Wir werden das Ziel, das diese Landesregierung eint, nicht aufgeben, erstmals in der Geschichte unseres Landes einen ausgeglichenen Haushalt, also ohne neue Schulden, vorzulegen. Wir waren auf einem exzellenten Weg. Die Nettokreditaufnahme von rund 3 Milliarden Euro im Jahr 2003 wurde auf etwa 550 Millionen Euro im Jahr 2008 gesenkt. Dies entspricht einer Reduzierung um etwa 80 %. Infolge der Finanzkrise sind wir an dem Ziel vorbeigefahren, die Nettokreditaufnahme auf null zu senken, wie es vorgesehen war, weil die Finanzkrise dies nicht zulässt.
Jetzt gibt es die Schuldenbremse im Grundgesetz, wonach spätestens ab dem Jahr 2020 keine neuen Schulden mehr aufgenommen werden dürfen. Wir wollen allerdings bereits ab 2017 ohne neue Schulden auskommen. Es wird spannend sein, ob der Landtag die Niedersächsische Verfassung ändern wird, um Neuverschuldung in kommenden Zeiten unmöglich zu machen, und dazu die erforderliche Kraftanstrengung aufbringen wird. Ich freue mich, dass sich gerade Finanzminister Hartmut Möllring in der Finanzkrise in besonderer Weise bewährt hat.
Im Mai wird die nächste Steuerschätzung vorliegen. Dann werden wir Klarheit haben. Dann werden wir wissen, dass es trotz der bisherigen Anstrengungen viele weitere Einschnitte geben muss, die hart, aber unumgänglich sind. Darüber Wettbewerb in Gang zu setzen, ist natürlich wichtiger als die Debatten des gestrigen Tages nach dem Motto: Da nicht kürzen, dort nicht kürzen, dort draufsatteln. - Ich glaube, mit dem „Weiter so“ wird man diesen Problemen in diesem Jahrzehnt nicht gerecht. Dann werden wir auch Klarheit über den Spielraum für eine Steuerreform haben.
Ich bleibe dabei: Ein einfacheres und gerechtes Steuersystem wäre ein Segen. Zudem brauchen wir steuerliche Maßnahmen, um Wachstum zu erzeugen. Wir können aber keinen dauerhaften Einnahmeausfall mehr verkraften. Der Staat muss auf seine Handlungsfähigkeit achten. Wir jedenfalls werden nicht zulassen, dass Zukunftsinvestitionen leiden, sondern wir müssen einen Dreiklang
schaffen aus Haushaltskonsolidierung, aus Zukunftsinvestitionen und aus Reformen unseres Landes beispielsweise in der Steuerpolitik.
Die dritte Herausforderung: Dieser Staat muss schlanker werden, er muss stark bleiben, und er muss handlungs- und leistungsfähig bleiben. Ohne die Modernisierung der Landesverwaltung wird das aber nicht gehen. Wir brauchen weniger und verständlichere Gesetze. Ich bin stolz, dass die Zahl der Gesetze, Verordnungen und Erlasse des Landes von 4 135 im Jahr 2003 auf unter 2 000 halbiert wurde.
Mit der Auflösung der Bezirksregierungen haben wir einen modernen zweistufigen Verwaltungsaufbau geschaffen. Bis zum Jahr 2015 werden wir aber weitere 1 500 Stellen in der Landesverwaltung abbauen müssen. Ich hoffe, dass wir uns dabei nicht zum Interessenwalter jedes Klientelinteresses machen, sondern dass wir das Gesamte im Auge behalten.
All die Erfolge - Bürokratieabbau, Unterrichtsversorgung, Aufklärungsquote bis hin zur Umsetzung des Konjunkturprogramms - sind im Wesentlichen auf das Engagement und die Motivation unserer Beamtinnen und Beamten sowie Angestellten im öffentlichen Dienst zurückzuführen. Das zeigt, wie groß die Bereitschaft ist, auch schwierige Aufgaben mit weniger Personal zu schultern. Dafür können sich ein Parlament und eine Regierung nur ausdrücklich bedanken.
Die Aussage, dass die Aufgaben so groß sein werden wie nach dem Zweiten Weltkrieg, folgt aus dem Zusammenspiel globaler Vernetzungen, demografischer Entwicklungen
und finanzieller Probleme. Das Problem, Herr Jüttner, besteht darin, dass uns die demografische Entwicklung seit vielen Jahrzehnten bekannt ist, wir uns aber immer wieder schwertun, die Konsequenzen daraus zu ziehen und sie durchzuhalten.
In Niedersachsen werden im Jahr 2060 etwa 6,2 Millionen Menschen leben. Das war nach dem Krieg schon einmal der Fall. Die Zusammensetzung war jedoch eine völlig andere. Damals gab es viele Junge und wenig Alte. Heute gibt es glücklicherweise viele alte Menschen, die immer länger
leben können - das ist unsere aller und auch meine persönliche Hoffnung -, aber auch immer weniger junge Menschen. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen wird von rund 1,6 Millionen auf unter 1 Million fallen. Das ist ein Minus von fast 40 %.
Niedersachsen ist an einer Stelle sogar begnadet; denn wir haben eine recht stabile Einwohnerzahl bis 2020. Erst danach wird sie abnehmen, erst langsam, dann schneller. Dies ist eine im Vergleich mit anderen Bundesländern moderate Entwicklung, die der besonders hohen Integrationsbereitschaft der Niedersachsen zu verdanken ist. Jeder fünfte Immigrant in Deutschland fand in den 90erJahren in Niedersachsen seine neue Heimat. Dies waren Deutsche aus Russland bis hin zu Juden aus Russland und vielen anderen Teilen der Welt. Diese Zahl von neuen Bürgern in Niedersachsen hilft uns, diese demografische Veränderung in den nächsten Jahren besser als andere bewältigen zu können.
Wir haben einerseits Landkreise mit der niedrigsten Geburtenrate, und wir haben andererseits Landkreise mit der höchsten Geburtenhäufigkeit. Das erfordert einen differenzierten Blick auf ganz unterschiedliche Herausforderungen und Entwicklungen in Niedersachsen.
Die Aufarbeitung innerhalb der Regierung dieses Themas in der Enquetekommission des Landtags hat gezeigt, dass vom Landtag hervorragende Vorarbeit geleistet worden ist im Hinblick auf die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, auf die Familienpolitik, auf die Bildung und auf die Sozialpolitik. Wir wollen, dass Veränderungen - auch demografische Veränderungen - zu Verbesserungen führen. Dann dürfen wir aber auch nicht vor unpopulären Maßnahmen zurückschrecken.
Wir müssen früher ins Erwerbsleben. Wir müssen länger arbeiten. Wir müssen mehr Menschen zu arbeiten befähigen, beispielsweise durch bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wir müssen dazu die Voraussetzungen schaffen, z. B. durch den Krippenausbau und die Hochschulzugangsbefähigung nach zwölf Jahren.
Ich erlebe allerorten, dass viele Bürgerinnen und Bürger sagen: Wäre es nicht viel schöner, wenn das Abitur nach Klasse 13 vergeben werden könnte?
- Frau Korter, Sie sagen: Genau! - Ich sage: Das wäre vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung genau das Falsche. Denn wenn wir immer weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter haben, dann müssen wir dafür sorgen, dass sie früher ins Erwerbsleben eintreten, dass sie dort flexibler tätig sein können, sich weiterbilden können, von Anfang an, ein Leben lang, und sich nicht so lange auf Ausbildungsplätzen befinden.
Der demografische Wandel gebietet einfach, dass die Kinder heute eher eingeschult werden, dass die Zahl der Zurückstellungen zurückgeführt wird, dass die Kinder besser begleitet, gefördert und betreut werden, dass sie früher die Schule verlassen, schneller studieren,
dass sie sich im Beruf flexibilisieren. Das ist eine Herausforderung des demografischen Wandels, und da unterscheiden sich diejenigen, die nur reden, von denjenigen, die handeln. Das ist einfach die Wahrheit.
Wir werden Niedersachsen zu einem der familienfreundlichsten Arbeitgeber machen, mit flexiblen Arbeitszeiten, Teilzeitbeschäftigung, Telearbeit und auch Kinderbetreuung am Arbeitsplatz.
Wir werden vor allem mehr Migranten in den öffentlichen Dienst integrieren. Wir haben bei der Polizei begonnen und setzen das jetzt bei Lehrern, Erziehern und Richtern fort, weil wir glauben, dass das im beiderseitigen Interesse liegt. Wir werden bereits in diesem Jahrzehnt einen Mangel an Bewerberinnen und Bewerbern für unterschiedliche Positionen im öffentlichen Dienst haben. Da liegt es nicht nur im Interesse der Integration und der Migranten, sondern auch im Interesse des Landes Niedersachsen, dass wir viel stärker und offener auf diese qualifizierten Mitbürgerinnen und Mitbürger zurückgreifen, als es in den letzten Jahren der Fall war.
Ich möchte als letzte Herausforderung, die zu den finanziellen Problemen und zur Demografie hinzukommt, den Klimawandel nennen, der uns als Küstenland fordert, weil er ganz neue Anforderungen an den Hochwasserschutz stellt. In den nicht zu
bestreitenden Klimaprojektionen zeichnet sich bis zum Ende des 21. Jahrhunderts im globalen Mittel ein Meeresspiegelanstieg von 18 bis 59 cm ab. Vorsorglich haben wir beispielsweise die Sollhöhen für Küstenschutzanlagen um 50 cm angehoben; denn in unserem Land, für das wir Verantwortung tragen, werden 1,2 Millionen Menschen an der Küste von der mehr als 600 km langen Deichlinie vor Sturmfluten geschützt.
Wir müssen darüber hinaus zu ganz anderen Maßnahmen zur Förderung regenerativer Energien und zum Umbau von konventioneller Energieerzeugung zu regenerativer, nachhaltiger Energieerzeugung kommen. Unser Ziel bleibt, im Jahr 2020 in Niedersachsen mehr Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren, als hier verbraucht wird. Wir wollen also mit regenerativen Energien zu einem der großen Stromexporteure werden, um einen Beitrag zur CO2-Reduktion zu leisten.
In drei Bereichen möchte die Landesregierung auf diese großen Herausforderungen reagieren. Sie möchte erstens den Zusammenhalt der Gesellschaft fördern, zweitens allen Kindern in unserem Land eine optimale Chance zur Förderung geben und drittens unsere zweifelsfrei vorhandenen Stärken weiter ausbauen. Wenn wir das tun, dann hat unser Land trotz der Größe der Herausforderungen in schwieriger Zeit allen Anlass, optimistisch an die Zukunft heranzugehen.
Erstens zu dem, was ich als eine mentale Verfasstheit bezeichnen möchte: Ausweislich der jüngsten bundesweit durchgeführten Studie sind wir jetzt auf Platz 1 beim bürgerschaftlichen Engagement. 2,8 Millionen Niedersachsen engagieren sich in ihrer Freizeit bürgerschaftlich, uneigennützig, unentgeltlich. Damit sind wir das Land mit dem größten bürgerschaftlichen Engagement. Das ist wichtig bei der Bewältigung vieler Aufgaben, die der Staat zukünftig nicht mehr so wie bisher wird erfüllen können.
Bei uns kann man sich auf Absprachen verlassen. Es gibt ein investitionsfreundliches Klima. Einer gerade veröffentlichten Studie zufolge gibt es in Niedersachsen die zuversichtlichste Bevölkerung aller Bundesländer. Hier machen sich die Menschen weniger als andernorts Sorgen um ihre persönliche Zukunft. Ich bin gerade den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden dankbar, dass sie sich sehr verantwortungsbewusst verhalten.
Wie Sie wissen, versammeln wir uns alle zwei Monate mit den Gewerkschaften, den Banken, den Sparkassen, den Wirtschaftsverbänden und dem Handwerk und reden über die Bewältigung der Wirtschaftskrise. In diesen Gesprächen gibt es eine sehr produktive, zuversichtliche Haltung zur gemeinsamen Verantwortung für die Gestaltung unseres Landes.
Wir haben in Niedersachsen - auch das ist Ergebnis einer Studie - die intaktesten Familien und funktionstüchtige kleine Einheiten. Wir haben viele Alte, die möglichst lange in den eigenen vier Wänden wohnen wollen. Die Voraussetzungen dafür werden geschaffen, von der Stadtplanung bis zum Pflegepersonal. Da hat sich gerade unsere bisherige Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann, der ich selbstverständlich auch für diese Arbeit danke, große Verdienste erworben.
Aber wir wollen auch hier jetzt einen Quantensprung; denn ein zentrales Politikfeld unserer Regierung ist die Integration. Mit Integrationslotsen, Programmen zur Integration und dem Dialog mit dem Islam liegt Niedersachsen weit vor anderen Bundesländern. Das ist vorgestern bei der Bundeskonferenz in Oldenburg wieder von allen Rednern hervorgehoben worden.
Wir haben in wichtigen Bereichen der Landesverwaltung die interkulturelle Kompetenz gestärkt, und wir haben - das ist, wie ich denke, keine wahnsinnig mutige, sondern eigentlich eine selbstverständliche Entscheidung - endlich ein Mitglied einer Landesregierung, das einen eigenen Migrationshintergrund hat. Ich habe mit Interesse registriert, dass das für manche ein bisschen erklärungsbedürftig ist. Ich bleibe dabei: Das ist ein klares Signal an alle Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund, dass sie hier gleiche Perspektiven und Chancen haben. Wer fleißig ist, wer sich anstrengt, kann in diesem Lande alles werden, selbstverständlich auch Minister, und Verantwortung mittragen.
(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Aber nicht ohne Maulkorb!)
Bildung und Integration in den Arbeitsmarkt sind die beiden Säulen der Integration. Wir werden weiter viel Geld für die Sprachförderung ausgeben, weil die deutsche Sprache eine entscheidende Voraussetzung ist. Es muss aber viel mehr passie
ren, dass die Unternehmen in Niedersachsen, auch Mittelständler, erkennen, welche Chance Migranten in der Belegschaft bedeuten: mit ihrer Mehrsprachigkeit, mit ihren kulturellen Erfahrungen. Niedersachsen war das erste Flächenland, das die Charta der Vielfalt unterzeichnet hat. Wir glauben daran, dass aus Vielfalt neue Chancen entstehen können.
Auch aus demografischer Sicht ist es wichtig, die Chancen zu nutzen. Wenn die Bevölkerung zurückgeht, kann ein Pro-Kopf-Wachstum von 2,5 % gesamtwirtschaftlich eine Stagnation bedeuten. Wir müssen neue Märkte in den Regionen der Welt erschließen, in denen es viele junge Leute gibt, in denen die Bevölkerung wächst, ob in der Türkei, in Brasilien oder in Russland, ob in China oder in Indien. Die Niedersächsische Landesregierung hat in den letzten Jahren bewusst Reisen mit 70, 80 Unternehmern gerade in diese Länder unternommen, weil dort die Chancen liegen. Dabei können uns Migranten mit ihrer Mehrsprachigkeit natürlich in hohem Maße von Vorteil sein. Wir werden das schon demnächst sehen: Wenn Herr Bode in die Türkei reist, dann wird er merken, dass man Niedersachsen dort mehr als andere Regionen der Welt kennt.