Protocol of the Session on January 28, 2005

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(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Peter Jensen-Nissen [CDU]: Ausge- machter Unsinn! - Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Denn diese Maßnahmen - würden wir sie so durchziehen, wie die FDP sie sich vorstellt - hätten den Konzentrationsprozess großer Konzerne und Banken, der viele Arbeitsplätze gekostet hat und auch vor Deutschland nicht Halt macht, eher beschleunigt als aufgehalten. Heute Morgen haben wir eine Bankendebatte geführt. Wir wissen, wie dazu die Positionen hier im Haus sind. Wir haben uns für den Erhalt der Sparkassen ausgesprochen. Das ist zum Beispiel etwas, wo man landespolitisch entscheiden kann, ob man es so oder so machen möchte. Hier an dieser Stelle haben Sie ganz deutlich andere Prioritäten gesetzt. Ihnen sind in solchen Fällen im Zweifel erwerbslose Bankangestellte oder Leute, die kein Konto mehr bekommen, einfach egal.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Binnenkonjunktur würde natürlich bei so einem Szenario noch mehr lahmen. Ich gebe zu, sie lahmt zu sehr, da müssen wir etwas tun. Aber auf jeden Fall wäre der Beitrag der FDP kein Beitrag gegen die Arbeitslosigkeit.

Wir Grünen kümmern uns darum, dass die wichtigsten Ressourcen in unserem Land - die Natur, die Energie und die Bildung - gestärkt und genutzt werden, und zwar so, dass auch noch zukünftige Generationen etwas davon haben.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

So haben wir in den letzten Jahren Tausende von Arbeitsplätzen in den erneuerbaren Energien ermöglicht. Der aktive Erhalt von Natur und Kultur macht unser Land für Touristen und aufstrebende kleine und mittelständische Unternehmen attraktiv. Wir fördern Existenzgründungen und es ziehen

(Angelika Birk)

mehr Leute aller Altersschichten, junge Menschen genauso wie ältere Menschen, hierher, die es attraktiv finden, hier zu wohnen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Land muss also doch etwas haben. Wenn das wirklich nur ein Jammertal wäre, würde doch keiner hierher kommen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Schleswig-Holstein hat - lange bevor es auf Bundesebene das Bündnis für Ausbildung gab - bundesweit die zweitbeste Vermittlungsquote für die Auszubildenden aufzuweisen - und das schon seit Jahren. Hier hat sich die Ministerpräsidentin persönlich erfolgreich engagiert und an diesem Maßstab messe ich sie und nicht daran, ob sie nun hellseherische Fähigkeiten hat.

Herr Dr. Garg, ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Sie haben das Zitat vorgelesen. Die Ministerpräsidentin hat nicht gesagt: Ich bin hier diejenige, die die Arbeitsplätze schafft, sondern sie hat die Maßnahmen genannt, um möglichst dieses Ziel zu erreichen. Sie hat ein Ziel genannt, sie hat nicht gesagt, dass dieses Ziel auf jeden Fall und auf Biegen und Brechen so zu erreichen sein wird.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Mein Gott, wie naiv sind Sie eigentlich!)

Kein Politiker kann so vermessen sein zu behaupten, er könnte die Wirtschaft wie an einem Hebel regieren. Wir sind hier doch nicht im Staatssozialismus.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: Mein Gott, Frau Birk! - Weitere Zu- rufe von der CDU)

Offensichtlich scheinen Sie nebenbei diese Vorstellung auch noch bedienen zu wollen.

(Uwe Eichelberg [CDU]: Wo steht das im Wahlprogramm?)

Um einmal einen kleinen Beitrag der Landesregierung zu nennen, der in das Gebiet fällt, in dem Sie sich auskennen, Herr Dr. Garg: Allein in den letzten vier Jahren hat das Land in der Altenpflege mit über 10 Millionen € 9.000 Menschen als Altenpflegehelferinnen und -helfer oder Altenpflegerinnen und -pfleger ausgebildet. Das ist ein Beitrag zur Humanisierung der Pflege und gegen die Arbeitslosigkeit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Da haben wir eigenes Geld in der Hand gehabt, da haben wir Bündnisse geschmiedet und es ist auch noch Geld von der Arbeitsagentur hinzugekommen. Aber zu einem sehr großen Teil, nämlich mit diesen über 10 Millionen €, hat das Land das selbst getragen. Ich möchte Sie fragen: Was hätten Sie mit den 10 Millionen € gemacht? Hätten Sie sie nicht in die Altenpflege investiert? - Ich weiß, auf solche konkreten Fragen bleiben Sie einfach eine Antwort schuldig.

(Andreas Beran [SPD]: So sind sie!)

Gerade weil eine gute Ausbildung die Voraussetzung für die Teilnahme am Erwerbsleben ist, haben wir Grüne ein Konzept zur grünen Schulreform entwickelt, das Gott sei Dank nicht nur ein grünes Konzept geblieben ist, sondern sehr viele Bündnispartner hat. Wir freuen uns darüber, dass wir hier im Haus für die Grundlage der Schulreform eine Mehrheit haben. Ich glaube, dass wir damit mehr für die Zukunftsfähigkeit dieses Landes tun, als CDU und FDP mit den kleinlichen Nörgeleien an diesem und jenem. Denn mit einem ständischen Schulsystem preußischer Tradition, wie Sie es nach wie vor vertreten, werden wir die Kinder nicht gut auf den Arbeitsmarkt vorbereiten können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Ulf von Hielm- crone [SPD] - Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich kann Ihnen an dieser Stelle sagen: Diese Debatte hätten wir uns natürlich sparen können,

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Nein, hätten wir nicht!)

aber da Sie offensichtlich nicht davor zurückschrecken, auf Kosten der Langzeitarbeitslosen hier Ihre Polemik gegen die Ministerpräsidentin zu richten, müssen Sie sich als Antwort auch starken Tobak gefallen lassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die letzten Zahlen über den Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein vom Dezember 2004 sind deprimierend - da gebe ich der FDP Recht. Wir haben leider mit 10,5 % und 146.600 Frauen und Männern, die arbeitslos gemeldet sind, die höchste Arbeitslosigkeit

(Anke Spoorendonk)

seit 1952 zu verzeichnen. Obwohl die Wirtschaft 2004 auch in Schleswig-Holstein etwas angewachsen ist, hat sich das noch nicht positiv auf die Arbeitsmarktsituation ausgewirkt. Die Aussichten für 2005 sind zwar nicht schlecht, aber realistisch gesehen können wir noch lange nicht mit einem merkbaren Rückgang der Arbeitslosigkeit rechnen.

Wir müssen nämlich schon seit Jahren zur Kenntnis nehmen, dass mit jedem Konjunkturabschwung die Sockelarbeitslosigkeit zunimmt. Das zeigen auch die Zahlen über die Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit in Schleswig-Holstein. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 6.600 Personen auf 50.900 erhöht. Damit hat sich die Anzahl der Langzeitarbeitslosen von 31,7 % auf 34,7 % erhöht. Es gibt also zu viele Menschen, die schon über ein Jahr arbeitslos sind und deren Chancen auf den Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt mit jedem Tag schlechter werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, das ist ein riesengroßes Problem. Deshalb noch einmal die deutlichen Zahlen, um zu zeigen, wie das aussieht. Die Bundesrepublik ist das Land mit der unbeweglichsten Sockelarbeitslosigkeit in Europa. Ich denke, auch das muss man immer wieder deutlich machen.

In der Bundesrepublik haben wir uns viel zu viele Jahre auf die Verwaltung von Arbeitslosigkeit anstatt auf die Vermittlung der Arbeitslosen konzentriert. Eine Wende sollte zwar durch Hartz IV eingeleitet werden, aber auch bei dieser Sozialreform konzentriert man sich als Erstes auf die Verwaltung der Arbeitslosen anstatt auf die Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt.

Aus Sicht des SSW ist es entscheidend, dass man sich um jeden einzelnen Arbeitslosen kümmert. Dazu müssen in den Arbeitsagenturen endlich ausreichend Sachbearbeiter vorhanden sein, die sich mit jedem Betroffenen zusammensetzten und einen detaillierten Handlungsplan dazu ausarbeiten, wie dieser Mensch wieder in Arbeit kommt.

Dabei müssen wir erkennen, dass wir insbesondere ein Problem mit der hohen Arbeitslosigkeit von niedrig qualifizierten Personen haben, wie zum Beispiel gerade auch der Verlust von 700 Arbeitsplätzen bei Danfoss zeigt. Aus Sicht des SSW gibt es nur einen Weg: Wir müssen darauf setzen, die Menschen auszubilden, weiterzubilden und zu qualifizieren, um sie wieder in Arbeit zu bringen.

Auch Dennis Snower, Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, sagt in einem Interview: „Wir müssen aus Geringqualifizierten Qualifizierte machen.“ Laut

Snower hat Deutschland keine andere Chance als auf Qualität und Innovation der Produkte zu setzen.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Wir können nicht gegen Billig-Lohn-Länder wie Polen, Rumänien, die Ukraine oder gar China konkurrieren. Wir müssen auf unser Human-Kapital - das ist ein schreckliches Wort, aber darum geht es - setzen.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Zu einer modernen Arbeitsmarktpolitik gehören nicht nur Pflichten für Arbeitslose, sondern auch Rechte. Wir vom SSW wollen eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die den arbeitslosen Menschen das Recht zusichert, spätestens nach einem Jahr ein Jobangebot, ein Weiterbildungsangebot, ein Qualifizierungsangebot oder ein Ausbildungsangebot zu erhalten.

Mit so einem Angebot vermeiden wir, dass Menschen überhaupt erst in Langzeitarbeitslosigkeit geraten, aus der es so schwer ist, wieder herauszukommen. Natürlich ist es vor dem Hintergrund der jetzigen Rahmenbedingungen von Bund und Land nicht so leicht, so ein Angebot in die Tat umzusetzen. Die Realität ist leider - das sieht man aus dem Arbeitsmarktbericht von Dezember für Schleswig-Holstein -, dass die Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote der Arbeitsagentur reduziert worden sind. Das ist aus unserer Sicht nun wirklich die falsche Prioritätensetzung.

In Schleswig-Holstein hat die Landesregierung in den letzten Jahren aus Sicht des SSW im Rahmen ihrer Möglichkeiten versucht, durch das Arbeitsmarktprogramm ASH 2000 gegenzusteuern. Im Zusammenhang mit den Hartz-Gesetzen hat es 2003 seitens der Landesregierung

(Glocke des Präsidenten)

eine Neuausrichtung dieses Programms gegeben. - Herr Präsident, ich komme zum Schluss.

Ich bitte darum.

Das Kombilohnmodell der Landesregierung ist der richtige Weg. Die Landesregierung muss noch mehr für dieses Modell werben. Nur so werden wir auf Landesebene unseren Beitrag dazu leisten können, dass mehr Menschen und langzeitarbeitslose Menschen in Arbeit kommen.