Nun kommen wir zum ersten Thema: Nitrofen in Hamburg. Wer wünscht das Wort? – Herr Maaß, bitte schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vor knapp drei Wochen wurde der Öffentlichkeit und auch dem Bundesverbraucherministerium bekannt, dass in Lebensmitteln Nitrofen gefunden wurde, und seit anderthalb Wochen wissen wir, dass auch in Hamburg vermutlich belastetes Geflügelfleisch an fünf Betriebe gelangt ist, die dies dann an Verbraucher weitergegeben haben. Wir wissen allerdings bis heute nicht, um welche Betriebe es sich handelt.
Die fahrlässige Verseuchung von Futter und Lebensmitteln und der vorsätzliche Weiterverkauf kontaminierter Produkte, aber auch die wochenlange Vertuschung dieser Funde durch die Betriebe, durch Landwirtschaftsverbände und auch die Veterinärämter ist ein Skandal, der die Gesundheit von Menschen gefährdet.
Einige Politiker in der CDU/CSU und der FDP, aber auch in der niedersächsischen SPD tun so, als ob es sich um einen Skandal der Öko-Landwirtschaft handele, und teilen die klammheimliche Freude des Bauernpräsidenten, dass es dieses Mal die Ökos erwischt hat. CDU und FDP fordern sogar den Rücktritt der Verbraucherministerin Renate Künast und ein Ende der grünen Agrarwende. Ich halte diese Reaktion für grundlegend falsch und verbraucherfeindlich.
Für mich macht der Nitrofen-Skandal vor allem eines deutlich: Wir müssen den von Rotgrün seit einem Jahr eingeschlagenen Weg einer neuen Landwirtschaftspolitik konsequent weitergehen, denn wir brauchen noch mehr Transparenz, noch mehr Kontrollen und den konsequenten Umbau unserer Landwirtschaft in Richtung Umweltverträglichkeit und mehr Verbraucherschutz.
Die ökologische Umorientierung der Landwirtschaft ergibt sich auch aus den Fakten dieses Skandals, denn Tatsache ist, dass Nitrofen bis 1981 in der konventionellen Landwirtschaft erlaubt war, aber nie im Öko-Landbau. In einer allein ökologisch orientierten Landwirtschaft hätte es diesen Skandal somit überhaupt nicht geben können. Tatsache ist auch, dass nicht Öko-Produkte ein generelles Pestizidproblem haben, sondern die Produkte aus der konventionellen Landwirtschaft, die ganz legal Pestizidrückstände enthalten dürfen. Tatsache ist auch, dass Nitrofen überhaupt erst durch die Eigenkontrolle innerhalb der Bio-Branche entdeckt wurde – und die Kontrollen sind strenger –,
denn wer mehr sucht, der wird auch mehr finden. In derselben Halle in Malchin ist aller Wahrscheinlichkeit nach auch Weizen aus der konventionellen Landwirtschaft gelagert worden, nur hat nie jemand kontrolliert und deswegen hat auch nie jemand etwas gefunden.
Tatsache ist auch, dass die Bundesverbraucherministerin Renate Künast innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntwerden der Nitrofenfunde diesen Skandal vollständig aufgeklärt hat, und das muss ihr erst einmal jemand nachmachen.
Renate Künast hat außerdem die richtigen Maßnahmen auf den Weg gebracht, um zukünftige Lebensmittelverunreinigungen zu vermeiden und vermehrt für Transparenz zu sorgen, denn Rotgrün räumt hier gewaltig auf, auch wenn es einigen nicht passt. Wir schaffen die Voraussetzungen für bundeseinheitliche Regelungen zur Futtermittelkontrolle und sorgen für eine bessere Qualifizierung der Kontrolleure.
Wir handeln auch gegen die Vertuschung, denn Öko-Kontrollstellen und Lebensmittelunternehmen werden verpflichtet, den Behörden in Zukunft unverzüglich zu melden, wenn Unregelmäßigkeiten oder Verstöße gegen Verbraucherschutzgesetze vorliegen. Wir sorgen dafür, dass der Missbrauch von Antibiotika in Zukunft in der Landwirtschaft ein Ende hat, und verbessern auch hier die Kontrollen. Und – das ist ganz wichtig – wir wollen eine verbesserte Verbraucherinformation und mehr Transparenz, denn es soll in Zukunft möglich sein, dass die Behörden die Verbraucher informieren, wenn Produkte gefunden werden, die gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen. Aber genau
dieses Gesetz, das für mehr Transparenz sorgt, hat die CDU im Bundesrat bisher erfolgreich blockiert und dies ist fatal, wie sich gerade dieser Tage in Hamburg zeigt.
Der Gesundheitssenator weigert sich, der Öffentlichkeit die Namen der Betriebe zu nennen, die wahrscheinlich mit nitrofenbelastetem Geflügelfleisch beliefert wurden.
Er hat heute die Namen von Öko-Läden bekannt gegeben, die mit Schweinefleisch beliefert wurden. Beim Geflügelfleisch weigert er sich bisher weiterhin. Ein Gesundheitssenator, der den Leuten vorenthalten will, ob sie ihre Gesundheit gefährdet haben oder nicht, hat meiner Meinung nach seinen Job nicht richtig verstanden.
Der Senator beruft sich dabei auf eine unklare Rechtslage und das finde ich bemerkenswert. Wenn die Rechtslage so unbefriedigend ist,
warum blockieren CDU und dieser Senat dann ein Verbraucherinformationsgesetz, das genau diese Rechtslage zukünftig verbessern soll? Das ist inhaltlich nicht vermittelbar, das ist purer Verhinderungswahlkampf.
Ich fordere deswegen die CDU und die FDP auf, nicht mit falschen Behauptungen Wahlkampf zu betreiben und die Täter damit zu schützen. Arbeiten Sie lieber mit bei einer Umorientierung der Landwirtschaft, anstatt alles zu blockieren.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist noch gar nicht lange her, dass sich dieses Parlament konstituiert hat, und ich habe die Ehre, vor diesem Haus das zweite Mal über einen Nahrungsmittelskandal zu sprechen. Das müsste eigentlich zeigen, dass hier Handeln wirklich dringend erforderlich ist,
auch in diesem Parlament, auch bei diesem Senat und dass nicht nur der Blick nach Berlin gerichtet werden darf; Herr Maaß hat dazu einige Ausführungen gemacht.
Wir hatten das Thema BSE, wir hatten Chloramphenicol und jetzt haben wir mit Nitrofen zu tun. Wir warten, seitdem es bekannt ist, auf Hamburger Untersuchungsergebnisse. Was eben erwähnt worden ist, sind die Ergebnisse aus Schleswig-Holstein. Wir haben in Hamburg ein hervorragendes Institut, das sehr gute Untersuchungsergebnisse bringen kann, das sehr schnell handeln kann. Aber wieso wird es nicht rechtzeitig beauftragt, wieso geht so viel Zeit ins Land, bis in Hamburg gehandelt wird?
Wir wollen als Sozialdemokraten, dass die Kontrolldichte in diesem Bereich, der nun wirklich unmittelbar mit der Gesundheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu tun
hat, verstärkt wird und auch dort untersucht wird, wo möglicherweise Kontaminierungen mit Stoffen auftreten können, die eigentlich schon verboten sind, denn darum handelt es sich hier. Man muss viel genauer gucken, in welchen Bereichen man noch sorgfältiger prüfen muss. Qualität ist ein ganz wichtiger Punkt. Dafür haben wir das Hygiene-Institut. Wir müssen die notwendigen Mittel für das Hygiene-Institut, das die Proben vornehmen soll, bereitstellen und nicht kürzen, wie es im vergangenen Jahr passiert ist.
Wir haben in Hamburg die besonders erschreckende Situation – das möchte ich noch einmal betonen –, dass dieser Senat zum Verbraucherinformationsgesetz im Ausschuss Stellung genommen und dort erklärt hat, es ginge ihm nicht weit genug, und daran mitwirken wollte, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Das ist im Ausschuss in der Öffentlichkeit so erklärt worden. Stattdessen hat Hamburg das Verbraucherinformationsgesetz abgelehnt
und keine weiteren Verbesserungen eingebracht, sondern es blockiert. Und einen Blockierer-Senat kann man an dieser Stelle wirklich nicht gebrauchen.
Man mag ja noch einige Verbesserungen wollen, die in Hamburg mehr Rechtssicherheit verschaffen, aber dann muss man auch entsprechend handeln, dann muss man dafür sorgen, dass wenigstens der erste Schritt in die richtige Richtung gemacht wird und nicht, wie es seit einigen Monaten üblich ist, eine Hamburger Springprozession bei den Entscheidungen veranstalten.