Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Diese wurde wie immer erteilt.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, spreche ich einen Geburtstagsglückwunsch aus. Am 22. Juni feierte Frau Kollegin Johanna Werner-Muggendorfer einen runden Geburtstag. Viele Kolleginnen und Kollegen haben in der Zwischenzeit mit ihr Kontakt gehabt, vor allem Kollegen der SPD-Fraktion, aber auch andere Kollegen des Hohen Hauses. Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen haben mit ihr immer wieder Kontakt gehabt. Auch unser Amtschef und mein Büroleiter waren bei ihr. Ich freue mich, dass sie sich in einem guten Genesungsprozess befindet. Wir wünschen ihr die Geduld, ihre Situation durchzustehen. Wir freuen uns darauf, dass sie bald wieder hier ist. Also noch einmal unser Glückwunsch!
Meine Glückwünsche spreche ich auch Herrn Thomas Mütze aus. Er ist zum Vorsitzenden der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN gewählt worden. Herzlichen Glückwunsch! Er wird ihn nachlesen können, oder der Glückwunsch kann ihm ausgerichtet werden. Wir wünschen dem Kollegen Mütze alles Gute für sein Amt.
Aber ich möchte nicht nur gratulieren. Dem bisherigen Fraktionsvorsitzenden, dem Kollegen Sepp Daxenberger, möchte ich ganz herzlich danken. Wir danken ihm, dass er das Amt des Fraktionsvorsitzenden trotz schwerster Krankheit so lange innegehabt hat.
Ich darf Ihnen sagen, dass es Herrn Daxenberger momentan gesundheitlich nicht gut geht. Aber wir wünschen ihm alles Gute, Kraft, Mut und Zuversicht. Wir sind bei ihm.
Von der Geschäftsordnung her ist die Reihenfolge der Redner festgelegt. Das betrifft auch die Redezeit. Für die SPD hat Frau Kollegin Karl das Wort. Für sie wurden zehn Minuten Redezeit beantragt.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedaure sehr, dass das Thema "ländliche Räume" bei der CSU anscheinend eine so niedrige Wertigkeit hat, dass sich von der Fraktion kaum jemand die Mühe macht, in den Plenarsaal zu kommen.
Die Sichtweise der Staatsregierung auf die ländlichen Räume lautet folgendermaßen - ich darf kurz zitieren -:
Der ländliche Raum bietet viele Vorteile und ist attraktiv für alle Generationen. Was Lebensqualität, Ausbau der Infrastruktur, Beschäftigung oder reale Kaufkraft betrifft, ist die Entwicklung der ländlichen Regionen in Bayern eine einzigartige Erfolgsgeschichte.
Es gibt aber auch andere Sichtweisen der Realität. Zum Beispiel sagte der Geschäftsführer der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, Herr Toni Hinterdobler, in einem Artikel vom 19. Juni:
2050 wird der ländliche Raum völlig weg sein vom pulsierenden Leben, was aber dann Touristen anlockt, die sich nicht an der maroden Infrastruktur aus kaputten Straßen und nur noch durchfahrenden Zügen stören. Die Touristen genießen die Ruhe, den Stillstand, die Perspektivlosigkeit.
Es gibt eine klare Tendenz, dass die Politik den ländlichen Raum vernachlässigt, weil das Land keine grundlegende Lobby hat.
Ich denke, diese Einschätzung trifft die Realität deutlich besser. Denn entgegen allen vollmundigen Ankündigungen im Bund und in Bayern handeln die Regierungen so, dass sie mit den neuen Sparplänen die ländliche Entwicklung völlig zum Erliegen bringen. Sie betreiben sehenden Auges ein verbrämtes Ausbluten ganzer Landesteile.
In Ihrer Politik gibt es nichts zu sehen als hilflose Programmatik, hilflose Gesten und hilflose Gremien, angereichert mit wolkiger Rhetorik und massiven Mittelkürzungen.
Lassen Sie uns gemeinsam einmal anschauen: Was sagen die Minister und was leisten sie wirklich? - Machen wir einen kurzen Realitätscheck.
Ich beginne mit Bundesverkehrsminister Ramsauer. Er sagte gestern anlässlich eines Ländliche-RäumeKongresses in Berlin: Mein Haus hat die "Initiative Ländliche Infrastruktur" und ein neues Programm "Kleinere Städte und Gemeinden" für dünn besiedelte Regionen ins Leben gerufen. - Soweit die Ankündigung. Was tut Herr Ramsauer? - Die Mittel für Städtebauförderung, die jetzt schon zu 40 % in die ländlichen Regionen fließen, werden von 300 Millionen auf 150 Millionen halbiert. Damit riskiert Minister Ramsauer nicht nur zunehmende soziale Spaltungen in den Städten und Gemeinden, es bedeutet auch das Ende vieler Projekte gerade in kleinen Orten und Kommunen. Das neue Programm, das mit gerade einmal 18 Millionen Euro für ganz Deutschland ausgestattet ist, ist reine Augenwischerei, denn es wird aus eben diesem Topf der Städtebauförderung gespeist. Nächstes Jahr, wenn dieser Topf noch einmal um die Hälfte reduziert ist, bleibt nichts übrig als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Quintessenz: Schöner Titel, keine Mittel, nur Gerede.
Ich komme zu Minister Herrmann und Minister Brunner. Einträchtig haben sich die beiden am 23. März für den neuen "Struktur- und Härtefonds" für finanzschwache und von Abwanderung besonders betroffene Kommunen gelobt. Die schnöde Realität ist folgende: Das Vorgängerprogramm dieses Härtefonds, das nur für Hochfranken und die Grenzlandkreise zur Tschechischen Republik galt, hatte nach Angaben des Kabinetts immerhin ein Volumen von circa acht Millionen Euro pro Jahr. Das neue Programm gilt jetzt für ganz Bayern. Das ist an sich sehr positiv, das Programm ist aber in der Mittelausstattung, da es auf drei Prozent der gesamten Fördermittel für Städtebau und Dorferneuerung begrenzt ist, schon heuer finanziell sehr schlecht ausgestattet und nächstes Jahr durch die Halbierung der Städtebauförderung nichts als ein besserer Witz, ein schlechtes Trostpflaster für unsere Regionen im Norden Bayerns.
Drittes und letztes Beispiel im Realitätscheck: Staatssekretärin Hessel. Frau Hessel leitet den Staatssekretärsausschuss "Ländlicher Raum in Bayern", der sich vor allen Dingen durch Großtaten hervortut wie die Freischaltung des Demografieleitfadens für die Kommunen im Netz morgen früh. Liebe Frau Hessel, die Kommunen brauchen nicht noch ein neues Prognoseprogramm, wie viele Abschiedspostkarten sie für die abwandernden Menschen in den nächsten Jahren drucken müssen. Diese Prognosen gibt es schon. Die Kommunen brauchen Unterstützung und Konzepte für ihre Bemühungen, die Menschen vor Ort zu halten und die Abwanderung abzuwehren.
Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich es ganz deutlich sagen, Prognosen sind keine vorweggenommene Realität, sie beschreiben nur die Größe der Herausforderung, die es anzupacken gilt. Und deshalb: Handeln und nicht nur schöne Bilder produzieren!
Meine Damen und Herren der Staatsregierung, glauben Sie wirklich, dass die Millionen von Menschen in den ländlichen Regionen nicht merken, dass sie von Ihnen allein gelassen werden und dass sie bei ihren Bemühungen, sich selbst zu helfen - und davon gibt es, Gott sei Dank, fast unendlich viele -, noch durch Zentralismus und unsinnige Behördenentscheidungen behindert werden?
Lassen Sie mich dafür ein kurzes Beispiel geben. In einer kleinen, aber feinen Gemeinde im Fichtelgebirge gibt es ein Schulgebäude, das jetzt leer steht, weil es nicht mehr genügend Schüler gibt. Die Kommune hat sich überlegt, sie will daraus ein Ärztehaus machen. Ich meine, eine super Idee gerade in Bezug auf die älteren Menschen. Die Gemeinde hat sich um Unterstützung bei der Suche nach Ärzten an Minister Söder gewandt. Was hat sie bekommen? - Sie hat nicht nur keine Hilfe bekommen, sondern sie hat einen Brief bekommen, in dem steht: Wenn sie das Schulgebäude, das leer steht, innerhalb der nächsten fünf Jahre in ein Ärztehaus umwandelt, muss sie die Förderung für das Schulgebäude zurückzahlen. - Also keine Hilfen, sondern nur unsinnige Geldforderungen und unnütze Bürokratie.
Glauben Sie wirklich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der FDP, dass diese Vorgehensweise den Menschen Mut macht, dass sie ihnen hilft, sich in den Regionen wohlzufühlen, sich dort eine vernünftige Zukunft aufzubauen? Und meinen Sie nicht, dass es endlich Zeit ist zu handeln, und zwar konsequent und unbürokratisch?
Damit Sie für dieses Handeln ein paar Ideen bekommen, hier einige kurze Stichworte aus unserem Konzept.
Zum Ersten: Verkaufen Sie die Menschen nicht für dumm. Geben Sie die Fördergelder in den ländlichen Regionen den Menschen in die eigene Verantwortung. Die Bürger dort wissen ganz genau, wie sie die Gelder am besten verwenden können, und brauchen das nicht von München gesagt bekommen.
Zweitens. Die Lebensqualität im ländlichen Raum leidet nicht unter der wunderschönen Landschaft und unter den niedrigen Lebenshaltungskosten; sie leidet an fehlenden Arbeitsplätzen und fehlender moderner Kommunikation. Nehmen Sie deshalb den Breitbandausbau in staatliche Verantwortung, damit dort endlich ein Schub in die Zukunft hineinkommt.
Drittens. Die Landesentwicklungsplanung ist gerade für die ländlichen Regionen enorm wichtig. Wir wollen keine italienischen Verhältnisse wie im Etschtal, wo es keinen Zentimeter freie Fläche mehr zwischen den Verkaufsshops gibt. Das Landesentwicklungsprogramm muss Gestaltungsinstrument bleiben, allerdings nicht als ein bayerisches Märchenbuch, sondern als Drehbuch für eine Zukunft ganz Bayerns.
Viertens. Lassen Sie die Finger von der Gewerbesteuer! Die Gewerbesteuer ist der Lebensnerv der Kommunen und damit auch der Menschen, die dort wohnen.
Fünftens. Wir haben in Bayern eine einzigartige Erfolgsgeschichte durch die Ansiedlung von Fachhochschulen. Hier gilt es noch nachzulegen: Wir brauchen Fachhochschulen vor Ort, um die Entwicklung voranzutreiben und den Menschen Perspektiven zu geben.
Meine Damen und Herren, Sie betreiben mit Ihrem Sparprogramm einen massiven Aderlass der ländlichen Regionen. Hören Sie damit auf! Lassen Sie nicht zu, dass die Blutzirkulation endgültig zum Erliegen kommt. Sorgen Sie für eine Rücknahme der Sparbeschlüsse bei der Städtebauförderung. Machen Sie die unsinnigen Steuergeschenke rückgängig, dann gibt es auch genügend Mittel für die ländlichen Regionen. Lassen Sie uns unsere Heimat entwickeln und damit die Zukunft sichern.