Protocol of the Session on September 28, 2000

Login to download PDF

Meine Damen und Herren, ich eröffne die heutige Sitzung, wünsche Ihnen einen guten Morgen und bitte Sie, Platz zu nehmen.

Erkrankt ist Frau Ministerin Heide Moser, der wir von hier aus gute Besserung wünschen.

(Beifall)

Ich wurde gebeten, etwas für den Finanzausschuss bekannt zu geben. Der Finanzausschuss wird heute nicht um 13:00 Uhr, sondern erst um 13:30 Uhr tagen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das ist völliger Quatsch! Wer hat das beschlossen?)

- Herr Abgeordneter Kubicki, ich habe nur die Aufgabe, das bekannt zu geben.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das kommt überhaupt nicht in Frage!)

Setzen Sie sich bitte mit der Vorsitzenden des Finanzausschusses auseinander.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, mir liegt ein Dringlichkeitsantrag der Fraktion der CDU vor, der soeben verteilt wird, Handelsschiffbau bei HDW. Sollen wir jetzt oder nach dem ersten Tagesordnungspunkt über die Dringlichkeit abstimmen? - Herr Abgeordneter Hay.

Ich bitte darum, dass wir den Antrag erst lesen können. Ich suche ihn gerade auf dem Tisch. Ich schlage vor, darüber nach dem nächsten Tagesordnungspunkt abzustimmen.

Einverstanden? - Dann werde ich ihn nach dem ersten Tagesordnungspunkt aufrufen.

Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 36, 37, 41 und 47 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Bericht des Landtagspräsidenten über die 9. Ostseeparlamentarierkonferenz in Malmö

b) Bericht über die Aktivitäten der Landesregierung im Ostseeraum 1999/2000 (Ostseebericht)

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/204

Schleswig-Holsteinischer Landtag (15. WP) - 11. Sitzung - Donnerstag, 28. September 2000 741

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau)

c) Der Erweiterungsprozess der Europäischen Union

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/325

d) Sicherheitskooperation im Ostseeraum

Landtagsbeschluss vom 12. Juli 2000 Drucksache 15/208

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/371

Ich erteile zunächst dem Landtagspräsidenten, Herrn Heinz-Werner Arens, das Wort.

Heinz-Werner Arens, Landtagspräsident:

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die 9. Ostseeparlamentarierkonferenz vom 4. und 5. September dieses Jahres war nicht nur durch ihre Ortswahl von besonderer Bedeutung, sondern auch vom Zeitpunkt her, zu dem sie stattfand. Das Motto der Konferenz war: „Ostseekooperation – Brücken in die Zukunft“.

Was lag näher, als das eigentliche Konferenzgeschehen auf der einen Seite der neuen Brücke über den Øresund - in Malmö - stattfinden zu lassen und mit einem Empfang auf der anderen Seite – in Kopenhagen auf Christiansborg – zu beginnen? Diese Brücke ist, wie eine amerikanische Zeitung es formulierte, ein „Symbol für ein vereintes Europa“. Sie ist in der Tat ein Sinnbild für die Annäherung von Schweden und Dänen, ein Sinnbild für die Anbindung des skandinavischen Raumes an Mitteleuropa und ein Sinnbild für die Regionen in Europa als die eigentlichen Entwicklungsträger.

Zu diesem Sinnbild für die Regionen passte auch die inhaltliche Orientierung der 9. Ostseeparlamentarierkonferenz auf die Nördliche Dimension und deren Chancen und Herausforderungen für die regionale und subregionale Zusammenarbeit. Der Verlauf der Konferenz war stärker parlamentarisch geprägt, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Zum ersten Mal wurde in Arbeitsgruppen mit den Themenschwerpunkten „Transeuropäische Netze“ und „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit“ gearbeitet. Aus den Delegationen und aus den Arbeitsgruppen flossen die Beratungsergebnisse in die Schlussresolution ein.

Lassen sie mich die wichtigsten Punkte dieser Resolution kurz nennen: Neben der grundsätzlichen Forderung nach der Stärkung und dem Ausbau der regionalen und subregionalen Zusammenarbeit finden Sie die Forderung nach einer Intensivierung des Jugendaustausches und der Schaffung einer Ostseejugendstiftung. Als Keimzelle dieser Stiftung kann möglicher

weise das schon bestehende Ostseejugendsekretariat in Kiel dienen, auf das die Resolution ausdrücklich Bezug nimmt.

Weiterhin wird die Bildung einer Ring-Universität rund um die Ostsee herum vorgeschlagen. Teilnehmen soll mindestens je eine Hochschule aus den zehn Ostsee-Anrainerstaaten.

Eingebettet in den Bereich der Bildung ist auch die Forderung nach einer internationalen Sommerakademie zum Thema „Die Ostseeregion im neuen Europa“. Zu dieser Idee der Sommerakademie für junge Führungskräfte aus dem Ostseeraum hat bekanntlich das Schleswig-Holsteinische Institut für Friedenswissenschaften, kurz SCHIFF, den Anstoß gegeben und der Konferenz eine grundlegende Ausarbeitung vorgelegt. Ich habe Sie, Frau Ministerpräsidentin, hierauf in einem Schreiben besonders aufmerksam gemacht und in zweifacher Hinsicht um Unterstützung gebeten, zum einen, die Förderung des Projektes in Gestalt von Stipendien seitens der schleswig-holsteinischen Wirtschaft im Initiativkreis Ostsee zu erörtern, und zum andern, in einer konzertierten Aktion von Landtag und Landesregierung dem Bundesaußenminister als derzeitigem Vorsitzenden des Ostseerates vorzuschlagen, dass dieser die Schirmherrschaft übernimmt.

Denn hier - beginnend in Schleswig-Holstein in der Europäischen Akademie in Sankelmark - soll ein Ostseeprojekt vom Stapel laufen, das über Jahre angelegt und unabhängig vom jeweiligen Vorsitz im Ostseerat in den ganzen Ostseeraum hineinwirkt.

Weitere Themen der Resolution sind die Kooperation im Bereich der Energie, nicht zuletzt im Bereich der erneuerbaren Energien, die Verbesserung der Transportsysteme rund um die Ostsee, der Abbau noch bestehender Handelsbarrieren und der grenzüberschreitende Kampf gegen das organisierte Verbrechen.

Eine deutliche Erweiterung erfuhr der Antrag Mecklenburg-Vorpommerns für einen besseren Schutz und mehr Sicherheit im Schiffsverkehr. Dieses Anliegen wurde um die Forderung nach einem abgestimmten internationalen Krisenmanagement erweitert.

Ich möchte in diesem Zusammenhang einige Sätze zu dem Vortrag von Konstantin Kosachev, stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses der russischen Duma und enger Mitarbeiter des früheren Außenministers Primakow, sagen. Sein Beitrag zu Konferenzbeginn wirkte wie ein Paukenschlag, als er in der Palette russischer Reaktionsmöglichkeiten auf eine angeblich festgestellte und fortgesetzte Missachtung seiner Nation bei wichtigen internationalen Entscheidungen das Mittel der Aggression nicht ausschloss. Er beklagte nicht nur die Isolation Russlands

(Landtagspräsident Heinz-Werner Arens)

die letzte Entscheidung, an der Russland gleichberechtigt beteiligt worden sei, sei die Entscheidung zur Wiedervereinigung Deutschlands gewesen -, er lehnte auch den Beitritt weiterer Länder zur NATO ab. Gleichwohl betonte der Duma-Abgeordnete, dass eine Vertiefung der europäischen Integration, die einhergehen müsse mit dem Ausschöpfen des Vertrages über die Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen Russland und der Europäischen Union, gute Voraussetzungen für eine gesamteuropäische Wirtschaftsund Rechtsstruktur berge.

Alles in allem bin ich optimistisch, dass die Zusammenarbeit mit den russischen Regionen auch und besonders im Rahmen der Ostseeparlamentarierkonferenz eine positive Dimension hat. Russland ist sicherlich nicht die erste Großmacht in der Geschichte, die Probleme hat, ihre neue Rolle in der Weltpolitik zu finden und zu akzeptieren.

Die 9. Ostseeparlamentarierkonferenz begreift die in der Abschlussresolution enthaltenen Forderungen nicht als Selbstzweck. Sie sind - wie es in der Resolution heißt - Forderungen, die sich an die eigenen Parlamente, an die eigenen Regierungen und - ich füge hinzu - auch an die Europäische Union richten.

Vor uns liegt nicht nur die Aufgabe, die Umsetzung der Forderungen von Malmö bei unseren Parlamenten, Regierungen und der EU einzufordern, wir müssen die Ostseeparlamentarierkonferenz und ihre Arbeit auch ständig als Sprachrohr sehen. Wir müssen ihr eine Sprecherrolle geben. Gespräche mit dem Ostseerat, mit den Brüssler Institutionen, aber auch mit Nichtregierungsorganisationen stehen im Arbeitsprogramm des Standing Committee, des permanenten Arbeitsgremiums der Ostseeparlamentarierkonferenz.

Mit der Konferenz von Malmö sind bis zur 10. Ostseeparlamentarierkonferenz in Greifswald am 3. und 4. September 2001 der Vorsitz in der Konferenz und auch das Sprecheramt für das Standing Committee auf Schleswig-Holstein übergegangen. Dies ist viel Ehre, aber auch viel zusätzliche Arbeit für mich und meine Mitarbeiter, aber eben auch eine Chance für Schleswig-Holstein.

Ich denke, dass wir unsere Rolle in der Ostseekooperation als Impulsgeber und ständiger Mitarbeiter weiter fortsetzen wollen. Ich möchte meinen Vorsitz nutzen, um bei der Vorbereitung der nächsten Konferenz den in unserem Land vorhandenen Sachverstand hier im Parlament, insbesondere im Europaausschuss, möglichst umfassend zu nutzen, um die Dinge voranzutreiben. Damit meine ich nicht nur das Parlament, sondern alle Bereiche in unserem Land, soweit sie sich mit der Ostseekooperation befassen.

Lassen Sie mich abschließend ein paar Bemerkungen zu der öffentlichen Berichterstattung über die Ostseeparlamentarierkonferenz machen. Ich bin froh und dankbar, dass wir in der Zwischenzeit überhaupt öffentlich wahrgenommen werden, was jahrelang gar nicht der Fall war. Wer nicht öffentlich wahrgenommen wird, kann auch nicht wirken. Wenn es kritische Töne in der Begleitung gab, ob denn die Ostseeparlamentarierkonferenz nicht ein bisschen viel heiße Luft erzeugt habe, dann will ich dem so ohne weiteres gar nicht widersprechen, sondern will es zunächst einmal als Ansporn sehen, noch kräftiger und zugespitzter in den Arbeitsstrukturen zu werden. Insofern kann man das als Unterstützung verstehen.

Zwei Bemerkungen möchte ich dennoch machen. Erstens ist die Ostseeparlamentarierkonferenz ein Gremium, in dem nationale Parlamente und regionale Parlamente gleichberechtigt miteinander nach dem Konsensprinzip arbeiten. Das ist eine Kultur, die es so woanders nicht gibt. Wenn man Arbeitsergebnisse erreichen will, muss man überzeugen und sich abstimmen. Mit Druck und Mehrheitsentscheidungen ist da nichts zu machen. Dieses Instrument des Konsensprinzips werden wir in der Zukunft beibehalten.

Zweitens möchte ich anmerken: Man mag mit dem wertenden halb vollen oder halb leeren Glas an jedes Ergebnis herangehen, aber eines scheint mir sicher zu sein - perspektivisch wird die Ostseeparlamentarierkonferenz in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten erheblich mehr als heute gebraucht werden. Sie ist das einzige politische Gremium im osteuropäischen Erweiterungsprozess und damit in der europäischen Integration, das Mitglieder, Mitgliedstaaten der EU, Nochnicht-Mitgliedstaaten und Nie-Mitgliedstaaten der EU an einen Tisch bringt. Unter dem Aspekt Stabilität und Frieden im Zuge der osteuropäischen Erweiterung in Europa ist es gut zu wissen, dass wir ein Forum haben, in dem alle beteiligten Gremien - auch der regionalen Ebene, auch der nationalen Ebene - sitzen.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich bin daher der Auffassung, dass sie notwendig ist.

Eine letzte Bemerkung, wenn man es denn so deutlich sagen will: Wir müssen unsere Arbeit an unseren eigenen verfassungsrechtlichen Aufgaben und Forderungen messen. Unsere Aufgabe ist es nicht, von morgens bis abends mit dem Geldsack durch die Lande zu laufen und Wohltaten über Gerechte und Ungerechte zu verteilen, sondern unsere Aufgabe ist es, Handlungsrahmen abzustecken, Legitimität für regierungsamtliches Handeln, Impulse zu geben, Brücken zu schlagen, Kooperationen aufzubauen und eine Moderatoren