Protocol of the Session on April 28, 2010

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Diese Zahl haben wir Jahr für Jahr auf inzwischen 6,5 % vermindert.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das stimmt doch alles nicht!)

Das ist schon deswegen beachtlich, weil 4 % in dieser Zahl Besucher von Förderschulen sind, die zum Teil eigene Abschlüsse haben, beispielsweise an Förderschulen für geistig Behinderte. Die Zahl der anderen jenseits dieser 4 % haben wir also von 6,5 % auf 2,5 % und damit fast auf ein Drittel reduziert mit all unseren Maßnahmen, über die wir heute ja noch diskutieren, mit AQB, mit der Bundesagentur für Arbeit, mit Praxistagen, mehr Kernfächern, mehr Unterricht in kleineren Klassen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Kleinere Klassen?)

Das war eine erfolgreiche Politik für die Hauptschule. Damit hat man Menschen konkret geholfen und keine ideologische Debatte auf dem Rücken von Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien geführt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Stärke Niedersachsens liegt in der Vielfalt. Das Gegenteil von Vielfalt ist Einfalt. Sie sollten die Gesamtschule nicht weiter als Allheilmittel und als Einheitsschule propagieren, sondern Sie sollten sich auf die Vielgestaltigkeit der Schullandschaft einlassen.

Für die Landesregierung sage ich - Sie können es ja anders sehen -: Für uns stehen nicht der Schulorganisationsstreit im Vordergrund, sondern die Unterrichtsversorgung und die Senkung der Quote der Schulabbrecher sowie ganz kurzfristig die Bewältigung des doppelten Abiturjahrgangs. Ich sage zu, dass wir nach dem doppelten Abiturjahrgang die Klassengrößen senken, dass wir die Arbeitszeitverordnung für Schulleiter auf den Weg bringen und dass wir die Schulleiter und die Schulen von Verwaltungsaufwand entlasten.

Aber jetzt geht es darum, dass 2011 mehr Kinder die Schulen verlassen als in jedem Jahrgang zuvor - alleine 25 000 Abiturienten mehr -, dass sie das Gefühl bekommen, sicher aufgehoben zu sein, dass sie wissen, dass ihre Chancen nicht schlechter sind als die anderer Jahrgänge. Da finde ich beachtlich den Ausbau der Hochschulen, die rund 10 000 zusätzlichen Studienplätze, und die Anstrengungen der Wirtschaft, zu denen sie sich uns gegenüber verpflichtet hat.

Wir können heute sagen: Wir kümmern uns nicht nur um die Abiturienten 2011, sondern wir kümmern uns auch um die Haupt-, Real- und Gesamtschüler, für die die Gefahr bestehen könnte, dass sie beim Kampf um einen Ausbildungsplatz zurückfallen. Wir sorgen dafür, dass alle Jugendlichen 2011 unterkommen. Das ist ein wichtiges Signal vor allem für die Kinder dieses Jahrgangs und die Eltern im Lande, die sich derzeit große Sorgen machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Neben dem Zusammenhalt und den Chancen für jedes einzelne Kind ist mir ein Drittes besonders wichtig, nämlich unsere Stärken, die wir zweifelsfrei auf vielen Feldern haben, zu erkennen und diese Stärken gemeinsam, auch durchaus fraktionsübergreifend, auch gegenüber Brüssel und Berlin durchzusetzen. Der Vorteil von Niedersachsen ist, dass wir führend, teilweise weltweit führend sind bei Fahrzeugbau, Luftfahrt, Lasertechnologie, Hörtechnik und Orthopädietechnik, dass wir bei Mobilität, Logistik, Energie und Umwelt, Gesundheit und Ernährung über Stärken verfügen, die ihresgleichen suchen.

(Zustimmung bei der FDP)

Die Küstenlage, die Häfen im Zusammenhang mit der Globalisierung, die Flächen, die qualifizierten Menschen, die großen Unternehmen und der Mix aus Handwerk, freien Berufen, Mittelstand, großen Unternehmen und familiengeführten Unternehmen bilden den eigentlichen stabilen Anker, der sich in der Krise besonders bewährt hat. Wahrscheinlich ist es eine niedersächsische Eigenart, dass man eher nur Risiken eingeht, die man auch überblicken kann. Man sollte das für selbstverständlich halten, aber wir wissen inzwischen, dass es keineswegs selbstverständlich ist.

Der Wohlstand in unserem Land ist in den letzten Jahrzehnten entstanden durch Freiberufler, durch Mittelständler mit ihren Belegschaften, mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit ihrer Risikobereitschaft, mit ihrem Einsatz, mit ihrem Fleiß, mit ihrer Wahrnehmung von Verantwortung für Mitarbeiter, Produkte, Produktionsverfahren, Regionen, Städte und Umfelder von Betrieben.

Wir fühlen uns verpflichtet, diesen mittelständischen Bereichen, diesen mutigen Unternehmerinnen und Unternehmern mit ihren Mitarbeitern die Entwicklungspotenziale zu geben, damit sie sich hier im Lande optimal entfalten und die wirtschaftli

chen Probleme schultern können. Das ist das klare Signal der von mir geführten Landesregierung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Hinblick auf das Jahr 2020 gibt es sehr erfreuliche Megatrends, für die Niedersachsen gut gerüstet ist, z. B. das Wachstumspotenzial in den Bereichen Erholung, Gesundheit, Medizin, Medizintechnik. Im Gesundheits-, Erholungs- und Tourismussektor sind bereits 800 000 Menschen beschäftigt; diese Zahl ist um 30 000 gestiegen. Wir haben weitere Potenziale, wenn wir unseren Masterplan für die einzelnen Regionen, die Zertifizierung von Servicequalität, die Erschließung neuer Kundengruppen und die Optimierung der Leistungserbringer im Gesundheitswesen so fortführen.

Wir haben das Wachstumsfeld Mobilität und Logistik in einer zusammenwachsenden Welt. Wir profitieren von der Osterweiterung Europas. Wir sind europäische Verkehrsdrehscheibe in Norddeutschland. Die Mobilitäts- und Logistikbranche zählt mit 400 000 Beschäftigten zu den bedeutendsten Wirtschaftszweigen.

Ich glaube, die bedeutendste Entwicklung der letzten Jahre war die Entwicklung bei Volkswagen, wo es uns gelungen ist, eine feindliche Übernahme durch Porsche abzuwehren und einen integrierten Automobilkonzern zu schaffen, wo der Sitz Wolfsburg für die Zukunft gesichert ist, wo die Rechte des Landes Niedersachsen mehr als je zuvor gesichert sind. Aufgrund der Aktionärsstruktur war es möglich, bei Volkswagen fast geräuschlos in den letzten Wochen die größte Kapitalerhöhung in der deutschen Automobilgeschichte zu vollziehen. Das zeigt, dass hier ein Kraftzentrum geschaffen wurde, aus dem heraus wir viele Vorteile für unser Land werden ziehen können. Früher kam die Welt nach Detroit, dann zu Toyota in Japan, wenn sie im Zentrum der Automobilwirtschaft sein wollte, zukünftig wird die Welt nach Wolfsburg, nach Niedersachsen kommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Voraussetzung ist, dass wir auch im Sinne unseres Philosophen Lichtenberg vorgehen - die Fliege tut gut daran, sich auf die Klatsche zu setzen, um nicht erschlagen zu werden - und nichts verschlafen beim Thema Elektromobilität, sondern dass wir uns hier endlich mit Volkswagen an die Spitze der Bewegung setzen und mit EWE und anderen an diesem Thema arbeiten. Die Landesregierung hat gestern in der Kabinettssitzung eine „Landesinitiative Brennstoffzelle und Batterietechnologie“ be

schlossen, die gerade die Vernetzung mit Volkswagen, EWE und anderen sichert. Der Sprecher ist Herr Brinker von EWE.

Wir bauen daneben die Verkehrsinfrastrukturen aus. Ich bitte das gesamte Haus um Mithilfe, damit wir hier die Diskussionen richtig zum Abschluss bringen. Die meisten stehen hinter dem Projekt JadeWeserPort. Hier haben sich die Verhältnisse völlig verkehrt. Früher hieß es: „Ihr in der öffentlichen Verwaltung seid zu langsam, ihr genehmigt nicht, die Verfahren dauern zu lange.“ Inzwischen bauen wir schneller als geplant, sind eher fertig als vorgesehen, und die Wirtschaft sagt: „Das geht uns zu schnell. Könnt ihr nicht ein bisschen langsamer? Wir sind noch nicht so weit.“ Wir weisen Standorte für Kraftwerke aus. Die Wirtschaft hat früher gesagt: „Ihr habt nicht den Mumm, nicht den Mut, so etwas zu machen.“ Jetzt haben wir die Standorte, und die Unternehmen sagen: „Wir haben im Moment nicht das Geld oder nicht den Mut, es zu machen.“

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Das sagen die nicht!)

Diese Entwicklung führt auch dazu, dass die freundschaftlichen Beziehungen zu Bremen auf einen besonderen Prüfstand gestellt werden.

(Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Sie müssen schon die ganze Wahrheit er- zählen!)

Es gibt ja diese Verträge aus Ihrer Zeit, nach denen Bremen 50 % Mitsprache hat, aber nur 20 % zahlt. Aus meinem bisherigen Leben kannte ich nicht, dass sozusagen jemand 50 % Mitsprache hat, aber 80 % zahlen muss. Aber das haben wir nun einmal von Ihnen so vorgefunden. Es wird für die Partnerschaft mit Bremen entscheidend darauf ankommen, dass Eurogate und andere, die in engem Zusammenhang zu Bremen stehen, ihre Verpflichtungen erfüllen und es nicht zu Rechtsstreitigkeiten kommt. Es wird außerdem entscheidend darauf ankommen, dass die jetzige Bundesregierung die Zusagen, die die Vorgängerregierung und die Deutsche Bahn gegeben haben, auch einlöst, wenn es um die zweigleisige elektrifizierte Eisenbahnverbindung von Oldenburg nach Wilhelmshaven geht, die wir seit 1987 diskutieren und die jetzt endlich fertiggestellt werden muss.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir sind hier zu keinerlei Kompromissen bereit. Dieses Projekt steht an erster Stelle. Es ist eine zwingende Voraussetzung für die Wahrnehmung

der Chancen durch diesen neuen Containerhafen für die größten Containerschiffe der Welt.

Wir haben das Wachstumspotenzial Energie. Diese Regierung hat die Testanlagen möglich gemacht, die Offshorefelder ausgewiesen, die Netzanbindungen positiv begleitet, über Norderney beispielsweise. Wir sind heute Windenergieland Nummer eins und wollen dies ausbauen, an Land und auf See. Wir brauchen eine Unterstützung auch auf kommunaler Ebene für Repowering, für die Akzeptanz höherer und größerer Anlagen. Leider wird heute in den Debatten immer nur die emotionale Stimmung gegen etwas geschürt, gegen eine Anlage, gegen eine Leitung, gegen eine Höchstspannungstrasse. Wir brauchen in diesem Land die Bereitschaft der Menschen, zu sagen: Wenn wir weiterhin wirtschaftlich Erfolg haben wollen, dann brauchen wir z. B. die Windkraft, und wenn wir mit der Windkraft solch große Erfolge haben, wie wir sie haben, dann müssen wir auch bereit sein, den auf dem Meer produzierten Strom dorthin zu liefern, wo er gebraucht wird, nach Süddeutschland oder nach Nordrhein-Westfalen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Gestern ist der Windpark Alpha Ventus in Betrieb genommen worden, demnächst wird der Windpark der Firma Bard als erster kommerzieller Offshorewindpark in der Nordsee in Betrieb genommen.

Wir sind im Bereich Biomasse vorne, wir sind bei erneuerbaren Energien weit vorne, wir sind beim Netzausbau demnächst vorne, wenn wir gemeinsam und geschlossen gegenüber Industrie und Politik in Berlin und Brüssel vertreten, dass wir die Voraussetzung dafür geschaffen haben, in sensiblen Bereichen die Kosten für Erdverkabelung auch auf den Strompreis umzulegen. Dafür wird diese Regierung streiten.

(Beifall bei der CDU)

Unser Bemühen im Bereich Energieforschung ist, das nationale Energieforschungsinstitut, das geschaffen werden soll, nach Norddeutschland zu holen. Bei uns gibt es die regenerativen Energien, bei uns gibt es Vorkommen von Öl und Gas, bei uns gibt es geologische Formationen z. B. für Geothermie und Speicherung von Erdgas oder Wasserstoff, bei uns gibt es eine vernetzte Forschungslandschaft und namhafte Unternehmen.

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Endlager!)

Deswegen ist es eine berechtigte Forderung, die Benachteiligung des Nordens der Bundesrepublik Deutschland, über die wir uns, glaube ich, einig sind, bei Forschungsinvestitionen auszugleichen und einen faireren Wettbewerb zu ermöglichen, um dann Investitionen seitens des Bundes und Brüssels in Forschung in Norddeutschland voranzutreiben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ein letztes Feld für großen berechtigten Optimismus sind Ernährung und Landwirtschaft. Dieses Feld ist bei uns mittelständisch geprägt - mit innovativen und flexiblen, kleinen und mittleren sowie einigen sehr prägenden weltweit führenden Großunternehmen. Unsere Land- und Ernährungswirtschaft ist hervorragend geeignet, Marktchancen für Produkte außerhalb Niedersachsens auf weltweit wachsenden Agrarmärkten zu nutzen, Energie aus nachwachsenden Rohstoffen zu erzeugen und neue Marktsegmente wie Bio, Öko, Halal, Functional Food oder Convenience-Produkte zu bedienen.

Niedersachsen ist weltweit anerkannt auf dem Feld hochwertiger und unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes erstklassig kontrollierter, überwachter und hergestellter Lebensmittel. Dieser Sektor ist der zweitwichtigste Wirtschaftssektor unseres Landes.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man das sieht - Ernährung, Energie, Erholung und Mobilität -, dann entsteht ein Bild, angesichts dessen sich andere in Europa wegen dieser Leistungskraft Sorgen machen. Die sagen: Ihr in Deutschland, ihr in bestimmten Regionen Deutschlands seid uns zu erfolgreich, seid zu exportorientiert. - Ich aber sage: Es liegt im Interesse Europas, wenn es Regionen wie Niedersachsen gibt, die ihre Chancen nutzen, ihre Stärken voranbringen und dadurch im Rahmen des Binnenausgleichs schwache Bereiche ausgleichen.

Bei Bioenergie, bei Tierschutz, bei Ökolandbau und bei Ernährungswirtschaft haben wir Kompetenzzentren, die auch für andere Bundesländer eine Vorbildfunktion haben.

Jeder versteht, dass ein Land wie Niedersachsen mit dieser großen ländlichen Fläche und dieser großen Bedeutung der Ernährungswirtschaft in Brüssel auch über das Jahr 2013 hinaus für eine angemessene Finanzierung einer Gemeinsamen Agrarpolitik kämpft. Ich bin froh, dass ich Heiner Ehlen für diese sieben Jahre danken kann - wäh

rend seiner Amtszeit sind wir nämlich Agrarland Nummer eins geworden -,

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

dass wir mit Astrid Grotelüschen jetzt eine Ministerin haben, die aus der Landwirtschaft kommt, die selbst einen Betrieb geleitet hat und, bis sie Ministerin geworden ist, in einem Betrieb beschäftigt war, und dass diese Ministerin auch den anspruchsvollen demografischen Wandel im ländlichen Raum gestalten wird; denn es wird angesichts des Rückgangs der Bevölkerungszahl und der Tatsache, dass die Bevölkerung immer älter wird, großer Ideen bzw. Innovationen bedürfen, um dort die Wettbewerbsfähigkeit und die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu erhalten. Auch diesem Thema der Infrastruktur im ländlichen Raum werden wir uns widmen.