Der Reihenfolge der gestellten Anträge folgend darf ich für den Antragsteller BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN/SPD dem Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls das Wort erteilen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legen Ihnen heute den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der kommunalen Verwaltungsstruktur vor. Vergessen Sie bitte alles, was Sie dazu im Vorfeld bereits gelesen oder gehört haben; es ist überwiegend falsch.
Erstens. Aus der Sicht der SPD-Landtagsfraktion bedeutet Verwaltungsstrukturreform nicht Gebietsreform von oben, nicht Abschaffung der Kreise und nicht Zerschlagung der gewachsenen Ämterstruktur vom rot-grünen Tisch in Kiel. Wir stellen bei den Beratungen und Entscheidungen alles auf den Prüfstand, auch im Bereich der Kommunalverwaltung. Wir wollen kein Tabu haben, aber bitte in den betroffenen Kreisen und Gemeinden auch keine Panik. Bei dieser grundsätzlichen Position der SPD-Landtagsfraktion bleibt es.
Daraus folgt: Die Befürchtungen des SchleswigHolsteinischen Gemeindetages, die Landesregierung wolle mit gesetzgeberischen Maßnahmen eine Kommunalreform erzwingen - vergleiche Landeszeitung vom 23. August 2004 -, ist unbegründet. Der Gesetzentwurf, den wir heute vorlegen, will das genaue Gegenteil. Der vom Gemeindetag selbst erklärten Intention exakt entsprechend wollen wir mit dem Gesetz genau wie der Gemeindetag - ich zitiere - „alle Anstrengungen zu Kooperationen und vergrößerten Verwaltungseinheiten unterstützen, wo dies vor Ort gewollt ist“.
Auch wir treten für Freiwilligkeit ein und setzen darauf. Wir respektieren die verfassungsrechtliche Garantie kommunaler Selbstverwaltung und sagen: Wo sich Bürger selbst verwalten, hat sich der Staat rauszuhalten.
Zweitens. Die Reformbedürftigkeit unserer kommunalen Verwaltungsstrukturen kann ernsthaft nicht bezweifelt werden. Der Landesrechnungshof hat sie
Ausgangspunkt der Prüfung des Landesrechnungshofs war die breite landes- und kommunalpolitische Diskussion zur Größenordnung leistungsfähiger Kommunen und zur Notwendigkeit verstärkter interkommunaler Zusammenarbeit. Der Landesrechnungshof kommt zu dem Ergebnis, „dass alle Ämter, amtsfreien Städte und Gemeinden unter 9.000 Einwohnern ihre Anstrengungen im Hinblick auf Verwaltungszusammenschlüsse deutlich verstärken sollten, um die Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit der Verwaltungen zu steigern“.
Schon durch die Zusammenlegung zweier kleiner Verwaltungen - so der Landesrechnungshof - könnten mindestens durchschnittlich vier Planstellen eingespart werden, was längerfristig einer jährlichen Personalkostenreduzierung von rund 200.000 € entspräche. Der Landesrechnungshof befürwortet für Ämter und amtsfreie Städte und Gemeinden gleichermaßen eine Mindestgröße von 6.000 Einwohnern und eine anzustrebende Optimalgröße von 9.000 Einwohnern und mehr. Er weist dann allerdings ausdrücklich darauf hin, dass die jeweilige Mindest- und Optimalgröße auch durch die Zusammenlegung hauptamtlicher Verwaltungen ohne Gebietsreform erreicht werden kann.
Wir wollen mit unserem Gesetzesantrag Anreize für die vermehrte Zusammenlegung hauptamtlicher Verwaltungen geben, ohne dass wir die Souveränität der politischen Gemeinden in Schleswig-Holstein und die Gemeindegrenzen antasten. Auch in kleineren Gemeinden - das ist unsere feste Überzeugung - kann die verdienst- und verantwortungsvolle ehrenamtliche Arbeit der Gemeindevertretungen und -versammlungen für das Wohl der Gemeinde gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Drittens. Der Gesetzentwurf selbst beruht auf einem Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der in der Landtagssitzung am 28. April dieses Jahres beschlossen wurde und mit dem die Landesregierung aufgefordert wurde, unverzüglich einen Gesetzentwurf einzubringen, der die freiwillige Zusammenarbeit von Verwaltungen im kommunalen Bereich fördert und dabei auch neue Formen kommunaler Zusammenschlüsse ermöglicht. Dies geschieht mit dem Gesetzentwurf. Wir haben den Formulierungsvorschlag der Regierung als Gesetzentwurf übernommen und bringen ihn heute ein, damit für das parlamentarische Verfahren bis zum vorgesehenen Inkrafttreten am 1. Januar 2005
genügend Beratungszeit, insbesondere für die Anhörung mit den kommunalen Landesverbänden, vorhanden ist.
Im Mittelpunkt des Gesetzentwurfs steht ein Vorschlag zur Änderung der schleswig-holsteinischen Amtsordnung. Die Ämterverfassung als solche hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in der Tat gut bewährt, insbesondere im ländlichen Raum. Wir wollen es dabei natürlich auch belassen. Wir wollen die Struktur durch unseren Gesetzentwurf noch stärken. Erreicht werden soll die Intensivierung der Zusammenarbeit bestehender Verwaltungseinheiten, zum Beispiel mehrerer Ämter miteinander oder aber auch eines Amtes mit einer amtsfreien Stadt oder Gemeinde. Wir wollen die Eingliederung bislang amtsfreier Gemeinden in bestehende Ämter erleichtern. Nicht zuletzt soll der Gesetzentwurf verbesserte Rahmenbedingungen für den Zusammenschluss mehrerer bisher amtsfreier Gemeinden zu einem neuen Amt schaffen.
Die Bildung eines solchen neuen Amtes planen bekanntlich die bisher amtsfreien Gemeinden am Kieler Ostufer: Heikendorf, Mönkeberg und Schönkirchen. Es wäre ein Amt, das für rund 18.500 Einwohner und Einwohnerinnen zuständig würde. Die planenden Gemeinden selbst halten für diese Größenordnung die ehrenamtliche Leitung des Amtes nicht mehr für ausreichend. Sie halten die Amtsleitung durch einen hauptamtlichen Amtsbürgermeister für erforderlich.
In Ämtern mit mehr als 8.000 bis zu 15.000 Einwohnern kann sich der Amtsausschuss künftig für die Wahl eines hauptamtlichen Amtsbürgermeisters entscheiden. Es kann aber auch bei der ehrenamtlichen Verwaltungsleitung durch den Amtsvorsteher bleiben.
Für Ämter mit mehr als 15.000 Einwohnern ist künftig grundsätzlich - so der Gesetzeswortlaut - die Verwaltungsleitung durch einen hauptamtlichen Amtsbürgermeister vorgesehen. Auf Antrag aber - auch das steht darin - kann es auch hier bei der ehrenamtlichen Verwaltungsleitung bleiben.
Die Wahl eines hauptamtlichen Amtsbürgermeisters soll nicht durch den Amtsausschuss, sondern durch eine so genannte Amtsversammlung aller Gemeindevertreterinnen und -vertreter der amtsangehörigen Gemeinden erfolgen. An der demokratischen Legitimation eines so gewählten Amtsbürgermeisters können ernsthafte Zweifel nicht bestehen. Wo künftig durch einen hauptamtlichen Amtsbürgermeister oder eine Bürgermeisterin die Verwaltung geleitet wird,
wird die Bestellung eines leitenden Verwaltungsbeamten entbehrlich, sodass auch die im Vorfeld geäußerte Kritik in sich zusammenfällt, mit dem Amtsbürgermeister sollten trotz leerer öffentlicher Kassen nur neue gut bezahlte Pöstchen geschaffen werden; vergleiche Landeszeitung vom 11. August 2004.
Es geht um die fach- und sachgerechte hauptamtliche Leitung größerer Amtsverwaltungen auf Wunsch der amtsangehörigen Gemeinden so, wie sie jetzt schon für alle amtsfreien Städte und Gemeinden mit hauptamtlicher Verwaltungsleitung in der Gemeindeordnung in Schleswig-Holstein geregelt ist.
Meine Damen und Herren, ein weiterer wichtiger Vorschlag unseres Gesetzentwurfs ist die Änderung des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit (GKZ). Ich nenne hier nur drei Punkte.
Erstens: Die im GKZ bisher nur für Gebietskörperschaften angebotenen Kooperationsmöglichkeiten werden auf Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts erweitert.
Zweitens: Es wird das so genannte gemeinsame Kommunalunternehmen mehrerer kommunaler Körperschaften als weitere Möglichkeit kommunaler Zusammenarbeit in das GKZ aufgenommen.
Drittens - das ist besonders bedeutsam für die Gemeinden im Hamburger Umland und an der Hamburger Stadtgrenze -: Auch landesgrenzenübergreifend soll die Zusammenarbeit kommunaler und anderer öffentlicher Körperschaften künftig möglich sein. Mit einer Experimentierklausel im GKZ entsprechend § 135 a Gemeindeordnung wollen wir zusätzlich die Fantasie aller schleswig-holsteinischen Gemeinden, Kreise, Ämter und Zweckverbände anregen, die neue Formen der kommunalen Zusammenarbeit frei von vorgegebenen Organisationsformen und Organisationsnormen ausprobieren wollen.
Wir sind zuversichtlich, dass wir mit unserem Gesetzentwurf die rechtlichen Voraussetzungen für vermehrte freiwillige interkommunale Zusammenarbeit in Schleswig-Holstein erheblich verbessern, und freuen uns auf die Beratungen im Fachausschuss.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der heute in erster Lesung zu beratende Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen zur Verbesserung der kommunalen Verwaltungsstruktur dokumentiert aus meiner Sicht schon ein wenig die Panik, jetzt nachweisen zu müssen, dass man bei der Änderung der Verwaltungsstrukturen doch irgendetwas getan hat, bevor der 20. Februar nächsten Jahres gekommen ist. So reicht die Landesregierung ihre selbst erarbeiteten Gesetzentwürfe als Formulierungsvorschlag an die Regierungsfraktionen weiter, um eine frühzeitige Beteiligung Betroffener im Rahmen einer Anhörung des Referentenentwurfs zu umgehen. Vielleicht war es aber auch nicht nur der Zeitdruck, der die Regierung zu diesem Verfahren veranlasste, sondern auch die Erkenntnis, dass es natürlich zu berechtigten Sorgen und erheblicher Kritik an dem Gesetzentwurf kommen würde.
Bevor ich auf den Inhalt eingehe, möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass die Einbringung des Gesetzentwurfs ferner zeigt, was man von den Vorschlägen und Zusagen der SPD-Fraktion zu halten hat. Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten aus dem Protokoll des Sonderausschusses „Kommunales Verfassungsrecht" vom 6. Mai 2000, wo unter Tagesordnungspunkt „Änderung der Amtsordnung" - da haben wir uns zum ersten Mal darüber unterhalten, Herr Kollege Puls - Folgendes nachzulesen ist:
„Abg. Puls erinnert an das einvernehmliche Bestreben des Ausschusses, in nächster Zeit den Bereich der Amtsordnung grundsätzlich zu überprüfen… Er schlägt vor, dass sich der Innen- und Rechtsausschuss mit diesem Thema beschäftigt. - Der Ausschuss stimmt dem zu."
Das war vor vier Jahren und jetzt kommen Sie mit dieser Sache aus der Hosentasche. Ob das eine angemessene Beratung ist, mag jeder selbst beurteilen.
Herr Kollege Puls, anstatt eine einvernehmliche Regelung herbeizuführen, liegt nun dieser unausgegorene Gesetzentwurf vor. Die Wortbrüchigkeit der Regierungsfraktionen dokumentiert auch ein Stück Ihres Parlamentsverständnisses.
Zum Gesetzentwurf Folgendes! Die Vorschläge zur Änderung des Gesetzes zur kommunalen Zusammenarbeit finden unsere grundsätzliche Zustimmung, da durch die Neuregelung unter anderem die Möglichkeit eröffnet wird, öffentlich-rechtliche Vereinbarungen auch mit anderen Körperschaften, An
stalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts abzuschließen. So können kommunale Körperschaften den bei anderen öffentlichen Stellen vorhandenen Sachverstand auf relativ einfache Weise in Anspruch nehmen, was auch sinnvoll ist. Das ist sicherlich positiv.
Der Titel „Verbesserung der kommunalen Verwaltungsstruktur" ist aber eine reine Mogelpackung. So bildet die Änderung der Amtsordnung den Kern des Gesetzentwurfs, ohne aber den Weg zu einer modernen Anforderungen entsprechende Weiterentwicklung der Ämter zu beschreiten und ohne Wege aufzuzeigen, wie Verwaltungen kooperieren oder fusionieren können und welche Anreizsysteme es dafür gibt. Das gehört doch dazu! Sie können doch nicht einfach nur sagen, so sieht das aus, so können wir ein Modell machen! Sie müssen natürlich auch Anreizsysteme entwickeln, damit etwas in Bewegung kommt.
Der Gesetzentwurf berücksichtigt nicht, dass das Amt in seiner jetzigen Form nach allgemeiner Auffassung keine Gebietskörperschaft im Sinne des Artikels 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz ist und sich damit nicht auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie berufen kann. Ich bin da gespannt auf die juristischen Ausführungen des Innenministers. Gleichwohl soll der neu zu schaffende Amtsbürgermeister ohne Gebietskörperschaft mit dem Bürgermeister einer Gemeinde vergleichbar sein oder gleichgestellt werden, was in sich schon logisch ist, aber natürlich noch Ihrer rechtlichen Erklärung bedarf. Ich bin gespannt darauf, Herr Innenminister.
Die vorhandene Problematik der erforderlichen demokratischen Legitimation des Amtes aufgrund einer immer größeren Übertragung von gemeindlichen Selbstverwaltungsaufgaben auf das Amt ist durch die Wahl eines Amtsbürgermeisters leider nicht gelöst. Hier könnte nur die Direktwahl der ehrenamtlichen Bürgermeister und gegebenenfalls die Direktwahl der weiteren Mitglieder des Amtsausschusses oder meinetwegen auch der Amtsversammlung Abhilfe schaffen.
Das neue Gesetz würde dazu führen, dass einerseits weiterhin die Ämter in der jetzigen Gestalt bestehen bleiben, andererseits aber auch solche Ämter entstehen können, die durch ihre hauptamtliche Verwaltung wie Gemeinden auftreten.
Diese Problematik wird im Gesetzentwurf nicht angesprochen. Dafür löst aber der Gesetzentwurf immerhin die drängende Frage, dass die Gleichstellungsbeauftragte einer Gemeinde, die in ein Amt eingegliedert wurde, „zur Sicherstellung einer kontinuierlichen Aufgabenwahrnehmung ein weiteres Jahr im Amt bleibt, wenn nicht ein Weiterbestehen der Funktion über diesen Zeitraum hinaus vorgesehen wird".