Das Motto des Kongresses war übrigens „Jetzt Straßen für al le schaffen!“ Sie sehen: Das ist kein parteipolitisches Thema. Bundesverkehrsminister Scheuer hat den Kongress mit eröff net. Ministerpräsident Kretschmann hat ein Grußwort gehal ten. Oberbürgermeister Kuhn hat ein Grußwort gehalten. Auch ich durfte eine Eröffnungsrede halten.
Einige inhaltliche Punkte hatten wir alle gemeinsam: „Gehen ist wichtig, gesund, hilft der Stadt, erhöht die Lebensqualität in der Stadt. Wir wollen mehr dafür tun.“ Das war, glaube ich, unisono Tenor.
Die Workshops, die angeboten worden sind, bildeten ein brei tes Spektrum ab. Es ging um Fragen, die heute schon einmal angesprochen worden waren: Wie können wir Ortsmitten so gestalten, dass sie fußgängerfreundlich sind, dass man gern
Dann ging es um die Frage von sicheren Querungshilfen. Es ging darum, wie wir die Mobilität von Kindern und Jugend lichen fördern, um Parkraumpolitik und Flächenneuverteilung. Wie vermeiden wir Konflikte zwischen Rad- und Fußverkehr? Interessanterweise wurde in diesem Workshop vor allem über den Konflikt zwischen Fuß- und Autoverkehr gesprochen. Trotzdem, denke ich, gibt es auch einen Konflikt zwischen Rad- und Fußverkehr.
Es ging außerdem darum, inwieweit die Straßenverkehrs-Ord nung mit Blick auf den Fußgängerverkehr modernisiert wer den muss, um Fußgängerverkehr als Zubringer zu Bus und Bahn, die Einbindung konzeptioneller Fragen, strategischer Fragen. Der Workshop bildete ein sehr breites Spektrum ab.
Übrigens wurde der Workshop technisch sehr schön gemacht. Auf seinem Bildschirm hat man einen virtuellen Raum vor sich gesehen und sich dann ausgesucht, welchen Workshop man besucht; über einen Gang ist man zum Workshop gelangt.
Einer der Leitvorträge kam von Lucy Saunders aus Großbri tannien. Sie ist die Direktorin von Healthy Streets. Sie hat ei nen Vortrag gehalten, der, glaube ich, für viele Teilnehmerin nen und Teilnehmer interessant war. Das, was wir vielleicht als „verkehrsberuhigte Straße“ bezeichnen, wird in London als „Healthy Street“ bezeichnet. Damit ist eine gesundheits förderliche, eine lebensqualitätsförderliche Straße gemeint. Sie hat gesagt: „Über Verkehr reden wir gar nicht. Wir über legen uns: Wie gestalten wir eine Straße, sodass sie healthy ist?“ Das ist aus unserer Perspektive vielleicht ein radikaler Ansatz, weil wir immer überlegen: Wie bekommen wir die Themen Verkehr und Gesundheit zusammen? Bei Healthy Streets wird gesagt: „Gesundheit fördern – das Problem Ver kehr lösen wir auch noch.“ Das ist, glaube ich, ein anderer An satz.
Aber an dem Beispiel ist schön deutlich geworden, wie man verkehrsberuhigte Straßen, wie man Fußgängerzonen so um gestalten kann, dass sie animierend sind, dass Kinder Freude an einer Straße haben, weil es in dieser auch für sie Angebo te gibt.
Wir haben zu den Themen und Teilnehmerzahlen Umfragen gemacht. Interessant war, dass das Interesse an den Workshops sehr breit gestreut war. Man kann also nicht sagen: Ein The ma war der Renner, und die anderen Themen haben nieman den interessiert. Vielmehr haben an jedem Workshop 150 bis 350 Personen teilgenommen. Übrigens sind die Workshops nicht parallel gelaufen, sondern vielfach auch hintereinander.
Die Workshops wurden – auch hierzu wurde eine Umfrage gemacht – sehr positiv bewertet. Viele waren der Meinung, dass insbesondere der Vortrag aus London, aber auch die Vor rundendiskussionen sehr anregend waren.
Wir haben uns bemüht, bestimmte Themen filmisch darzustel len – das hat natürlich ins Format gepasst – und anschließend darüber zu sprechen. In der Summe, glaube ich, war das eine super Sache.
Auch wurde darüber gesprochen: Wie können wir das Thema stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung und der Politik
tragen? Da fiel der Begriff „Gehkultur“. Wir müssen eine Geh kultur entwickeln. Es sollte wieder selbstverständlich und nor mal sein, zu Fuß zu gehen. Es sollte Freude machen. Tatsäch lich ist es auch so: Diejenigen unter uns, die gern zu Fuß ge hen, wissen, dass man die Stadt, sein Umfeld beim Gehen an ders wahrnimmt. Selbst als Radfahrer nimmt man viele Din ge nicht wahr, weil man zu schnell fährt und aufpassen muss. Wenn man auf einem sicheren Gehweg, in einem sicheren Gehwegnetz unterwegs ist, kann man auch schon einmal rie chen, spüren, was Sache ist. Im Frühjahr mache ich das be sonders gern. Da kann man förmlich riechen, was zu blühen beginnt.
und Stoff und Energie sammeln. Insofern ist es völlig korrekt: Sie sind in der Vorbereitung zum Gehen.
Gut. Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie hier gerade eine Pause machen und wir die Frage von Herrn Abg. Katzenstein aufrufen können?
Ich habe noch eine Frage. Zum Fußverkehr kann man ja viele Fragen stellen und auch viele Antworten bekommen.
Welche Schlüsse ziehen Sie, Herr Minister? Was will die Lan desregierung konkret unternehmen oder der nächsten Landes regierung empfehlen, was zur Stärkung des Fußverkehrs ge tan werden kann? Wir haben die Radstrategie. Vielleicht wä re etwas analog dazu denkbar.
Fangen wir mit dem Bund an. Bundesminister Scheuer hat sich ausdrücklich zur Förderung des Fußverkehrs verpflichtet und bekannt.
Auf Bundesebene soll eine Fußverkehrsstrategie erarbeitet werden. Es ist aller Achtung wert, dass der Bund das macht. Es ist nicht so, dass man auf Bundesebene nicht wahrnehmen würde, wie die gesellschaftliche Debatte verläuft. Das will ich ausdrücklich sagen. Phasenweise haben sich manche gewun dert, dass Minister Scheuer und ich miteinander gesprochen
Jetzt zum Land und zur Landespolitik: Wir haben schon eini ges aufgenommen. Wir haben z. B. mit initiiert und geholfen, dass die Arbeitsgemeinschaft „Fahrradfreundliche Kommune“ jetzt auch den Fußverkehr mit aufnimmt. Wir unterstützen das auch.
Wir haben die Idee „1 000 Zebrastreifen für Baden-Württem berg“ als Erleichterung der Querungshilfen. Es gibt einen Leit faden für die Kommunen, damit man lernt, wie man die si chere Überquerung besser gestalten kann.
Wir haben übrigens auch einige bürokratische Hemmnisse ab gebaut, damit dies möglich ist. Es gab ziemlich harte Vor schriften, wann man überhaupt einen Zebrastreifen machen darf. Daher konnte man fragen: Wofür brauchen wir den dann überhaupt noch? Ich bin ein Anhänger des Zebrastreifens. Der Zebrastreifen stammt noch aus der Zeit, als der Fußgänger oder die Fußgängerin selbstverständlich Vorrang hatte. Genau genommen ist es ein intelligentes Querungsmittel; denn wenn man einmal beobachtet, wie lange es bei einer Ampel dauert, bis man als Fußgänger Grün bekommt, um über die Straße laufen zu dürfen, und wie lange das Auto noch stehen bleiben muss, obwohl der Fußgänger schon längst weiter ist – die Au tos stehen dann noch immer –, dann muss ich sagen: Ein Ze brastreifen ist viel besser. Der Autofahrer sieht den Fußgän ger, geht ein wenig auf die Bremse, dann überquert der Fuß gänger schnell die Straße, und der Autofahrer muss nicht ein mal halten, sondern kann weiterfahren. Also: Der Zebrastrei fen ist für Fußgänger und für Autofahrer das bessere Mittel.
Das Sozialministerium, das Ministerium für Ländlichen Raum und das Verkehrsministerium werden demnächst beim Projekt „Ortsmitten – gemeinsam barrierefrei und lebenswert gestal ten“ verkünden, dass wir 20 Orten, die bereit sind, dieses Pro jekt zu machen, die Beratung schenken. Wir helfen ihnen da bei, diesen Umbau zu machen.
Wir haben das Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz so verändert, dass gerade auch Fußverkehrsmaßnahmen ge fördert werden können.
So gesehen haben wir, glaube ich, schon ziemlich viel ge macht. Trotzdem muss ich sagen: Natürlich ist das nicht das Ende der Politik; denn als Fußgänger merkt man auch: Man hat bisweilen einen schönen Weg, aber dann endet er auch hart an der Straße, sodass man sich fragt: Wie geht es weiter?
Ich kann jedem raten, einmal als Fußgänger zu versuchen, die Charlottenkreuzung hier schräg gegenüber zu überqueren.
Dann wird er feststellen – die Straße ist ja in alle Richtungen mehrspurig –, dass er praktisch an jeder Straße stehen muss. Man kommt einfach nicht vorwärts, es gibt keine Ampelschal tung, die es ermöglicht, die Straße rasch zu überqueren –
selbst abends nicht. Da sage ich: Zu einer fußgängerfreundli chen Stadt gehört es, dass man direkt über die Straße kommt.
Oder nehmen wir die Ampel an der B 14 vor dem Landtag. Darüber haben wir oft gestritten. Die kann man eigentlich ver gessen, weil man drei Mal drücken muss, bis man rüber kommt. Das ist sehr teuer und eigentlich fußgängerfeindlich. Letztlich schadet es auch dem Autoverkehr. Also sollte man es gleich bleiben lassen. Solche Ampeln braucht man wirk lich nicht. Vielmehr sollten das Bedarfsampeln sein. Man geht in einem Zug hinüber, und sofort schalten sie für den Auto verkehr wieder auf Grün. Solche Dinge müssen wir machen. Das will ich auch vorantreiben: intelligente Ampeln für Fuß gänger und für den Autoverkehr.
Ich glaube, dass wir auch ein Netzwerk brauchen. Man muss sich von dem Gedanken lösen: Ich mache da einen Fußweg. Erstens brauchen wir breitere Fußwege, und zweitens brau chen wir sichere und grüne – so sage ich immer – Netze von Fußwegen, sodass man in der Stadt zu Fuß tatsächlich schnell und direkt vorankommt und nicht ständig Umwege machen muss, mal nach unten, nach oben laufen muss, Treppen stei gen und Engpässe bewältigen muss.
Ich sage es auch ganz offen: Ich bin nicht glücklich über die gemischten Wege, auf denen Radfahrer und Fußgänger ver kehren.