Protocol of the Session on July 1, 2009

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Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 25. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigungen wurden wie üblich erteilt.

Meine Damen und Herren, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit. Ich bitte Sie, sich von den Plätzen zu erheben und einer ehemaligen Kollegin zu gedenken.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 14. Juni verstarb im Alter von 64 Jahren Frau Ingrid Psimmas, die dem Bayerischen Landtag von 1986 bis 1990 als Mitglied der Fraktion DIE GRÜNEN angehörte. Sie vertrat den Wahlkreis Mittelfranken. Ingrid Psimmas war vom 19. April 1989 bis zum Ende der 11. Legislaturperiode Mitglied des Präsidiums des Bayerischen Landtags. Der Bayerische Landtag wird Frau Ingrid Psimmas ein ehrendes Gedenken bewahren. Sie haben sich von Ihren Plätzen erhoben. Vielen Dank.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir weiter in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Herrn Staatssekretär Franz Josef Pschierer aus dem Finanzministerium sehr herzlich zu seinem heutigen Geburtstag gratulieren. Leider ist er nicht da. Ich habe jedoch heute um Mitternacht mit ihm in seinen Geburtstag hineinfeiern können. Ich habe ihm dabei gesagt, dass bei der Finanzlage, in der sich sein Haus derzeit befinde, er für sein Alter eigentlich sehr gut aussehe.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, ich rufe den

Tagesordnungspunkt 1 auf:

Bestätigung der vom Ministerpräsidenten bestimmten Abgrenzung der Geschäftsbereiche - Art. 49 der Bayerischen Verfassung (Drs. 16/1666)

Der Ministerpräsident hat mitgeteilt, dass er in Abweichung von der gegenwärtigen Abgrenzung der Geschäftsbereiche - Staatsministerien - bestimmt habe, mit Wirkung vom 1. August 2009 die bislang in die Zuständigkeit des Staatsministeriums des Innern fallenden Grundsatzangelegenheiten des Einsatzes der Informations- und Kommunikationstechnik in der Verwaltung und die bislang von der Staatskanzlei wahrgenommenen Grundsatzangelegenheiten des eGovernment auf das Staatsministerium der Finanzen zu verlagern.

Der Ministerpräsident hat gebeten, die nach Artikel 49 der Bayerischen Verfassung dazu notwendige Bestätigung des Landtags herbeizuführen.

Im Einzelnen finden Sie die vom Ministerpräsidenten getroffenen Festlegungen noch einmal in der Ihnen vorliegenden Drucksache 16/1666.

Im Ältestenrat wurde vereinbart, hierüber ohne Aussprache einen Beschluss zu fassen. Wir kommen deshalb sofort zur Abstimmung: Wer der vom Ministerpräsidenten bestimmten Abgrenzung der Geschäftsbereiche zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe? - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen. Damit ist der Tagesordnungspunkt 1 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Gesetzentwurf der Abg. Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Dr. Hans Jürgen Fahn u. a. und Fraktion (FW) über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge sowie deren Versorgung mit Wohnraum und ihre Integration (Flüchtlingsaufnahme- und Integrationsgesetz - FlAufnIntG) (Drs. 16/1601) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Das ist der Herr Kollege Dr. Fahn. Fassen Sie die Begründung und die Aussprache zusammen? - Sie begründen. Bitte schön, Herr Dr. Fahn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sprechen nun schon zum zweiten Mal über dieses Thema. Wir von den Freien Wählern legen einen Gesetzentwurf über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge sowie deren Versorgung und Integration vor. Deshalb heißt unser Gesetz: Flüchtlingsaufnahme- und Integrationsgesetz.

Die Zahl der Flüchtlinge in Bayern ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen, sodass heute 7.700 Personen in 118 Lagern leben. Das ist eine durchaus überschaubare Zahl. Der starke finanzielle Druck, der zu der strengen bayerischen Asylpolitik beigetragen hat, ist nicht mehr vorhanden. Darüber hinaus muss die Menschenwürde geachtet werden. Unser Ministerpräsident Horst Seehofer hat versprochen - ich zitiere: Als Bayerischer Ministerpräsident und als CSU-Vorsitzender arbeite ich dafür, dass die Lebensgrundlagen der Menschen verbessert werden.

Dieses Versprechen muss für alle Menschen gelten, auch für Bürgerkriegsflüchtlinge und Asylbewerber. Das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt, den ich zum Einstieg nennen möchte.

(Beifall bei den GRÜNEN )

Da diesen Personen nach wie vor trostlose Sammelunterkünfte angeboten werden, leiden sie unter einer bedrückenden Enge, dem Verlust jeder Privatsphäre sowie starken Depressionen. Daher muss das bisherige Gesetz aus dem Jahre 2002 geändert werden.

Was ist uns wichtig? Erstens: Die Unterkunft in Privatwohnungen. Personen mit besonderen Problemen oder Bedürfnissen sollen sofort die Möglichkeit haben, in Privatwohnungen unterzukommen und zu leben. Das sind vor allem unbegleitete Minderjährige, schwerbehinderte Personen über 65, schwangere Frauen, Alleinerziehende sowie traumatisierte Personen. Personen, die mit den genannten Personen verheiratet oder bis zum zweiten Grad verwandt sind, soll dieses Recht ebenfalls eingeräumt werden. Unser Gesetzentwurf macht ferner deutlich, dass Personen, die bereits zwölf Monate in Gemeinschaftsunterkünften gelebt haben, in Privatwohnungen untergebracht werden müssen. Zwölf Monate ist die geforderte Grenze. Ob und inwieweit die anderen Asylbewerber in Privatwohnungen untergebracht werden sollen, soll in Form von Modellversuchen geklärt werden. Das besagt ein Artikel in unserem Gesetz. Derzeit ist es noch nicht möglich, eine sofortige Umquartierung vorzunehmen, weil in vielen Fällen die Privatwohnungen derzeit nicht vorhanden sind. Diese Begründung vernimmt man immer wieder, wenn die Probleme konkret vor Ort angesprochen werden. Das zeigt die Unterkunft in Würzburg. In Würzburg sind 450 Flüchtlinge untergebracht, sodass eine sofortige Umquartierung nicht veranlasst werden könnte.

Wir können noch nicht sagen, ob das kostensparende Leverkusener Modell grundsätzlich in Bayern umgesetzt werden kann. Die Freien Wähler fordern deshalb, dass bis zum Ende des Jahres 2011 in jedem Regierungsbezirk ein Modellversuch durchgeführt wird. Die Bayerische Staatsregierung wird daran anschließend aufgefordert werden, detailliert darzustellen, welche Kosten bei der Unterbringung in Mietwohnungen bestehen. Die Kosten sollten in etwa dem entsprechen, was einem Hartz-IV-Empfänger an Mietunterstützung zusteht.

Zweitens: Der Zustand in den Gemeinschaftsunterkünften. Die Freien Wähler setzen sich dafür ein, dass Asylbewerber maximal zwölf Monate in den Gemeinschaftsunterkünften leben. Darüber hinaus sollen die Asylbewerber menschenwürdig leben. Die Wohn- und Schlafräume müssen mindestens acht Quadratmeter groß sein. Familien mit Kindern und Lebenspartnern haben einen Anspruch auf eine angemessene Unterbringung.

Die Freien Wähler sprechen sich außerdem für die Bildung integrativer Projektgruppen aus. Die Asylbewerber können dabei freiwillig an Kochkursen und Sportaktivitäten teilnehmen. Nach Auffassung der Freien Wähler sollen Asylbewerber Deutschkurse und andere Qualifizierungsmöglichkeiten erhalten.

Die Versorgung der Asylbewerber ist ein weiterer wichtiger Punkt. Die Grundleistungen für Asylbewerber sind bis zu 20 % niedriger als die Leistungen für Hartz-IVEmpfänger. Besonders die Art und Weise der Versorgung ist jedoch zu kritisieren. Bisher werden Essenspakete geliefert, welche die Asylbewerber zwei Mal in der Woche selbst abholen müssen. Persönliche Bedürfnisse werden dabei nur unzureichend berücksichtigt. Uns wird immer wieder berichtet, dass die Asylbewerber verschimmeltes Obst und faules Gemüse erhalten. Oft erhalten die Bewohner der Container-Unterkünfte nur 15 Einwegrasierer für drei Monate. Für die Frauenhygiene wird ebenfalls zu wenig geliefert.

Für die meisten Asylbewerber ist es unmöglich, ihre Sonderwünsche zu erfüllen, da sie nur 40 Euro Taschengeld in der Woche zur Verfügung haben. Eine Alternative wären Wertgutscheine, die in örtlichen Geschäften eingelöst werden können. Damit könnte auch der örtliche Handel unterstützt werden, da die Waren bisher erst kurz vor ihrem Verfallsdatum eingekauft wurden. Bargeldleistungen müssen skeptisch beurteilt werden, da dabei eine gewisse Missbrauchsgefahr besteht. Im schlimmsten Falle müssen die Asylbewerber damit rechnen, dass sie in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden.

Ich komme zum Schluss. - Die Umverteilung ist möglich. Im Gegensatz zum bisherigen Gesetz muss es auf Antrag möglich sein, bei berechtigtem Interesse umzuziehen. Es gibt dokumentierte Fälle, in denen verheiratete Flüchtlinge nach der Flucht getrennt wurden. Der Mann steckte zum Beispiel in Würzburg und die Frau in Regensburg. Er stellte viele Anträge auf Zusammenführung, die aber abgelehnt wurden.

Meine Damen und Herren! Wir wissen, es werden noch andere Gesetzentwürfe kommen, insbesondere von der Koalition. Hierbei appellieren wir insbesondere an die FDP, ihre bisher zusammen mit der CSU gemachten Aussagen im Sinne der Asylbewerber umzusetzen. Vielleicht gelingt es sogar, einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu verabschieden, der von allen Gruppierungen mitgetragen werden kann. Einen Versuch wäre es zumindest wert.

Wir bedanken uns beim Bayerischen Flüchtlingsrat, der sich gestern in einer Pressemitteilungen zu den Vorstellungen der Freien Wähler relativ positiv geäußert hat.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Lieber Kollege Fahn, sagen Sie bitte nicht "Ich komme zum Schluss." und überziehen dann um eine Minute.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn (FW))

- Gut, ich werde das nachher genauer prüfen. Im Übrigen sage ich aber: Ein Blick auf die Uhr fördert das Zeitgefühl, Herr Kollege Fahn.

Die nächste Wortmeldung: Herr Kollege Seidenath.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke den Freien Wählern herzlich für den Gesetzentwurf und für die Gelegenheit, unsere Auffassung zur Aufnahme ausländischer Flüchtlinge zu vertiefen und zu konkretisieren. Wir hatten uns erst in der letzten Woche in diesem Hohen Haus mit einem ähnlichen Gesetzentwurf der Fraktion der GRÜNEN befasst. Der heutige Gesetzentwurf ist ein weiterer Beitrag zur sachlichen und ernsthaften Diskussion - auf diese kommt es an -, die zurzeit in vollem Gange ist.

Ein Höhepunkt war die Anhörung vom 23. April 2009, die verschiedene Ausschüsse gemeinsam durchgeführt hatten. Fest steht seither - das haben wir bereits des Öfteren betont -: Es wird und es muss bei der Unterbringung von Asylbewerbern Verbesserungen geben, auch durch Rechtsänderungen. Dass Familien 17 oder 18 Jahre, wie in Dachau, in einer Gemeinschaftsunterkunft leben, das sollte es künftig nicht mehr geben. Genauso ist das Wohnen einer großen Familie in einem viel zu engen Raum eine Sache, die der Vergangenheit angehören müsste.

An dieser Stelle eine Information: Schon jetzt leben circa 50 % der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Privatwohnungen. Wenn man die sogenannten Fehlbeleger hinzuzählt, ist mehr als die Hälfte der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz schon jetzt zur privaten Wohnsitznahme berechtigt. Um diesen Kreis weiter zu ziehen, kommen durchaus einige Gruppen in Betracht. Sie haben im Gesetzentwurf einige genannt, wie beispielsweise schwerbehinderte Personen, traumatisierte Personen oder Personen, die schon viele Jahre in einer Gemeinschaftsunterkunft gelebt haben.

Aber - jetzt kommt das Aber - bei genauerem Hinsehen enthält Ihr Gesetzentwurf einige Punkte, bei denen ich persönlich und auch die CSU-Fraktion nicht mitgehen können. Das beginnt schon mit dem Titel "Flüchtlingsaufnahme- und Integrationsgesetz". Wir müssen hierbei nach dem Aufenthaltsstatus differenzieren. Wer in

einer Notsituation zu uns kommt, braucht Sicherheit, Schutz und Obdach.

Aber erst wenn die Gerichte nach einer intensiven Prüfung der persönlichen Umstände zu dem Ergebnis gekommen sind, dass die betreffenden Personen bei uns dauerhaft leben dürfen, können Integrationsleistungen einsetzen, - nicht vorher. Integration ist also erst möglich, wenn klar ist, dass sie dauerhaft bleiben können. Hierbei, meine Damen und Herren, müssen wir sauber trennen, was Sie schon mit dem Titel Ihres Gesetzentwurfes nicht tun.

Zweitens: Im Gesetzesvorblatt bezeichnen Sie die räumlichen und hygienischen Zustände in den Gemeinschaftsunterkünften als generell - ich zitiere - "nicht haltbar". Meine Damen und Herren, in dieser Pauschalität ist dieser Vorwurf unsachlich, er ist falsch und nicht gerechtfertigt. Ich kann mich übrigens nicht erinnern, dass ein Abgeordneter der Fraktion der Freien Wähler am 21. April 2009 an der Besichtigung der Erstaufnahmeeinrichtung in der Baierbrunner Straße teilgenommen hätte. Wir sollten uns davor hüten, bei der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern alles schlecht zu reden.

In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, dass es derzeit elf Prozent der Bewohner in Gemeinschaftsunterkünften gibt, die sogenannte Fehlbeleger sind, also eine eigene Wohnung nehmen könnten, es aus welchen Gründen auch immer aber nicht tun.

Drittens: Sie taxieren die Kosten, die durch den Gesetzentwurf entstehen würden, auf Null. Das lässt sich aus meiner Sicht seriöserweise nicht halten, denn alle vorliegenden Berechnungen haben ergeben, dass die Unterbringung in privaten Wohnungen statt in Gemeinschaftsunterkünften mindestens 30 Millionen Euro mehr als bisher kosten würde.

(Margarete Bause (GRÜNE): Waren Sie nicht in der Anhörung?)

- Freilich war ich in der Anhörung.

Viertens: Sie schreiben, die Versorgung mit Essenspaketen würde die Eigenverantwortlichkeit der Flüchtlinge behindern. Hierzu muss ich Ihnen sagen: Wir haben seit mehreren Jahren ein individuelles Bestellsystem, bei dem die Flüchtlinge die Wahlmöglichkeit haben und ihre Nahrungsmittel individuell wählen können. Das Gutscheinsystem ähnelt eindeutig einer Geldleistung, es ist keine Sachleistung. Deswegen ist die Kritik, die Sie selbst an der Geldleistung anbringen, auch für das Gutscheinsystem in gleicher Weise gültig. Deshalb führt an den Sachleistungen aus unserer Sicht kein Weg vorbei.

Fünftens: Sie verweisen - Herr Fahn hat es gerade getan - auf die zurückgehende Zahl der Flüchtlinge, was korrekt ist, aber ich möchte Ihnen schon sagen: Wir sollten keine neuen Anreize, zum Beispiel durch eine Abkehr vom Sachleistungsprinzip, setzen, dass mehr Flüchtlinge zu uns kommen, denn gerade die zurückgehende Zahl von Flüchtlingen gibt uns die Möglichkeit, bei der GU-Pflichtigkeit über Lockerungen nachzudenken. Schließlich wollen wir den Menschen, die in Not zu uns kommen, helfen.

Zusammengefasst sage ich noch einmal: keine generelle Abkehr vom Sachleistungsprinzip, keine generelle Aufhebung der GU-Pflichtigkeit, wie Sie es in dem Modellversuch, den Sie wohl als Zwischenschritt geplant haben, vorsehen: Das sind die Hauptgründe für uns, warum wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen werden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)