Protocol of the Session on February 4, 2015

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Fehler bei der Behandlung im Krankenhaus kommen vor, aber solche chaotischen Zustände, mit denen wir es jetzt zu tun haben – Chaos bei der Dokumentation, fehlende Patientenaufklärung vor Behandlungen in einer lebensbedrohlichen Situation, nachträgliche Manipulation von Dokumentationen –, darf es in einem Hamburger Krankenhaus nicht geben. Die Verantwortung, dies abzustellen beziehungsweise nicht zuzulassen, liegt bei der Aufsicht, nämlich der Gesundheitsbehörde. Deshalb sollten wir heute darüber reden, warum Sie und die Behörde nichts davon gewusst haben.

Jetzt ist herausgekommen, dass Sie schon sehr lange von diesen Vorfällen wussten, ohne die Öffentlichkeit darüber informiert zu haben, und ich stelle mir die Frage, warum Sie nicht gehandelt haben. Haben Sie in der Zwischenzeit gehandelt, Frau Senatorin? Ich glaube, diese Debatte sollten wir jetzt führen, anstatt über die Privatisierung von Asklepios zu reden, die eh nicht kommen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Martin Schä- fer SPD: Die Antwort kriegst du!)

Der windelweiche Antrag, den die SPD gestellt hat, in dem so wunderbare Dinge stehen wie, die Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens sollte verbessert werden, "sodass dem Kontrollanspruch der

(Birgit Stöver)

Bürgerschaft genüge getan wird", wird der aktuellen Situation im Krankenhaus St. Georg in keiner Weise gerecht.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der LINKEN)

Es geht Ihnen anscheinend gar nicht darum, diese Zustände aufzuklären und der Frage nachzugehen, warum in den vier Jahren unter Ihrer Kontrolle dort nicht genauer hingeschaut wurde und das, obwohl Sie dieser Privatisierung doch so kritisch gegenüberstanden. Ein paar Nachschulungen anzuordnen und die Dinge wie bisher weiterlaufen zu lassen, kann doch nicht die Konsequenz sein. Vielmehr stellt sich die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass das Klinikpersonal nicht richtig geschult war. Wer trägt hierfür die Verantwortung? Was ist mit den Fehlberatungen, den Fehlbehandlungen, den chaotischen Zuständen bei der Dokumentation? All das war Ihrer Behörde schon lange bekannt. Haben Sie diese Missstände jetzt abgeschafft?

(Glocke)

Herr Kerstan, ich erinnere Sie einfach noch einmal an das Thema, zu dem Sie heute reden.

Ich glaube, ich habe zu dem Thema geredet.

(Zurufe von der SPD: Ne, ne!)

Meiner Meinung nach geht es bei einer Privatisierung oder Rekommunalisierung schon darum zu klären, ob in diesem Bereich Gemeinwohlinteressen durchgesetzt werden können. Das kann man durch eine Rekommunalisierung erreichen. Mein Argument wäre: Auch ohne Rekommunalisierung gibt es Verantwortlichkeiten in der Behörde, und das wäre aus meiner Sicht angesichts dieses Antrags der zwingende Punkt. Im Übrigen würde ich einem Zusatzantrag der SPD-Fraktion, der sich mit genau diesen von mir angesprochenen Punkten beschäftigt, zustimmen. Insofern, Frau Präsidentin, komme ich nun auch schnell zum Schluss.

(Glocke)

Gestatten Sie, bevor Sie zum Schluss kommen, noch eine Zwischenfrage der Abgeordneten Heyenn?

Nein, ich möchte jetzt einfach gern diesen Punkt ausführen, bevor er in Vergessenheit gerät.

Also, Frau Senatorin, haben Sie diese Missstände abgestellt? Nein. Sorgen Sie für Transparenz, indem der Prüfbericht der Ärztekammer veröffentlicht wird? Nein. Das beantragt übrigens die SPD auch

nicht. Die Antwort auf die Frage, warum das nicht passiert, ist ziemlich deutlich: Dann nämlich würde sich herausstellen, dass diese Behörde bei der Aufsicht versagt hat. Deswegen beantragen wir GRÜNE heute das, was wir wirklich debattieren sollten, nämlich den Prüfbericht zu veröffentlichen und dann die Verantwortlichen zur Verantwortung zu ziehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Dr. Schinnenburg von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mir hat noch niemand erklären können, warum ein Blinddarm nur von einem Beamten entfernt werden kann.

(Wolfgang Rose SPD: Was reden Sie für ein dummes Zeug!)

Die FDP-Fraktion dankt den privaten Gesundheitsanbietern in dieser Stadt für ihre hervorragenden Leistungen. Wir danken den privaten Krankenhäusern, den privaten Pflegeheimen, den privaten Arztpraxen, den privaten Psychotherapeuten, den privaten Masseuren und Herrn Dr. Petersen von der SPD. Herzlichen Dank für Ihr Engagement.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Roland Heintze und Dr. Walter Scheuerl fraktions- los)

Es ist angebracht, ihnen zu danken, anstatt sie ständig zu verunglimpfen. Wir haben in Hamburg einen Großversuch mit staatlicher Gesundheitsversorgung in Form des LBK erlebt. Dieser Großversuch ist grandios gescheitert. Fangen wir einmal mit den schlechten Arbeitsbedingungen an, die nun den Asklepios-Kliniken vorgeworfen werden. Ich darf Sie an Frank Ulrich Montgomery erinnern, damals wie heute Präsident der Bundesärztekammer, damals wie heute Mitglied der SPD.

(Dr. Andreas Dressel SPD Nein!)

Er hat in "Der Welt" vom 12. Mai 2002 erklärt – ich zitiere wörtlich –:

"Gerade in den großen staatlichen Krankenhäusern wurde durch die Konzentrationsmaßnahmen des Landesbetriebes die Rationalisierungszitrone endgültig ausgepresst."

Und etwas später:

"Vor allem junge Ärzte werden besonders im LBK behandelt wie Putzlappen."

Das war die Situation in den staatlichen Krankenhäusern, die angeblich so viel besser war als heute bei Asklepios. Das ist falsch, denn private Krankenhäuser behandeln mittlerweile oft besser, weil

(Jens Kerstan)

sie ein Interesse daran haben, dass die Mitarbeiter zufrieden und gut sind.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Der zweite Punkt: Am Ende der Karriere des LBK stand ein finanzielles Desaster. Ende 2003 hatte der LBK bei der Landeshauptkasse Verbindlichkeiten in Höhe von 475 Millionen Euro, allein in den letzten zwei Jahren – also 2002 und 2003 – 126 Millionen Euro zusätzlich. Weitere 110 Millionen Euro erhielt der LBK zusätzlich von der Stadt durch Erlass von Gesellschafterdarlehen und durch vorfinanzierte Grundstücksverkäufe. Weiter wurde der LBK, anders als heute Asklepios, bei der Vergabe der Krankenhausinvestitionsmittel drastisch bevorzugt. Am 30. Juni 2002 gab es bei etwa gleichem Bettenbestand für die freien gemeinnützigen Krankenhäuser 40 Millionen Euro Investitionshilfen, beim LBK waren es 137 Millionen Euro, also fast 100 Millionen Euro mehr. Außerdem hat der LBK in acht, neun Jahren 262 Millionen Euro Eigenkapital vernichtet. 1994 gab es ein Eigenkapital von 152 Millionen Euro, Ende 2002 – also acht Jahre später – einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 110 Millionen Euro, somit in der Summe 262 Millionen Euro. Das liegt nicht etwa daran, dass der LBK zu wenig Geld bekommen hätte, ganz im Gegenteil, er bekam sogar mehr Geld als die anderen Krankenhäuser. Dazu hat der damalige Ersatzkassenchef, Herr Günter Ploß, Gewerkschafter und Mitglied der SPD, am 2. Dezember 2003 per Pressemitteilung mitgeteilt, dass die durchschnittlichen Fallpreise eines LBK-Krankenhauses um 20 Prozent höher lägen als die anderer Häuser.

(Wolfgang Rose SPD: Geht’s noch?)

Trotz der beträchtlichen finanziellen Bevorzugung entstand ein finanzielles Desaster. Im Ergebnis hat der LBK in knapp zehn Jahren fast 1 Milliarde Euro verbrannt. Das ist die Bilanz staatlicher Gesundheitspolitik.

(Beifall bei der FDP und bei Dietrich Wersich CDU)

Diese 1 Milliarde Euro sind mehr als der Preis für die Elbphilharmonie, allerdings mit dem Unterschied, dass wir bei der Elbphilharmonie am Ende hoffentlich ein schönes Haus haben, während der LBK zu guter Letzt nur sanierungsbedürftige Häuser hatte. Das ist das Ergebnis der staatlichen Gesundheitsversorgung.

Dritter Punkt: Es wird immer gesagt, dies alles verdanke sich der Altersversorgung für Rentner. Es ist wahr, das ist ein gewisses von der SPD verursachtes Problem – Stichwort: Sozis können nicht mit Geld umgehen –, aber in Wirklichkeit macht es noch nicht einmal die Hälfte aus. Das können Sie in der Senatsdrucksache nachlesen. 2002 hatten wir einen Jahresfehlbetrag von 72 Millionen Euro.

Davon wurden knapp über 30 Millionen Euro durch Altersversorgung für Rentner verursacht, das heißt, mehr als die Hälfte des Fehlbetrags wurde nicht dadurch, sondern durch eigene Fehler verursacht.

Was sind nun die wahren Ursachen für das totale Versagen des LBK und der staatlichen Gesundheitsinstitutionen? Erstens: Misswirtschaft. Diejenigen unter Ihnen, die damals dabei waren, kennen vielleicht noch die Sandkästen des Herrn Lohmann, der ständig neue Gesellschaften gegründet hat, TexiG hieß die eine, KliniG hieß die andere. Es gibt es eine nette Mitteilung im "Amtlichen Anzeiger" vom 27. November 2002 – die mussten zu ihrem Leidwesen ihre Dinge veröffentlichen –, in der stand – Zitat –:

"Beide bewegen sich erfolgreich auf dem Weg hin zur Wettbewerbsfähigkeit."

Sie waren also nicht einmal andeutungsweise wettbewerbsfähig. Oder schauen Sie auf das sogenannte Personalmanagementcenter. Die brauchten damals 40 Euro pro Person und Monat. Private Anbieter machen das für 15 Euro. Oder ein nächster interessanter Punkt: Was mag der Hintergrund sein? Im Aufsichtsrat des LBK saßen sehr wenige Ärzte, aber sehr viele Gewerkschafter, unter anderem der bis heute in der Bürgerschaft sitzende Kollege Rose. Herr Rose, ich bin noch immer enttäuscht, dass Sie als Gewerkschafter nicht mehr für die Arbeitsbedingungen im LBK getan haben. Das ist ein großer Fehler. Es gibt wenig Sachverstand in der Führung staatlicher Häuser.

Und der dritte ist der entscheidende Punkt: Es gab eine Interessenkollision. Die Gesundheitssenatorin war gleichzeitig quasi qua Amt auch Vorsitzende des Aufsichtsrats des LBK. Das heißt, der Senator, der dafür zuständig ist, dass ein fairer Wettbewerb unter allen Krankenhäusern stattfindet, war von seinem Amt her verpflichtet, sich für einen dieser Konzerne besonders zu engagieren. Eine solche Interessenkollision kann nur zu Fehlern und zu Misswirtschaft führen.

Nun noch kurz zum Vertrag. Ja, wir haben damals gesagt, wir wollen eine Privatisierung und finden es auch immer noch richtig, dass sie gemacht wurde. Aber ich glaube, dass der Vertrag von der CDU schlecht verhandelt wurde. Neben den bereits genannten Punkten gibt es einen weiteren: Wir halten es nach wie vor für einen Fehler, dass Asklepios eine marktbeherrschende Stellung bekommen hat. Wir waren dafür, die sieben LBK-Häuser an zwei oder noch besser an drei Betreiber zu vergeben. Dann hätten wir heute keine marktbeherrschende Stellung. Das war ein Fehler.

Aber Sie, lieber Herr Schäfer, kritisieren jetzt die schlechten Vertragsbedingungen. Vielleicht wissen Sie, dass es eine europaweite Ausschreibung gab

und das beste Angebot angenommen wurde. Sie als SPD haben den LBK völlig heruntergewirtschaftet und rufen nun: Haltet den Dieb, die CDU hat schlecht verkauft. Das ist absolut unredlich. Sie haben die schlechten Bedingungen verursacht.