Protocol of the Session on January 28, 2005

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Vielen Dank, Frau Kähler. - Für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Gemeinden in Schleswig-Holstein kriechen finanziell auf dem Zahnfleisch. Das, was Sie gerade gesagt haben, Herr Minister, muss ihnen gegenüber Hohn und Spott sein.

Sie haben die finanzielle Situation der nächsten Jahre so rosig geschildert. Ich glaube, in der kommunalen Familie gibt es wenig Verständnis dafür, wenn Sie solche Behauptungen aufstellen.

Insgesamt waren Ihre Aussagen sowieso relativ unverbindlich, wischiwaschi. Knallhart aber waren Sie bei der Entnahme aus dem Finanzausgleich vor mittlerweile vier Jahren. Das hat ganz wesentlich zur Verschlechterung der finanziellen Situation bei den Gemeinden beigetragen.

(Holger Astrup [SPD]: Logisch!)

In den letzten vier Jahren sind aus dem kommunalen Finanzausgleich jährlich 38 Millionen € entnommen worden.

Dann versuchten Sie noch, die Gemeinden für dumm zu verkaufen. Sie behaupteten, Sie linderten den ersten Klau dadurch, indem Sie den Kommunen im gleichen Zeitraum jährlich fast 8 Millionen € aus dem Kommunalen Investitionsfonds entwendeten, um das Geld in den kommunalen Finanzausgleich einzuzahlen. Erst klaut Rot-Grün den Kommunen Geld aus der linken Tasche und behauptet dann, wenn sie ihnen noch ein wenig Geld aus der rechten Tasche klaue, um es in die linke zu stecken, sei alles nicht so schlimm. Das ist rot-grüne Finanzpolitik im Zusammenhang mit den Kommunen.

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU)

Aber es ist schlimm. Mit Zins und Zinseszins summieren sich die Entnahmen auf fast 170 Millionen €, die unsere Gemeinden nicht investieren konnten.

Die Damen und Herren auf der linken Seite werden wahrscheinlich Folgendes überhaupt nicht wahrhaben wollen. Schließlich behauptet Ihr Finanzminister großspurig, keine Ebene der öffentlichen Hand dürfe Ihre Finanzprobleme angehen, indem sie anderen öffentlichen Kassen Geld klaue. Folgerichtig wäre, wenn er die rot-grüne Praxis der letzten vier Jahre verurteilte. Das traut er sich nicht. Denn er selbst hat auch geklaut. Mit dem Haushaltsgesetz 2004 hätte er den Klau aus den kommunalen Kassen frühzeitig beenden können. Hat er aber nicht. Darüber sieht er generös hinweg.

Wahrscheinlich nimmt sich der Herr Finanzminister die Grünen als Beispiel. Er benutzt Worte nur als politisches Stilmittel. Wahrheit ist bei ihm Nebensache.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Außer wenn die Kommunen zahlen sollen. Zum Beispiel bei den Schlüsselzuweisungen 2005. Um den Haushaltsentwurf für 2005 wenigstens auf dem Papier auszugleichen, hat Rot-Grün die zu erwartenden Steuereinnahmen von 2004 auf 2005 um knapp 10 % angehoben. Utopia ließ schon damals grüßen. Selbstverständlich kam es anders. Im Rahmen der letzten beiden Steuerschätzungen wurde die Utopie entlarvt. Jetzt muss der Finanzminister seine Luftbuchungen auf das von vornherein realistische Maß zurücknehmen. Dafür müssen die Kommunen über 89 Millionen € hinblättern.

Meine Damen und Herren, gleichzeitig beschwert sich der Finanzminister scheinheilig darüber, dass die Kommunen schuld daran seien, dass die Investitionsquote des Landes 2004 nur noch 8,4 % betrage. Warum das so ist, habe ich schon dargestellt.

Sie haben eben mitgeteilt, dass Hartz IV bei den Kommunen insgesamt nicht zu Mindereinnahmen beitragen würde. Da wir aber genau wissen, wie die Situation bei den Kreisen aussieht, sind teilweise sieben, acht möglicherweise sogar zehn Prozentpunkte Kreisumlage erforderlich, um Hartz IV bei den Kreisen zu refinanzieren. Das würde bedeuten, dass die Gemeinden mittelbar durch Hartz IV erheblich zur Kasse gebeten werden. Warten wir es einmal ab!

Frau Kollegin Kähler, Sie haben eben gesagt, die Kreise mögen bitte warten, bis konkrete Ergebnisse vorliegen. Ich kann nur Folgendes mitteilen: Der Kreistag in Pinneberg hat entschieden, für Hartz IV keine Kreisumlageerhöhung vorzunehmen und genaue Ergebnisse abzuwarten. Das wurde von Ihren Parteifreunden im Kreistag - Hannes Birke an erster Stelle - hart kritisiert und so dargestellt, dass versucht

(Günther Hildebrand)

werde, den Landtagswahlkampf nicht mit zusätzlichen Kreisumlageerhöhungen zu belasten. So reden die Roten. Meines Erachtens ist es vernünftig, genaue Ergebnisse abzuwarten. Aber vor Ort, im Kreistag in Pinneberg wird erst einmal ordentlich polemisiert, obwohl man sich meines Erachtens nur vernünftig verhält.

Wenn wir einmal die finanzielle Situation der Gemeinden hochrechnen, stellen wir fest, dass die Kommunen in den nächsten Jahren mit Kreisumlagen von 40 Punkten, möglicherweise sogar mehr rechnen müssen.

(Holger Astrup [SPD]: Ich sage gleich etwas dazu!)

Dann kommt noch die Amtsumlage dazu, die zwischen 20 und 30 Punkten schwankt. Dann bleiben für die Kommunen nachher 60 bis 70 Punkte Kreisumlage, also 30 bis 40 Punkte, die sie selbst zur Verfügung haben. Wenn man dann noch die Kosten, die im Verwaltungshaushalt ohnehin entstehen, berücksichtigt, kann man sich leicht ausmalen, welche Summen noch für Investitionen übrig bleiben.

Meine Damen und Herren, die Kommunen haben es unwahrscheinlich schwer, sie haben in den letzten Jahren aber auch gezeigt, dass sie offensichtlich wesentlich verantwortungsbewusster und verantwortungsvoller mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln umgehen. Eine Verpflichtung vor Ort ist eben eine ganz andere. Wenn man sich kennt, wenn man sich am Abend möglicherweise beim Bier oder so trifft, haben es Kommunalpolitiker wesentlich schwerer, ihren Bürgerinnen und Bürgern gegenüber zu erklären, warum die Verschuldung möglicherweise relativ stark ansteigt. Deshalb gibt es da wesentlich mehr Hemmnisse, sich ohne Grund zu verschulden. Das ist letztlich auch gut so, nur dürfen die Kommunen dafür auf der anderen Seite nicht vom Land bestraft werden, indem ihnen von Landesseite Mittel entzogen werden.

Für die Kommunen in Schleswig-Holstein kann ich nur hoffen, dass hier nach dem 20. Februar eine andere Situation eintritt und damit wieder Politik vor Ort möglich wird.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ehemalige Kommunalpolitikerin weiß ich, wie schwierig die Situation in den Kommunen war und wie schwierig sie immer noch ist. Land und Kommunen bilden eine Schicksalsgemeinschaft. Wir wissen, dass die Kommunen mit circa 19 % an den Einnahmen des Landes beteiligt sind. Insofern wirkt sich natürlich jede Steuerreform auf das Land und auf die Kommunen aus. Die CDU macht daraus mit schöner Regelmäßigkeit: Das Land hat steigende Steuereinnahmen, die Kommunen haben sinkende Steuereinnahmen. Das mag glauben, wer will!

(Werner Kalinka [CDU]: Das stimmt ja auch! - Holger Astrup [SPD]: Völliger Blöd- sinn! Das stimmt nicht!)

- Sie haben es immer noch nicht verstanden. Es gibt eine Systematik: An den allgemeinen Steuereinnahmen sind die Kommunen mit 19 % beteiligt. Deshalb kann Ihre Aussage nicht zutreffen, dass sie beim Land immer steigen und bei den Kommunen immer sinken. Das kann nicht sein. Aber das können Sie uns ja gern später noch einmal erklären.

Sie sprechen bei den Kommunen von einer so genannten strukturellen Finanzkrise, von bundesweiten Vergleichen, von der Schuldenfalle. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich würde mir wünschen dass Sie dieses Vokabular auch einmal in Ihre Texte einbauen, wenn es um den Landeshaushalt geht.

Sie schlagen auf Bundesebene Steuerreformen mit einer massiven - wie Sie immer sagen - Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger und für die Kommunen vor. Die FDP spricht selbst davon, ihre Steuerreform würde 20 Milliarden € jährlich kosten, bei der MerzSteuerreform werden die Kosten auf 40 Milliarden € geschätzt. Wenn sich dann Steuermindereinnahmen auf die Kommunen auswirken, wenn sie dort spürbar werden, dann heulen Sie und sagen: Das haben Sie nicht gewollt, das haben Sie nicht gewusst.

(Günter Neugebauer [SPD]: Wie im ganzen Wahlkampf!)

Ich freue mich, dass es uns gemeinsam gelungen ist, mit Hartz IV für die Kommunen eine Entlastung zu vereinbaren. Sie sagen ja gern, dass die Auswirkungen von Hartz IV unsere Schuld seien, wenn etwas schief läuft. Wir haben das gemeinsam beschlossen und wir haben uns darauf geeinigt, dass es hierbei zu einer Entlastung der Kommunen kommen muss. Herr Eichel hat sehr deutlich zugesagt, dass die Ent

(Monika Heinold)

lastung von 2,5 Milliarden € für die Kommunen kommen wird, egal, was Hartz in der Realität bewegt.

Sie haben zu Recht gesagt, dass die Auswirkungen in den Kommunen erst jetzt Stück für Stück erkennbar sind. Man wird innerhalb der Kommunen sehen müssen, wie sich das konkret auswirkt. Von diesen 2,5 Milliarden € sollen 1,5 Milliarden € für die Krippen bereitgestellt werden, allerdings schlagen diese 1,5 Milliarden € - das muss man ehrlicherweise sagen - nicht gleich im ersten Jahr als Ausgabe bei den Kommunen zu Buche, wohl aber als Einnahmen, sodass es in den ersten Jahren auch durch diese Mittel für die Kommunen eine deutliche Verbesserung der Einnahmesituation geben wird.

Es gibt die Prognose - ich kann diese Zahlen nicht nachprüfen, aber auf Bundesebene wird es gesagt -, dass Hartz IV, das Schließen von Steuerschlupflöchern, was wir gemeinsam beschlossen haben, und das Senken der Gewerbesteuerumlage die Kommunen in Höhe von 5,8 Milliarden € jährlich entlasten sollen. Ich würde mich freuen, wenn es so käme.

Die Kämmerer sprechen inzwischen davon, dass nach den deutlichen Einnahmeeinbrüchen bei den Kommunen in den Jahren 1999 bis 2002 beziehungsweise 2003, je nach Region, im Jahr 2004 wohl die Talsohle erreicht war und die Steuereinnahmen jetzt wieder steigen.

(Widerspruch bei CDU und FDP)

- Das sagen die Kämmerer in Deutschland. Sie mögen in einer anderen Welt leben, weil Sie eventuell aus einer Region kommen, die von Hartz IV anders betroffen ist, was gut sein kann. Ich habe das drei Sätze vorher gesagt. Ich habe gesagt, die Gesamtentlastung ist vereinbart und das wirkt sich regional unterschiedlich aus. Wir stehen in der gemeinsamen Verantwortung zu überprüfen, ob die Regularien in der Umsetzung so sind, dass alle Kommunen davon profitieren. Mehr kann man da nicht erklären, Herr Kalinka.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Außerdem hat die Bundesregierung 4 Milliarden € an Mitteln für Ganztagsschulen zur Verfügung gestellt, gut 130 Millionen € für Schleswig-Holstein. Dies wird glücklicherweise von den Kommunen angenommen. Zudem gibt es seit 2003 günstige Kredite von der Kreditanstalt für Wiederaufbau für die Kommunen, damit sie investieren können. Dies wird zumindest teilweise auch angenommen. Bis 2007 - so sagen die Zahlen - ist ein weiterer Subventionsabbau

vereinbart worden, was wiederum zu deutlichen Steuermehreinnahmen führen wird.

Wir brauchen den Ländervergleich nicht zu scheuen. Ob Hamburg oder Hessen: Da, wo die CDU regiert, nimmt sie den Kommunen von den Mitteln, die ihnen zustehen würden.

(Günther Hildebrand [FDP]: In Hamburg? Wie geht das denn in Hamburg?)

Da ist es dann gegen die Arbeitslosigkeit.

(Günther Hildebrand [FDP]: Wie ist das mit den Hamburger Kommunen?)

- In Hamburg sind es 40 Millionen € aus dem Arbeitsmarktprogramm. Das hat nichts mit Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu tun.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wie viele Hambur- ger Kommunen gibt es?)

Noch ein Wort zur Verwaltungsstrukturreform!

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie sollten keinen Unsinn erzählen!)