Was ist von einem solchen Klimakonzept zu halten, das als vermeintlich letzte politische Großtat unter maximalen Anstrengungen von SPD und GRÜNEN geradezu herausgewürgt wurde, wissentlich, dass dieser Senat mit der Umsetzung nichts mehr zu tun haben wird? Sie haben nicht einmal die Kraft aufgebracht, den Hamburger Klimaplan trotz der immensen Verzögerung so rechtzeitig fertigzustellen, dass wenigstens noch eine halbwegs geordnete und der Bedeutung dieses Themas angemessene parlamentarische Beratung möglich gewesen wäre. Das ist schon oft thematisiert worden, aber es muss an dieser Stelle noch einmal angesprochen werden.
Ich habe bereits vor über einem halben Jahr prognostiziert, dass es genau so kommen wird. Es ist für ein Mitglied dieser Bürgerschaft zwar immer schön, recht zu bekommen, doch gerade in diesem Fall stimmt mich das mehr als missmutig. Und dann erliegt Senator Kerstan im Eifer des Gefechts auch noch der Versuchung, den von der grünen Bürgerschaftsfraktion offenkundig mitgetragenen Klimaplan vollständig zu relativieren. Denn der Presse war zu entnehmen – ich zitiere –:
"Für den Fall, dass die GRÜNEN nach der Bürgerschaftswahl den Senat führen, wird es Nachbesserungen geben."
Mit diesem Satz begehen Sie jedoch einen klassischen kardinalen Fehler, an dem unsere Klimapolitik übrigens in weiten Teilen krankt. Klimapolitik kann nämlich nur dann wirksam und somit erfolgreich sein, wenn diese geprägt ist von Verlässlichkeit und langfristiger Planungssicherheit. Nun frage ich Sie: Was soll denn der Hausbauer, der Mieter, der Wohnungseigentümer, der Investor oder die Wohnungsbaugenossenschaft von diesem Klimaplan in Verbindung mit dieser Aussage halten? April, April, im März gibt es wieder neue Informationen? Das ist doch kein politisch vernünftiger Ansatz, meine Damen und Herren.
Dieses Signal ist ausschließlich getrieben von grüner Wahlkampftaktik und im höchsten Maße toxisch für einen Klimaschutz, der von der Breite der Gesellschaft getragen werden soll. Die Menschen in unserer Stadt haben ein Anrecht auf Klarheit, welche Maßnahmen sie persönlich betreffen werden und mit welchen konkreten Auswirkungen sie mittel- und langfristig rechnen müssen, und Sie als Senat sind dazu verpflichtet, diesen absolut berechtigten Wunsch nach Klarheit auch zu erfüllen.
Was ist jetzt aber eigentlich vom Inhalt des Hamburger Klimaplans zu halten? Und um Sie wieder etwas zu beruhigen: Es ist nicht alles schlecht, was dort steht, und er enthält vereinzelt auch zielführende Forderungen, die sich im Übrigen in Teilen in unserem 50-Punkte-Plan der CDU-Fraktion wiederfinden.
Sie wollen den Ausbau des Wasserstoff-Tankstellennetzes unterstützen. Das finden wir gut, aber es ist eben auch nicht wirklich konkret.
Dann erkennen Sie die Bedeutung der Baumbestände und der Moore an und wollen die Baumbestände aufforsten oder die Moore durch Wiedervernässung fördern. Dazu sollen die Bezirke jetzt Flächen benennen. Also da hätte ich mir irgendwie schon mehr erhofft.
Dann wollen Sie sogenannte Pick-up-Points einführen, die Zustellung privater Pakete an den Arbeitsplatz, insbesondere in den Behörden. Das, finde ich, ist eine richtig gute Idee. Warum erst jetzt, nach fünf Jahren?
Dann: Erarbeitung und Umsetzung des gesamtstädtischen Konzepts "Letzte Meile". Das ist übrigens auch Bestandteil unseres Plans; das finden wir gut.
Und dann wollen Sie ein Geothermie-Reallabor. Gut, dafür muss jetzt noch ein Gutachten erstellt werden. Wir fordern das übrigens seit drei Jahren. Also da ist bisher noch nicht wirklich viel passiert.
Doch nun die entscheidende Frage: Sind denn in diesem Klimaplan, der uns vorgelegt wurde, echte positive und überraschende Ideen zu finden? Da sage ich: nein. Was ist denn mit dem Thema Innovation? Wenn man sich das Gesamtwerk anschaut, diese 137 Seiten, trifft man auf den Begriff Innovation genau fünf Mal. Wenn man nach Begriffen wie unzulässig, Verbot oder ordnungsrechtlich sucht, kommt man immerhin auf 20 Mal. Ich finde, das macht die Gewichtung schon ziemlich deutlich.
Und dann: Ist dieser Klimaplan geprägt von Anreizen, Förderung oder Technologieoffenheit? Wieder: nein. Und genau darin besteht auch das Problem. Sie setzen in erster Linie auf Verbote. Und auch wenn ich weiß, dass die Zweite Bürgermeisterin in dem Zusammenhang lieber von Spielregeln spricht – das klingt ja einfach sympathischer –, ändert das an der Tatsache nichts. Daher wird dieser Klimaplan zum Teil gravierende negative Folgen für die Menschen in unserer Stadt haben.
Einige Beispiele, die hier zum Teil schon erwähnt wurden: Sie wollen ab 2023 für Neubauten eine Pflicht zur Installation von Solaranlagen durchsetzen, obwohl immer noch völlig unklar ist, wie die Kosten dort gestemmt werden sollen. Dann wollen Sie den Neuanschluss von Stromdirektheizung verbieten. Ich war der Meinung, das Verbot existiere seit schon vielen, vielen Jahren. Andererseits stellt sich die Frage: Ist das nicht möglicherweise eine technologische Möglichkeit, Energie und Strom auch zu speichern? Technisch ist das nämlich möglich. Aber auch hier schließen Sie wieder die Tür, statt technologieoffen zu sein.
Dann, einer meiner Lieblingspunkte: die Neuinstallation von Klimaanlagen weitgehend verbieten. Da, muss ich sagen, werden wahrscheinlich die Herren bei Dyson, De'Longhi und Siemens in die Hände geklatscht haben, weil sie nämlich genau wissen, dass ihnen im nächsten heißen Sommer der Laden eingerannt wird, weil sich alle portable Klimageräte kaufen. Die wollen Sie offenbar nicht verbieten, so weit ist es dann doch noch nicht.
Dann, klassisches Instrument: Sie wollen einen weiteren Expertenkreis ins Leben rufen. Als ob wir nicht schon genügend Gesprächsgruppen in diesem Kontext hätten. Wieder frei nach dem Motto: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Expertenkreis.
Darüber hinaus wollen Sie einen weitgreifenden Anschlusszwang an die Fernwärme in dieser Stadt durchsetzen und deren Anteil von derzeit 25 Prozent auf mindestens 35 Prozent erhöhen. Nun ist die Fernwärme als Versorgungsoption durchaus zu begrüßen. Aber wenn Sie einen Anschlusszwang durchsetzen, heißt das, dass Sie Wettbewerb an anderer Stelle verhindern, und wir sind immer der Meinung, dass sich die Lösung durchsetzen muss, die wirtschaftlich, technologisch und damit auch auf das Klima bezogen am besten ist. Das blenden Sie aus und verhindern es in dem Moment.
Und dann das Thema Ölheizung. Ölheizungen sollen bei Neubauten ab 2022 verboten werden, und ab 2026 soll der Austausch sogar gänzlich untersagt werden. Genau dieser letzte Punkt verdeut
licht, wie hilfreich es gewesen wäre, die technologieoffenen Ansätze unseres 50-Punkte-Plans im Rahmen einer umfassenden inhaltlichen Befassung mit ausreichend Zeit zu berücksichtigen. Insbesondere das Thema Ölheizung drängt sich hierbei auf.
Ich weiß sehr wohl, dass die Bundesregierung diesen Vorschlag gemacht hat. Ich halte ihn aber dafür nicht für zwingend richtig.
Ein paar Hintergrundinformationen: In Deutschland gibt es rund 5,5 Millionen Ölheizungen. Es handelt sich hier also um alles andere als um ein kleines Randgruppenthema. Davon versorgen allein in Hamburg circa 34 000 Ölheizungen rund 250 000 Menschen mit Wärme. Dabei ist fast jede zweite Ölheizung älter als 20 Jahre. Mit der Modernisierung alter Ölheizungen kann die Energieeffizienz um bis zu 30 Prozent gesteigert und damit ein wichtiger Beitrag zur Erreichung der CO2-Einsparziele geleistet werden. Durch den Ersatz von sogenannten Öl-Fotovoltaik-Hybridsystemen sind sogar CO2-Einsparungen von bis zu 50 Prozent möglich. Moderne Anlagen wären übrigens perspektivisch auch in der Lage, komplett aus erneuerbaren Energien erzeugte synthetische Brennstoffe zu verbrennen und damit Wärme zu erzeugen und diese somit gänzlich CO2-frei bereitzustellen. Aber dieses Entwicklungsfenster schlagen Sie durch Ihre Technologiefeindlichkeit zu, und da möchte ich schon wissen: Was sagen Sie denn den 34 000 Ölheizungsbesitzern, die eben keinen Zugang zur Fern- und Nahwärme haben?
Also, das heißt, hier sind 250 000 Menschen betroffen, und Sie sagen denen eben nicht, wie es jetzt weitergeht. Das halte ich für absolut falsch.
Ein weiterer Punkt, der im Klimaplan überhaupt keine Berücksichtigung findet, ist das Potenzial, das sich durch klimaintelligente Gebäude heben ließe. Wir wissen, dass über ein Drittel des gesamten deutschen Energieverbrauchs auf Gebäude entfallen. Dabei wenden die Deutschen für Raumwärme, Warmwasser, Beleuchtung und Kühlung in Wohn- und Nichtwohngebäuden rund 73 Milliarden Euro pro Jahr auf. Angesichts dieser Volumina ist offenkundig, dass der Gebäudebereich sehr große Einsparpotenziale bietet und folglich einen Schlüsselsektor bei der Erreichung der CO2-Einsparziele
Wichtig ist hierbei, dass etwa 63 Prozent der Wohngebäude in Deutschland vor dem Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1979 errichtet wurden. Somit sind die Effizienzpotenziale bei älteren Häusern ganz besonders hoch, da sie bis zu fünfmal mehr Energie verbrauchen als Neubauten, die nach 2001 errichtet worden sind.
Die energetische Sanierung ist dabei nicht der einzige Weg, um Energie einzusparen. Solche Sanierungen sind zumeist sehr teuer und können daher nicht von allen Eigentümern gleichermaßen umgesetzt werden. Als Alternative beziehungsweise ergänzende Möglichkeit bietet es sich an, Gebäude mithilfe der Digitalisierung klimaintelligent zu machen. So können – es gibt eine Studie der dena dazu – bis zu 30 Prozent Energie eingespart werden, ohne dass auch nur ein einziger Euro dafür ausgegeben werden muss, irgendwo eine Dämmplatte zu verbauen. Dieses Potenzial ist bislang noch weitgehend ungenutzt, und es wäre mehr als sinnvoll, diese Handlungsoption in einen Klimaplan für Hamburg mit aufzunehmen. Doch das ist – wie bei vielen anderen Fällen – bislang nicht geschehen.
Meine Damen und Herren, ich könnte diese Liste jetzt noch fast unbegrenzt weiterführen. Aber ich habe ja zu Beginn meiner Rede von einem Kardinalfehler in der deutschen Klimapolitik gesprochen, nämlich der fehlenden Verlässlichkeit und den geringen zeitlichen Planungshorizonten, mit denen Energie- und Klimapolitik betrieben wird. Und ich muss feststellen, dass sich auch dieser Klimaplan nicht mit den grundlegenden strategischen Fragen unserer Energieversorgung der Zukunft befasst oder damit, wie diese langfristig sichergestellt werden muss.
Und dann möchte ich doch noch einmal auf den Kollegen Kienscherf eingehen und diese Legende wirklich ad acta legen, dass die Bundesregierung schuld sei, dass es mit dem Ausbau der Windenergie nicht vorangeht. Ich habe Ihnen letztes Mal schon erklärt: Es werden zurzeit 1 300 Windkraftanlagenprojekte beklagt. Die werden nicht durch die Bundesregierung beklagt, das muss Ihnen doch irgendwie schon verständlich sein. Das heißt, der verzögernde Aspekt liegt nicht bei der Bundesregierung, sondern in einem fehlentwickelten Klage- und Planungsrecht, und das ist eines der Kernprobleme, an das Sie sich natürlich nicht herantrauen, weil es logischerweise zu einem Konflikt mit den Umweltverbänden führt. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir genau diesen Konflikt natürlich eingehen müssen, damit sich unser Land auch wirklich weiterentwickeln kann.
Ich glaube, Sie überschätzen alle überhaupt das Potenzial von Windenergie und Fotovoltaik. Wenn Sie sich einfach einmal die Zahlen anschauen – einfaches Rechenbeispiel –: Deutschland hat ungefähr 357 000 Quadratkilometer Fläche. Für Wind geeignet sind davon ungefähr 50 000 Quadratkilometer. Das entspricht 13,8 Prozent der Fläche. Auf anderen Flächen geht es nicht, denn entweder gibt es da keinen Wind, es stehen zu viele Bäume dort oder es sind Städte im Weg. Das ist also die Fläche, über die wir reden. Onshore-Windkraftanlagen an Land gibt es derzeit gut 29 000. So, und wenn Sie jetzt ein Raster über die mögliche Fläche legen, dann kommen Sie zu der Erkenntnis, dass alle 3,4 Kilometer eine Windkraftanlage steht. Das heißt, das Potenzial ist gar nicht mehr so sonderlich groß. Und selbst wenn Sie noch 50-mal so viele Windkraftanlagen in Deutschland aufbauen würden, würde das nicht die Lösung für die Frage sein, wie wir die künftige Energieversorgung unseres Landes gestalten. Und das gilt für die Fotovoltaik genauso. Es gibt Berechnungen. Sie können die gesamte Fläche Hessens komplett mit Fotovoltaik ausstatten – und ich rede von der Gesamtfläche, nicht nur von Hausdächern, sondern von allem –, selbst das wäre nur ein Bruchteil des Energiebedarfs, den wir decken müssen.
Deshalb muss es um die Frage gehen, wie die Energieimporte künftig aussehen. Wenn wir jetzt aus der Kernenergie aussteigen … Was im Übrigen ab 2022 dazu führen wird, dass wir einen deutlichen Ansprung der CO2-Emission haben, weil wir diese 15 Prozentpunkte nicht sofort durch Erneuerbare kompensieren können. Das muss uns allen klar sein. Und wenn wir die Kohlekraftwerke abschalten, ist die Frage zu beantworten: Wo kommt die Energie ansonsten her? Wasserstoff kann in dieser kurzen zur Verfügung stehenden Zeit nicht ausreichend bewerkstelligt werden.
Dann möchte ich noch das Fernwärmekonzept von Senator Kerstan und das damit immer einhergehende Eigenlob kurz thematisieren. Was mir wirklich mittlerweile missfällt, ist diese ständige Lobhudelei, dass man das komplizierteste Fernwärmeprojekt Europas auf die Beine gestellt habe. Ich habe es gestern im Ausschuss schon gesagt: Meine Erfahrung mit Unternehmen besagt, dass man Komplexität versucht, wenn irgend möglich natürlich zu vermeiden, denn Komplexität führt zu Komplexitätskosten, zu Unsicherheit, zu Zeitverzögerungen. Das Einzige, wo man Komplexität vielleicht anstrebt, ist in der Kryptologie, aber sicherlich nicht bei solchen Projekten.