Allerdings muß man dieses Lob relativieren, denn bei der Qualität dieses Gesamtsenats ist es nicht besonders schwierig, positiv aufzufallen.
Der Vorwurf, den man insgesamt der Wirtschaftspolitik dieses Senats machen muß, ist – und darauf werde ich zurückkommen –, daß er sein Augenmerk hochgradig auf zwei Bereiche, Multimedia und wenige Großprojekte, konzentriert und dabei die wirtschaftliche Basis dieser Stadt, nämlich die mittelständischen Unternehmen, zu sehr außer acht läßt.
Natürlich gehört zum politischen Erfolg auch das nötige Quentchen Glück. Das haben Senat und der Senator in der Tat. Hamburgs Wirtschaft profitiert von dem günstigen gesamtwirtschaftlichen Aufschwung, den wir im Moment haben. Das Bruttoinlandsprodukt ist im ersten Halbjahr um 2,3 Prozent gestiegen, leider 1 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt, aber es hat natürlich positive Konsequenzen für die Arbeitslosenzahlen in dieser Stadt gehabt. Sie bleiben unter 70 000. Diesen Erfolg des Senats will ich überhaupt nicht kleinreden. Er hat es über dem Bundesdurchschnitt reduziert.
Die Exportwirtschaft ist die treibende Kraft für dieses Wachstum, beflügelt natürlich auch durch den schwachen Euro, und davon profitiert der Außenwirtschaftsplatz Hamburg. Aber zu denken muß geben, daß das Bruttoinlandsprodukt überdurchschnittlich zurückgeblieben ist, und das ist auf die geringe Dynamik des verarbeitenden Gewerbes zurückzuführen. Dieser Wirtschaftszweig ist insgesamt durch hohe Ölpreise und eine möglicherweise schwächere Konjunktur in den nächsten Jahren überproportional ge
fährdet. Ich teile den gestern von Hans Eichel verbreiteten Optimismus in dieser Beziehung ausdrücklich nicht.
Nicht zu bestreiten ist, daß große Infrastrukturvorhaben in dieser Stadt auf den Weg gebracht worden sind: Ausbau von Altenwerder, Elbvertiefung, Produktionsstandort A3XX gehören auf die Habenseite des Senates. Auch ist der Strukturwandel in der Wirtschaft in Hamburg besser gelungen als in vergleichbaren anderen Gebieten der Bundesrepublik.
Aber so erfreulich diese Großprojekte sind, so sehr muß man bedenken, daß die Finanzierung dieser Vorhaben nicht solide abgesichert ist. Der A3XX erfordert Investitionen von mindestens 1,15 Milliarden DM, die Messe soll 600 Millionen DM kosten und die innere Verdichtung, die der Senat mit dem Schlachthof ausgehandelt hat, noch einmal weitere 100 Millionen DM. Wie der Container-Terminal Altenwerder aus dem Verkauf der Grundstücke der HafenCity finanziert werden soll, bleibt ein Rätsel. Wer für Altenwerder über 580 Millionen DM ausgeben will, kann im Grunde eine wünschenswerte Bewohnerstruktur für die zukünftige HafenCity bei diesen Grundstückspreisen, die er dann nehmen muß, nicht mehr erreichen.
Ich habe vom Rückgang der Arbeitslosigkeit gesprochen. So erfreulich die Ansiedlungsvorhaben des Senates trotz der Schwächen in der Finanzierung sind, so deutlich sind die Defizite, die die Wirtschaftspolitik dieses Senates hat. Sie liegen eindeutig in der Vernachlässigung der mittelständischen Wirtschaft dieser Stadt, sie liegen in der Ignoranz gegenüber einer vernünftigen Verkehrspolitik, sie liegen in der Vernachlässigung des Film- und Fernsehstandortes Hamburg
ja, Film- und Fernsehstandort Hamburg, nicht Multimedia-Standort – und im Aufbau von bürokratischen Hemmnissen.
Meine Damen und Herren! Was die Arbeitslosigkeit angeht, mag der Senat in der ersten Phase Erfolg gehabt haben. Jetzt haben wir aber einen Teil von Arbeitslosen, nämlich 70 000, die der schwierige Teil der Arbeitslosen in dieser Stadt sind. Weit über ein Drittel Langzeitarbeitslose, über 40 Prozent davon mit nicht abgeschlossener Berufsausbildung, mit mangelhaften Sprachkenntnissen, die am Arbeitsmarkt fast keine Chance haben. Ich denke, gerade um diese müßten sich Sozialdemokraten insbesondere kümmern,
wollten Sie denn Ihrem Anspruch auf soziale Gerechtigkeit wirklich gerecht werden, und zwar nicht durch Alimentierung der Arbeitslosigkeit, sondern durch Zurverfügungstellung von Arbeitsplätzen. Und das tun Sie genau für diese Arbeitnehmer in dieser Stadt eben nicht,
Deswegen ist es aus meiner Sicht völlig unverständlich, daß es solange gedauert hat, den Messestandort nicht auf Kosten des Schlachthofes zu sichern, denn da gibt es genau diese Arbeitsplätze. Nun ist es dank eines Kraftaktes von Kammer und Fleischgroßmarkt gelungen, eine vernünftige Lösung herbeizuführen. Aber das zeigt genau die Ignoranz, die Sie vor dieser Art von Arbeitsplätzen haben. Sie sind – aus unserer Sicht – falsch orientiert.
Ich habe gesagt, daß Gefahren für den Fernsehstandort drohen. Da haben Sie ein bißchen gemurrt. Aber schauen Sie sich an: Premiere weg, MTV weg, Sat.1 weg, RTL 2 weg, TM 3 Sport weg, und alle, die in Hamburg noch ein Standbein haben, schaffen sich inzwischen ein zweites, wenn nicht gar ein alleiniges in Berlin. Außer dem NDR sitzt kein großer Sender mehr in Hamburg.
Sicher ist es schwierig, gegen massive Subventionspolitik in Bayern oder NRW anzukommen. Das ist doch klar. Aber der Senat hat es versäumt, Initiativen zu ergreifen, die er hätte ergreifen können, wenn nämlich er und Sie, Herr Pumm, gelesen hätten, was der Rechnungshof schon vor acht Jahren geschrieben hat, nämlich daß es gilt, beispielsweise Ausbildungsgänge zu einem Medienhochschulstandort in Hamburg zusammenzufassen. Das machen Sie seit acht Jahren nicht, ganz zu schweigen von dem Versuch, etwa mit Hilfe eines Feuerwehrtopfes gegenzusteuern, den es in Hamburg nicht gibt.
Trotz des „Focus“-Artikels, den nicht nur wirtschaftsorientierte Menschen zustande gebracht haben, muß man sagen, daß das Klima für Ansiedlungen in Hamburg schlechter ist als das Potential, das dieser Standort hat. Es war vom Potential im „Focus“ die Rede. Besonders wirtschaftsfreundlich ist diese Stadt ganz sicher nicht. Die Rahmenbedingungen in dieser Stadt sind bei weitem nicht so gut wie die Meldungen.
Oder wie soll man sonst verstehen, daß Bielefeld an der Spitze der 25 Großstädte in der Bundesrepublik steht, die am wirtschaftsfreundlichsten eingestuft werden, und Hamburg nur auf Platz 17?
Oder wie ist es zu erklären – wenn Sie sich das auf europäischer Ebene anschauen, dort sind die 20 europäischen wirtschaftsfreundlichen Standorte untersucht worden –, daß Hamburg auf Platz 19 von diesen 20 steht? Das hat eine Menge mit Psychologie zu tun. Das hat etwas mit dem Gewerbesteuerhebesatz zu tun, der natürlich für die Wirtschaft in dieser Stadt nicht kriegsentscheidend ist, aber er ist psychologisch von einer unglaublichen Wirkung.
Was Sie vergessen, ist offenbar, daß es im Gegensatz zu anderen Bundesländern in Hamburg immer das Problem des Umlandes, das heißt eines anderen Bundeslandes gibt. Das gibt es eben in anderen Bundesländern nicht.
Deutlich ist das durch dieses Sonnenblumenkernangebot geworden, das es von den Landkreisen aus SchleswigHolstein gegeben hat, die ganz gezielt und nicht ungeschickt versuchen, in Hamburg Betriebe abzuwerben. Ich denke, wir müssen uns etwas überlegen, was zum Beispiel auch den Anreiz für Bezirke angeht, sich nicht immer nur darum zu prügeln, Grünanlagen in ihrem Bezirk zu bekommen, sondern auch bereit zu sein, Gewerbeansiedlungen in ihrem Bezirk nicht nur zu dulden, sondern haben zu wollen, aber dann muß ich sie auch an den Einnahmen angemessen versuchen zu beteiligen.
Wenn ich mir Ihren Eiertanz in der Frage der Liberalisierung der Ladenschlußzeiten ansehe, dann wird mir ganz anders. Das soll eine europäische Metropole sein, sozialdemokratisch geführt, die diesen Eiertanz in der Frage der Ladenschlußzeiten aufführt?
(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Walter Zuckerer SPD: Dieser Beitrag ist mit Frau Blumenthal nicht abgestimmt!)
Wenn dann noch eine so katastrophale Verkehrspolitik dazu kommt, wie sie in dieser Stadt praktiziert wird, dann müssen Sie sich nicht wundern, wenn eine Fülle von Werbemaßnahmen zur Ansiedlung bereits durch die Anfahrt von Besuchern konterkariert wird.
Das ist leider nicht neben der Realität. Was Sie begreifen müssen, Herr Dr. Christier, ist, daß man vernünftige Wirtschaftspolitik nur mit Verkehr machen kann und sich diesen Problemen stellen muß, statt sie zu ignorieren, und nicht durch Verpollerung oder Reduktion von Stellplätzen oder durch eine so hirnrissige Abgabe, wie sie hier in Hamburg existiert, zur Nichtschaffung von Stellplätzen.
Was Sie auch begreifen müssen, ist, daß es nicht reicht, wenn der Senator kluge Reden über die Frage von E-Commerce hält und wie man das abwickeln kann, wenn er dabei völlig außer acht läßt, daß man zwar im Internet Waren bestellen kann, daß aber damit die Waren noch nicht vor der Tür des Verbrauchers sind. Da müssen sie nämlich hin, und wenn sie dahingebracht werden, dann müssen Sie Verkehr in Kauf nehmen. Der wird steigen. Sie mögen das alles nicht wollen, aber das ist so. Es wird Sie einholen, wenn Sie sich den Problemen nicht stellen.
Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, wo es Sie einholen wird. Das ist bei der Frage der Entscheidung, wenn es denn einen künftigen Tiefwasserhafen in der Deutschen Bucht gibt, daß Sie über Jahrzehnte nicht in der Lage waren, die A 26 auf die Reihe zu bekommen, weil Sie es ideologisch nicht wollten. Dieses wird Sie einholen bei der Standortentscheidung in dieser Frage.
Flüssiger Verkehr und ausreichende Parkmöglichkeiten sind ein Schlüssel für Mobilität von Wirtschaft, völlig unabhängig davon, daß natürlich gerade in dieser Phase die Bauwirtschaft in Hamburg gut gebrauchen könnte, wenn es staatlicherseits einen Push zum Ausbau und zur Reparatur von Straßen gäbe und nicht zu deren Rückbau, meine Damen und Herren.