Guten Morgen, meine Damen und Herren. Ich begrüße Sie zum zweiten Sitzungstag der 46. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Die Sitzung ist eröffnet und ich stelle fest, dass das Haus beschlussfähig ist.
Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, will ich Besucherinnen und Besucher begrüßen. Zurzeit nehmen auf der Tribüne Platz Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrkräften der Grund- und Hauptschule Viöl/Nordfriesland sowie Seniorinnen und Senioren der Arbeiterwohlfahrt aus Neumünster. - Herzlich willkommen!
Ich erteile dem Minister für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft das Wort. Herr Minister Müller, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Wir diskutieren heute ein wirklich schwergewichtiges Thema. Das haben Sie am Umfang des Berichtes gemerkt.
Im Sommer dieses Jahres haben sich plötzlich Menschen mit dem Thema Klimawandel beschäftigt, die dies sonst wahrscheinlich nicht getan hätten. Rund um die Kinoproduktionen aus Hollywood haben sich viele Menschen damit beschäftigt, ob nicht die Folgen eines Klimawandels wesentlich näher sein könnten. In der Tat, auch wenn die Prognose und das Szenario des Films sicherlich unrealistisch ist, die Konsequenzen des Klimawandels sind bereits zu spüren und seine Verhinderung muss Gegenstand einer langfristig denkenden und verantwortungsbewussten Politik sein, global wie regional.
Die Landesregierung hat in den Bereichen Klimaschutz und Agenda 21 viel erreicht, sich aber weiterhin ehrgeizige Ziele für die Zukunft gesetzt. Dokumentiert wird dies durch den vorliegenden Bericht zur Agenda 21 und zum Klimaschutz. Darin berichtet die Landesregierung auf Wunsch des Landtages über Projekte, Strategien und Ziele in den Bereichen Agenda 21 und Klimaschutz. Der
genda 21 und Klimaschutz. Der Schwerpunkt liegt in den Bereichen Wirtschaft, Verkehr, Abfall sowie Land- und Forstwirtschaft. Den Energiebereich haben wir bereits mit dem Energiebericht abgedeckt und diskutiert. Zudem stellen wir uns den Herausforderungen darzustellen, wie die energie- und klimaschutzpolitischen Ziele der Landesregierung bis 2010 erreicht werden können. Mit dem Bericht wollen wir also nicht nur das Erreichte aufzeigen, sondern ein gutes Stück in die Zukunft schauen. Herzstück des Berichtes sind daher die 21 Punkte für die zukünftige Politik im Rahmen der Agenda 21 und zum Klimaschutz.
Vom globalen Klimawandel wird auch SchleswigHolstein betroffen sein. Als Land zwischen den Meeren hat Schleswig-Holstein ein besonderes Interesse, den Anstieg des Meeresspiegels zu begrenzen. Bei Temperaturerhöhungen von 1,4 bis 5,8° C zwischen 1990 und 2100 muss nach neuen Studien von einem Meeresspiegelanstieg von bis zu 88 cm ausgegangen werden.
Schon heute reagiert die Landesregierung durch Küstenschutzmaßnahmen und Deicherhöhungen auf diese mittel- und langfristige Bedrohungsanalyse. Wir werden und dürfen mit diesen Anstrengungen nicht nachlassen, auch wenn wir wissen, welche enormen Belastungen für den öffentlichen Haushalt damit verbunden sind.
Aber auch andere Bereiche dokumentieren den heranziehenden Klimawandel. Sie alle haben den Hitzesommer 2003 erlebt. Aufgrund lang anhaltender Trockenheit kam es zu Ernteeinbußen in der Landwirtschaft; die Schifffahrt auf der Elbe musste wegen Niedrigwasser eingestellt werden. Auch wenn man sicherlich keinen kausalen Zusammenhang 1:1 für jedes Großwetterereignis herstellen kann, so sind sich doch inzwischen alle seriösen Wissenschaftler einig, dass die Häufung von Extremwetterereignissen wie Starkregen, Hagelschlag und Stürme in Zukunft sehr viel mit dem Klimawandel zu tun hat und große volkswirtschaftliche Schäden verursachen kann.
Klimaschutz wird daher zunehmend ein Thema der Versicherungswirtschaft. Allein die Hochwasserkatastrophe im August 2002 hat in Mitteleuropa Schäden von fast 20 Milliarden € verursacht, wovon allerdings nur ein Fünftel versichert war. Für die Bundesrepublik war die Überschwemmung mit Folgekosten von rund 9 Milliarden € die bisher teuerste Naturkatastrophe unserer Geschichte. Weltweit hat sich in den letzten zehn Jahren gegenüber der Dekade 1960 bis 1969 die Anzahl der großen Naturkatastrophen mehr als verdoppelt. Die volkswirtschaftlichen Schä
Unterlassener Klimaschutz wird extrem teuer werden. Eine vorbeugende Klimaschutzpolitik kann hingegen Schäden vermindern und sich zunehmend für die deutsche Wirtschaft auszahlen. Wer heute investiert und Lasten nicht in die Zukunft verschiebt, der macht eine nachhaltige Politik.
So sind bereits heute in Deutschland 1,5 Millionen Erwerbstätige im Umweltschutz beschäftigt. Das sind 3,8 % aller Beschäftigten. Im Bereich der erneuerbaren Energien sind circa 120.000 und im Bereich der Wärmedämmung von Gebäuden etwa 45.000 Erwerbstätige beschäftigt.
Die Landesregierung verfolgt ambitionierte Ziele der Klimaschutz- und Energiepolitik und hat eine Reihe von Erfolgen vorzuweisen. So sind die Emissionen des wichtigsten Treibhausgases Kohlendioxid in Schleswig-Holstein von 1990 bis 2000 um circa 10 % gesunken. 2001 erwarten wir aufgrund des kalten Winters einen leichten Anstieg. Ziel ist eine Senkung um 15 % bis 2010. Der Beitrag der erneuerbaren Energien am Energieverbrauch - ohne Verkehr - liegt bei 7 % im Jahre 2003, angestrebt wird ein Viertel.
Ziel der Landesregierung ist ein Stromanteil aus erneuerbaren Energien in Schleswig-Holstein von 50 % bis 2010. Im Jahre 2003 waren wir bei geringer Windausbeutung bei 24 %.
Verehrte Damen und Herren, ich vermute, dass der eine oder andere nachher dazu tendiert, zum wiederholten Male eine Diskussion über Atomausstieg und Windenergie zu führen. Das ist im Zweifelsfall ideologisch einfacher, meines Erachtens aber langweiliger, als sich auf die komplexe und spannende Vielfalt der Agenda-21- und Klimaschutzpolitik einzulassen. Genau das möchte ich aber jetzt anhand von vier exemplarisch herausgegriffenen Schwerpunkten unserer Politik tun.
Ein zentrales Handlungsfeld der Klimaschutzpolitik ist die Energieeinsparung beim Bauen und Wohnen. Während auf Bundesebene mit dem Förderprogramm von Bundesregierung und KfW gute Rahmenbedingungen für die energetische Sanierung geschaffen wurden, haben wir auf Landesebene eine Reihe von zusätzlichen Maßnahmen zur Förderung und Qualifizierung und Vernetzung der Akteure und für die Öffentlichkeitsarbeit umgesetzt. Ich nenne als
Stichwort das Zukunftsfeld nachhaltige Stadtentwicklung, das ein Leitbild für die Wohnungs- und Städtebauförderung des Landes ist.
Das Projekt nachhaltiges Bauen und Wohnen in Schleswig-Holstein zeigt mit vielen Akteuren aus der Bauwirtschaft auf, wie das Leitbild beim Bauen und Wohnen mit Leben erfüllt werden kann. Über einen Zeitraum von fünf Jahren hat die Energiestiftung, heute Innovationsstiftung, den Bau von Passivhäusern gefördert. Mehr als 40 Projekte bieten hier exemplarisch ein Vorbild. Im Februar 2004 startete die Förderung von Maßnahmen im Energiebereich mit dem Schwerpunkt unter anderem bei Wärmedämmmaßnahmen im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms. Hier wird Arbeit für das Handwerk geschaffen. Mit Hilfe des Impulsprogramms „wärmetechnische Gebäudesanierung“ wurde der Boden für qualitativ hochwertige und energieeffiziente Modernisierung bereitet.
Das zweite Handlungsfeld der Klimaschutzpolitik ist die Wirtschaft. Die CO2-Emissionen von Energiewirtschaft und Industrie sind überproportional gesunken. Der Emissionshandel, den die Landesregierung immer unterstützt hat, wird diese Entwicklung weiter vorantreiben.
Zur Vorbereitung unserer heimischen Wirtschaft auf den Emissionshandel leistet die Innovationsstiftung in Kooperation mit der Vereinigung der IHKs, den Unternehmensverbänden und der Landesregierung eine hervorragende vorausschauende Arbeit.
Zum Dritten möchte ich das Förderprogramm Ökotechnik/Ökowirtschaft, Projekte zum Stoffstrommanagement in Gewerbegebieten sowie Umweltmanagementsysteme erwähnen. Nicht zuletzt bietet die Fusion von Energie- und Technologie- zur Innovationsstiftung genau die Chance, jetzt effizient Wirtschafts- und Klimaschutzförderung stärker miteinander zu verzahnen. Damit verfolgen wir einen zukunftsfähigen Ansatz, der sich auf andere Bereiche übertragen lässt.
Für mich als Umwelt- und Landwirtschaftsminister haben die stoffliche und die energetische Nutzung der Biomasse eine besondere Bedeutung. Die Bioenergienutzung kann und wird eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie die Nutzung der Windenergie werden. Die bereits seit 1996 laufende Initiative „Biomasse und Energie“ wird ebenfalls in diesem Jahr kräftig ausgebaut.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz hat uns hier den Rückenwind verschafft, den wir brauchen. Auch im Bereich der biogenen Kraftstoffe eröffnen sich ausgesprochen interessante und viel versprechende Entwicklungspotenziale. Wer weiß, vielleicht werden ja in der Tat unsere Landwirte eines Tages die neuen Ölscheichs sein.
Unsere Perspektive ist - auch aus volkswirtschaftlichen Gründen -, vom Öl wegzukommen. In Zukunft sollte der Holzpelletlieferant vor der Tür stehen und den Heizungstank füllen, nicht mehr der Tanklastwagen.
Gemeinsam mit den Kommunen haben wir uns auf Schwerpunktbereiche der Agenda 21 mit konkreten Umsetzungsplänen verständigt. Außer um Energieeinsparung und den Einsatz erneuerbarer Energien wird es uns auch um Themen wie Flächenverbrauch, Zukunft der öffentlichen Haushalte und kommunale Entwicklungszusammenarbeit gehen. Dabei geht es uns darum, wie wir mit geringem Ressourcenverbrauch möglichst viel erreichen können. Kommunale Agenda-21-Konzepte und die Landesnachhaltigkeitsstrategie greifen hier nahtlos ineinander.
In all diesen Themenfeldern ist die Landesregierung intensiv auf den Dialog und die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Es gibt quer durch Schleswig-Holstein viele ermutigende Signale.
Ich bedanke mich ausdrücklich bei der großen Vielfalt der Akteure und Kooperationspartner, die die Erstellung dieses Berichts zur Agenda 21 und zum Klimaschutzbericht unterstützt und an seiner Umsetzung mitgewirkt haben. Ich möchte Sie hier einladen, gemeinsam den Aufgaben des Klimaschutzes gerecht zu werden. Helfen Sie uns in unser aller Interesse mit, diese Politik erfolgreich zu gestalten.
Ich danke dem Herrn Minister für den Bericht. Jetzt eröffne ich die Aussprache und erteile zunächst der Frau Abgeordneten Todsen-Reese das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gab ja eine Reihe netter kleiner, spitzer Bemerkungen. Aber die sind das Salz in der Suppe.
Die Landesregierung hat uns ihren Klimaschutzbericht auf 335 Seiten vorgelegt. Zunächst gilt allen, die daran gearbeitet haben, ein Dank für diese Fleißarbeit.
Zu dem breit gefächerten Themenspektrum wurden viele Informationen und Details zusammengetragen. Herr Minister, Sie haben gesagt, die Schwergewichtigkeit des Themas werde an dem Umfang des Berichts deutlich. Ich finde, damit haben Sie es sich ein bisschen zu einfach gemacht. Ich frage mich, wer einen solchen Wälzer wirklich liest, trotz der großen Bedeutung des Klimaschutzes.
Eine 55-seitige Kurzfassung ist ein Widerspruch in sich. Heute besteht nur die Möglichkeit zu einem ersten Durchgang. In den Ausschusssitzungen werden wir den Bericht sicherlich vertieft beraten müssen.
Das Thema Klimaschutz und die Notwendigkeit, ihm eine noch größere Aufmerksamkeit zu widmen, sind sicherlich unstrittig. Über Ziele und Wege im Detail gibt es aber auch unterschiedliche Auffassungen. Herr Minister, wie sollte es anders sein: Ich teile Ihre Auffassung nicht, sondern halte es für notwendig, dass, wenn wir über Klimaschutz reden - egal, zu welchem Zeitpunkt -, das Thema der Energie, auch der Kernenergie zusammen mit dem Stellenwert dazu angegangen wird.