Wegener! Sie können davon ausgehen, dass alle Abgeordneten unseres Parlaments diesen Umgang mit Ihnen missbilligen und dass wir an Ihrer Seite stehen. Und ich möchte Ihnen auch für Ihre besonnene Reaktion danken. Sie haben kein weiteres Öl ins Feuer gegossen. Ihre kluge Botschaft war dennoch klar und deutlich zu vernehmen.

Meine Damen und Herren! Spionageaktivitäten sind in Deutschland strafbar. Wir leben in einem Rechtsstaat. Deshalb ist es folgerichtig, dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen aufgenommen hat. Meine Bitte: Lassen wir uns die langjährigen, vielfach engen Lebensbeziehungen zwischen Deutschen und Türken, zwischen Deutschtürken und Deutschen und zwischen Türken und Deutschtürken nicht kaputt machen! Uns verbindet einfach zu viel. Ich appelliere deshalb an uns Berlinerinnen und Berliner, ganz gleich ob deutscher oder türkischer Herkunft: Wir sollten unsere Freundschaft weiter vertiefen und nicht leichtfertig opfern! Denn die Freundschaft ist und bleibt die Grundlage für Verständigung. Berlin ist

eine freie, Berlin ist eine tolerante Stadt. Und wir wollen, dass das so bleibt! – Vielen Dank!

[Anhaltender allgemeiner Beifall]

Bevor ich zum weiteren Verfahrensablauf komme, möchte ich der Kollegin Dr. Kristin Brinker von der AfD-Fraktion zum heutigen Geburtstag gratulieren! – Herzlichen Glückwunsch, Frau Kollegin!

[Allgemeiner Beifall]

Im Namen des Hauses beglückwünsche ich den Kollegen Dr. Hans-Christian Hausmann von der Fraktion der CDU zur Geburt seiner Tochter Thilda Margarethe. – Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für die Familie!

[Allgemeiner Beifall]

Dann habe ich Geschäftliches mitzuteilen: Der Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/0097, Einsetzung eines Untersuchungsausschusses „Der Anschlag vom 19. Dezember 2016 am Breitscheidplatz. Vorgeschichte, Abläufe und Folgerungen für das Land Berlin“, ist in der 5. Sitzung am 26. Januar 2017 federführend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung und mitberatend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, Digitale Verwaltung, Datenschutz, Informationsfreiheit und zur Umsetzung von Artikel 13 Abs. 6 Grundgesetz sowie § 25 Abs. 10 ASOG und an den Hauptausschuss überwiesen worden. Die Fraktionen haben sich im Ältestenrat darauf verständigt, die Überweisung des Antrags Drucksache 18/0097 an den Hauptausschuss aufzuheben. – Widerspruch gegen diese veränderte Ausschussüberweisung höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Am Montag sind folgende sechs Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

− Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Hochschulverträge: Berlin investiert in gute Wissenschaft“

− Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Senatsfeldzug gegen Autofahrer stoppen – rot-rot-grüne Verkehrspolitik macht Autofahrer zu Verlierern“

− Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Hochschulverträge: Berlin investiert in gute Wissenschaft“

− ein gleichlautender Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

− Antrag der AfD-Fraktion zum Thema: „(Keine) Selbstbedienung im und des Berliner Parlament(s)“

− Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „ ‚Willst Berlins Autofahrer Du quälen, musst Rot-Rot-Grün Du wählen‘ – funktionierende Verkehrspolitik für alle Berliner“

[Heiterkeit – Beifall bei der FDP]

Das mit dem Reimen funktioniert nicht immer. – Die Fraktionen haben sich auf die Behandlung des Antrags der CDU, Stichworte: Senatsfeldzug gegen Autofahrer

stoppen, verständigt, sodass ich dieses Thema gleich in der Aktuellen Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufe, und zwar in Verbindung mit den Tagesordnungspunkten 6, 18 und 27. Die anderen Anträge auf Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.

Ich möchte dann noch auf die Ihnen vorliegende Dringlichkeitsliste mit dem Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die dort verzeichneten und nach Redaktionsschluss eingegangenen Vorgänge unter den Tagesordnungspunkten 4, 9, 10, 10 A, 10 B, 33 A, 33 B, 33 C und 33 D in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ich gehe davon aus, dass diesen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. – Widerspruch höre ich nicht, dann ist dies so beschlossen. Auf die Ihnen vorliegende Konsensliste darf ich ebenfalls hinweisen und stelle fest, dass dazu kein Widerspruch erfolgt. Die Konsensliste ist damit so angenommen.

Der Regierende Bürgermeister ist heute ganztägig entschuldigt. Er nimmt an der 44. Regionalkonferenz der Regierungschefs der ostdeutschen Länder teil und dem Gespräch mit der Frau Bundeskanzlerin und der Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer in Bad Muskau.

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 1:

Aktuelle Stunde

gemäß § 52 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

„Senatsfeldzug gegen Autofahrer stoppen – rotrot-grüne Verkehrspolitik macht Autofahrer zu Verlierern“

(auf Antrag der Fraktion der CDU)

in Verbindung mit

lfd. Nr. 6:

Durchdachtes Verkehrskonzept für die Innenstadt statt rot-rot-grünem Wunschzettel

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz vom 16. März 2017 Drucksache 18/0231

zum Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/0141

in Verbindung mit

lfd. Nr. 18:

Groben Unfug verhindern – kein Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen in Berlin