Protocol of the Session on May 19, 2010

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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 48. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, eines ehemaligen Kollegen zu gedenken.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 4. Mai verstarb der ehemalige Abgeordnete Roland-Friedrich Messner im Alter von 85 Jahren. Er gehörte dem Bayerischen Landtag acht Jahre lang an, von 1966 bis 1974, und er vertrat für die Fraktion der CSU den Wahlkreis Oberbayern.

Nach seinen Erfahrungen von Krieg und Gefangenschaft betreute er vor allem Kriegsbeschädigte, Witwen, Waisen und Rentner ehrenamtlich. Im Landtag engagierte er sich in einer Reihe verschiedener Gremien, darunter dem Ausschuss für Fragen des Beamtenrechts und der Besoldung und dem Ausschuss für Kulturpolitische Fragen, denen er jeweils vier Jahre lang angehörte. Roland-Friedrich Messner setzte sich auch auf kommunalpolitischer Ebene für die Belange der Bürgerinnen und Bürger ein.

Der Bayerische Landtag wird dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. Sie haben sich zu Ehren des Toten von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich noch einen Geburtstagsglückwunsch aussprechen. Am 10. Mai feierte Herr Kollege Reinhold Strobl einen runden Geburtstag. Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute und viel Erfolg für Ihre parlamentarischen Aufgaben.

(Allgemeiner Beifall)

Der Leiter der Staatskanzlei hat mitgeteilt, dass der Staatsminister der Finanzen beabsichtigt, zu Beginn der heutigen Plenarsitzung um 13.00 Uhr eine Regierungserklärung zur aktuellen Situation im Euro-Raum abzugeben.

Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Staatsregierung in dieser für alle Bürgerinnen und Bürger unseres Landes existenziellen Frage der Sicherung des Euro den Landtag befasst und ihm damit vor der Entscheidung auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Dies ist ganz im Sinne des gemeinsamen Antrags aller Fraktionen, der zur nächsten

Plenarsitzung eingebracht und mit dem das Parlamentsinformationsgesetz zum Parlamentsbeteiligungsgesetz weiterentwickelt werden soll.

Ich erteile nach § 177 Absatz 1 der Geschäftsordnung dem Herrn Staatsminister der Finanzen Georg Fahrenschon außerhalb der Tagesordnung das Wort.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Das ist doch nicht außerhalb der Tagesordnung!)

- Die Tagesordnung wurde vorher anders festgelegt.

Ich rufe deshalb auf:

Erklärung des Staatsministers der Finanzen "Aktuelle Situation im Euro-Raum"

Herr Staatsminister Fahrenschon, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren des Bayerischen Landtags! Die Staatsund Regierungschefs der Euro-Gruppe haben vor eineinhalb Wochen, genauer gesagt in der Nacht zum 8. Mai, schwerwiegende Entscheidungen getroffen und die Grundlagen für einen 750 Milliarden Euro umfassenden Rettungsschirm für unsere gemeinschaftliche Währung gelegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Rettungssystem stellt den größten Umbruch seit der Einführung des Euro dar. Es kann Auswirkungen auf die Grundstruktur und auf die Geschäftsgrundlagen des Euro haben. Alle vier wesentlichen Eckpfeiler der Währungsunion sind berührt: die finanzielle Eigenverantwortlichkeit der Mitgliedstaaten, der Ausschluss einer Transferunion, das Nein zu einer eigenen Verschuldungskompetenz der Europäischen Union und die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle spüren in diesen Tagen, dass der Druck auf unsere Währung, Nachrichten über europäische Staaten, die vor dem Staatsbankrott stehen, die Vielstimmigkeit der Experten und auch der Eindruck einer gewissen Hilflosigkeit der Politik gegenüber den Akteuren an den internationalen Finanzmärkten bei den Menschen in unserem Lande Ängste und Verunsicherung hervorrufen. Die Menschen haben Angst um das Ersparte; Skepsis gegenüber dem Euro tritt auf.

Noch am Freitag dieser Woche, keine zwei Wochen nach der Entscheidung der Regierungschefs der Euro-Gruppe, soll nun bereits im Bundestag und voraussichtlich auch im Bundesrat über die Zustimmung Deutschlands zum Rettungspaket entschieden wer

den. Die Staatsregierung ist der festen Überzeugung, dass dies eine Entscheidung ist, die auch den Bayerischen Landtag betrifft; denn sie hat Auswirkungen auf die Grundlagen für Wachstum und für Stabilität auch in Bayern.

Den Bayerischen Landtag zeichnet aus, dass er sich schon immer selbst ein Bild von europäischen Entwicklungen gemacht hat. Er hat sich schon immer intensiv mit Entwicklungen Europas auseinandergesetzt. Es entspricht dem Grundverständnis der Regierung unter der Führung von Horst Seehofer, dass wir nicht im Lissabon-Vertrag mehr Rechte für die Parlamente der Nationen in Europa festschreiben können und die Parlamente dann in der Krisenbewältigung keine Rolle spielen sollen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, Ihnen heute unter Federführung des Finanzministers, aber in enger Abstimmung mit dem Wirtschaftsminister, in einer Regierungserklärung die Punkte darzustellen, die aus Sicht der Bayerischen Staatsregierung, aus der Sicht des Bayerischen Landtags und der Menschen in Bayern in dieser Situation eine wesentliche Rolle spielen.

Die bayerischen und die deutschen Debatten haben den Stabilitäts- und Wachstumspakt, der Grundlage der gemeinschaftlichen Währung ist, wesentlich und nachhaltig geprägt. Im Konzert der Länder ist Bayern mit seinen Haushalten, die seit fünf Jahren ohne neue Schulden auskommen, ein wesentlicher Garant für eine Haushalts- und Fiskalpolitik, die auch die nachfolgenden Generationen im Auge hat und deshalb auf die Stabilität der Währung, aber auch auf die Stabilität der öffentlichen Finanzen immer einen besonderen Wert legt.

Zum Dritten haben wir aus unseren eigenen Erfahrungen heraus gerade im letzten Jahr im Rahmen der Föderalismusreformkommission II das, was wir in Bayern schon seit fünf Jahren praktizieren, im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verankert. Die Schuldenbremse hat ihren Ausgangspunkt nicht zuletzt in der Überzeugung des Bayerischen Landtags, dass sich die Ausgaben eines Staates in erster Linie an den Einnahmen zu orientieren haben.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Der Entscheidung der Regierungschefs war am selben Tag die Beschlussfassung über das Rettungspaket für Griechenland vorausgegangen. Gerade vor dem Hintergrund dieser zeitlichen Abfolge wird aus gutem Grund die Erforderlichkeit für den Rettungsschirm hinterfragt: Wie kann es sein, dass sich die

Regierungschefs mit Griechenland auseinandersetzen, alle nationalen Parlamente dieses GriechenlandPaket im Eilverfahren prüfen und am Ende grünes Licht dazu geben? Und warum ist noch am Tage des Abschlusses des Griechenland-Pakets auf einmal eine völlig neue Frage auf der Tagesordnung? Das fragen die Menschen in unserem Land zu Recht. Wir müssen uns mit der Antwort auf diese Frage auseinandersetzen.

An dieser Stelle ist allerdings auch darauf hinzuweisen, dass alle maßgeblichen Instanzen den Rettungsschirm für den Euro für notwendig gehalten haben. Hier sind die Notenbankgouverneure der G 7, die Europäische Zentralbank und das neugestaltete Internationale Forum für Finanzmarktstabilität, das im Lichte und in den Tagen der Finanzmarktkrise vor 18 Monaten extra zur Beobachtung der weltweiten Märkte eingesetzt wurde, zu nennen.

Sie alle haben den Rettungsschirm, diesen Schirm zur Rettung des Euro und damit unserer gemeinschaftlichen Währung, für notwendig erachtet, um die Zahlungsfähigkeit der Euroländer zu wahren, die Finanzstabilität der Währungsunion insgesamt zu sichern und eine weitere Ausbreitung der krisenhaften Entwicklung über die Eurozone hinaus zu verhindern.

Ursache war nach Einschätzung der Fachleute eine dramatische Zuspitzung der Krise auf den Finanzmärkten am Ende der ersten Maiwoche. So seien die Risikoaufschläge für die Staatsanleihen rapide gestiegen. Zudem hätten europäische Banken begonnen, sich gegenseitig kaum mehr Geld zu leihen. Wir erinnern uns alle an die Zustände im Oktober 2008: Im Euroraum hat keine Bank irgendeiner anderen Bank überhaupt nur einen Euro Liquidität mehr zur Verfügung gestellt.

Die Parallelitäten sind klar herausgearbeitet. Es bestand nach Ansicht der Experten die Gefahr einer abermaligen systemischen Krise wie nach dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers am 15. September 2008. Befürchtet wurden gewaltige Dominoeffekte, die über Portugal und Spanien, auch auf Mexiko bis zu den Vereinigten Staaten Auswirkungen gehabt hätten.

Deshalb hat das gemeinsame und koordinierte Handeln der Eurogruppe Wirkung gezeigt. Es war richtig, in dieser Nacht gemeinsam und koordiniert zu handeln.

Trotzdem hält die allgemeine Skepsis der Märkte gegenüber dem Euro an. Weiterhin werden vielfältige kritische Fragen gestellt. Um es klar zu sagen - aus der Sicht der Bayerischen Staatsregierung muss man es deutlich herausarbeiten -: Wir haben uns mit dem

Rettungsschirm zwar Zeit gekauft, aber das Kernproblem, die Überschuldung einiger Staaten in Europa, nicht gelöst.

Kernpunkt ist deshalb aus unserer Sicht eine DreiSäulen-Strategie. Diese beruht an erster Stelle darauf, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union jetzt überzeugend zeigen müssen, dass sie es mit der notwendigen finanzpolitischen Disziplin ernst meinen.

Konsolidierung in dieser Situation ist eben kein Selbstzweck, sondern Grundlage für das Vertrauen der Märkte in unsere gemeinschaftliche Währung. Gerade jetzt müssen wir aus Deutschland heraus, aus Bayern zumal, noch intensiver für die Stabilitätskultur in Europa werben. Sie ist das zentrale Momentum, das den Euro gegenüber vielen anderen Währungen abgrenzt.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Die zweite Grundvoraussetzung für die Wiederherstellung des Vertrauens ist aber auch, dass den vielen Ankündigungen der letzten vier Monate jetzt konkrete Maßnahmen folgen müssen. Wir müssen damit vor unserer eigenen Haustür anfangen. Deshalb ist eine Verschärfung des Stabilitätspakts unumgänglich.

(Beifall bei der CSU, der FDP und Abgeordneten der SPD)

Als dritte Säule steht fest, dass die Regulierung der Finanzmärkte jetzt vorangetrieben und vollendet werden muss. Wir wollen, dass alle Akteure auf den internationalen Finanzmärkten ihren Beitrag dazu leisten. Wir müssen jetzt konsolidieren, um die Währung zu schützen. Wir müssen unsere Regeln einhalten, um der Währung den notwendigen Rahmen zu geben. Wir müssen auch alle Akteure an den internationalen Finanzmärkten jetzt zur Verantwortung ziehen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Als positiv ist darzustellen, dass es die Bundesregierung in den Verhandlungen erreicht hat, zentrale Punkte zu verankern. So war die Einbindung des Internationalen Währungsfonds - IWF -, für die wir uns schon im Fall Griechenland aus guten Gründen eingesetzt hatten, am Anfang im Beschluss der Staats- und Regierungschefs nicht vorgesehen. Die Einschaltung des Währungsfonds, der Institution, die sich mit der Handhabung des Instrumentariums in solchen Krisen weltweit am besten auskennt, ist in dieser Situation für die Stabilisierung des Euro ein Wert für sich. Die Bundesregierung hat gut daran getan, keinem Konzept grünes Licht zu geben, das nicht auch auf die Einschaltung des IWF baut.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Auch die Einschaltung der Zweckgesellschaft war ursprünglich nicht vorgesehen. Der ursprüngliche Plan in Brüssel lautete, dass die Europäische Kommission selber 440 Milliarden Euro - inklusive der Notfallsummen von 60 Milliarden Euro sind es 500 Milliarden Euro - aufnimmt. Auch dies war von zentraler Bedeutung.

Nicht weniger wichtig ist, dass festgelegt wurde, dass alle Entscheidungen im Zusammenhang mit den Hilfen für die Zweckgesellschaft einvernehmlich, das heißt einstimmig, getroffen werden müssen.

Trotzdem, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir im weiteren Verfahren sicherstellen, dass sich mit diesem Rettungspaket in dieser ganz besonderen Situation Europa eben nicht auf den schleichenden Übergang zu einer europäischen Transferunion einstellt. Eine solche Transferunion muss verhindert werden.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP - Hubert Aiwanger (FW): Da sind wir schon drin!)