Protocol of the Session on January 26, 2005

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Entwicklungspolitik des Landes eine langfristige Perspektive formuliert. Die Landesregierung soll mit einer auszuwählenden Region oder Regionen einen Partnervertrag abschließen. Patenschaften von Gemeinden, Städten, Kreisen und dem Land werden begrüßt. Damit wird eine Richtung in der Entwicklungspolitik formuliert. Entwicklungspolitik von unten wird damit zum selbstverständlichen Teil von Landes- und Kommunalpolitik.

Das Modell, das in diesem Antrag formuliert wird, ist nicht neu. Es ist das Modell, das in Europa in den letzten 50 Jahren dazu geführt hat, dass die Völker zusammengewachsen sind, dass die armen Länder und Regionen erheblich aufholen konnten und dass aus ehemaligen Krisengebieten und Erzfeinden Freunde geworden sind. Auch in Europa hat dieser Weg mit zahlreichen bilateralen Partnerschaften von Gemeinden, Städten und Regionen begonnen, bis er heute zu einer gemeinsamen Verfassung geführt hat. Mit dem vorliegenden Antrag machen wir einen ersten Schritt, den Prozess auf die ganze Welt zu übertragen. Darüber freue ich mich. Wir wissen, dass es ein langer Weg zu einer gemeinsamen Welt ist, aber es ist ein Weg zu einer gemeinsamen, solidarischen und friedlichen Welt. Deshalb lohnt sich dieser Marsch. Ich bedanke mich bei allen, die mitgehen.

(Beifall)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Ausmaß der Naturkatastrophe in Südostasien vom 26. Dezember letzten Jahres hat auf der ganzen Welt Entsetzen ausgelöst. Nach den letzten Zahlen sind bisher fast 225.000 Menschen der Flutkatastrophe zum Opfer gefallen. Wie wir der Presse entnehmen können, steigen diese Zahlen auch heute noch. Millionen von Menschen sind obdachlos geworden, und nicht zuletzt sind viele Kinder von den Folgen dieser enormen Flutwelle betroffen. Wir haben die Bilder gesehen und nicht gewagt, darüber nachzudenken, was sie im Grunde genommen aussagen. Denn die Bilder dieser Menschen verschlingenden Welle haben uns bis ins Mark erschüttert. Angesichts des menschlichen Leids in vielen Staaten Asiens erscheinen unsere Probleme in einem ganz anderen Licht. Die Proportionen werden wieder zurechtgerückt. Uns wird

(Anke Spoorendonk)

bewusst, wie verschwindend gering unsere Probleme aus globaler Sicht sind.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nicht nur die Tatsache, dass so viele unschuldige Menschen durch die Launen der Natur sterben mussten, lässt uns mit einem Gefühl der Ohnmacht vor den Naturgewalten zurück. Uns macht auch die Sorge um die Zukunft der Überlebenden betroffen. Wenn man überhaupt von irgendeinem positiven Aspekt dieser ganzen Tragödie sprechen kann, dann davon, dass es eine weltweite spontane Hilfsbereitschaft und ein großes Engagement zugunsten der Betroffenen gegeben hat. Es ist sicherlich die gute Seite der Globalisierung, dass uns eine Naturkatastrophe, die sich viele Tausende von Kilometern entfernt ereignet, so berührt und aufwühlt. Das Schicksal dieser Menschen zeigt uns, dass wir in einer Welt leben und alle zusammengehören.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich hat die Tatsache, dass auch viele deutsche, skandinavische oder andere westliche Touristen - fast 50 schleswig-holsteinische Familien sind betroffen - in den paradiesischen Ferienorten Thailands oder Sri Lankas Opfer der Flutkatastrophe wurden, dazu beigetragen, dass sich auch in Deutschland eine phantastische Spendenbereitschaft entwickelt hat. Bisher sind in der Bundesrepublik über 500 Millionen € an Spenden zusammengekommen. Das ist eine einmalige Summe. Daher gebührt allen Bürgerinnen und Bürgern, die gespendet haben, unser großer Dank.

(Beifall)

Auch die Bundesregierung hat sich zusammen mit der internationalen Staatengemeinschaft und vielen privaten Hilfsorganisationen um eine schnelle und effektive Hilfe bemüht. Der Bund will in den nächsten Jahren bis zu 500 Millionen € für die Katastrophengebiete bereitstellen. Dabei war die Diskussion um die Finanzierung dieser Hilfe sehr unerfreulich und am Ende auch völlig überflüssig.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vorrangig muss es jetzt darum gehen, dass den Not leidenden Menschen in den vom Tsunami betroffenen Regionen das nackte Überleben gesichert wird. Sie brauchen Nahrung und reines Trinkwasser. Sie brauchen eine ausreichende medizinische Versorgung, damit Seuchen und andere Krankheiten bekämpft werden können. Dies alles wird in Südostasien unter

hohem Zeitdruck von vielen freiwilligen Helfern in die Wege geleitet. Auch ihnen gebührt unser Dank.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jenseits dieser Aktivitäten ist es aber wichtig, dass wir uns auch jetzt schon Gedanken um den Wiederaufbau der Infrastruktur und um die Sicherung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage der betroffenen Regionen und ihrer Menschen machen. Die von Bundeskanzler Schröder vorgeschlagenen Partnerschaftsverträge zur Entwicklungszusammenarbeit sind schon in einigen Ländern, Städten und Kommunen in Gang gesetzt worden.

Auch das Land Schleswig-Holstein strebt eine Partnerschaft mit Nordsumatra, der am schwersten betroffenen Region, an. Das unterstützt und begrüßt selbstverständlich auch der SSW. Wir sind der Auffassung, dass es längerfristig um ganz konkrete Projekte Schleswig-Holsteins zum Wiederaufbau der Wirtschaftsstruktur gehen muss. Dabei schwebt mir zum Beispiel die Unterstützung der Fischerei vor. Schleswig-Holstein als Land zwischen den Meeren besitzt gerade in diesem Bereich ein großes Knowhow. Auch zur Entwicklung eines Tsunami-Frühwarnsystems in den betroffenen Regionen könnte Schleswig-Holstein mit Know-how beitragen.

Dennoch ist es richtig und notwendig, dass wir mit unserem gemeinsamen Antrag auf unsere Verantwortung für alle Krisenregionen dieser Welt hinweisen. Wer weiß noch, was am 26. Dezember 2003 in der iranischen Stadt Bam geschah, in der über 20.000 Menschen starben? Wissen wir, ob Hilfe angekommen ist? Ich denke, die Nothilfeorganisationen verweisen zu Recht darauf, dass wir alle Krisenregionen dieser Erde unterstützen müssen. Zumindest müssen endlich alle Nationen ihre Entwicklungshilfe auf die von der UNO geforderten 0,7 % des Bruttosozialprodukts aufstocken. Das ist die Aufgabe, die wir als westliche Industrieländer in den nächsten Jahren zu bewältigen haben.

(Beifall)

Ich erteile der Frau Ministerpräsidentin das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die ungeheure Katastrophe in Südostasien und die unvorstellbar hohe Zahl der Opfer erschüttert die Menschen immer noch zutiefst. Angesichts der über 220.000 Toten verschwinden alle Unterschiede

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

und wir stehen vor der Aufgabe, allen von der Flut betroffenen Menschen zu helfen; den Kindern, die zu Waisen geworden sind, den Eltern, die ihre Kinder verloren haben, den vielen, die bei uns nicht wissen, wo ihre Angehörigen und Freunde ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, den BKA-Beamten und Polizisten, die sich freiwillig gemeldet haben und die vor der schrecklichen Aufgabe stehen, Menschen nach so langer Zeit identifizieren zu müssen.

Die Hilfsbereitschaft der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner angesichts dieser Katastrophe ist überwältigend. Das ist eigentlich wie immer. Die Schleswig-Holsteiner sind mit die großzügigsten Menschen. Danke Ihnen allen für Ihre große Anteilnahme und Ihre Solidarität, Ihre Besuche der Gottesdienste, anlässlich derer denen gedacht wurde, die zu Tode gekommen sind. Ich danke Ihnen, dass die Hilfe, die alle erreichen soll, unabhängig von der Nationalität, der Rasse, der Religion und des Geschlechts von Ihnen zur Verfügung gestellt wird. Nun kommt es darauf an, diese finanziellen Mittel für die Soforthilfe zu organisieren und so zu verteilen, dass alle etwas davon haben. Nach meinem vielleicht flüchtigen Eindruck sieht es so aus, als ob sehr viele Mittel wegen der Sprachbarrieren, die dort sehr viel niedriger sind als in Indonesien, nach Sri Lanka gehen. Vielleicht liegt das auch an der Gewöhnung der Menschen in Sri Lanka an europäische Werte, Standards und Verhaltensweisen. Jedenfalls bin ich auch allen Vorrednern sehr dankbar dafür, dass sie darauf verwiesen haben, dass auch der geschundene Kontinent Afrika nach wie vor unsere Hilfe braucht.

(Beifall)

Unser Problem ist, dass wir in den betroffenen Gebieten nur eine unzureichende Infrastruktur haben, die schon immer unzureichend war, jetzt aber noch katastrophaler geworden ist. Es kann also immer noch passieren, dass einige Regionen bis jetzt von Hilfsmannschaften noch nicht erreicht werden konnten. Notwendig ist aber offenbar, dass die vielfältige Hilfe, die aus allen möglichen Regionen, Töpfen, Motiven und Portemonnaies gespeist wird, koordiniert wird, sodass alle etwas davon haben. Das gilt insbesondere für den Wiederaufbau der betroffenen Regionen im Rahmen einer mittel- und langfristigen Hilfeleistung. Das ist nicht in wenigen Wochen oder Monaten zu bewältigen. So sehr ich auch die Ungeduld mancher verstehe, die sagen, sagt uns doch, wo wir helfen können, so ist es doch besser, wir lassen uns ein paar Wochen länger Zeit, sodass wir wissen, dass es klappen wird, dass es Struktur vor Ort gibt und dass man vor Ort jemanden ansprechen kann. Das ist

besser, als irgendwo anzufangen und dann feststellen zu müssen: Leider Gottes haben wir uns geirrt.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Hilfemaßnahmen sollen darüber hinaus national, europaweit und international koordiniert werden. Die Landesregierung hat deswegen einen interministeriellen Arbeitskreis unter der Federführung der Staatskanzlei geschaffen. Dieser Arbeitskreis wird am 27. Januar zur konstituierenden Sitzung zusammenkommen, nachdem bereits zwei Vorgespräche geführt worden sind. In dem Arbeitskreis sind alle Ressorts vertreten. Vordringliche Aufgabe dieses Arbeitskreises wird es sein, die Hilfeangebote aus SchleswigHolstein zu bündeln, sie mit den Listen der gewünschten Hilfe abzugleichen und sie dann an den Bund weiterzuleiten, der sie wiederum weiterleiten wird.

Mit dieser Struktur wollen wir gewährleisten, dass im Rahmen übergeordneter humanitärer und entwicklungspolitischer Ziele das richtige Hilfeangebot mit dem richten Bedarf an der richtigen Stelle zusammenkommt. Vor Ort sollen das Auswärtige Amt und die Hilfsorganisationen klären, welche Angebote umgesetzt und welche Partnerschaften installiert werden. Die Bundesregierung hat vorgegeben, die deutsche Hilfe in Sri Lanka und in Indonesien zu konzentrieren. Wir hatten weit vor der Katastrophe eine Anfrage aus Nordsumatra, ob wir nicht zusammenarbeiten könnten. Deshalb glauben wir, dass es vernünftig ist, mit denen zusammenzuarbeiten, die uns bereits kennen und die sich bereits an uns gewandt haben.

(Beifall)

Alle Bürgerinnen und Bürger, Unternehmer, Kommunen, Vereine, Verbände und Organisationen wissen dann, wo ihre Region ist und was dort mit dem Geld gemacht wird. So können sie später sagen: Diese Häuser sind von meiner Spende mit aufgebaut worden. Die Menschen wollen gern konkret sehen, was gemacht wird.

Die Ansprechpartner sind die Vertreterinnen und Vertreter der Hilfsorganisationen, die bei einem Treffen am 20. Januar 2005 im Landeshaus sich und ihre Arbeit persönlich vorgestellt haben. Wir werden also jetzt, nachdem wir die Möglichkeiten der Hilfeleistungen vor Ort bekommen und uns mit allen besprochen haben, deutlich machen, dass wir dort, wo auch immer wir helfen werden, so helfen wollen, dass das, was gebraucht wird, auch kommt. Es geht um Entsalzungsanlagen, um das wieder befahrbar machen von Infrastrukturen und den Wiederaufbau von Schulen. In einem Bereich, den wir uns angeguckt haben,

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

sind etwa 1.500 Schulen zerstört worden. Im Übrigen sind leider Gottes Tausende von Lehrern umgekommen. Wir müssen also teilweise ganz von vorn anfangen.

(Glocke des Präsidenten)

Entschuldigen Sie bitte, Herr Präsident. Ich komme zum Schluss.

Unter der Anleitung von Professor Herzig wurde am 13. Januar 2005 ein Konzept eines Tsunami-Frühwarnsystems vorgestellt, von dem ich hoffe, dass es schnell installiert werden kann. Das Konzept für die gesamte Region ist auf der zweiten World Conference on Disaster Reduction der Vereinten Nationen vom 18. bis 22. Januar in Kobe (Japan) vorgestellt worden. Die Bundesregierung hat dort angekündigt, dass sie unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen spezialisierte Folgeveranstaltungen organisieren wird.

Wir stellen uns vor, dass große Hilfe auch von unserer Seite an UNICEF mit den so genannten „Schulen in der Kiste“, Terre des Hommes oder SOSKinderdörfer geht, um mit den Infrastrukturmaßnahmen insbesondere den Kindern zu helfen.

Was andere machen, haben Sie in der Zeitung gelesen. Die Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck sowie Kiel wollen sich um den Wiederaufbau von Häfen kümmern. Jeder von uns, der das Gefühl hat, dass er auf seine Weise an einer bestimmten Stelle etwas tun sollte, kann sich über Internet und überall erkundigen, ob die von ihm bevorzugte Hilfsorganisation dabei ist. Dennoch wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie sich an der koordinierten Aktion SchleswigHolsteins beteiligten.

(Anhaltender Beifall)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Beratung.

Wir stimmen in der Sache ab. Wer dem Antrag „Partnerschaftsverträge zur Entwicklungszusammenarbeit mit benachteiligten Regionen“ zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Wir haben einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Ausweitung der DNA-Analyse

Antrag der Fraktion der CDU

Ich erteile Herrn Abgeordneten Schlie das Wort.