Meine Damen und Herren! Natürlich ist die Bedrohung durch den Terrorismus das eine. Aber die wirtschaftliche, soziale Situation, in der wir uns in Deutschland befinden, ist das andere, das den Menschen natürlich in ihren Lebensbedingungen oft an die Substanz geht. Dr. Freytag hat ja, und andere von Ihnen auch, auf die katastrophalen sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland hingewiesen: weite Übersteigung der Maastricht-Kriterien, weiter über vier Millionen Arbeitslose, Staatsdefizit bei Kommunen, Ländern und dem Bund. Darüber hinaus einbrechende Staatsfinanzen auch in Hamburg, die letzten drei Jahre, beziehungsweise die Perspektive für das nächste Jahr, jährlich zwischen 500 und 600 Millionen Euro, Bankrotte von vielen Firmen, Existenzen, Familien stehen vor dem Aus, meine Damen und Herren. Wir haben eine ausgesprochen brenzlige und katastrophale soziale und ökonomische Situation in der Bundesrepublik. Meine Damen und Herren, in solcher Situation hätte ich zumindest von einer so großen, traditionsreichen Oppositionspartei wie der SPD irgendeinen konkreten Lösungsvorschlag erwartet.
Dabei hatten Sie ja in Ihrer Partei ganz gute Ansätze. Der Kollege Neumann, quirlig und agil wie er ist, hat sich auf einer Veranstaltung im Oktober in Wilhelmsburg Gedanken über den Zustand der Sozialdemokraten gemacht. Dort hat Herr Neumann gesagt, es sei gut, dass sie bei der Bürgerschaftswahl die Chance bekommen hätten, sich zu erneuern. Herzlichen Glückwunsch. Bislang nicht genutzt, Herr Neumann.
Und dann hat Herr Neumann im Oktober auch noch gesagt, nach seiner Ansicht habe die SPD Fehler in den Feldern Bildungs-, Bau-, Verkehrs-, Ausländer- und Sicherheitspolitik gemacht.
Und dann sagt Herr Neumann noch – ich muss es einfach vorlesen, weil es so ein Leckerbissen ist, Sie verzeihen es, Herr Neumann –:
„Zudem sei die SPD von den Behörden unterwandert worden, was ihr nicht nur den Filzvorwurf eingebracht habe, sondern weshalb sie auch keine politische Führung mehr erkennen könne. Vor allem auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit habe Rotgrün versagt.“
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Michael Neumann SPD: Wo stand das? Den Lauschangriff gibt es erst seit dem letzten Mal!)
Und nun – dieses Kompliment muss ich Ihnen ja machen, Herr Neumann – haben Sie eine völlige Umkehr gemacht und Thesen für die Sozialdemokraten verkündet, wo ich sagen kann: Jawohl, da haben Sie Recht. Gesicherte Unterbringung für jugendliche Intensivtäter wird nun von der SPD gefordert. Ja, Frau Ernst, Sie gucken aus gutem Grund bekümmert. In den letzten Bürgerschaftsdebatten vor der Bürgerschaftswahl sagten Sie, geschlossene Heime seien keine echte Lösung. Und Erhard Pumm sitzt dort auch, liest vielleicht eine seiner alten Reden, in der er gesagt hat, dass es in keinem Bundesland geschlossene Heime gebe, sollte uns nachdenklich stimmen. Alle Fachleute würden sagen, dass Heime vieles noch schlimmer machen würden. Und Jan Ehlers sagte, für die Übrigen seien geschlossene Heime keine Lösung. Eine geschlossene Unterbringung, sagte die Kollegin Vogel damals, in Hahnöfersand sei möglich, zusätzliche Einrichtungen bräuchten wir nicht. Herr Neumann, Sie haben Recht. Aber es ist erstaunlich, in welchem rapiden Tempo Sie in sechs Monaten Ihre Meinung ändern konnten. Doch nicht aus Einsicht, meine Damen und Herren von der SPD, sondern weil wir Ihnen vorgemacht haben, wie man es richtig macht. Da mussten Sie hinterherkriechen. So ist es gewesen.
(Anhaltender Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Frank-Michael Bauer Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Das ist der letzte Beitrag von Herrn Neu- mann als stellvertretender Fraktionsvorsitzender!)
Das Gleiche gilt auch für die Verabreichung von Brechmitteln. Es ist auf den großen Erfolg hingewiesen worden. Ich weiß noch, vor kurzem wurde vonseiten der Sozialdemokraten geradezu der menschlich-medizinische Untergang des Abendlandes beschworen, als das gefordert wurde.
Seit kürzester Zeit wird das von Ihnen befürwortet. Das steht in Ihren Beschlüssen. Und jetzt sagen Sie auch, wir bräuchten einen allgemeinen Ordnungsdienst. Das verkündet auch Herr Neumann.
Karl-Heinz Ehlers erinnert sicherlich noch, wie uns typisch rechte Law-and-order-Politik vorgeworfen wurde. Dann sagen jedoch auch Herr Neumann und seine Kollegen – ich weiß die genauen Zahlen nicht mehr –, 2000 Sozialhilfeempfänger würden Sie dafür einsetzen wollen.
(Frank-Michael Bauer Partei Rechtsstaatlicher Offensive: 4000! – Michael Neumann SPD: Es ging um Arbeitsplätze!)
Als wir das in der Vergangenheit gefordert haben, haben Sie gesagt, das sei ja typisch Law and order auf dem Rücken der Sozialempfänger und Arbeitslosen. Jetzt fordern Sie es plötzlich selbst, weil Sie wissen, dass es richtig ist, was wir machen. Und das ist gut, dass Sie das anerkennen. Das ist doch gut so, Herr Neumann. Willkommen!
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Michael Neumann SPD: Nur, Sie machen es ja nicht!)
Und, lieber Herr Neumann: Vielleicht, wenn es so weitergeht, wenn Sie einmal Asyl brauchen, dann sind die Kollegen vielleicht bereit, darauf zurückzukommen.
Aber Herr Neumann hat dankenswerterweise diese Einsicht gehabt und ist dabei, in vernünftigen Dingen eine Kursumkehr der SPD herbeizuführen. Das ist richtig. Ich frage mich, Herr Grund: Warum kriegen Sie das für so viele Bereiche nicht fertig? Das frage ich mich wirklich. Der Kollege Wagner, er sitzt dort hinten, hat vor einiger Zeit einmal gesagt: Vielleicht müssen wir Herrn Grund sozusagen bei Ver.di rauskaufen, ihm hier das doppelte Gehalt zahlen, damit der gehaltsmäßig so gut in der Lage ist, besser zu sein als bisher. Herr Wagner, vielleicht kein schlechter Vorschlag. Ich weiß nur nicht, ob automatisch eine Gehaltsverdoppelung eine Qualitätsverdoppelung bringt?
Das ist eine andere Frage. Nur, der Ansatz, Herrn Grund vielleicht einmal zum nötigen Abstand von seiner Tätigkeit bei Ver.di zu bringen, scheint mir ein sehr kluger Ansatz zu sein, Herr Wagner.
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Michael Neumann SPD: Reden Sie doch einmal über Ihre Politik!)
Ganz im Gegenteil. Gewerkschaften sind dazu da, die Interessen ihrer Mitglieder, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu vertreten. Das ist die Aufgabe aller Gewerkschaften. Da haben sie eine große Tradition, haben sich ihre Freiheitsrechte erkämpft und kämpfen dafür, ihre Interessen durchzusetzen. Nur, Herr Grund, Sie sind hier als Politiker der Freien und Hansestadt Hamburg für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt und nicht um Ver.di-Politik zu machen.
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Michael Neumann SPD: Jetzt kommt Herr Lenders!)
Ich will Ihnen auch konkret sagen, was ich zum Beispiel meine, Herr Grund. Als vor einigen Wochen die Ministerpräsidenten der Länder in Hamburg tagten, waren es überwiegend Ihre sozialdemokratischen Kollegen, insbesondere der Kollege Wowereit aus Berlin und Frau Simonis aus Schleswig-Holstein, die mit sehr plausiblen Argumenten dargelegt haben, wie katastrophal die Finanzlage ihrer, aber auch einiger anderer sozialdemokratischer Länder sei. Sie haben gesagt, die Finanzlage sei auf der einen Seite so katastrophal, wir könnten aber im sozialen Bereich, wo auch etwas bewegbar wäre, auf der anderen Seite nicht endlos weitersparen und -streichen, dass wir, um betriebsbedingte Kündigungen im öffentlichen Dienst zu vermeiden, zumindest prüfen müssten, ob wir dazu eine so genannte Ausstiegsklausel aus dem Beamtenrecht machen, dass die Länder einzeln für sich entscheiden könnten, ob Sie in einem bestimmten Korridor von der Bundesregelung abweichen könnten. Das war nicht meine Idee, auch nicht die von Herrn Stoiber oder Herrn Koch. Das war die Idee von Herrn Wowereit und Frau Simonis, die dann gesagt haben, wir wollten das prüfen.
Diesen Prüfungsauftrag, Idee Ihrer sozialdemokratischen Kollegen, denen in den Ländern ja auch wirklich das Wasser bis zum Halse steht, habe ich gemeinsam mit Herrn Ringstorff – Klammer auf: SPD, Klammer zu – auf der Landespressekonferenz verkündet. Was sagt Ver.di-Grund? SPD-Fraktionschef Grund ist dagegen, dass Bundesländer die Beamtenbesoldung im Alleingang kürzen können. Dieser Vorstoß sei einfallslos zu kurz gedacht, sagt Herr Grund. Herr Grund, dass ist Originalton Ver.di und nicht einmal mehr Originalton SPD, denn Ihre SPD-Kollegen haben etwas anderes gesagt.
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Aydan Özoguz SPD: Haben Sie auch noch eine eigene Politik, über die Sie sprechen können?)
Was ist denn bitte mit der Vermögensteuer? Wir können sicherlich über die Vermögensteuer streiten und Herr Dr. Peiner wird das sicherlich noch im Detail tun. Dass wir dagegen sind, ist Ihnen klar. Sie sind – ja, was sind Sie eigentlich? Der Kanzler sagt, er sei gegen die Vermögensteuer. Der Finanzminister sagt, er sei gegen die Vermögensteuer. Herr Scholz sagt, er wisse es nicht so genau, weil er sich weder mit dem Kanzler noch mit der Hamburger SPD anlegen wolle, aber Ver.di-Grund ist dafür. Auch hier, Herr Grund, ziehen Sie den Trennungsstrich nicht klar. Und wenn ich Sie um eines bitten darf: Ziehen Sie ihn zumindest dort klar, wo die Gewerkschaft, von der Sie Gehalt beziehen, geradezu steckbriefartig fünf vermögende Leute in Hamburg an den Pranger stellt und sagt, denen müssten wir jetzt an den Kragen. Das ist eine unglaubliche Art, wie Sie hier vorgehen.
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Gesine Dräger SPD: Sind Sie der Bürgermeister? – Barbara Duden SPD: Sagen Sie doch einmal, was Sie wollen!)
Schauen Sie, als Herrn Otto der Ehrentitel „Professor“ vergeben wurde, da sagte die damalige Bürgermeisterin Krista Sager über Herrn Werner Otto Folgendes:
„Ihre unternehmerische Persönlichkeit und die Erfolgsgeschichte Ihres Versandhauses, verehrter Herr Otto, sind schon oft beschrieben worden. Ich möchte deshalb heute darauf verzichten, sie noch einmal nachzuzeichnen und Ihnen im Namen des Senates Hamburgs vor allem Dank auszusprechen für Ihr soziales Engagement – für leidende Menschen, gerade auch für kranke Kinder.“
Das sagte Frau Sager als Zweite Bürgermeisterin des letzten Senates und Ihre Gewerkschaft, Herr Grund, stellt sich hier hin und macht geradezu eine steckbriefliche Fahndung nach diesem Mann. Das ist ungeheuerlich.
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Doris Mandel SPD: Das ist doch richtig! – Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das ist Neidpolitik!)