Protokoll der Sitzung vom 23.09.2004

- Hören Sie doch erst einmal zu! Ich komme später darauf zurück.

Mit der Erkenntnis der Gefahr wächst die Bereitschaft, einzugreifen und zu retten. Ich will Ihren Aufzählungen gar nichts hinzufügen. Ich glaube schon, dass insbesondere Naturkatastrophen und viele andere Ereignisse dazu beigetragen haben, dass dieses Thema sensibler behandelt wird. Den globalen Ordnungsrahmen, wie er 1992 durch die Agenda 21 in Rio entwickelt wurde, gilt es nun mit Leben zu erfüllen; denn nur dann kann die Bewahrung der Schöpfung wirklich gelingen.

Die Darstellung der unterschiedlichsten Aktivitäten auf den verschiedensten Ebenen macht deutlich, dass die Agenda 21

(Unruhe bei der SPD)

- das interessiert hier einige von der SPD jedoch offenbar nicht - und die Notwendigkeit zum Klimaschutz in vielen Köpfen durchaus verankert sind. Die Frage ist: Was ist dabei bisher konkret herausgekommen?

(Herlich Marie Todsen-Reese)

In dem Bericht ist das Eingeständnis der Landesregierung auf Seite 3 interessant, wo es heißt:

„Eine Erhebung des Agenda-21-Büros im Jahr 2002 ergab, dass zu diesem Zeitpunkt ein gewisser Sättigungsgrad erreicht wurde und neue Agenda-21-Beschlüsse kaum mehr gefasst wurden.“

Inzwischen haben wir sogar Schließungen von Agenda-21-Büros auch bei uns in Ostholstein zu verzeichnen, weil man dort zu der Überzeugung gekommen ist, dass Aufwand und Output in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Das ist die ganze Wahrheit.

(Beifall bei der CDU)

Interessant ist aber auch die Frage der CO2Reduktionsziele. Ich meine, dass sich bisher alle Bundesregierungen immer auf eine Reduktion um 25 % bis zum Jahre 2005 verständigt haben. Insofern erstaunt mich schon die Zielsetzung, die Sie heute für Schleswig-Holstein noch einmal vorgetragen haben. Sie erklären nämlich:

„Die Landesregierung strebt bis 2010 die Erreichung folgender Ziele … an: Reduzierung der CO2-Emissionen um 15 % gegenüber 1990.“

Ich kann nicht nachvollziehen - aber vielleicht können Sie es erklären -, wieso Sie von dem Reduktionsziel der Bundesregierung abweichen. Worin liegt Ihr Erfolg, wenn man die Laufzeit um fünf Jahre verlängert und gleichzeitig das Prozentziel senkt?

(Konrad Nabel [SPD]: Das ist eine Milch- mädchenrechnung!)

- Vielleicht kann mir das nachher Herr Nabel erklären. Hier ist Aufklärungsbedarf.

Ich komme auf einen weiteren Punkt zu sprechen. Ich vermisse die sachliche Auseinandersetzung zu der Frage, welchen Stellenwert die Kernenergie für Sie im Zusammenhang mit dem Klimaschutzes hat. Ich bin keine uneingeschränkte Anhängerin der Kernenergie; das will ich hier für mich persönlich deutlich sagen. Aber trifft es nicht zu, dass derzeit durch den Betrieb von Kernkraftwerken jährlich 150 bis 170 Millionen t CO2 weniger ausgestoßen werden als bei Ihrem theoretischen Ersatz durch konventionelle Kraftwerke?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei aller Bedeutung der Windenergie, insbesondere was Arbeitsplätze und Wertschöpfung an der Westküste anbelangt - das wird überhaupt nicht klein geredet -, finde ich doch, es ist dringend eine differenziertere

Betrachtung notwendig und, Karl-Martin Hentschel, nicht nur ein Kopfschütteln angesagt.

(Beifall bei der CDU)

Wir wissen doch alle, dass die Windenergie nicht die Kernenergie ersetzen kann, da sie eine additive und keine alternative Energiegewinnungsform ist, solange sie nicht grundlastfähig ist. Im Bericht steht dazu einfach nichts Konkretes.

Solange wir nicht in der Lage sind, dieses Thema ideologiefrei und sachbezogen miteinander zu diskutieren, sieht es mit dem Klimaschutz in diesem Land einfach schlecht aus.

Wir tragen die politische Verantwortung dafür, zuverlässige und zukunftsfähige Rahmenbedingungen für die Bevölkerung und für die Wirtschaft zu gestalten. Ein zentraler Punkt ist bezahlbare Energie zu jeder Zeit und in ausreichender Menge. Das ist der eigentliche Grund, warum wir auf absehbare Zeit leider nicht auf die Kernenergie werden verzichten können. Wer etwas anderes behauptet, macht den Menschen etwas vor.

Trotzdem müssen wir alle Kraftanstrengungen unternehmen, um die Energieversorgung langfristig sicherzustellen und gleichzeitig zu einem sorgsamen und verantwortungsvollen Umgang mit Energie zu kommen. Dazu gehört für uns der Energiemix aus möglichst vielen Energieträgern. Denn er gewährleistet sowohl wettbewerbsfähige Energiekosten und Versorgungssicherheit als auch Umweltverträglichkeit der zukünftigen Energieversorgung.

In diesem Zusammenhang kommt der Bioenergie besondere Bedeutung zu. Darüber sind wir uns durchaus einig. Aber vor diesem Hintergrund ist es schon bedauerlich, wenn in Ihrem Bericht auf Seite 182 ausgeführt wird, in Schleswig-Holstein gebe es keine Akzeptanz für die Errichtung eines größeren Biomassekraftwerks zur energetischen Verwertung von Altholz.

(Minister Klaus Müller: Noch nicht! An der CDU-Fraktion in Kaltenkirchen gescheitert!)

Hier stellt sich auch die Frage, ob die langjährige Antihaltung der Landesregierung gegenüber Verbrennungsanlagen auf die Bevölkerung übergesprungen ist.

(Zurufe von der SPD - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die FDP unterstützt Wählerinitiativen in Neumüns- ter!)

Wenn ja, haben Sie sich einen Bärendienst erwiesen. Fakt ist, dass dieses Altholzkraftwerk nicht in Schles

(Herlich Marie Todsen-Reese)

wig-Holstein, sondern in Hamburg errichtet wird. Da kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch, Herr Minister!

Auch vermisse ich ein klares Bekenntnis zu einer stärkeren Forschung nach wirklich alternativen tragfähigen Energieformen. „Das Wasser ist die Kohle der Zukunft“, glaubte schon vor rund 130 Jahren Jules Verne. „Ich glaube, dass eines Tages Wasserstoff und Sauerstoff, aus denen sich Wasser zusammensetzt, allein oder zusammen verwendet, eine unerschöpfliche Quelle von Wärme und Licht bilden werden“, so sagte Jules Verne in seinem Abenteuerroman „Die geheimnisvolle Insel“. - Wie klug!

(Zurufe von der SPD)

Ich denke, dass die Forschung nicht nur Bundesangelegenheit ist, sondern auch Sache der Landesregierung von Schleswig-Holstein. Sie kann als Motor mitwirken. Brennstoffzellentechnologie ist eine Technologie der Zukunft. Dazu hätte ich von Ihnen, Herr Minister, wirklich gern etwas mehr gehört.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ein kurzes Wort zum Energiesparen! Diesbezüglich gibt es schon viele Projekte. Das macht der Bericht eindrucksvoll deutlich. Dies reicht von der Energiesparlampe über die Stand-by-Taste bis hin zur Altbausanierung, der wir ebenfalls eine große Bedeutung beimessen. Aber, Herr Minister, wie handhaben Sie das? Auf den Seiten 94 und 95 wird aufgeführt, dass sich drei Landesstandorte - das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft, das Landesamt für Natur und Umwelt und die Akademie für Natur und Umwelt - auf eigene Senkungsziele für den Stromverbrauch und die Heizungsenergie mit klaren Prozentzahlen festgelegt haben. Und dann heißt es nur noch:

„Generell ist festzustellen, dass die Umsetzung dieser Ziele relativ schwierig ist. Zwar sehen die Senkungsziele auf den ersten Blick bescheiden aus, es muss jedoch berücksichtigt werden, dass dahinter keine aufwändigen Produktionsprozesse stehen, die gegebenenfalls technisch deutlich verbessert werden können.“

Es findet sich nichts zu klaren Einsparungserfolgen, die es gegeben hat, und das in einem so dicken Wälzer! Haben Sie keinen Platz mehr gefunden, Herr Minister, um das in dem Bericht auch noch anzugeben? Das ist einfach heiße Luft und viel beschriebenes Papier, aber kein konkretes Ergebnis, geschweige denn ein Fortschritt. Mit einer Vorbild

funktion der Regierung hat dies überhaupt nichts zu tun.

Gleiches gilt im Hinblick auf die Neuwaldbildung.

(Günter Neugebauer [SPD]: Sie sind doch eine Miesmacherin!)

- Ich freue mich über die Anerkennung, Herr Neugebauer. Da habe ich ja richtig getroffen. Herzlichen Dank!

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Neuwaldbildung ist das Armutszeugnis der Landesregierung schlechthin.

(Lebhafter Beifall bei CDU und FDP)

Im Jahre 2002 wurden in Schleswig-Holstein gerade einmal 270 ha aufgeforstet. Im gleichen Jahr lagen die Flächenankäufe der Landesforstverwaltung für die Neuwaldbildung bei unter 50 ha. Wie oft haben wir uns hier in diesem hohen Hause bei den Haushaltsplanberatungen gestritten, wenn Sie die Haushaltsansätze wieder und wieder zusammengestrichen haben. Nun sagen Sie, dies habe eine hohe politische Priorität. Das ist eine Lachnummer, Herr Minister, das ist ein Witz!

(Glocke des Präsidenten)

Sie haben bei der Neuwaldbildung absolut versagt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Insofern müssen Sie sich schon vorhalten lassen, dass Sie zwar viel dazu sagen, aber bisher leider zu wenig dazu abgeliefert haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Jacobs das Wort.