Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Dr. Christoph Rabenstein, Hans Joachim Werner u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Bayerischen Mediengesetzes (Drs. 16/17115) - Zweite Lesung
Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von drei Minuten pro Fraktion vereinbart. Erster Redner ist Herr Kollege Joachim Werner für die SPD-Fraktion. Bitte schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf kommt etwas unscheinbar daher. Allerdings geht es um nichts anderes als um die Zukunft des Qualitätsjournalismus in den lokalen bayerischen Medien, egal, ob es sich um Zeitungen, um das lokale Fernsehen oder um das lokale Radio handelt. Es gibt große, national tätige Anbieter, die vorhaben, ihr Programm in Bayern zu splitten. Sie wollen das nicht etwa deshalb tun, um die Menschen in den Regionen über das zu informieren, was sich dort Tag für Tag aktuell in der Kultur, im Sport oder in der Politik abspielt. Nein, ihr einziges Ziel ist es, die Werbemärkte abzuschöpfen und ihre Gewinnsituation zu verbessern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir die Möglichkeit dazu haben, dürfen wir das nicht zulassen.
Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien hat eine Studie in Auftrag gegeben, die eindeutig ergeben hat, welche Werbepotenziale sich für die großen Anbieter ergeben. Dies gilt zunächst einmal für ProSiebenSat 1, aber weitere werden folgen. Die BLM hat erforschen lassen, welche Werbepotenziale abgeschöpft werden können. Das sind immense Summen. Die BLM hat auch ermittelt, wer diese großen Summen verliert, die von den Großen abgeschöpft werden. Das sind in allererster Linie die bayerischen lokalen und regionalen Tageszeitungen, aber auch das lokale Fernsehen und der lokale Rundfunk. In der BLM drückt man sich ein wenig um eine Entscheidung herum. Zurzeit wird darüber diskutiert, ob man einen Modellversuch zulassen sollte. Seitens der Fraktionen auf der rechten Seite dieses Hauses gibt es innerhalb der Gremien der BLM allerdings keine klare Positionierung. Sehr verehrter Herr Staatsminister, allerdings habe ich mit Freuden vernommen, was Sie in der letzten Woche bei den Lokalrundfunktagen gesagt haben, dass Sie nämlich dagegen seien und dies nicht zulassen wollten.
Das haben Sie hier auch schon gesagt. Wir haben hier einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem genau das unterbunden werden soll. Deshalb frage ich Sie: Warum können Sie nach 65 Jahren Bayerischer Landtag nicht einmal über Ihren Schatten springen und einem Gesetzentwurf der SPD zustimmen?
Tut das weh? - Oder noch schlimmer: Geht davon die Welt unter? Oder verlieren Sie gar eine Wählerstimme?
Schützen Sie bitte den Qualitätsjournalismus in Bayern, in den Lokalzeitungen, beim lokalen Fernsehen und beim lokalen Radio. Wir haben Ihnen dazu mit unserem Gesetzentwurf die Möglichkeit gegeben. Sie brauchen nur zuzustimmen, und die Welt unserer regionalen Medien in Bayern ist wieder in Ordnung.
(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Werner beschreibt die Situation richtig, und er beschreibt auch die Haltung der Staatsregierung richtig, die hier im Plenum wiederholt geäußert wurde. Die Medienräte der CSU teilen diese Meinung und werden so abstimmen. Wir stimmen deshalb so ab, weil es eine Rechtsgrundlage gibt. Wir können nicht willkürlich über irgendetwas abstimmen, ohne dass eine Rechtsgrundlage vorhanden ist.
Würden wir jetzt einen Gesetzentwurf beschließen, der sozusagen eine Rechtsgrundlage nachreicht, wäre das kontraproduktiv. Herr Kollege Werner, Sie wissen genau, dass es bereits eine Entscheidung gibt, die vor dem Verwaltungsgericht in Berlin bestritten wird. Wenn wir jetzt die Rechtsgrundlage, auf der die Landesmedienanstalten entschieden haben, dadurch infrage stellen, dass wir als Gesetzgeber sagen, dass es diese Rechtsgrundlage eigentlich gar nicht gibt, wäre das das Gegenteil dessen, was wir brauchen.
Sie haben diesen Gesetzentwurf überhöht. Deshalb möchte ich hinzufügen: Wenn Sie schon den lokalen Rundfunk und die lokale Presse erhalten wollen, hätten Sie im Bundestag dem Leistungsschutzrecht zustimmen müssen. Sie beklagen, dass die Großen die Werbeerträge abschöpfen. Genau das tut Google. Von den Werbeerträgen des Internets in Deutschland in Höhe von vier Milliarden Euro schöpft Google zwei Milliarden Euro ab. Dies soll durch das Leistungsschutzrecht verhindert werden. Die SPD sagt: Nein, da sind wir dagegen. Ihr Kanzlerkandidat Peer Steinbrück steht stramm, wenn Google pfeift. Er wollte das Gesetz sogar im Bundesrat stoppen. Dies war nicht möglich, weil Bundesrecht betroffen ist. Er hat es nicht einmal geschafft, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Das Leistungsschutzrecht ist in Kraft getreten.
Was tut die SPD jetzt? Sie schreibt in ihr Programm für die Bundestagswahl, dass sie das Leistungsschutzrecht sofort wieder abschaffen werde. Dadurch wird die lokale Medienlandschaft gefährdet. Der Qualitätsjournalismus wird gefährdet, wenn die Kreativen von den Werbeerlösen abgeschnitten werden und wenn wir vor Google einknicken.
Herr Kollege Rinderspacher, Sie sind Medienpolitiker. Sie haben zu diesem Thema nichts gesagt. Jetzt wollen Sie sich hier im Landtag mit einem überflüssigen Gesetzentwurf zum Retter der lokalen Print-Land
schaft und der lokalen Rundfunk-Landschaft aufspielen. Wenn es jedoch um die Großen geht, beim Leistungsschutzrecht im Bundestag, versagt Ihr Kanzlerkandidat. Peer Steinbrück hat sich explizit zu diesem Thema geäußert. Sie lassen es dahinplätschern und haben nicht die Kraft, etwas für die lokalen Medien zu tun.
Wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab, weil wir auf der Grundlage des jetzigen Mediengesetzes genau so entscheiden können, wie Sie das wollen, nämlich zum Nutzen des Qualitätsjournalismus in Bayern. So werden wir auch entscheiden.
Herr Kollege Sinner, würden Sie mir bitte erklären, was Google und das Leistungsschutzrecht damit zu tun haben, dass nationalen Anbietern aufgesplittete Programme ermöglicht werden sollen. Dieses Thema ist in der BLM noch nicht vom Tisch. Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun.
(Vom Redner nicht autori- siert) Das hat natürlich etwas mit der Erhaltung des Qualitätsjournalismus zu tun. Zunächst einmal zum Medienrat: Die BLM wird einen Vorschlag machen. Dazu muss sie sich mit den anderen Landesmedienanstalten in Thüringen und in Sachsen abstimmen. Die Position der CSU ist ganz klar. Ich möchte wiederholen: Auf der jetzigen Rechtsgrundlage wird es ein Nein zu der Auseinanderschaltung der Werbung geben, weil Werbung allein kein Programm ist. Dies wurde im Ausschuss sehr deutlich erklärt.
Sie haben an diesem Redepult gesagt: Ihr müsst diesem Gesetzentwurf zustimmen, damit der Qualitätsjournalismus gerettet wird. Gleichzeitig haben Sie nach einer Diskussion von vier Jahren – so lange hat es gedauert, bis das Leistungsschutzrecht im Bundestag verabschiedet werden konnte – gegen das Leistungsschutzrecht gestimmt. Dieses Leistungsschutzrecht ermöglicht es den Verlegern, Werbeerlöse abzuschöpfen, Google einzuschränken und den Kreativen einen gerechten Anteil zu geben. Die Kreativen stellen nämlich den Inhalt zur Verfügung, an dem Google verdient.
Diese Diskussion ist an Ihnen offenbar spurlos vorübergegangen. Hier geht es um ein Volumen von vier
Milliarden Euro. Zwei Milliarden Euro davon gehen an Google. Die gesamte deutsche Verlegerlandschaft kämpft für dieses Leistungsschutzrecht. Ihr Kanzlerkandidat sagt dagegen: Nein, das will ich nicht. Er hat im Bundestag dagegen gestimmt und versuchte, dieses Gesetz im Bundesrat zu blockieren. Er hat in sein Wahlprogramm geschrieben, dass er es wieder abschaffen möchte. Das bedeutet: Sie haben mit dem Qualitätsjournalismus nicht so viel am Hut, wie Sie hier zu suggerieren versucht haben. Deswegen hängen diese beiden Themen sehr wohl zusammen. Sie sind völlig unglaubwürdig, wenn Sie hier den Schutzpatron der Verleger spielen wollen.
Herr Kollege Sinner, Sie dürfen das Redepult verlassen. Ich gebe jetzt das Wort an die FREIEN WÄHLER und an Herrn Dr. Hans Jürgen Fahn. Wir führen hier keinen Dialog, sondern eine geordnete Debatte.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben über dieses Thema schon mehrmals im Plenum und im Hochschulausschuss geredet und gestritten. Wir sind uns in vielen Punkten einig. Wir sind uns darin einig, dass wir einen Schutzwall für die lokale Medienlandschaft brauchen. Wir können nicht einerseits die lokalen und regionalen Fernsehsender mit staatlichen Mitteln fördern und ihnen andererseits auf den Werbemärkten mit großen nationalen Medienanbietern das Wasser abgraben. Darin sind wir uns wohl alle einig. Jetzt geht es im Prinzip allerdings immer um das Argument der Koalition. Diese äußert ihre Erwartung, dass die anhängigen Gerichtsverfahren im Sinne der regionalen Sender entschieden werden. Wir meinen, dass die Koalition damit die Verantwortung einfach abschiebt. Wir können die Verantwortung nicht allein der BLM oder den Gerichten überlassen. Wir wissen, dass die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten im September ProSiebenSat 1 untersagt hat, ein Werbesplitting im Rahmen seiner nationalen Sendelizenzen vorzunehmen. Wir wissen auch, dass beim Verwaltungsgericht in Berlin geklagt wird.
Jetzt komme ich zu dem Thema, um das es geht: Warum sind sich CSU und FDP so sicher, dass diese Klage abgewiesen wird oder verloren geht? Das ist
das Problem. Was ist, wenn die Gerichtsentscheidung, von der Sie glauben, sie fällt in Ihrem Sinne aus, anders ausfällt, also gegen die regionalen Sender? Dann stehen wir mit leeren Händen da. Deshalb, und nur deshalb, ist es sinnvoll und richtig, dass der Bayerische Landtag hier eine Lücke schließt und eingreift. Deswegen steht im Gesetzentwurf der SPD: "Die Ausstrahlung regionaler Fernsehwerbung ist an das Angebot regionaler und lokaler Berichterstattung gebunden." Wir stimmen dieser Ergänzung zu. Schon vielfach wurde erklärt, um welche Gelder es geht und dass es möglicherweise zu Erlöseinbußen von 115 Millionen Euro für Printmedien, für private Radiosender oder für andere kommt.
Wir meinen, dass der Landtag hierbei Farbe bekennen muss. Wenn wir im Herbst die Forderung nach gleichwertigen Lebensbedingungen in die Bayerische Verfassung aufnehmen wollen und betonen, dass Regionalität und Dezentralität für uns wichtige Bausteine der Politik sind - dies gilt für uns, die FREIEN WÄHLER, auf jeden Fall -, dann müssen wir im Landtag Farbe bekennen. Bei vielen anderen Themen warten wir auch nicht darauf, was die anderen unternehmen, sondern gehen unseren eigenen Weg, weil wir davon überzeugt sind, dass dies das Beste für Bayern ist.
Deswegen lautet unser Appell zum Schluss: Gehen wir den bayerischen Weg und schützen wir unsere regionalen Sender! Wir FREIE WÄHLER werden dies tun und dem Gesetzentwurf der SPD zustimmen.
Vielen Dank, Herr Kollege. Bitte bleiben Sie noch. Zu einer Zwischenbemerkung hat sich Herr Kollege Sinner gemeldet. Bitte schön.
(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Kollege Dr. Fahn, Sie haben vorhin sicher mitbekommen, dass Herr Kollege Werner die eindeutige Positionierung von Staatsminister Kreuzer begrüßt hat. Und wenn sich Staatsminister Kreuzer positioniert und auch die Medienräte der CSU sich positionieren, gibt es dafür eine Rechtsgrundlage. Oder bezweifeln Sie das?
Mich würde jetzt interessieren, wie die Medienräte der FREIEN WÄHLER abstimmen und auf welcher Rechtsgrundlage dies geschieht, wenn Sie gegen diesen Gesetzentwurf sind, der demnächst im Medienrat behandelt wird.
Wir freuen uns, wenn der Staatsminister dies unterstützt und sich dafür einsetzt, das sagen wir sehr deutlich. Wir haben nur eine Medienrätin im Medienrat, die genau in Ihrem Sinne abstimmen wird.
Ich hätte eine Bitte an den verehrten Herrn Kollegen Dr. Fahn. Vielleicht würden Sie dem Kollegen Sinner erklären, dass die Rechtslage eben nicht so eindeutig ist, wie er es hier darstellt. Andernfalls würden nämlich die Rechtsexperten in der BLM nicht so herumdrucksen, und auch die Medienräte würden in der Diskussion in den zuständigen Gremien in der BLM nicht so herumdrucksen. Vielmehr hätten sie andernfalls schon eine ganz klare Entscheidungsgrundlage geliefert, auf deren Basis man Ja oder Nein sagen kann. Wie auch immer: Wir würden zwar immer Nein sagen, aber wir wollen jetzt Rechtssicherheit schaffen und schlagen deswegen eine gesetzliche Regelung vor; denn erst dann wäre echte Rechtssicherheit geschaffen.
Herr Kollege Werner, ich stimme Ihnen hier völlig zu. Sie kennen den Satz "Vor Gericht und auf hoher See sind wir in Gottes Hand". Man weiß nie genau, wie es ausgeht. Deswegen muss ich nach wie vor betonen, dass mich die Sicherheit verblüfft, mit der Sie zu wissen meinen, wie diese Gerichtsentscheidung letztlich lautet. Dem wollen wir einen Riegel vorschieben. Wir haben schon beim letzten Mal darüber gesprochen, dass Sie andernfalls selbst einen Antrag dagegen stellen oder eine Gesetzesergänzung fordern würden, weil Sie merken, dass Sie mit leeren Händen dastehen. Diese Lücke wollen wir vorab schließen. Deshalb ist der Gesetzentwurf der SPD sinnvoll.