Protocol of the Session on October 19, 2000

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Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße Sie alle sehr herzlich.

Die Abgeordneten Herr Benker und Frau Böhrk sind weiterhin erkrankt. Ich wünsche ihnen von dieser Stelle aus noch einmal gute Genesung.

(Beifall)

Frau Abgeordnete Rodust ist beurlaubt.

Sie haben gestern vernommen, dass wir heute mit Tagesordnungspunkt 32 beginnen. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass die Tagesordnungspunkte 29 und 35 im Aufruf getauscht werden.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 32 auf:

Zusammenarbeit zwischen den norddeutschen Ländern

Landtagsbeschluss vom 8. Juni 2000 Drucksache 15/118

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/435

Ich erteile das Wort der Frau Ministerpräsidentin.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir haben in der letzten Zeit eine derart gute Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn in Norddeutschland, dass man sagen kann: Die Preise, die wir dafür verdient haben, haben wir zu Recht bekommen.

Uns liegt die weitere gute Zusammenarbeit am Herzen, weil wir in Norddeutschland länderübergreifende Projekte nur dann gemeinsam voranbringen können, wenn wir unsere Interessen definieren und sie auch selbstbewusst gegenüber dem Süden vertreten. Der Bericht zeigt, dass die Zusammenarbeit mit der Metropole Hamburg einen Schwerpunkt bildet. Für die trilaterale Sitzung der Kabinette nächste Woche sind neue Wünsche angemeldet worden, die zu diskutieren sind. Sobald wir uns auf neue Leitbilder und neue Leitlinien verständigen sollten, werden wir, nachdem sich das Kabinett damit beschäftigt hat, sofort den Landtag entsprechend unterrichten und es in die Ausschüsse hineingeben, damit Sie sich damit beschäftigen können und vor allem die Abgeordneten vor Ort die Möglichkeit haben zu prüfen, ob das für unsere Region gut ist oder nur den anderen nützt oder uns allen gemeinsam nützt.

Dass wir einen ersten Preis bekommen haben, haben wir schon mehrfach gesagt, und das hat auch etwas damit zu tun, dass sich die Bürgerinnen und Bürger in dieser Region mit ihren politischen Vertretern und Verwaltungsvertretern zusammen bemüht haben, ihre Wünsche einzubringen, aber nicht nach dem Motto „Beton - das sind unsere Wünsche und keine anderen gelten“, sondern sie gemeinsam mit den anderen abzustimmen.

Die Landesregierung lässt sich bei der Zusammenarbeit von drei Grundsätzen leiten.

Erstens: Zusammenarbeit und kooperative Lösungen müssen für die Bürgerinnen und Bürger vorteilhafter sein als Alleingänge.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zweitens: Entgegengesetzte Interessen der Länder sollen nicht in Hintergrundgesprächen bei der Presse erzählt, sondern offen angesprochen und Lösungen angestrebt werden.

Drittens: Funktionierender Föderalismus beruht auf einem fairen Interessenausgleich. Keine Seite darf versuchen, die andere über den Tisch zu ziehen.

Mit dem Regionalen Entwicklungskonzept 2000 stehen in Fortschreibung des Handlungsrahmens von 1996 strukturpolitische Themen wie vor allem Wirtschaft und Verkehr, aber auch die Sicherung der Lebensqualität im Zentrum der trilateralen Zusammenarbeit. Besonders erfreulich ist, dass sich das Regionale Entwicklungskonzept 2000 in erheblich verstärktem Umfang an der Perspektive einer nachhaltigen Entwicklung orientiert und versucht, die unterschiedlichen Interessen von Industrieansiedlung, Freiflächen, Umwelt und Naturschutz unter einen Hut zu bringen. Dies wird durch eine intensive Kooperation in der Metropolregion auf allen Ebenen, durch Workshops, Fachveranstaltungen und durch die Einführung operativer Programme verstärkt beziehungsweise sozusagen in den täglichen Umgang mit den Alltagsproblemen eingeführt.

Die Zusammenarbeit geht aber weit über das REK hinaus; sie betrifft alle Politikbereiche. Sie reicht von der Ostseekooperation über die Wirtschaftsförderung, die Forschungs-, Technologie-, Hochschul- und Verkehrspolitik bis hin zur Abfallwirtschaft und zum Küstenschutz. Beispielhaft nenne ich zwei Bereiche: zum einen die Endlinienfertigung des Airbus A3XX und zum anderen die große Rolle, die der Lübecker Hafen als Zubringerhafen für Container für den Hamburger Hafen spielt.

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

Weitere Kooperationen sind bereits konkret geworden. So werden zum Beispiel beim Statistischen Landesamt Kooperationen in zwei Bereichen konkret erarbeitet: Schleswig-Holstein wird künftig für Hamburg die Agrarstatistiken - das ist kein Witz, das ist tatsächlich so - aufstellen; im Gegenzug wird Hamburg für Schleswig-Holstein die Seeverkehrsstatistik übernehmen.

Die Kooperation zwischen der Datenzentrale Schleswig-Holstein und dem Landesamt für Informationstechnik Hamburg verläuft seit längerer Zeit erfolgreich. Die weiterhin bestehenden schleswig-holsteinische Statistikverfahren werden vom Rechenzentrum in Altenholz in das gemeinsame Rechenzentrum nach Hamburg verlagert.

Die Eichverwaltung Hamburg und die Eichverwaltung Schleswig-Holstein arbeiten auf Fachebene seit Jahren eng zusammen. Die zuständigen Ressorts der beiden Länder haben am 5. Juli 2000 verabredet, einen Zusammenschluss der Eichverwaltungen anzustreben.

Im Interesse eines in Norddeutschland insgesamt ausreichenden Studienplatzangebots und einer angemessenen Differenzierung des Fächerspektrums sind die Konsequenzen aus den Strukturveränderungen zu klären. Hier wollen wir mit allen Hochschulen kooperieren, nachdem wir uns jetzt bemühen, vor allem unsere Hochschulen im Land enger miteinander kooperieren zu lassen und dann die Felder zu definieren, auf denen eine engere Zusammenarbeit mit Hamburg möglich ist.

Die Kooperation der norddeutschen Länder im Medienbereich ist eine traditionell intensive Zusammenarbeit aller Länder. Das zeigt die weitgehend gemeinsame, einheitliche Rundfunkgesetzgebung, zum Beispiel Rundfunkstaatsverträge, Mediendienste-Staatsverträge, gemeinsam eingerichtete Körperschaften und Institutionen wie zum Beispiel ZDF und DeutschlandRadio.

Dieser Prozess wird von uns weiter intensiviert werden, er wird vor allem vor Ort intensiviert werden, die Beratungsergebnisse und Beratungsangebote werden im Landtag zu diskutieren und einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen sein, damit alle wissen, welche Möglichkeiten sie haben, einzugreifen und ihre Wünsche einzubringen beziehungsweise auf den Tisch zu legen.

(Glocke des Präsidenten)

Noch einen Satz! - Sobald das Regionale Entwicklungskonzept seine neuen Formen angenommen hat, seine neue Strukturen erkennbar sind, werden wir Sie wie gesagt - darüber unterrichten und Ihnen die Möglichkeit geben, dies parlamentarisch zu beraten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile das Wort dem Herrn Oppositionsführer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Bericht lässt die Vermutung aufkommen, dass hier etwas zweimal vermarktet werden soll - ein interessantes Beispiel für parlamentarische Abfallproduktverwertung bei Rot-Grün. Für den 8. Februar 2001 ist nämlich eine Konferenz Norddeutschland, diesmal unter der Federführung Schleswig-Holsteins, geplant, übrigens eine Institution, die es seit 1969 gibt, also keine Erfindung von Rot-Grün. Dafür muss die Landesregierung natürlich Vorarbeiten leisten. SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellen dann schnell einen Berichtsantrag zur norddeutschen Zusammenarbeit. Vielleicht gibt es dann im Vorfeld auch noch Hinweise vonseiten der Landesregierung, was sie besonders darstellen möchte. Also wird ein entsprechender Antrag der Regierungsparteien formuliert. Das sieht mir sehr nach einem abgekarteten Spiel aus.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Hört, hört! - Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

Nur die Schwäche des Berichts spricht gegen diese Vermutung.

Vielleicht soll aber auch die aktuelle Vermarktung davon ablenken, dass die Konferenz im Februar bestenfalls mit dem Ergebnis ausgehen wird: außer Spesen nichts gewesen. Die Kernaussage des Berichts lautet nämlich: Die Zusammenarbeit mit den norddeutschen Nachbarn funktioniert. Wenn man dann auf der letzten Seite des Berichts angekommen ist, muss man feststellen, dass das natürlich eine mächtige Übertreibung ist. Wir haben hier bereits gestern über die Problematik der Zusammenarbeit mit Hamburg betreffend die Nutzung der Standspur auf der A 7 und A 23 diskutiert.

Da wurde deutlich, dass die Zusammenarbeit erheblich zu wünschen übrig lässt. Die Verkehre, die Verkehrsfragen, die eine Zusammenarbeit mit Hamburg nötig machen, werden in diesem Bericht nicht einmal erwähnt. Die für unser Land so wichtige A 20 findet in dem Bericht gerade mit einem einzigen Satz Erwähnung. Es finden sich keine Aussagen darüber, dass Hamburg eine andere Trassenplanung vorziehen würde. Es finden sich auch keine Aussagen dazu, dass Hamburg in der A 20 eigentlich eine Stadtumgehungsautobahn sieht, dass aber für Schleswig-Holstein diese A 20 die einzige Chance ist, zum einen die Erschlie

(Martin Kayenburg)

ßung wirtschaftsschwacher Regionen an der Westküste und weiter nördlich sicherzustellen und zum anderen die verkehrliche Entwicklung aus dem skandinavischen Raum und die Standortverbesserung für ganz Schleswig-Holstein zu berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU)

Es fehlt jeder Hinweis auf diese Differenzen. Und es gibt keine Aussagen dazu, welche Gespräche mit welchen Behörden in dieser Frage geführt werden.

Nehmen wir einen anderen Bereich, die Bildungspolitik. Im dritten Teil bemüht sich der Bericht um eine Bestandsaufnahme. Im vierten Teil will er dann konkretisieren und Erfolge bilanzieren. Ich will nicht verhehlen, dass das in einzelnen isolierten und konkreten Projekten der Kooperation - wie zum Beispiel bei der Finanzierung eines Forschungsschiffes oder bei der Errichtung eines norddeutschen Bibliotheksverbundes - funktioniert. Das soll auch anerkannt werden. Aber in den umfassenden Fragen der Bildungspolitik fehlen Visionen, da gibt es keine strukturellen und politischen Voraussetzungen für künftige Zusammenarbeit. Es gibt immer noch keine Hochschulstrukturplanung. Der alte Landeshochschulplan von vor neun Jahren taugt einfach nicht für eine Neuausrichtung.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Es gibt natürlich eine Zusammenarbeit bei den Hochschulen. Aber wo ist die Zusammenarbeit in der Politik, wo sind die Vorgaben, was denn mit Hamburg gemeinsam gerade im Hochschulbereich auf den Weg gebracht werden kann?

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und Beifall der Abgeordneten Dr. Christel Happach- Kasan [F.D.P.])

Es wird lediglich auf das HIS-Projekt „Ausstattungs-, Kosten- und Leistungsvergleich norddeutscher Hochschulen“ hingewiesen, allerdings - und da ist der Bericht ehrlich, das will ich gern zugeben - wird dessen geringer praktischer Wert unter Beweis gestellt. Dieser Untersuchung wird nämlich bescheinigt, sie sei in „hohem Maße von methodischem Entwicklungsbedarf“ geprägt. Ich denke, damit wird deutlich, dass die norddeutsche Zusammenarbeit - wie an vielen Stellen auch hier nur Absichtserklärung ist, aber es gibt keine Hinweise auf konkrete Absprachen oder gar Darstellungen, die in konkrete Ergebnisse münden.

Nehmen wir zum Bespiel die Zusammenarbeit bei der Berufsschullehrerausbildung, deren Reformbedarf laut Antwort auf die Kleine Anfrage der Kollegin Eisenberg bereits durch ein 1996 vergebenes Gutachten untersucht wurde, in dem es konkrete Aussagen gibt. Im Bericht wird dann aber vor allem das Ziel

beschrieben, den Nachwuchsbedarf an Berufsschullehrern aus den Nachbarländern zu sichern, statt für den Beruf des Berufsschullehrers politisch aktiv zu werben. Ich frage: Wo bleiben eigentlich die Konsequenzen aus dem Gutachten? Dort, wo die norddeutsche Zusammenarbeit laut Bericht besondere Erfolge aufweist, ist die Landesregierung nicht beteiligt, ich nenne nur die Volkshochschulen.

Flickenteppichweise wird aus fast jedem Ressort etwas berichtet. Ich sage: Patchwork statt Pepita. Interessant ist, dass es offensichtlich im Bereich des Justiz- und Frauenministeriums eine norddeutsche Zusammenarbeit überhaupt nicht gibt, nicht einmal im Ansatz. Bei der Medienpolitik, Frau Simonis, sind die Verdienste nicht auf Sie zurückzuführen.

(Glocke des Präsidenten)

Kommen Sie bitte zum Schluss!