Protocol of the Session on April 10, 2003

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Ich rufe die nächsten Tagesordnungspunkte auf. Die Tagesordnungspunkte 33 und 36 behandeln wir zusammen, und zwar die Drucksachen 17/2457, 17/2262 und 17/2518: Feststellung des Senats über das Zustandekommen der Volksinitiative für eine kinder- und familiengerechte Kita-Reform, Bericht des Jugend- und Sportausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Angebotsentwicklung und Finanzierung der Kindertagesbetreuung in der Freien und Hansestadt Hamburg sowie Einführung eines Kita-Gutscheinsystems als Zusatzantrag der Koalitionsfraktionen.

[Senatsmitteilung: Feststellung des Senats über das Zustandekommen einer Volksinitiative hier: Volksinitiative „Für eine kinder- und familiengerechte Kita-Reform“ – Drucksache 17/2457 –]

[Bericht des Jugend- und Sportausschusses über die Drucksache 17/1753: Entwurf eines Gesetzes zur Angebotsentwicklung und Finanzierung der Kindertagesbetreuung in der Freien und Hansestadt Hamburg – Einführung des Kita-Gutscheinsystems – Drucksache 17/2262 –]

[Antrag der Fraktionen der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP: Einführung des Kita-Gutscheinsystems – Drucksache 17/2518 –]

Das Wort erhält Herr Böwer.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erinnern uns daran, dass wir am 5. März in erster Lesung über den vom Senat vorgelegten Gesetzentwurf zur Kita-Reform beraten haben und dass der Senator an dieser Stelle darum gebeten hat: Liebe Opposition, liebe SPD, liebe GAL, stimmen Sie diesem zu, weil Sie damit eventuell Herrn Dr. Näther als damaligen Leiter des Amtes für Kindertagesbetreuung einen Gefallen tun können. Seitdem ist allerdings noch eine Menge passiert. Ich möchte Ihnen in dieser Frage mit einem Griff ins Archiv ein wenig auf die Sprünge helfen.

Am 13. März teilte uns die „Hamburger Morgenpost“ mit:

„Achtung Senatoren! Mr. Unbequem kommt! Die SchillBürgerschaftsfraktion ,bläst zur Offensive‘. Sie hat Manfred Silberbach zum ,Fachsprecher für Hamburgs sozial vernachlässigte Stadtteile‘ ernannt.“

(Vereinzelter Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

„Silberbach“

so das wörtliche Zitat –

„will die Senatoren nicht schonen.“

Er führt aus, dass wir gegenüber Wilhelmsburg und den anderen sozialen Brennpunkten eine Verpflichtung haben.

Weiter sagt er in der „Morgenpost“ wörtlich:

„Das wird ein hartes Brot.“

Dann fährt er zu einem dreiwöchigen Urlaub in die Sonne, was den Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion in der Bezirksversammlung wohl nicht aufgefallen ist, weil sie nämlich mit Schreiben vom 20. März dem Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Herrn Ole von Beust, mitteilen:

„Herr von Beust, ändern Sie das Kita-Gesetz!... Herr von Beust, öffnen Sie Ihr Herz für die Kinder in sozialen Brennpunkten!“

(Frank-Thorsten Schira CDU: Das macht er doch!)

Der Grund – so die CDU-Politiker Krüger und Fischer – für die Besorgnis über das neue Kita-Gesetz, das im April verabschiedet werden soll, ist, dass in sozialen Brennpunkten wie Neuwiedenthal und Kirchdorf-Süd besonders viele Kinder eine Ganztagsbetreuung verlieren und Jungen und Mädchen, bei denen nicht beide Elternteile berufstätig sind, auf einen Vierstundenplatz zurückgestuft würden. Herr Krüger sagt in dem Brief wortwörtlich und er muss es wissen, denn er ist nicht nur CDU-Bezirkspolitiker, sondern gleichzeitig Leiter des Deutschen Roten Kreuzes in Harburg, einem Kita-Träger in dem Bereich:

„Wenn die Hälfte der Hortkinder sich zukünftig im Süderelbe-Einkaufszentrum aufhält, muss früher oder später die Polizei sich um sie kümmern.“

Wir sind aber noch nicht am Ende, was zwischen der ersten und der heutigen Lesung passiert ist.

(Vizepräsident Peter Paul Müller übernimmt den Vorsitz.)

In der „Welt am Sonntag“ fordern die jugendpolitischen Sprecher von CDU und Schill-Fraktion, das Kita-Gesetz solle nun gründlich nachgebessert werden. So sähen insbesondere die Expertinnen Bettina Pawlowski und Marcus Weinberg einen dringenden Handlungsbedarf. Und die „Welt am Sonntag“ ist nun wirklich nicht eine meiner Lieblingszeitungen, wie das immer von mir behauptet wird, wenn es um die „taz“ geht.

(Karl-Heinz Winkler Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Das ist eine dolle Zeitung!)

„Es gibt viele Eltern,“

so Bettina Pawlowski im Zitat –

„die Angst haben, den Kita-Platz zu verlieren, und befürchten, dass sie ihren Job aufgeben müssen.“

Marcus Weinberg von der CDU drängt in der „Welt am Sonntag“ darauf, den sozialen Kriterien mehr Gewicht einzuräumen.

„Der Bedarf nach pädagogischen und sozialen Gesichtspunkten muss stärker berücksichtigt werden, auch der Bedarf nach Sprachförderung muss bei der Vergabe eine größere Rolle spielen.“

So Marcus Weinberg wörtlich in der „Welt am Sonntag“.

Sein Fachkollege Stephan Müller von der Schill-Partei sieht darüber hinaus noch Mängel bei den Gutscheinen, mit denen Eltern sich künftig ihren Kita-Platz aussuchen können. Er sagt weiterhin:

„Wir brauchen den Vermerk der Muttersprache. Es macht keinen Sinn, wenn auf dem Schein die Staatsangehörigkeit eines Kindes steht.“

(Burkhardt Müller-Sönksen SPD: Wir lesen doch hier nicht den Pressespiegel vor!)

Doch, wir lesen den Pressespiegel vor, wir kommen nämlich noch weiter.

(Rolf Harlinghausen CDU: Sie sollten noch viel mehr lesen, dann würden Sie staunen!)

Weinberg geht das nicht weit genug. In demselben Artikel führt er aus, dass wir ein massives Ausbauprogramm brauchen.

(Beifall bei der SPD)

Er sagt, mit dieser Forderung stünde er nicht alleine, große Teile der CDU würden ihn dabei unterstützen, insbesondere der CDU-Landesvorsitzende Fischer.

(Beifall bei der SPD – Burkhardt Müller-Sönksen FDP: So schlecht war die Substanz, die er hinter- lassen hat, auch nicht!)

So viel zur Prosa und Pressearbeit. Vor uns liegt nunmehr der Änderungsantrag zum Kita-Gesetz, in dem es heißt, die Bürgerschaft möge beschließen, in Paragraph 3 Absatz 1 nach dem Wort „Buches“ das Wort „Sozialgesetzbuch“ einzuführen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So geht es nimmer.

(Beifall bei der SPD und bei Sabine Steffen GAL)

Was Sie hier vorlegen, sind auf der einen Seite Sonntagsreden, zum Teil auch geprägt von einem gewissen Maß von Sachkenntnis, aber auf der anderen Seite gibt es keine Veränderungen. Die Muttersprache in den Gesetzestext auf

zunehmen, wie Herr Müller es angeregt hat, hätte passieren können. In einem einschlägigen Paragraphen wird genau dieser Punkt geregelt. Somit legen Sie heute ein Gesetz der verpassten Chancen vor, Herr Senator, und das wissen Sie auch.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir, die Eltern, aber auch Kita-Träger wissen, ohne den Ausbau hat das von Ihnen propagierte Nachfragesystem überhaupt keine Chance.