Protocol of the Session on September 18, 2002

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listen noch gegenrechnen lassen. Sie haben aber kein Verständnis dafür, dass ihnen zustehende Aufwandsentschädigungen als Ersatz für Auslagen durch Sozialversicherungsbeiträge gekürzt werden. Ihre freiwillige unentgeltliche Tätigkeit ist nicht mit einer auf Erwerb ausgerichteten Tätigkeit gleichzusetzen. Dies ist eine Abwertung ihres Engagements.

(Beifall bei der CDU)

Sie empfinden die Einbehaltung von Sozialversicherungsbeiträgen zu Recht als Abkassieren. Vollmundige Worte und öffentliche Kampagnen sowie Festreden bei Vereinsjubiläen und Kongressen der Sportverbände nützen unseren Vereinen wenig, wenn sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die alltägliche Arbeit nicht verbessern.

(Beifall bei der CDU)

Ehrenamtliches Arbeiten darf dabei nicht nur durch Dankeschön-Worte bei Festreden honoriert werden. Deshalb sind wir froh, dass es uns auch gelungen ist, diesen Dringlichkeitsantrag zu verabschieden, der ganz konkrete Forderungen beinhaltet. Das Ansehen freiwilliger Arbeit steigt nämlich nicht einfach so. Wir müssen eine Anerkennungskultur schaffen, in der bürgerliches Engagement gewürdigt und sein Wert geachtet wird. Gesellschaft, Politik und Wirtschaft können und müssen die entsprechenden Rahmenbedingungen setzen.

Der von den Fraktionen geforderte Arbeitskreis ist deshalb beauftragt, sich zum Beispiel mit dem Thema Ehrenamtcard zu befassen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Bei der Ehrenamtcard ist an Vergünstigungen zu denken, wie zum Beispiel der Besuch von Kultur- und Freizeiteinrichtungen, aber auch Unternehmen ihrerseits müssen bei Bewerbungen das Ehrenamtengagement stärker würdigen und berücksichtigen. Auch die anderen im Arbeitskreis zu behandelnden Themen sollen zur deutlichen Verbesserung der Rahmenbedingungen im Sport beitragen. Die Antwort des Senats hat deutlich gemacht, dass es nach wie vor administrative Hindernisse gibt, die das freiwillige Engagement behindern. Auch in diesem Punkt fordern wir den Senat ganz konkret auf, tätig zu werden und entsprechende Punkte zu benennen. Sie wollen nicht verwalten, sondern gestalten. Sie brauchen übersichtliche, auch für Laien erarbeitete nachvollziehbare Rechtsvorschriften, ein Minimum an Bürokratie und höhere steuerfreie Pauschalen. Dies wäre Anerkennung und ein Dankeschön für diese Leistung. Dem Staat sollten unsere Vereine und die dort ehrenamtlich Tätigen dies wert sein.

(Beifall bei der CDU)

Ein schwerwiegendes Hemmnis ehrenamtlicher Tätigkeit sind die rechtlichen Bedingungen. Kaum

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jemand wird die Fülle der Vorschriften kennen, unter denen sich ehrenamtliches Engagement vollzieht. Wir erlassen neue Regelungen, ohne deren Auswirkungen in der Komplexität zu kennen. Gesetzliche Regelungen sind auf das Notwendige zurückzuführen. Dies muss zu mehr Sicherheit führen und gleichzeitig die Gestaltung und Freiräume für Eigeninitiativen und Eigenverantwortung erweitern. Mehr Anerkennung und Auszeichnung sind wichtig, um möglichst viele Menschen für freiwilliges Engagement zu erreichen und zu ermutigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Familie müssen wir ansetzen. Nirgends werden persönliche Bindungen und Hilfen für den Nächsten so unmittelbar erfahren und erlebt, nirgendwo anders werden Verständnis, Einsicht, Toleranz, Verantwortungsbewusstsein und Rücksichtnahme im natürlichen Umgang erprobt und gefestigt. Gemeinschaftliches Engagement für den Sport muss Bestandteil des erzieherischen Auftrags an unseren Schulen sein.

(Vizepräsident D r. K u h n übernimmt den Vorsitz.)

Schüler und Jugendliche sind frühzeitig an Eigenverantwortung und gleichzeitig an ein dem Gemeinschaftswohl orientierten Handeln heranzuführen. Dies scheint umso dringender, weil früher wirksame traditionelle Bindungen abgenommen haben. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten durch vernünftige Kooperation partnerschaftliche Lösungen anstreben und Freistellungen für Qualifizierungsmaßnahmen ermöglichen.

Im Ehrenamt erworbene Qualifikationen wirken sich in der Regel positiv auf die berufliche Einstellung und Tätigkeit aus und sollten innerbetrieblich stärker gefördert und anerkannt werden. Ehrenamtliche Tätigkeit belebt die Arbeitswelt. Die Medien können einen positiven Beitrag zur Bewusstseinsbildung für mehr gemeinschaftliches Engagement leisten. Über Gutes zu berichten bewirkt Gutes. Dies sollte häufiger Leitgedanke einer Berichterstattung sein.

(Beifall bei der CDU)

Freiwilliges Engagement sollte auch im Lebenslauf viel mehr als bisher als positiver Faktor bewertet werden. Die aktive Mitwirkung und Zusammenarbeit aller gesellschaftlicher Kräfte ist die Voraussetzung dafür, dass es gelingt, aus unseren Jugendlichen verantwortungsbewusste Menschen zu machen, die ihre Zukunft aus eigener Macht meistern können. Zu den Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten junger Menschen kann der Sport zweifelsohne viel beitragen. Diese Feststellung ist sicher nicht neu. Wenn ich die heutige Zeit mit meiner Jugendzeit vergleiche, mit einer Zeit fast ohne Fernsehen, aber gelegentlich einmal einer Kinoveranstal

tung, dafür ohne Computer, ohne feste Verplanung des Tagesablaufs, ohne die Schnelllebigkeit der heutigen Zeit war Sport neben der Schule mehr oder weniger der zentrale Inhalt meiner Jugendzeit. Es hat mir gut getan, und ich denke gern daran zurück.

Sport hatte immer und hat auch heute noch erzieherische Wirkung auf unsere Jugend, gerade auch über die sportliche Bestätigung erfolgt Sinn und Wertschätzung unserer Gesellschaft. Es gibt heute viele andere Nebenerzieher, vor allem die Medien mit ihren Gewaltfilmen, die nach meiner Meinung wertzersetzend wirken. So manche Erscheinung im Jugendbereich, gerade auch, wenn ich an die Zuwachsraten bei der Kinder- und Jugendkriminalität denke, sollte uns betrüblich stimmen. Die Gewalt unter den Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft macht uns allen Sorgen. Gewalt aus nichtigen Anlässen, das Nachlassen des Unrechtsbewusstseins beziehungsweise fehlendes Schuldbewusstsein, Rücksichtslosigkeit und Gleichgültigkeit, auch Mangel an Einfühlungsvermögen, all das ist auch hier im Alltag in unserem Land zu beobachten.

Ich bin mit der Auffassung von Innenminister Schily nicht immer einverstanden, aber in einem Punkt kann ich ihm nur beipflichten. In einem Gespräch mit der „FAZ“, das hatte ich irgendwo einmal gelesen, hat er gesagt, ich zitiere: „Es gibt einen inneren Zusammenhang zwischen der sportlichen Betätigung und der inneren Sicherheit.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sicherheit kann nicht nur durch die Polizei gewährleistet werden. Innere Sicherheit setzt auch voraus, dass die Menschen von sich aus bereit sind, sich an Regeln und Gesetze zu halten und die Mitmenschen zu achten. Das lernt man im Sport. Das Grundgesetz des Sports ist die Fairness. Das Einhalten von Regeln ist das eine, ein gesundes Selbstbewusstsein das andere. Gewalt Jugendlicher entsteht in den meisten Fällen auch aus Schwäche. Sport vermag Kindern und Jugendlichen Ich-Stärke und Selbstbewusstsein durch eigene Leistung zu geben. Studien beweisen, dass vereinsgebundene Jugendliche weniger anfällig für Gewalt und Drogen sind als Jugendliche, die keinem Verein angehören.

Wir haben in unseren beiden Städten eine dichte und solide Vereinsstruktur. Das positive Klima in unserem Bundesland Bremen und die bessere Situation bei der inneren Sicherheit allgemein haben sicher auch dazu beigetragen, dass die vielen Vereine, nicht nur Sportvereine, präventiv gegen Gewalt wirken. Sportvereine, meine Damen und Herren, sind ein Gewinn für uns alle. Sportvereine sind Lebensnerven in unserer Gesellschaft, und das in mehrfacher Hinsicht, davon bin ich felsenfest überzeugt. Hier wird die Leistungsbereitschaft gefördert, denn Sport und Leistung gehören zusammen wie Sport und Spiel. In den Sportvereinen lernen die jungen Menschen spielerisch, dass man sich anstrengen muss, wenn man ein Ziel erreichen will. Den Willen zur

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Leistung, den Willen zum Erfolg, Durchhaltevermögen benötigen wir alle auf allen gesellschaftlichen und beruflichen Ebenen. Dazu gehört auch faire Anerkennung der Leistung des anderen und damit auch die Akzeptanz von Eliten. Ohne das Leistungsprinzip kann keine freiheitliche Gesellschaft leben, gibt es keinen wirtschaftlichen Fortschritt, können die drängenden Gegenwartsprobleme nicht bewältigt werden.

Sportvereine in Bremen und Bremerhaven tun viel für die Gesundheitsförderung, denn Sport dient auch der Prävention von Krankheiten. Auch das sportlich schwächere, zurückhaltende und schüchterne Kind wird in unseren Vereinen auf- und angenommen. Nicht immer, doch sehr häufig gelingt die Integration auch eher schwieriger Kinder, wie zum Beispiel auch ausländischer Kinder, die Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben. Behinderte Menschen gehören in die Mitte der Gesellschaft, gehören in die Mitte der Sportvereine. Darum ist die Förderung für den Behindertensport für uns alle eine Verpflichtung. Sportvereine sind ein sozialer Klebstoff, an dem alle Menschen in unseren beiden Städten, ob behindert oder nicht behindert, ob Aussiedler oder Ausländer, kleben bleiben können. Sie sind ein Anker, an den sie sich klammern können und der einen sicheren Halt gibt.

Die Vereine in unserer modernen Gesellschaft übernehmen soziale Funktionen. Das hängt auch damit zusammen, dass sich äußere Bedingungen bei der Erziehung im Elternhaus geändert haben.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, ich störe Sie ungern, aber Ihre Redezeit ist zu Ende!

Gut, dann will ich noch einmal die wichtigsten Dinge aufzeigen, und dann mache ich auch Schluss!

Wir müssen uns überlegen, ob wir in den nächsten Jahren noch mehr Mittel für die Sportförderung ausgeben können. Dabei weiß ich sehr wohl, dass draußen von unseren Vereinsmitgliedern beim Bau von Sporteinrichtungen Eigenleistungen erbracht werden. Unzählige Stunden, gerade auch an den Wochenenden, werden dem Verein geopfert. Wer durch unsere Städte Bremen und Bremerhaven geht, kann sehen, was hier geleistet wird. Das ist wirklich Treue zum Verein!

Meine Damen und Herren, der Landessportbund ist ein Garant dafür, dass alle Sportarten gleichwertig nebeneinander stehen. Er vertritt den Sport über alle Altersklassen in seiner ganzen Bandbreite, als Leistungs- und Breitensport, von den alten olympischen Disziplinen bis hin zu den rasanten Trendsportarten. Für die CDU-Bürgerschaftsfraktion darf ich hier sagen, dass wir hoffen, dass weiterhin in

unserem Lande Menschen in Verantwortung für die Allgemeinheit entsprechend da sind. Wir hoffen und unterstützen es, dass es weiterhin Menschen gibt, die einen Teil ihrer Lebenszeit dem Sportverein freiwillig für das Gemeinwohl zur Verfügung stellen. – Danke schön!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Pohlmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Jahr 2001 war das Jahr des Ehrenamtes. Der Bundestag hat eine Enquetekommission eingesetzt, und es ist zu wichtigen und auch umfangreichen Ergebnissen gekommen, was die Weiterentwicklung und die Stärkung des bürgerlichen Engagements betrifft. Es sind auch zu benennen der Landessportbund hier in Bremen, die Fachverbände und viele Vereine, die sich hier auch sehr engagiert in diese Diskussion eingebracht haben, die sich eingemischt haben in diese Diskussion, weil es auch primär darum geht – und da möchte ich einmal an das anknüpfen, was mein Vorredner gesagt hat –, welche Unterstützung kann dem Sport, seinen Verbänden und Vereinen, gegeben werden, um auch den Vereinen in der Zukunft eine gesicherte Zukunftsperspektive zu geben. Das ist eine wichtige Frage.

Es wird diskutiert, wie es uns gelingt, durch die Aufwertung der ehrenamtlichen Tätigkeit dazu beizutragen, dass auch in Konkurrenz zu kommerziellen Anbietern die Sportvereine sich auch in der Zukunft so entwickeln können, dass sie die Aufgaben, die sie heute wahrnehmen, auch dann noch umsetzen können. Die vielfältigen Angebote des Sports sind ein unverzichtbarer Beitrag zur Lebensqualität in Bremen und Bremerhaven, ein wichtiges Element für den inneren Zusammenhalt unseres Gemeinwesens und damit auch ein wesentlicher Bestandteil unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD)

Im Rahmen sportlicher Betätigung finden gesellschaftliche Integration und sozialer Ausgleich statt, die in den Vereinen engagierten Menschen bringen ihre Freizeit aktiv und selbstbestimmt mit ein. Gesellschaftliche Integration bedeutet einerseits Eingliederung in die Gesellschaft, und andererseits ist auch zu verstehen, was Anderssein heißt. Diese sozialpolitische Querschnittsaufgabe erfahren sie aus der Arbeit der Sportvereine, die Alt und Jung, Behinderte und nicht Behinderte, Deutsche und Nichtdeutsche aus allen sozialen Schichten unter einem Dach vereinen und somit wesentliche Impulse für unsere gesellschaftliche Entwicklung geben.

Ich erinnere, meine Damen und Herren, an eine aktuelle Diskussion auf Bundesebene in der Wahl

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auseinandersetzung, wo gerade versucht wird, mit dem Thema Ausländer und ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger dies zu instrumentalisieren. Ich glaube, dass die Sportvereine, mit dem, was sie hier auch in Bremen und in ganz Deutschland leisten, zeigen, dass das eigentlich der richtige Weg ist,

(Beifall bei der SPD)

nämlich gemeinsam diese Integration weiterzuführen. Dafür sei allen zu danken, die in diesen Vereinen auf sportlicher Ebene diese Arbeit leisten.

Es gilt, eine offene, solidarische und aktive Gesellschaft zu erhalten und weiterzuentwickeln. Dafür sind die Angebote des Sports von großer Bedeutung für unsere Zukunftsfähigkeit. So verstanden ist Sportförderung ein harter Standortfaktor, denn im Sport kann Integration täglich erlebt werden, und das ist für uns eine ganz wichtige Erkenntnis.

(Beifall bei der SPD)

Die Leistungen der vielen ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürger machen unser Gemeinwesen lebendig und sozial. Jede Investition in den Sport ist gut angelegt, gleichgültig, ob es auf freiwilliger Basis oder ob es eine Pflichtaufgabe ist.

Meine Damen und Herren, ich möchte daran erinnern, dass das Thesenpapier des Landessportbundes, das im November letzten Jahres mit Vertretern der Wirtschaft, der Politik öffentlich diskutiert wurde, wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der Sportpolitik, der Vereine in unserer Stadt und in unserem Bundesland gegeben hat. Es hat auch mit Anstoß dazu gegeben, dass es zu dieser Großen Anfrage der Koalitionsparteien gekommen ist. Die über 12 000 ehrenamtlich tätigen Frauen und Männer im Land Bremen, die sich für die Belange des Sports einsetzen, sind die Grundvoraussetzung dafür, dass das Vereinssystem heute aktuell und auch in der Zukunft seine Existenz behält und sich auch weiterentwickeln kann.

(Beifall bei der SPD)