Protocol of the Session on April 11, 2013

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Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! So ist es, wenn man populistisch reagiert und meint, man muss das, was draußen ein bisschen wabert und noch nicht in der Umsetzung angekommen ist, aufgreifen. Ich gebe zu: Vieles von dem, was wir in den vier Jahren gemacht haben, ist noch nicht an jedem einzelnen Gymnasium angekommen. Die FREIEN WÄHLER hören dann ein bisschen da und ein bisschen dort und stellen fest: Wunderbar, das ist ein Wahlkampfthema; wir machen das zum Wahlkampfthema, ohne eigene Ideen und ohne eigenes Konzept. Es wird gefordert: Bereitet ihr bitte ein Konzept vor.

Herr Felbinger, ich bin bitter enttäuscht – ich schätze Sie vor dem Hintergrund Ihrer Arbeit im Bildungsausschuss -, dass Sie sich mit auf dieses Pferd setzen und in populistischer Weise etwas vorlegen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Ich bin bitter enttäuscht von meinem sehr geschätzten Ausschussvorsitzenden, Herrn Güll, dass er sich mit einem Nachzieher auf das Pferd setzt, nach dem Motto: Das ist die Gelegenheit, wir haben immer schon die armen Kinder im G 8 beklagt. Sie sind für Europa und wir haben den Bologna-Prozess. Wir haben versucht, mit Ihnen in den Bundesländern die Vergleichbarkeit der Abschlüsse zu erreichen. Damit wollten wir zu einem einheitlichen Schulsystem kommen, welches Sie immer fordern. Nun kommen die FREIEN WÄHLER, und Herr Ude fordert: Wir könnten jetzt ein G 9 machen. Welches Chaos würde damit angerichtet?

(Volkmar Halbleib (SPD): Die CSU hat das Chaos angerichtet!)

Es sind doch inzwischen fünf Jahre vergangen. In dieser Zeit ist eine Menge passiert und es muss bei den Schulen ankommen!

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Die Maßnahmen müssen umgesetzt werden und es darf nicht herumgewabert werden. Kein Konzept, nur Chaos!

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Was haben wir jetzt gemacht? Wir haben ein Frühwarnsystem, Intensivierungsstunden, Eigenverantwortung für die Schulen und Freiheit für die Schulen eingeführt. Eine Umsetzung dieser Maßnahmen ist gefragt. Wir geben 230 staatlichen Gymnasien seit dem Schuljahr 2013/14 eine zusätzliche Kraft. Wir haben dies im Doppelhaushalt verankert. Es handelt sich um eine integrierte Lehrerreserve. Es geht um eine halbe Stelle, um die Intensivierung umzusetzen. Der einzig vernünftige Antrag ist der von den GRÜNEN, die kein Zurück zum G 9 wollen, sondern vielmehr das G 8 weiter optimieren wollen. Ich gebe dieser Forderung recht, denn das fordern wir auch. Wir sind schon immer von einer weiteren Optimierung ausgegangen. Es soll ein fächerübergreifender Unterricht durchgeführt werden. Auch fächerübergreifendes Denken ist notwendig. Ein Ganztagsangebot wäre wünschenswert. Wir wollen es nur nicht überstülpen, weil die Kommunen mit im Boot sein müssen und die Schulen entsprechend ausgestattet werden müssen.

Ich sage ganz deutlich – dahinter steht auch meine Fraktion, und es ist im Wahlprogramm verankert -, dass das G 8 in der jetzigen Form erhalten bleiben, aber optimiert werden muss, den Schulen die Freiheit, unterschiedliche Lernformen einzurichten, gegeben werden muss und dass der Unterricht rhythmisiert in einer Ganztagsform gestaltet werden muss.

Ich weise auch die Darstellung zurück, dass man im G 8 keine Persönlichkeit werden kann oder die Reife nicht hat. Ich weiß nicht mehr, wer das gesagt hat. Wenn es Herr Felbinger gesagt hat, wäre das besonders schlimm. Ich zum Beispiel bin in England zur Schule gegangen. Dort gab es kein Wort zur Ganztagsschule. Dort war es selbstverständlich, dass ich täglich bis 16.30 Uhr in der Schule war. Ich habe dort nach zwölf Jahren das Abitur gemacht. Ich fühle mich heute sehr reif und als Persönlichkeit auch einigermaßen stabil.

(Beifall bei der FDP - Volkmar Halbleib (SPD): Einigermaßen!)

Es hat mir nicht geschadet. Wir wollen dahin kommen, dass die Schülerinnen und Schüler die notwendige Reife erreichen und es für diejenigen, die mehr Zeit brauchen, auch mehr Zeit gibt. Die Schülerschaft ist heterogener geworden. Wir werden das angehen. Ein Chaos mit einer Wahlmöglichkeit zwischen G 8 und G 9 mit unterschiedlichen Lehrplänen werden wir nicht unterstützen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Ihr seid doch bei der Chaos-Truppe dabei!)

Das wird es mit uns nicht geben. Wir lehnen diese Anträge ab. Wir wollen das fortsetzen, was wir begonnen haben. 2008 war Chaos. In den fünf Jahren seither ist sehr viel passiert.

(Unruhe)

43 % derer, die an den Hochschulen studieren, kommen nicht aus dem Gymnasium, sondern über die zweite Säule, nämlich über eine Ausbildung an der BOS oder eine Realschule oder über einen mittleren Schulabschluss. Wir werden diese Schularten wieder stärker in den Fokus rücken. Ich bin der festen Überzeugung, dass es auch an den Gymnasien Schülerinnen und Schüler gibt, die dort gar nicht hingehören. Sie wären in solchen Schulen wesentlich besser aufgehoben, wo sie in bis zu 13 Jahren, also wie am G 9 oder an der FOS 13, eine Entwicklung durchmachen, die vielleicht etwas länger dauert als bei denen, die nach der vierten Klasse ohne Probleme aufs Gymnasium gehen. Auch diese Schülerinnen und Schüler gibt es.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Bitte bleiben Sie noch am Redepult. Kollege Dr. Fahn von den FREIEN WÄHLERN hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Hierzu erteile ich ihm jetzt das Wort. – Bitte schön.

(Zurufe: Nicht so laut!)

- Ich soll nicht so laut werden. Frau Will, ich habe Sie selten so erregt gesehen wie heute. Warum sind Sie so erregt?

(Heiterkeit - Unruhe – Glocke des Präsidenten)

- Moment, ich bin noch nicht fertig. Unsere Ideen und Vorschläge kommen aus dem Nachbarland Hessen. Wissen Sie, wer in Hessen an der Regierung ist? – CDU und FDP. Wissen Sie, wer dort das Bildungsressort leitet? – Eine Kollegin von der FDP. In Hessen gibt es die Wahlmöglichkeit zwischen G 8 und G 9. Dort kann jede Schule selbst entscheiden. Ich könnte Ihnen sogar die Internetadresse nennen. Dort können Sie alles nachlesen, was die FDP in Hessen dazu vorschlägt. Herrscht also in Hessen mit der FDP das Chaos?

Frau Kollegin, zur Erwiderung bitte.

Ich beantworte die Fragen sogar sehr gerne. Herr Dr. Fahn, es ist wirklich traurig, und deshalb bin ich so enttäuscht. In Ihrem Antrag steht gar nichts. Er enthält nur die Aufforderung: Entwickeln Sie ein Konzept. Jetzt kommen Sie mit der Situation in Hessen. Es liegen noch gar keine Ergebnisse dazu vor, wie das dort läuft. Dem will ich mich nicht anschließen. Ich rege mich deshalb so auf, weil ich im Gegensatz zu Ihnen vier Jahre lang an der Optimierung des G 8 mitgearbeitet habe. Das ist nämlich das Entscheidende: mitzuarbeiten, um es besser zu machen, anstatt zu überlegen, wie man einen Wahlkampf mit populistischen Themen übersteht. Ich gebe zu, dass Unzufriedenheit mit dem G 8 herrscht. Dem muss man aber entgegenwirken.

Ich komme gerade von einem Gespräch mit einer Schülergruppe vom Gymnasium Grafing aus meinem Stimmkreis. 25 waren angemeldet, 28 waren da. Wir haben diskutiert. Ich wäre gerne noch länger geblieben. Denn dort gab es genau diese Diskussion. Die Schüler wollen nicht zum G 9 zurück, sondern sie wollen ein gutes G 8, wo keine Unterrichtsstunden ausfallen, wo Unterricht rhythmisiert wird und wo neben dem kognitiven Lernen Talente gefördert werden. Genau daran arbeiten wir. Ich schaue nicht dorthin, wo etwas ausprobiert wird, sondern ich probiere doch

lieber selber etwas aus und schaue dann, wie das mit der Schulfamilie funktioniert. Die gesamte Schulfamilie war beim Gipfel dabei.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Ich möchte an Sie alle appellieren. Bei dem hohen Geräuschpegel hier im Saal können wir die einzelnen Zwischenrufe nicht genau verstehen. Wenn Sie sich vielleicht etwas beschränken könnten. - Ich bitte um Aufmerksamkeit für Herrn Staatsminister Dr. Spaenle. – Bitte schön.

(Tobias Thalhammer (FDP): Wie bitte?)

Sehr geehrte Damen und Herren! Durch Wiederholung werden Vorschläge aus dem 20. Jahrhundert für das 21. Jahrhundert nicht besser. Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich:

Wir können als Fazit ziehen: Niemand will zurück zu einer generell längeren Schulzeit, aber alle wollen den Blick auf das Kind richten. Ich glaube, der Schlüssel liegt in der Individualisierung des Lernens.

So äußerte sich der Vorsitzende des Bildungsausschusses Martin Güll am 29.03.2012.

(Beifall bei der CSU - Zurufe von der CSU: Hört, hört!)

- Das ist genau das Gegenteil von dem, was hier gerade passiert.

Zweites Zitat – Frau Kollegin Gottstein:

Die FREIEN WÄHLER plädierten im Übrigen … gegen die Möglichkeit, die Oberstufe in zwei oder in drei Jahren zu durchlaufen. … Eine G-9-Lösung würde auch die Unterschiede zum zweiten Bildungsweg über die Realschule und die FOS vergrößern.

(Beifall der Abgeordneten Renate Will (FDP))

Das sagte Kollegin Gottstein im Bildungsausschuss am 5. Juli 2012. Das ist bildungspolitisches Handeln und bildungspolitischer Populismus

Ein Vorsitzender sieht, dass ihm im eigenen politischen Haus große Probleme begegnen. Es ist eine alte politische Weisheit, dass man einen Krieg im Ausland anfängt, wenn es daheim brennt. So kann man das beschreiben. Die anderen stolpern hinterher. Wir sollten uns jetzt einmal dem Thema zuwenden. Die Kolleginnen und Kollegen vom BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN sind dem Thema wieder einmal am nächsten. Das bayerische Gymnasium wird seit dem Jahr 2004 in einer auf acht Jahre angelegten pädagogischen Form angeboten. Das heißt, wir haben jetzt den zehnten Jahrgang von Schülerinnen und Schülern, die das bayerische Gymnasium in seiner pädagogischen Konzeption durchlaufen, die auf acht Jahre angelegt ist.

Das bayerische Gymnasium hat in den vergangenen zehn Jahren Zuspruch und einen Zuwachs an Zuspruch erfahren. Die Übertrittszahlen sind von 30 % auf 40 % eines Jahrgangs angestiegen. Wir haben das bayerische Gymnasium im Auftrag des Bayerischen Landtags in seiner achtjährigen Form umfassend evaluiert und sind an drei Stellen zu Ansätzen zur Weiterentwicklung gekommen:

Erstens. Unterrichtssicherung durch intensive Investition in zusätzliche Lehrerstellen, zum Beispiel auch mit der Einführung einer neuen integrierten Lehrerreserve.

Zweitens. Eine Überarbeitung der gymnasialen Lehrpläne. In 11 von 25 Fächern wurde noch einmal Stoff aus den Lehrplänen herausgenommen.

Jetzt kommt das dritte, entscheidende Moment. Wir sehen alle – so gut kenne ich die Kollegen und schätze ihre Qualität –, dass wir eine neue Herausforderung am Gymnasium haben. Das wird untermauert durch einen der großen Bildungsforscher in diesem Land, nämlich Herrn Professor Dr. Baumert, der in der letzten Sitzung der Kultusministerkonferenz ein Grundsatzreferat zur Zukunft des Gymnasiums gehalten hat. Er hat es als größte Herausforderung des Gymnasiums in der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet, dass die Heterogenität der gymnasialen Schülerschaft durch den starken und wachsenden Zuspruch zu gymnasialer Bildung stark zunimmt. Die gesamte gesellschaftliche Breite der Begabungen und des sozialen Spektrums, das gymnasiale Bildung nachfragt, bedeutet die größte Herausforderung für das Gymnasium. Genau darauf antworten wir in Bayern mit einem Konzept für das 21. Jahrhundert und nicht mit einem aus dem 20. Jahrhundert.

(Beifall der Abgeordneten Renate Will (FDP))

Wir haben es in den letzten fünf Jahren im bayerischen Bildungswesen generell verwirklicht. Wir sorgen dafür, dass sich die Menschen, die Familien, die Lehrkräfte, die Schülerinnen und Schüler auf pädagogische Rahmenbedingungen am bayerischen Gymnasium und auf ein pädagogisches Konzept, das auf acht Jahre angelegt ist, verlassen können. Verlässliche pädagogische Rahmenbedingungen bringen dem Gymnasium die notwendige Ruhe.

Wir sorgen – zweitens – dafür, dass jeder junge Mensch in unserem Land durch die Schule die persönliche Lernzeit angeboten bekommt, die er benötigt, um den angestrebten Abschluss zu erreichen. Das heißt konkret: Wir geben die Zeit dem Schüler, nicht der Schule. Wer der Schule die Zeit gibt, antwortet auf eine Herausforderung des 21. Jahrhunderts mit einem Retroansatz des 20. Jahrhunderts. Das ist die politische Alternative – ganz einfach.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP)