Protocol of the Session on November 11, 2020

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Deswegen meine Frage: Hat man da im Sommer nicht einfach zu viel Zeit verstreichen lassen? Hat man sich nicht entspre chend vorbereitet? Denn wenn man sich mit dem Szenario – zweiter Lockdown – beschäftigt hätte, dann hätte man so et was vorbereiten können. – Das ist die erste Frage.

Die zweite Frage: Fast jeder Fast-Food-Kette wird jetzt der entgangene Gastronomieumsatz erstattet. Dem Landgasthof mit Metzgerei aber, der seit vielen Jahren einen stabilen The kenumsatz hatte, oder der Bäckerei mit Café, die seit vielen Jahren einen stabilen Thekenumsatz hatte, wird der Theken umsatz jetzt zum Verhängnis, weil sie eben nicht über die 80 % kommen.

Ich war am Wochenende in einer Metzgerei; dort steht der 86-jährige Betriebsinhaber noch mit seiner Tochter im Ge schäft und bringt den Betrieb einigermaßen über die Runden. Was ist denn aber mit der Bäckerei, die den Café-Bereich ge schlossen hat? Frau Ministerin, wie passt das zusammen?

Herr Schweickert, Sie sprachen von Vorbereitung. Natürlich hat man verschiedene Szenarien durchdacht. Man hat ja auch eine Verlängerung der Überbrü ckungshilfe II rechtzeitig umgesetzt. Dass sich die Situation jetzt in dieser Form zuspitzt, und zwar so sehr, dass wieder Teile der Unternehmen geschlossen werden müssen, darauf hat man sich natürlich auch vorbereitet. Wir haben ja im Rah men der bestehenden Unterstützungssysteme funktionieren de Verfahren auf den Weg gebracht.

Aufgrund dieses harten Einschnitts im November – kurz vor dem Weihnachtsgeschäft; ein Teil bricht ja schon weg – hat sich der Bund großzügigerweise dazu entschlossen, jetzt eine ganz andere Systematik der Hilfen zugrunde zu legen, weg von der Erstattung von Fixkosten hin zu der Erstattung von Umsatzanteilen. Deshalb bedarf es bei der Antragstellung ei ner neuen Programmierung, um die Anträge dann auch ent sprechend zentral über die Bundesplattform bearbeiten zu können. Da trägt der Bund die Verantwortung.

Bezüglich der schon bestehenden Information, die Sie ja auch angesprochen haben: Es war auch eine Forderung der Wirt schaftsminister, dass man die Finanzämter stärker mit einbe zieht.

(Zuruf: Genau!)

Es wird jetzt auch einen besseren Austausch geben. Da wer den Informationen zur Verfügung gestellt. Bei den Unterneh men, die ihre Steuererklärung entsprechend abgeben mussten, liegen ja auch die Angaben über die Vorjahresumsätze vor.

Wir haben ja auch noch viele Soloselbstständige. Wir gehen davon aus, dass wir ca. – das sind wirklich nur Schätzungen – 70 000 Antragsberechtigte in Baden-Württemberg haben und 70 % davon aller Voraussicht nach Soloselbstständige sein werden. Das heißt, auch da muss natürlich ein entsprechen des Verfahren auf Bundesebene aufgesetzt werden.

Aber glauben Sie mir: Der Bund – Peter Altmaier, aber auch Herr Scholz – hat ein großes Interesse daran, dass es schnell in die Umsetzung geht. Deswegen gibt es auch die Diskussi on um die Abschlagszahlungen. Damit könnte man den Un ternehmen die Liquidität zur Verfügung stellen und dann im zweiten Schritt – – Das ist ein großer Aufwand für die Betrie be, aber natürlich auch für die entsprechenden Stellen, die die Bearbeitung der Anträge übernehmen, es so zu regeln, dass das Geld möglichst schnell dort ankommt.

Ich meine, der Umsatzausgleich, der im November gestartet wird, ist ein großartiges Angebot.

Sie haben jetzt die Abgrenzung angesprochen. Das war ja schon bei allen Hilfsprogrammen das Thema. Man hat jetzt die Hotels mit aufgenommen; das war ursprünglich auch nicht der Fall. Wir sind hier noch im Fluss. Die Diskussionen dar über laufen noch, inwieweit wir den weiteren Unternehmen, die noch betroffen sind, die Hilfen zugänglich machen kön

nen. Wir haben ja bei der Stabilisierungshilfe des Landes ge nau diese Konstellation jetzt stärker berücksichtigt, wenn Be trieben Umsätze im Verkauf wegbrechen. Gerade bei Bäcke reien macht es einen großen Anteil aus, wenn bei ihnen Um satz in den Cafeterien wegbricht. Das haben wir im Land auf genommen. Beim Bund werbe ich dafür, es ebenso zu hand haben. Jetzt muss man sehen, was dann final entschieden wird.

Jetzt habe ich noch drei Wortmeldungen von Fragestellern für die verbliebenen acht Minuten vorliegen. Zuerst bitte ich Frau Abg. Hartmann-Mül ler an ein Saalmikrofon.

Ich möchte fragen, wie die Kommunikation gerade angesichts der Vielzahl der verschiedenen Hilfen ausschaut. Denn in meinem Wahlkreis werde ich gerade aus Teilen der Gastronomie und von Solo selbstständigen immer wieder darauf angesprochen, wie die Kompatibilität der verschiedenen Hilfsprogramme und För derprogramme zur Unterstützung unserer Wirtschaft ist, weil das ein wichtiges Thema ist und die Selbstständigen bzw. die Wirtschaftstreibenden hier oft den Überblick verloren haben, wie sie jetzt zur Coronazeit gut an Fördermittel bzw. Hilfs mittel kommen.

Es ist folgendermaßen: Wir hat ten im ersten Schritt bei der Soforthilfe, als wir, das Land, das Programm eigenständig umgesetzt haben, den Weg über die Kammern genommen, die Handwerkskammern und die In dustrie- und Handelskammern, die hier auch direkt beratend tätig waren, die auch schon über viele Unternehmen Informa tionen im Haus hatten und wertvolle Ratschläge geben konn ten.

Wir haben die „Krisenberatung Corona“, die wir auch finan zieren; das haben wir hier im Landtag diskutiert und beschlos sen. Hier finanzieren wir Beratungsgespräche für betroffene Betriebe.

Jetzt besteht über die neue Regelung unter Einbeziehung der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und geprüften Buchprüfer auch die Möglichkeit, sich beraten zu lassen.

Ich kann nur noch einmal betonen: Diese Kosten, die dann entstehen, um eine solche Hilfe in Anspruch zu nehmen, kön nen auch bei den Kosten angesetzt werden. Die werden dann wieder erstattet.

Also, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer sind hier ganz, ganz wichtige Ratgeber; wir haben dann auch noch die Rechtsan wälte mit aufgenommen.

Gut. Vielen Dank. – Nun bitte Herr Abg. Baron. Sie hatten sich auch gemeldet.

Frau Ministerin, auch ich habe noch eine Frage. Vom Bund kam die Aussage, dass beabsichtigt ist, 10 Milliarden € als Ausgleich für die Zwangsschließungen zur Verfügung zu stellen. Wenn ich einmal alles zusammenrech ne und überlege, was da alles zwangsgeschlossen wurde, dann werden diese 10 Milliarden € höchstwahrscheinlich nicht aus reichen. Sehen Sie andere Finanzmittel, mit denen man das aufstocken kann? Ist da schon etwas in der Überlegung?

Dann wollte ich Sie noch etwas zur Verhältnismäßigkeit die ser ganzen Maßnahmen fragen. Wie beurteilen Sie es, dass die Nagelstudios, in denen hinter Plexiglasscheiben gearbeitet werden kann, geschlossen bleiben müssen, während Friseure weiterhin Haare schneiden dürfen? Gleiches gilt für Hotels: Während Gäste, die auf Dienstreise sind, nach wie vor im ei genen Zimmer übernachten dürfen, sind Gäste, die zu touris tischen Zwecken übernachten wollen, nicht zulässig. Auch an gesichts dessen, dass das RKI allen Gastronomen einen An teil von 0,5 % an den Ansteckungen zuschreibt, halte ich be stimmte Maßnahmen für nicht verhältnismäßig. Wie stehen Sie dazu?

Herr Abg. Baron, welche Mittel und wie viele Mittel zur Verfügung stehen: In der Tat sind auf Bundesebene die 10 Milliarden € genannt worden, die aus die sem ersten Topf mit 25 Milliarden € gespeist werden. Die Überbrückungshilfe I wurde ja nicht in dem Umfang in An spruch genommen, wie es ursprünglich angedacht war.

Nachdem die beiden verantwortlichen Minister Altmaier und Scholz dieses großzügige Angebot so auf den Weg gebracht haben, gehe ich davon aus, dass sie dann auch nachsteuern werden, sollte die 10-Milliarden-€-Grenze überschritten wer den. Die Entscheidungshoheit bzw. auch die Pflicht liegt je doch nicht bei uns im Land, sondern auf Bundesebene.

Dann zur Verhältnismäßigkeit: Darüber kann man natürlich diskutieren. In den Diskussionen, die am 28. Oktober zwi schen den Ministerpräsidentinnen und den Ministerpräsiden ten sowie der Bundeskanzlerin geführt wurden, wurden viele Argumente eingebracht. Dazu zählte natürlich beispielsweise auch eine Sperrstunde für die Gastronomie. Dann gab es eine Abwägung der Vor- und Nachteile, einen Versuch, eine Linie zu finden: möglichst viel ermöglichen, aber dennoch die Zahl der Kontakte einschränken. Die klare Zielsetzung lautete, die Welle zu brechen. Ich glaube, wir alle sind uns einig, dass wir dieses dynamische Infektionsgeschehen so nicht weiter mit tragen konnten und dass Entscheidungen zu treffen waren.

Ich glaube, man kann jetzt noch keine Tendenz feststellen, aber eine gewisse Stabilisierung der Zahlen ist in den vergan genen Tagen erkennbar geworden. Jetzt müssen wir noch ab warten, wie es sich weiter entwickelt. Hoffentlich geht diese Tendenz weiter, und die Zahlen werden dann auch nach und nach rückläufig. Denn ich glaube, es ist in unser aller Interes se, dass wir so schnell wie möglich auch wieder zu Lockerun gen kommen. Aber wir müssen natürlich den Gesundheits schutz hier an erster Stelle sehen und alles dafür tun, dass wir die Menschen, die erkrankt sind, dann auch behandeln kön nen, dass wir auch die erforderlichen Kapazitäten in den Kran kenhäusern, auf den Intensivstationen zur Verfügung stellen können. Denn andernfalls machen wir uns da angreifbar, und das würden die Menschen dann auch nicht verstehen.

Danke schön. – Nun darf ich als Letztes noch Herrn Abg. Dr. Fulst-Blei aufrufen. Dann müssen wir dieses Thema abschließen.

Vielen Dank, Frau Vizeprä sidentin, dass Sie mich noch einschieben. – Frau Ministerin, uns ist eine Sache noch unklar geblieben. Wie konkret sind Sie denn jetzt in Gesprächen mit Minister Altmaier? Da gab

es zwar ein, zwei Andeutungen, aber das, was wir immer wie der heraushören, ist, dass Teile der Regierung an den Novem berhilfen Kritik üben. Aber haben Sie aktiv Gespräche mit Mi nister Altmaier aufgenommen? Was würden Sie denn selbst noch an Impulsen zusätzlich setzen wollen?

Es werden regelmäßig Gesprä che zwischen Bund und Ländern geführt, natürlich auf Ar beitsebene. Wir hatten in der vergangenen Woche eine Son derwirtschaftsministerkonferenz; gestern Abend hat sich Alt maier in einer Videokonferenz noch einmal mit den Wirt schaftsministern persönlich ausgetauscht. Also, wir sind da in einem ständigen Austausch. Wir bringen die Bedenken aus den Ländern vor, wir bringen die auch ein.

Die Entscheidung auf Bundesebene bezüglich der einzelnen Abgrenzungen ist noch nicht final getroffen. Die Eckpunkte sind klar definiert und veröffentlicht. Das liegt Ihnen ja sicher lich auch vor.

Aber gerade solche Themen der Abgrenzung, wie sie auch Herr Schweickert angesprochen hat, werden jetzt noch disku tiert. Wir, die Länder, die wir dann direkt für Bewilligung und Auszahlung zuständig sind, machen uns jetzt natürlich dafür stark, einen möglichst unbürokratischen Prozess auf den Weg zu bringen. Wir sehen Stand heute in bestimmten Bereichen mit direkt von der Schließung betroffenen Unternehmen – ge rade bei den 80 % Umsatzanteil; das muss ja entsprechend nachgewiesen werden – einen hohen Aufwand, der für die Be willigungsstellen entsteht. Das haben wir natürlich vorgetra gen – auch die anderen Punkte, die ich heute genannt habe – und sind da noch in der Diskussion.

Die Zeit drängt. Es muss jetzt eine Entscheidung getroffen werden. Da gibt es immer eine Abstimmung zwischen Bun deswirtschafts- und Bundesfinanzministerium. Vielleicht kön nen Sie, Herr Fulst-Blei, dort noch ein bisschen Einfluss neh men und für unsere Themen ringen. Denn der Wirtschaftsmi nister ist da immer eher progressiv und will mehr für die Wirt schaft tun, während der Finanzminister das Ganze immer ein bisschen zurückholt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie da Ih ren Einfluss auf Bundesebene geltend machen würden.

(Beifall)

Gut. Vielen Dank, Frau Ministerin. Dann schließen wir diesen ersten Themenkomplex ab.

Ich kann, solange das Redepult desinfiziert wird, schon das nächste Thema aufrufen – es wurde von der Fraktion GRÜ NE angemeldet –:

E r g e b n i s s e d e s N a t i o n a l e n F u ß v e r k e h r s k o n g r e s s e s

Herr Abg. Katzenstein wird dazu die erste Frage stellen.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Der Fußverkehr ist die am meisten unterschätzte Verkehrsart. Nahezu bei jeder langen oder kurzen Strecke ist ein entsprechender Fußver kehrsanteil dabei, sei es der Weg zur Bushaltestelle, oder sei es der Weg vom Autoparkplatz zum eigentlichen Ziel.

In dem von mir heute Morgen gezeigten Buch „Straßen für alle“ steht der schöne, damals zutreffende Satz:

Gehen wird von den meisten Politikern, Planern und Journalisten als Verkehrsart nicht ernst genommen.

Das hat sich deutlich geändert. Das belegt der 3. Deutsche Fußverkehrskongress, der am 21. Oktober digital stattfand und an dem mehr als 1 000 Menschen teilgenommen haben. Gast geber waren das Bundesverkehrsministerium und unser Ver kehrsministerium – also auch Sie, Herr Minister Hermann.

Ich frage daher die Regierung: Wie bewerten Sie den Fußver kehrskongress, und was waren die zentralen Botschaften?

Vielen Dank. – Wenn gleich wieder alles ganz sauber ist, darf ich Herrn Verkehrs minister Hermann ans Redepult bitten.

Frau Präsiden tin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abg. Katzenstein, ich danke für die Frage. Ich möchte mit einem Spruch aus der Internationalen Charta für das Ge hen beginnen:

Gehen ist das Erste, was ein Kind tun will, und das Letz te, was ein alter Mensch aufgeben will.

Insofern ist Gehen tatsächlich sehr bestimmend für das mensch liche Leben überhaupt und natürlich für die Fortbewegung.

Deswegen freut es mich, dass das Thema „Fußverkehr, Zu fußgehen“ auch stärker in den Mittelpunkt von Politik – auch von Bundespolitik – gerät. Es ist vor wenigen Jahren noch un vorstellbar gewesen, dass es überhaupt einen Bundeskongress zu diesem Thema gibt. Das ist jetzt schon der dritte gewesen. Wir haben uns beim Bund um die Austragung des dritten Kon gresses beworben, und wir waren überrascht, wie groß das In teresse an diesem Thema ist.

Das waren – Sie haben es gesagt – weit über 1 000 Teilneh mer. Der Kongress war erst anders geplant; wir haben dann coronabedingt umgestellt und ihn digital durchgeführt. Der Kongress ging über einen ganzen Tag. In den Hauptzeiten ha ben 800 bis 1 000 Personen an den verschiedenen Arbeits gruppen und Workshops teilgenommen. Das war, glaube ich, ein sehr deutliches Zeichen, dass Interesse daran bestand und man nicht nur sozusagen kurz reingeklickt hat. Die Menschen waren da und dabei.