Protocol of the Session on August 29, 2007

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[Antrag der Fraktion der GAL: Das Wissen über Hamburgs Bausubstanz verbreiten: Einrichtung einer Denkmaldatenbank - Drs. 18/6778 -]

Diese Drucksache möchte die GAL-Fraktion an den Kulturausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? - Herr Dr. Maier.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Ich gehe davon aus, dass bei Ihnen allen ein massives Interesse am Denkmalschutz existiert. Wir werden ja schließlich alle älter.

(Beifall und Heiterkeit bei der GAL - Bernd Reinert CDU: Es werden aber nicht alle unter Schutz gestellt!)

Wenn Sie nun dieses Interesse haben, in Hamburg diesem Interesse folgen wollen und beispielsweise unser Rathaus auf der Datei der Denkmalschutzbehörde verfolgen, dann finden Sie unter "Rathausmarkt 1":

"Rathaus / Rathaus / 1886 - 1897 Ensemble: Rathausmarkt 1, Rathaus mit Brunnenanlage im Hof"

(Bernd Reinert CDU: So weit, so gut! - Klaus- Peter Hesse CDU: Wir wissen, was gemeint ist!)

- So weit, so gut.

Das ist die komplette Information, die ein denkmalinteressierter Mensch über das Rathaus finden kann. Andere Bundesländer, andere Städte haben auch Rathäuser. Beispielsweise hat Berlin seit 1861 ein Rotes Rathaus - zu Ihrem Ärger, aber das ist nun einmal so. Das erfährt man dort auch in der Datei. Man klickt zunächst nur an die kurze Information, wie sie auch zu Hamburg gegeben wird. Dann kann man aber weiterklicken und kommt zu einer detaillierten kunsthistorischen Beschreibung dieses Rathauses, seiner Funktion und seiner Umbauten.

Wir möchten, dass so etwas Ähnliches auch in Hamburg passiert.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Die Kulturbehörde ist auf gutem Wege, sie hat eine vergleichbare Datei in Bezug auf Kunst im öffentlichen Raum. Aber nicht jedes Denkmal fällt unter "Kunst im öffentlichen Raum".

Ich bin im Zusammenhang mit dem sogenannten Mollerschen Palais auf diesen Punkt gestoßen. Ich wohne in der Nachbarschaft dieses Hauses, aber ich muss zugeben, dass ich überhaupt nicht wusste, dass das Gebäude abgerissen werden sollte. Aber wie der Zufall so spielt, werde ich irgendwann auf der Straße von einem Bürger, Herrn Al Lauder, der nebenan wohnt und der mich offenbar in der Zeitung als Abgeordneter wahrgenommen hat, angesprochen.

(Wolfgang Beuß CDU: Ihre Sorgen möchte ich haben!)

Herr Al Lauder schickte mir eine detaillierte Geschichte dieses Hauses mit Zeichnungen und Fotos. Es war viel mehr, als ich aus der Denkmaldatenbank erfahren könnte, und wahrscheinlich sogar mehr, als das Denkmalamt wusste, denn das Denkmalamt hatte zunächst die Auskunft gegeben, dass bis auf 10 Prozent alte Bausubstanz alles nur Nazi-Bau sei. Das ist Quatsch.

Zur Geschichte dieses Gebäudes: Nach der Familie Moller gehörte das Gebäude der jüdischen Familie Wolff. 1937 wurde es arisiert und die Ufa-Filmproduktion zog dort ein. Anschließend hat die SS dort ihr Filmmaterial über Verbrechen aufbewahrt, das 1945 im Garten des Palais verbrannt wurde. Man sieht noch heute die Fläche, auf der die Filme verbrannt wurden, weil da heute nichts mehr wächst. Nach dem Kriege haben die Briten in dem Gebäude Dokumentationen für die demokratische Entwicklung der Republik gesammelt. Anschließend war die Rank Corporation Mieter dieses Gebäudes und schließlich diente das Haus der Universität als Seminarunterkunft. Dieses Gebäude hat nicht nur in Bezug auf die Medien dieser Stadt Geschichte gemacht, sondern war auch in Bezug auf die Vorgeschichte von Bedeutung. Das lässt sich nicht nur an der Außenseite des Gebäudes, sondern auch an der Geschichtshaltigkeit der Substanz festmachen.

Jetzt gehe ich davon aus, dass das Denkmalschutzamt natürlich nicht aus bösem Willen gehandelt hat, sondern vermutlich gar nicht über alles informiert war. Woher soll

solche Kenntnis kommen, wenn nicht durch Bürgerinnen und Bürger, die sich für so etwas interessieren, die, wie in diesem Fall, Lokalhistorie betreiben, weil sie Nachbarn waren?

Wie wird jemand angeregt, so etwas mitzuteilen? Nicht dadurch, dass der Bürgermeister sagt, es soll sich jeder melden, der in Hamburg irgendetwas denkmalgerechtes entdeckt, sondern man guckt in Listen und sieht, dass darin schon einige Informationen stehen, zu denen man noch etwas beitragen kann. Wenn die Stadt etwas unternimmt, Wissen, das in der Denkmalbehörde über die einzelnen Gebäude vorhanden ist, im Internet zugänglich zu machen, produziert das zusätzliches Wissen aus Erinnerungen, Erzählungen und Geschichten der Bürgerinnen und Bürger. Das wird uns alle bereichern.

Darum bitte ich Sie, dass wir diesen Antrag im Kulturausschuss beraten dürfen. Wir würden dann natürlich gern mit einem vernünftigen Antrag aus dem Kulturausschuss zurück ins Parlament kommen, in dem wir das beschließen, was, glaube ich, die Kulturbehörde gar nicht ungern macht. - Danke schön.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Rusche.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir stimmen diesem Überweisungsantrag an den Kulturausschuss sehr gern zu. Der Leiter des Denkmalamtes, Herr Hesse, wird dann Gelegenheit haben, darüber zu berichten, wie weit die Vorbereitungen in seiner Behörde schon gediehen sind, eine solche Datenbank einzurichten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Olaf Ohlsen CDU: Solche Reden liebe ich!)

Das Wort erhält Frau Dr. Stapelfeldt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass wir diesen Antrag im Kulturausschuss beraten. Vor drei Jahren hatten ähnliche Initiativen von GAL und SPD keinen Erfolg bei der CDU. Ich nehme an, dass es jetzt möglich ist.

Das Thema Denkmalschutz ist wieder auf der Agenda. Es ist in der Öffentlichkeit einerseits zum Thema geworden, weil wir die Bedrohung hatten, dass historische Bausubstanz abgerissen oder umgebaut wird - beispielsweise das Mollersche Palais - und andererseits auch, weil die Kultursenatorin mit einer Zweitinitiative in dieser Legislaturperiode das Thema Denkmalschutz wieder auf ihre Fahne geschrieben hat. Da sieht man, wie schnell der Senat auf öffentliche Stimmung reagieren kann, was nicht immer schlecht ist. In diesem Fall ist es offensichtlich, wenn man den Zusammenhang zwischen öffentlicher Empörung, einem schnell ausgerufenen Villengipfel und dem Versprechen, mehr für Denkmalschutz zu tun, genau betrachtet.

Uns wäre es sehr lieb, wenn dem Denkmalschutz wieder das Gewicht zukäme, das ihm gebührt. Dazu einige Worte, wie es in der Realität mit der Denkmalschutzarbeit aussieht über das hinaus, was eben Herr Dr. Maier sehr freundlich beschrieben hat.

Erstens: Wir haben eine mangelhafte Gesetzgebung. Über die Missachtung des "ipsa-lege"-Prinzips, das landauf, landab gewollt wurde, will ich aber nicht länger reden. Das haben wir hier schon diskutiert.

Zweitens: Es ist positiv, dass wir in den vergangenen Jahren eine Schnellinventarisierung gehabt haben. Deswegen gebührt unser Dank auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Denkmalschutzamtes, dass jetzt über 3.000 Einzeldenkmäler und über 2.000 Ensembles verzeichnet sind.

Drittens: Wie sieht es aber tatsächlich beim Denkmalschutzamt aus, wie ist die personelle Situation, Frau Senatorin? Was haben Sie in der Vergangenheit getan, damit diese Arbeit wirklich stattfinden kann? Wir haben etwas mehr als 20 Stellen. Eine wichtige Stelle ist nicht besetzt und eine zweite wichtige Stelle ist lange freigehalten worden. Wenn Sie in diesem Jahr nichts tun, Frau Senatorin - wir haben den Haushaltsplan 2008 schon beschlossen -, dann wird die Stelle des stellvertretenden Amtsleiters wegen altersbedingten Ausscheidens, wegen eines KW-Vermerks, nicht wieder besetzt. Das ist für die Denkmalschutzarbeit in Hamburg überhaupt nicht gut.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Beuß CDU: Kommen Sie mal zum Thema!)

- Ich bin genau beim Thema, Herr Beuß. Solche dummen Bemerkungen lassen Sie bitte nach.

Zum Schutze des kulturellen Erbes zum Beispiel, für die Möglichkeiten, die die Bezirke über Erhaltensgebiete und Milieuschutzgebiete haben, braucht man qualifizierte Mitarbeiter und auch dort werden Initiativen wichtig.

Viertens: Das Thema Öffentlichkeit. Was wissen wir über Denkmäler? Die letzte Denkmaltopografie stammt aus dem Jahre 1999. Das heißt, ganze Bezirke wie zum Beispiel Wandsbek, große Teile von Eimsbüttel, Harvestehude und Rotherbaum und Altona haben keine aktuelle Denkmaltopografie. Das ist ziemlich fahrlässig.

Fünftens: Der Einfluss auf öffentliche Baukultur. Sie fordern ein, Frau Senatorin, dass es bei uns einen respektvollen Umgang mit prägenden Bauten und Stadtstrukturen geben soll. Dazu braucht es Wissen. Hier schließt sich der Kreis, weil wir eine breitere und besser informierte Öffentlichkeit brauchen und mehr Wissen über Denkmalschutz, was über diese Denkmaldatenbank natürlich erfüllt werden kann.

Das Anbringen von Denkmalplaketten lässt sich gut fotografieren. Aber gute Denkmalschutzarbeit braucht Substanz.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drs. 18/6778 an den Kulturausschuss zu? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so.

Damit ist die Sitzung geschlossen. Wir sehen uns morgen.

Schluss: 20.51 Uhr

A C

B D

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Hinweis: Die mit * gekennzeichneten Redebeiträge wurden in der von der Rednerin beziehungsweise vom Redner nicht korrigierten Fassung aufgenommen.