Guten Morgen, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die heutige Sitzung und möchte Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen.
Erkrankt sind Frau Ministerin Moser und Herr Abgeordneter Bernd Schröder, denen wir von hier aus nochmals gute Besserung wünschen.
Beurlaubt sind die Abgeordneten Ulrike Rodust und Peter Jensen-Nissen. Wegen dienstlicher Verpflichtung auf Bundesebene ist Herr Minister Buß beurlaubt.
a) Ablehnung einer Ausbildungsplatzabgabe Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/3329 Änderungsantrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/3365 Änderungsantrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/3403
Mit dem Antrag Drucksache 15/3375 wird ein Bericht in dieser Tagung beantragt, sodass ich zunächst einmal über den Berichtsantrag der Fraktion der CDU abstimmen lasse. Wer dem Berichtsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Lösung des Ausbildungsproblems muss in diesem Jahr absoluten Vorrang haben vor allen anderen Diskussionen. Wir sind es unseren Jugendlichen schuldig, dass wir nicht nur versuchen, der Entwicklung
hinterherzulaufen, sondern dass wir versuchen, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mittel gemeinsam, natürlich vor allem mit der Wirtschaft, so viele Ausbildungsplätze bereitzustellen, dass alle Jugendlichen in Schleswig-Holstein ein vernünftiges Ausbildungsangebot bekommen. Das muss unser Ziel sein.
Sie wissen, wir rechnen in diesem Jahr mit einem Anstieg der Zahl der Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz oder eine Ausbildung wollen, nach der Zahl der Schulabgänger auf etwa 1.000. Das heißt, das Problem wird in diesem Jahr nicht kleiner, sondern es wird in diesem Jahr noch größer bei immer noch verhaltener Wirtschaftsentwicklung.
Auch in diesem Jahr werden wir im Rahmen des Bündnisses für Arbeit, an dem wir zurzeit mit den Partnern arbeiten, hier in Schleswig-Holstein wiederum zeigen, dass ein freiwilliges Bündnis, das aber auch gemeinsame Verpflichtungen enthält, der beste Weg zur Lösung der Ausbildungsprobleme ist. Wir werden es in diesem Jahr schaffen. Wir sind in engen Verhandlungen mit den Bündnispartnern darüber, wie wir durch eine weitere Präzisierung der Ziele durch zusätzliche verbindliche Vereinbarungen in unserem Bündnis, auch durch zusätzliche Maßnahmen der öffentlichen Hand und natürlich vor allen Dingen durch noch mehr Engagement der Betriebe, die bisher nicht ausbilden, das Ausbildungsproblem lösen.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir zwar einerseits viele Unternehmen gerade in SchleswigHolstein haben, die nicht nur für sich selbst, sondern über Bedarf ausbilden, also für andere mit ausbilden, wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass es zu viele Unternehmen gibt, die ausbildungsfähig sind, die die Ausbildungsfähigkeit besitzen, aber dennoch nicht ausbilden. Darüber beklagen sich zu Recht auch die Unternehmen, die ausbilden. Das müssen wir ändern.
Die Bündnispartner, die Arbeitsverwaltung, die Arbeitgeber und die Gewerkschaften, haben hervorragend kooperiert. Es konnten im vergangenen Jahr 2003 im Bündnis für Ausbildung nach drei Jahren des Rückganges zum ersten Mal Gott sei Dank wieder mehr Ausbildungsstellen bereitgestellt werden. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bei allen Beteiligten bedanken, insbesondere bei den Unternehmen, die diese Ausbildungsplätze trotz schwieriger Situation bereitgestellt haben.
Wie sieht es für 2004 aus? Man muss sehen, dass die Zahlen im April noch sehr vorläufigen Charakter haben, dass das Vermittlungsgeschehen gerade erst begonnen hat, dass man die Zahlen nicht überinterpretieren darf. Wir stellen bisher fest: mehr Bewerber als 2003, wie vorausgesagt, wir stellen fest, dass die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge etwas über Vorjahresniveau liegt, aber die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen unter Vorjahr. Das heißt, schon jetzt ist erkennbar, möglicherweise bedingt durch die Diskussion über die Ausgestaltung einer Ausbildungsabgabe, dass sich die Unternehmen im Moment mit neuen Ausbildungsstellen noch zurückhalten. Das darf so nicht bleiben. Wir müssen dazu kommen, dass die Unternehmen in diesem Jahr mehr Ausbildungsplätze anbieten.
Zur Ausbildungsplatzabgabe! Sie kennen die Position der Landesregierung. Wir haben sie hier im Landtag fraktionsübergreifend diskutiert und haben auch eine gemeinsame Linie gefunden. Wir haben nämlich gesagt, wir in Schleswig-Holstein im Bündnis für Arbeit brauchten eine solche Abgabe nicht, wir setzen auf ein Bündnis, allerdings - ich komme darauf zurück - auf ein verändertes Bündnis. Wir würden uns, wenn ein Abgabengesetz auf Bundesebene kommt, für regionale Öffnungsklauseln einsetzen. Wir haben aber auch immer deutlich gemacht, dass wir eine Lösung des Problems finden müssen. Einfach nur zuzuwarten und zu schauen, wie sich das Ausbildungsthema entwickelt, das können wir uns nicht erlauben.
Deswegen haben wir in den letzten Monaten mit Vertretern der Bundesregierung, mit Vertretern anderer Länder sehr intensiv darüber diskutiert, wie man das Problem auf der Grundlage von Bündnissen lösen kann. Ich freue mich, dass Herr Müntefering gestern den Vorschlag des DIHT und der anderen Wirtschaftsverbände aufgegriffen hat, den Versuch zu unternehmen, das Abgabengesetz in diesem Jahr nicht zur Anwendung kommen zu lassen, sondern durch einen freiwilligen, aber - ich füge hinzu - verbindlichen Pakt für Ausbildungsplätze für eine gewisse Zeit zu ersetzen.
Meine Damen und Herren, ich sage „verbindlich“, weil wir uns mit vagen Zusagen nicht zufrieden geben dürfen.
Was heißt „verbindlich“? - Ich möchte es Ihnen kurz skizzieren; ich habe auch in Schleswig-Holstein mit den Bündnispartnern erste Gespräche dazu geführt.
Erstens. Wir müssen in den Bündnisvereinbarungen versuchen, die Ziele ganz präzise zu beschreiben. Wir dürfen nicht allgemein sagen, dass wir Ausbildungsplätze brauchen, sondern wir müssen klipp und klar sagen, dass wir in dem und dem Umfang mehr Ausbildungsplätze als in den letzten Jahren brauchen. Das erfordert die Ehrlichkeit.
Zweitens. Wir brauchen zusätzliche Maßnahmen im Bündnis für Ausbildung, die bis zum September greifen; diese stimmen wir zurzeit ab. Wir brauchen Verbindlichkeit über den Prozess, der im September einsetzt, bezüglich der Jugendlichen, die bis dahin noch keinen Ausbildungsplatz bekommen haben; dafür haben wir Vorschläge gemacht. Wir haben gesagt: Es muss dann ein Nachvermittlungsprozess einsetzen, wie er schon im letzten Jahr gelaufen ist, aber eine höhere Verbindlichkeit bekommt, indem wirklich jedem, der sich noch beim Arbeitsamt oder woanders meldet, ein Gespräch oder im Zweifel mehrere Gespräche vermittelt werden. Wenn dieser Jugendliche dann nicht zum Gespräch erscheint, muss man mit ihm reden; alle Probleme kann man aber auch so nicht lösen.
Man muss sich jeden Fall im Einzelnen vornehmen und versuchen, eine Lösung zu finden. Ich füge hinzu: Diese Lösung kann nicht immer ein Ausbildungsplatz sein. Denn wir stehen vor der Tatsache, dass bestimmte Jugendliche bezogen auf die betriebliche Ausbildung nicht ausbildungsreif sind.
Dann wird es Ausbildungsangebote im Bereich der Berufsvorbreitung geben. Da ist das Land gefordert. Da werden wir mehr Geld ausgeben müssen. Das ist eine Verschiebung, die wir schweren Herzens wohl tragen müssen, weil wir diese Jugendlichen nicht alleine lassen können. Aber wir müssen dafür sorgen, dass die Ausbildungsqualität verbessert wird und dass auch für diese Auszubildenden - Stichwort: modulare Ausbildung - neue Ausbildungsangebote gemacht werden.
Sie wissen vielleicht, dass wir in Schleswig-Holstein einen Modellversuch dazu starten, und ich hoffe sehr, dass dieser Modellversuch, der auch von den Gewerkschaften getragen wird, zu positiven Ergebnissen führt.
In den Gesprächen mit Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind wir eng in der Abstimmung darüber, wie wir uns ein solches verbindliches Bündnis für Ausbildung vorstellen. Zu solch einem Bündnis gehört auch das Bemühen der Tarifpartner, auf
Meine Gesprächspartner in Schleswig-Holstein - wohlgemerkt: beide Seiten - haben mir zugesagt, dass sie das versuchen wollen. Das heißt, es gibt eine grundsätzliche Bereitschaft. Ich hoffe sehr, dass diese zum Tragen kommt.
Ich möchte noch einige Anmerkungen zur Situation machen. Es ist ein Bericht erwünscht gewesen, den wir hier natürlich nicht vollständig geben können. Ich bitte um Verständnis. Wir können darüber noch im Wirtschaftsausschuss oder an anderer geeigneter Steller beraten.
Zur Zahl der noch unversorgten Bewerber aus dem Vorjahr will ich ergänzen: Die Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit hat uns mitgeteilt, dass von den 700 per 30. September 2003 unvermittelten Bewerbern Ende März 2004 279 noch nicht vermittelt worden sind.
Zur Erläuterung: Viele dieser Jugendlichen sind bei den Nachvermittlungsaktionen der Kammern und Agenturen für Arbeit im Herbst vergangenen Jahres nicht erschienen. Denen, die erschienen sind, konnten nach Angaben der Kammern rechnerisch sogar mehrere Ausbildungsangebote gemacht werden. Es gab nämlich 511 Angebote für 326 Jugendliche. Man muss also zumindest mit der Möglichkeit rechnen, dass ein Teil der 279 Jugendlichen, die in der Statistik der BA noch verblieben sind, kein primäres Interesse an Ausbildung hatte, sondern möglicherweise finanzielle Ansprüche wie Kindergeld absichern wollte.
Über die finanziellen Auswirkungen der geplanten Ausbildungsplatzabgabe auf die Wirtschaft und die Kommunen haben wir noch keine verlässlichen Daten. Uns liegen natürlich die Berechnungen vor, die auch Ihnen aus Rundfunk und Fernsehen bekannt sind. Die Berechnung hängt von der Anzahl der zu finanzierenden Plätze und der Anzahl der Ausbildungsplätze ab.
Eine Modellrechnung in der Begründung des Entwurfs nennt bei einer Lücke von 30.000 unversorgten Jugendlichen eine Gesamtbelastung für alle Arbeitgeber von 2,7 Milliarden €. Der Städteverband Schleswig-Holstein hat auf dieser Basis für die kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein ohne Eigenbetriebe einen Betrag von 1,6 Millionen € errechnet.
Zu den Auswirkungen auf das Angebot kann ich an dieser Stelle nur sagen: Die Landesregierung ist davon überzeugt, dass wir in Schleswig-Holstein eher ein ausreichendes Angebot durch ein verbindliches
Ausbildungsbündnis als durch eine solche Abgabe erreichen. Wir werden im weiteren Verfahren erstens den Abgabenvorschlag prüfen. Wir werden uns zweitens insbesondere dafür einsetzen - wie wir es hier im Landtag immer gesagt haben -, dass wir entweder zu einer regionalen Lösung kommen oder dass wir für ganz Deutschland - und das ist der neue Weg, den wir gehen wollen - verbindliche Bündnisse für Arbeit auf freiwilliger Basis schaffen, die diese Ausbildungsplätze bereitstellen sollen.