Protocol of the Session on December 16, 2004

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(Zuruf: Nein! Frau Ministerin, denken Sie einmal an das Kind!)

- Ich denke an das Kind. - Es ist hoch zu bewerten, dass manche CDU-geführten Länder in der vorletzten Bundesratssitzung keinen Einspruch gegen das letzte Lebenspartnerschaftsreformgesetz erhoben haben. Das war schon - ich sage das auch in Richtung der

Länder, in denen die FDP die Regierung mit trägt - ein Kraftakt. Ich haben diesen Kraftakt aus der Nähe erlebt und weiß sehr gut, dass beispielsweise mein sonst mit mir in vielen Punkten nicht übereinstimmender Kollege Kusch bei der CDU hinter den Kulissen massiv hat arbeiten müssen, damit dieser Reformschritt auch wirklich getan werden konnte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben es hier - es ist schon dargestellt worden - natürlich mit einem Gesetz zu tun, bei dem noch viel zu tun ist. Es werden jetzt aber - das ist für mich das Entscheidende - Schritte in Richtung Alltäglichkeit und Normalität getan. Auch ich habe nichts dagegen, wenn der eine oder andere Witz gemacht wird. Hier geht es aber wirklich darum, Normalität zu akzeptieren und sie letztendlich nicht doch, wie es jetzt wieder deutlich wurde, als etwas Besonderes zu werten. Ich wiederhole: Wir können hier gern einmal über die Situation von lesbischen Müttern in der Bundesrepublik diskutieren.

Nun zu dem zweiten Punkt. Wir haben noch sehr viel zu tun. Wir haben - das möchte ich in Erinnerung rufen - das Lebenspartnerschaftsgesetz sehr massiv erkämpfen müssen. Schleswig-Holstein war neben Hamburg das zweite Land, das sich in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht bereit erklärt hatte, für das Lebenspartnerschaftsgesetz im wahrsten Sinne des Wortes zu kämpfen, und zwar nicht nur juristisch, sondern auch tatsächlich.

In der mündlichen Verhandlung, an der ich habe teilnehmen können, war auch das Abstandsgebot ein Thema. Wir sollten das Bundesverfassungsgerichtsurteil in seiner Gänze ernst nehmen und insofern - und das tun wir mit diesem Anpassungsgesetz - aufzeigen, dass Rechte und Pflichten in einem angemessenen Verhältnis zu stehen haben. Das versuchen wir hier alltäglich in den bis ins Kleinste hinuntergehenden Normen umzusetzen.

Entscheidend ist aber, dass die folgenden Bundesgesetze nicht erneut am Widerstand der unionsgeführten Länder im Bundesrat scheitern werden. Denn erst dann, wenn diese gesamte Gleichstellung durchgekämpft ist, haben wir bezogen auf die unterschiedlichsten Lebensformen eine kulturelle Normalität. Dafür möchte ich weiter kämpfen. Ich bin froh, dass Sie heute einstimmig zustimmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss empfiehlt die unveränderte Annahme des Gesetzentwurfes Drucksache 15/3700. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich weise darauf hin, dass sich die Fraktionen auf eine Änderung in der Reihenfolge der Behandlung der Tagesordnungspunkte verständigt haben. Zunächst soll Tagesordnungspunkt 8, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des SchleswigHolsteinischen Ausführungsgesetzes zum Sozialgerichtsgesetz, aufgerufen werden. Anschließend sollen die Tagesordnungspunkte 6, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der kommunalen Verwaltungsstruktur, und 7, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften, behandelt werden.

Ich wünsche Ihnen eine gute Mittagspause. Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung: 13:12 bis 15:01 Uhr)

Wir treten nun wieder in die Beratungen ein. Ich darf die Kolleginnen und Kollegen bitten, ihren Platz einzunehmen.

Zunächst begrüße ich neue Gäste auf der Tribüne: Bürgerinnen und Bürger aus dem Wahlkreis Segeberg-Ost, die Damen der CDU-Frauenunion aus Boostedt, Damen und Herren der Jungen Union aus Flensburg-Eckernförde sowie Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer der Integrierten Gesamtschule Geesthacht. Darüber hinaus darf ich Damen und Herren aus der Gemeinde Treia begrüßen. - Ihnen allen ein herzliches Willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Nun treten wir wieder in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 71 auf:

Bioenergie: Der Landwirt als Energiewirt

Landtagsbeschluss vom 12. November 2004 Drucksache 15/3743

Mündlicher Bericht der Landesregierung

Zunächst erteile ich für die Landesregierung dem zuständigen Minister für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft, Herrn Müller, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Ich ertappe meinen Kollegen Finanzminister ungern bei einer Unwahrheit.

(Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

Aber das Märchen vom Dukatenesel wird Wirklichkeit. Ut Schiet ward Gold, heißt die Überschrift; Biomasse ist das Zauberwort dabei.

Das Biomassepotenzial im Lande beträgt knapp 13 % des heutigen Primärenergieverbrauchs. Zurzeit leistet allerdings die Biomasse erst einen Beitrag von knapp 1 %. Diese Zahlen machen deutlich, welche erheblichen Wachstumspotenziale beim Dukatenesel beziehungsweise bei seinen Hunderttausenden von Brüdern und Schwestern zu finden sind.

Die Möglichkeiten der landwirtschaftlichen Bioenergieerzeugung sind vielfältig. Als Rohstoffe kommen Gülle, Restholz zum Beispiel aus der Durchforstung von Wäldern und der Knickpflege, Stroh und andere Pflanzenrückstände sowie gezielt angebaute Energiepflanzen wie Raps, Mais, Rüben und Schnellwuchsholze infrage. Die Gewinnung erfolgt über die thermische Verwertung, über Strom und Wärme aus Biogas oder über die Herstellung von Biokraftstoffen.

Die Landesregierung von Schleswig-Holstein hat frühzeitig auf die Chancen der Bioenergie gesetzt und bereits 1996 die Initiative „Biomasse und Energie“ gestartet. Die Bioenergie ist der Baustein einer fortschrittlichen Agrar-, Energie- und Wirtschaftspolitik im Lande und dient gleichermaßen auch den Zielen des Klimaschutzes und des Umweltschutzes.

Als Landwirtschaftsminister sind mir besonders die neuen wirtschaftlichen Perspektiven, die die Bioenergien den Landwirten eröffnen, wichtig. Bioenergie wird sich dank der verbesserten Vergütungsregelung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes - wir alle wissen, wer das in Berlin ermöglicht hat - zu einem bedeutenden Standbein einer multifunktionalen Landwirtschaft entwickeln, einer Landwirtschaft, die sich neben der Nahrungsmittelproduktion weitere Einkommensquellen, zum Beispiel im Tourismus, im Naturschutz, in der Landschaftspflege und eben auch in der Energieerzeugung erschließt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Schon heute haben viele Landwirte in SchleswigHolstein diese Chance erkannt und nutzen sie.

Dass die deutsche Landwirtschaft in der Energieversorgung aus nachwachsenden Rohstoffen gute Chan

(Minister Klaus Müller)

cen hat, bestätigte auch aktuell der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Herr Gerd Sonnleitner, bei der Vorstellung des Situationsberichtes in Berlin. Mit einer Produktion der Biomasse auf mittlerweile 900.000 ha ist Deutschland führend in Europa.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

In diesem Zusammenhang freut es mich, sagen zu können, dass die Haupterwerbsbetriebe in SchleswigHolstein in diesem Jahr mit Abstand das beste Jahresergebnis im Vergleich der Bundesländer erwirtschaften. Im Vergleich zum Vorjahr konnten sie eine Gewinnzunahme von 18 % verbuchen, speziell die Ackerbaubetriebe erwirtschafteten ein Plus von 46 %. Das ist ein Ergebnis, von dem Arbeitnehmer und die meisten Selbstständigen nur träumen können.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Werner Kalinka [CDU]: Wie auch die Regierung!)

Die Bioenergie stärkt die Wirtschaftsstrukturen im ländlichen Raum. Sie bietet Entwicklungschancen für die Anlagenhersteller und das regionale Handwerk, sie schafft neue Arbeitsplätze.

Meine Damen und Herren, auch bei der Bioenergienutzung gilt es ökologische Konflikte mit anderen Umweltzielen, zum Beispiel mit dem Emissionsschutz, den Grundwasserschutz oder mit konkurrierender Flächennutzung, frühzeitig zu erkennen und zu minimieren. Mir ist es wichtig, alle Faktoren zu bewerten und zu einem ausgewogenen Ergebnis zu gelangen.

Die Position der Landesregierung zu den Vorteilen und auch zu möglichen Zielkonflikten der Wärme- und Stromgewinnung aus Biomasse ist ausführlich in unserer Broschüre „Energie einfach ernten“ dargestellt. Für uns hat die Nutzung anfallender Reststoffe für die Bioenergiegewinnung hohe Priorität. Gleichwohl denke ich, dass auch der Energiepflanzenanbau für die Landwirte eine sinnvolle Alternative zur Nahrungsmittelproduktion sein kann. Hierbei sollten wir insbesondere auf die Kulturen mit einer positiven Ökobilanz setzen.

Als Wachstumsmarkt erweisen sich auch die Biokraftstoffe im Verkehrssektor, zum Beispiel Biodiesel, Bioethanol oder synthetische Kraftstoffe aus der Biomasse. Die Bundesregierung hat die Rahmenbedingungen dafür durch eine Steuerbefreiung für Biokraftstoffe auch in Mischung mit fossilen Treibstoffen und durch die am 27. Oktober dieses Jahres, also gerade im Bundeskabinett beschlossene Kraft

stoffstrategie geschaffen, natürlich mit Unterstützung der schleswig-holsteinischen Landesregierung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Im Jahre 2004 wurde in Schleswig-Holstein auf rund 112.000 ha Raps angebaut. Daraus können rund 130.000 t Biodiesel gewonnen werden.

Die erste Anlage zur Herstellung von Rapsmethylester ging im Mai 2003 in Schleswig-Holstein mit einer Jahreskapazität von rund 15.000 t in Betrieb. In Brunsbüttel war im Oktober Richtfest für eine weitere. Sie hat eine Kapazität von 140.000 t pro Jahr und wird von Landwirten aus Schleswig-Holstein getragen.

Getreide- und Zuckerindustrie beabsichtigen den Aufbau einer Bioethanolproduktion. Die Getreide AG prüft derzeit verschiedene Standorte, unter anderem in Rendsburg.

Verehrte Damen und Herren, ich stelle fest: Der Landwirt als Energiewirt ist mehr als eine Vision. Die Bioenergie in all ihren Facetten stellt eine umwelt-, agrar- und energiepolitisch sinnvolle Alternative zu den begrenzten fossilen Energieressourcen dar. Ihre verstärkte Nutzung ebnet uns den Weg, um zunehmend unabhängiger von Atom- und von fossilen Brennstoffen zu werden. Sie ermöglicht eine Diversifikation der landwirtschaftlichen Produktion. Engagierte Land- und Forstwirte können sich als Energiewirte in einem zukunfts- und wachstumsträchtigen Markt ein zweites starkes Standbein schaffen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Bevor ich die Aussprache eröffne, weise ich darauf hin, dass es Übereinstimmung zwischen den Fraktionen dahin gehend gibt, dass die Tagesordnungspunkte 6 - Gesetz zur Verbesserung der kommunalen Verwaltungsstruktur - und 7 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften - von der Tagesordnung abgesetzt werden, da der Innen- und Rechtsausschuss seine Beratungen noch nicht abgeschlossen hat.