Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann kommen wir zu dem von der SPD-Fraktion angemeldeten Thema:
Kinder- und Jugendpolitik beim CDU-Senat in schlechten Händen - Mehr Schutz und Rechte für Kinder und Jugendliche
wie Sie sich eine verantwortungsvolle Politik für Kinder und Jugendliche in dieser Stadt vorstellen. Mit aller bei diesem Thema gebotenen Zurückhaltung kann ich für meine Fraktion feststellen, dass unsere Vorstellungen offenbar voneinander abweichen.
Wir sind davon überzeugt, dass ein wirksamer Kinderschutz und wirksame Politik für Hamburgs Kinder nur funktionieren kann, wenn es gelingt, ein funktionierendes Netzwerk aufzubauen, ein Netzwerk, das so eng geknüpft ist, dass niemand hindurchfällt. Sie hingegen weigern sich hartnäckig, weitere Maschen zu knüpfen und Löcher zu stopfen, obwohl dieses durch Landespolitik und Landesgesetzgebung möglich wäre. Wenn es dann wieder einmal schief geht und die Zeitungen bundesweit über die miesen Bedingungen berichten, unter denen viele Kinder in Hamburg aufwachsen müssen, dann zählen Sie stolz Ihre bisherigen Maßnahmen auf. Aber das reicht nicht, meine Damen und Herren.
Fast ein Viertel der Kinder in unserer Stadt lebt in Armut. Das wäre ein Grund, vielleicht einmal über das allgemeine Gebühreninkasso nachzudenken, das Sie für Hamburgs Familien eingeführt haben. In Ihrer jüngsten Pressemitteilung loben Sie sich noch selbst dafür, die Vorschulgebühren in den letzten Jahren nicht erhöht zu haben, eine Gebühr, die Sie doch zum Schuljahr 2005/2006 erst eingeführt haben. Das ist wirklich unverschämt.
Die Landeselternvertretung der Hamburger Kindertagesstätten, der LEA schlägt Alarm, weil nach ihren Erkenntnissen rund ein Viertel der Eltern in Brennpunkten ihre Kinder vom Mittagessen abgemeldet hat, nachdem dieser CDU-Senat das Mittagessen dort mit Gebühren belegt hat. Ich fragte den Senat, welche Erkenntnisse er zu dem Thema hat. Ergebnis: Gar keine. Der Senat erklärt, es handele sich nicht um eine Gebühr, sondern um ein Essengeld. Außerdem könne man sich nicht vom Mittagessen abmelden, man könne nur eine andere Betreuungszeit wählen, die eben ohne Mittagessen stattfinde. Solche Antworten zeugen von Selbstzufriedenheit und Ignoranz.
Sie vernachlässigen, wie es vielen Kindern in bestimmten Quartieren geht und ob es dort möglicherweise eine Entwicklung gibt, die schlecht für die betroffenen Kinder und eine Bedrohung für unsere Gemeinschaft ist. Beim Mittagessen geht es ja nicht um die Summe, die für das Essen zu zahlen wäre, sondern schlicht um das Problem, dass es Eltern in dieser Stadt gibt, die ihren Kindern das Essen nicht ermöglichen. Ich finde, Sie wären es den Kindern schuldig, sich mit diesem Problem wenigstens einmal zu befassen.
Dass Sie von der CDU sich verweigern, wenn es darauf ankommt, haben wir immer wieder erlebt. Dieses Parlament hat schon gemeinsam versucht, der Senatorin behilflich zu sein. So haben wir im Sonderausschuss Jessica lange darüber beraten. Wir haben einstimmig
eine ganze Reihe von Vorschlägen und konkreten Maßnahmen beschlossen, die dafür sorgen sollten, dass so etwas nie wieder passiert. Umgesetzt sind wesentliche Punkte bis heute nicht. Sie haben trotz einstimmigen Beschlusses, Herr Bürgermeister, Frau Senatorin, der Bürgerschaft bis heute nicht die Sollstärken der Allgemeinen Sozialen Dienste überprüft und angepasst, obwohl es dort immer noch regelmäßig Überlastungsanzeigen gibt, und das ist nicht in Ordnung.
Stattdessen hat sich die Senatorin in Jenfeld feiern lassen, als eine Reihe von privaten Sponsoren die neuen Räume für die ARCHE übergeben haben. Aber es lebt fast ein Viertel der Hamburger Kinder in Armut und sie leben nicht alle in Jenfeld. Keine Missverständnisse: Den Sponsoren und insbesondere der Kirche kann natürlich nicht genug gedankt werden für solch ein enormes und großzügiges Engagement. Es ist ganz großartig, dass es in dieser Stadt immer wieder Menschen gibt, die einfach handeln und Gutes tun, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, und wir sind diesen großen und kleinen Sozialmäzenen und Ehrenamtlichen sehr dankbar.
Meine Damen und Herren! Während Sie in Hamburg seit Jahren den Kinder-, Jugend- und Bildungsbereich als Steinbruch für Ihre Leuchtturmpolitik benutzen, hat sich der Wind im Bund wie auch in einigen unionsregierten Ländern gedreht. Aus dem Saarland, aus NordrheinWestfalen und aus Bayern hören wir, dass dort das Netz der Hilfen dichter geknüpft wird. Dort werden verschiedene Modelle umgesetzt, wie die Vorsorgeuntersuchungen für Kinder, die sogenannten U-Untersuchungen verbindlicher gemacht werden können. Ein Grund dafür ist die richtige Erkenntnis, dass jede Untersuchung mehr auch eine Chance darstellt, Vernachlässigungen oder Misshandlungen früher zu erkennen. Auf diesem und auch anderen Gebieten hätten Sie die Chance dafür zu sorgen, dass es Hamburgs Kindern in Zukunft besser geht. Geben Sie sich einen Ruck. Unsere Anträge dafür und zu anderen Themen liegen heute und morgen zur Abstimmung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Kinder- und Jugendpolitik in Hamburg, mehr Schutz und Rechte für Kinder und Jugendliche. Das ist unser Anspruch. Aber Ihr Zusatz "in schlechten Händen" ist, wenn ich es nett formuliere, möglicherweise ein Zeichen von Hilflosigkeit.
zu gut, welche Assoziationen mit solchen Begrifflichkeiten geweckt werden. Ich weiß, was Sie draußen den Bürgerinnen und Bürgern signalisieren wollen, aber wer dem Senat unterstellt, die Kinder- und Jugendpolitik und insbesondere der Kinderschutz sei bei ihm in schlechten Händen,
der verunsichert mit dieser Botschaft nicht nur die Hilfesuchenden, sondern trägt auch nicht zur weiteren Vertrauensbildung bei.
Vor allem aber vermisse ich hier die Wertschätzung der geleisteten Arbeit von Kolleginnen und Kollegen.
Insbesondere weil uns das sensible Thema Kinderschutz immer wieder so bewegt, hätte ich mir gewünscht, dass Sie von derart reißerischen Formulierungen absehen.
Leider sind wir in den vergangenen Jahren, Monaten und Wochen immer wieder mit schwerer, teilweise tödlicher Kindesmisshandlung beziehungsweise Vernachlässigung bei Säuglingen, Klein- und Schulkindern konfrontiert worden. Vernachlässigung von Kindern stellt vermutlich die häufigste aller Misshandlungsformen dar. Wenn ich sage vermutlich, dann heißt das, dass wir in Deutschland in der professionellen Wahrnehmung deutlich das Problem der Vernachlässigung vernachlässigt haben. Wir sprechen quasi über die Vernachlässigung der Vernachlässigung.
Bisher liegen für Deutschland immer noch keine hinreichenden empirischen Daten zur Häufigkeit von Vernachlässigung vor und wie immer bei vielen komplexen Erscheinungen gibt es keine monokausalen Erklärungen. Vorab verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen bieten nur bedingt ein geeignetes Mittel für verbesserten Kinderschutz.
Stattdessen sollten die Vorsorgeuntersuchungen überarbeitet und den heutigen Erkenntnissen und Erfordernissen angepasst werden. Es sollte nicht auf Sanktionen, sondern auf intensive Informationen und Einladewesen gesetzt werden. Nicht eine verpflichtende Vorsorge, sondern eine Pflicht zur Kooperation der beteiligten Dienste - Einrichtungen des Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereichs, Polizei - schützt Kinder besser vor Gefährdungen.