Protocol of the Session on October 10, 2002

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Die Tagung ist wieder eröffnet. Ich begrüße Sie sehr herzlich. Das Haus ist beschlussfähig. Erkrankt ist nach wie vor der Herr Abgeordnete Eichelberg, dem ich gute Genesungswünsche übermittele.

(Beifall)

Beurlaubt ist Frau Abgeordnete Rodust.

Meine Damen und Herren, der Landeswahlleiter hat als Nachfolger für den durch Mandatsniederlegung ausgeschiedenen Landtagsabgeordneten Rainder Stehenblock Herrn Detlef Matthiessen festgestellt. Ich bitte Sie, Herr Matthiessen, zur Verpflichtung nach vorn zu kommen. - Herr Abgeordneter, ich spreche Ihnen die Eidesformel vor. Ich bitte Sie, die rechte Hand zu heben und mir nachzusprechen.

(Die Anwesenden erheben sich - Abgeordne- ter Detlef Matthiessen wird nach folgender Eidesformel vereidigt: Ich schwöre, meine Pflichten als Abgeordneter gewissenhaft zu erfüllen, Verfassung und Gesetze zu wahren und dem Lande unbestechlich und ohne Ei- gennutz zu dienen, so wahr mir Gott helfe.)

Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen alles Gute für die Arbeit im Landtag und für unser Land SchleswigHolstein.

Danke schön.

(Beifall)

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, will ich Besucherinnen und Besucher begrüßen. Auf der Tribüne haben ehrenamtlich tätige Bürgerinnen und Bürger aus Bargteheide und Umgebung Platz genommen. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung des Mittelstandes (Mittelstandsförde- rungs- und Vergabegesetz MFG)

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU Drucksache 15/2056 (neu) - 2. Fassung -

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Dann eröffne ich die Grundsatzberatung und erteile

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(Präsident Heinz-Werner Arens)

dem Oppositionsführer, Herrn Abgeordneten Kayenburg, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten Wochen habe ich den Eindruck gewonnen, dass sich die Landesregierung um die Situation des Mittelstandes bemüht und insgesamt zur Problemlösung beitragen will. So jedenfalls werte ich das Papier vom 26. September, das Minister Rohwer im Auftrag der A-Länder an den Bundeswirtschaftsminister gegeben hat, das den Mittelstand unterstützen soll. Ich hoffe, dass wir dies nutzen, diese Herausforderung gemeinsam anzunehmen, und zwar in einer Gemeinsamkeit, wie sie sonst hier in diesem Haus nicht üblich ist.

Vor wenigen Tagen hat das Landesarbeitsamt Nord die neuen Arbeitsmarktdaten für Schleswig-Holstein vorgelegt. Danach waren Ende September in unserem Land 116.200 Männer und Frauen arbeitslos. Das sind 4,2 % mehr als im September des letzten Jahres beziehungsweise entspricht einem Anstieg der Zahl der Arbeitslosen um 5.200.

Das Landesarbeitsamt Nord stellt zu Recht fest:

„Auch die um Saisonaleffekte bereinigten Daten zeigen einen wieder steigenden Trend. Durch den sinkenden Einstellungsbedarf der Wirtschaft hat sich die Arbeitslosigkeit in den letzten Monaten zunehmend verfestigt.“

Das bedeutet im Klartext, dass wir eine wachsende Zahl von Arbeitslosen und insbesondere von Langzeitarbeitslosen auch in Schleswig-Holstein haben. Die steigenden Arbeitslosenzahlen gehen leider mit einem Rückgang an Arbeitsplätzen einher. Nach den aktuellen Angaben des Arbeitsamtes liegt Ende Juni 2002 die Zahl bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 4.800 niedriger als im Vorjahresmonat. Der Rückgang bei uns liegt leider auch über dem Bundestrend.

Besonders bedauerlich dabei ist, dass der Bestand an arbeitslosen jüngeren Personen unter 25 Jahren deutlich gestiegen ist, nämlich mit einem Zuwachs von immerhin 8,2 %. Parallel dazu nimmt die Zahl der Stellenangebote genauso ab wie die Zahl der erfolgreichen Vermittlungen durch die Arbeitsverwaltung.

Dagegen steigt die Zahl der Kurzarbeiter geradezu dramatisch. Im September 2002 arbeiten 47,5 % mehr Menschen in Kurzarbeit als vor einem Jahr.

Unser Tun und Handeln als Politiker muss doch insbesondere darauf gerichtet sein, Arbeitsplätze zu schaffen.

Es geht dabei nicht nur darum, den arbeitslosen Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern aus der Arbeitslosigkeit herauszuhelfen. Es geht schlicht und einfach um die Frage, ob unser Land so überlebensfähig ist.

Wenn es uns nämlich nicht gelingt, die Arbeitslosigkeit in Schleswig-Holstein signifikant zu senken, wird wegen der notwendigen Sozialtransfers die Insolvenz des Landes nicht mehr abzuwenden sein.

Wenn wir aber in dem Ziel einig sind, Arbeitslosigkeit nachhaltig und wirksam zu senken und zumindest auf ein Niveau zurückzuführen, wie es im Süden der Republik bereits vorherrscht, so müssen wir den Mittelstand stärken, um dieses Ziel zu erreichen.

(Beifall bei der CDU)

Der Mittelstand ist und bleibt die Jobmaschine der deutschen Wirtschaft. Die CDU-Landtagsfraktion will deswegen alles tun, um unserer mittelständischen Wirtschaft den Rücken zu stärken und die Rahmenbedingungen für das Wirtschaften in unserem Land zu verbessern. Diesem Zweck folgt auch der Ihnen vorgelegte Entwurf des Gesetzes zur Ablösung des Mittelstandsförderungsgesetzes aus dem Jahr 1977.

Schleswig-Holstein war 1977 bundesweit durchaus führend in der Erkenntnis, dass nur ein gesunder Mittelstand wirtschaftliches Wachstum, Arbeitsplätze und Steuereinnahmen garantiert. Mit dem vorliegenden Entwurf wollen wir das Mittelstandsförderungsgesetz als Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz den neuen wirtschaftlichen Realitäten anpassen. Wir wollen es entschlacken. Wir wollen und sollten auch gemeinsam ein Zeichen setzen, dass wir als Politiker die Bedeutung des Mittelstandes erkannt haben.

Die enorme Bedeutung des Mittelstandes - daran will ich uns alle erinnern - dürfte doch jedem anhand dessen deutlich werden, dass mehr als 90 % aller Betriebe in unserem Lande zur Kategorie der kleinen oder mittelständischen Unternehmen gehören. Der Mittelstand stellt mehr als 70 % aller Arbeitsplätze und bietet über 80 % aller Ausbildungsplätze an. Bundesweit hält der Mittelstand einen Anteil von rund 55 % der gesamten Wertschöpfung. Auch die Investitionen der mittelständischen Wirtschaft machen einen erheblichen Anteil aller Investitionen aus. Deshalb ist auch klar: Ohne aktive Mittelstandspolitik gibt es keine Zukunft für Schleswig-Holstein und für Deutschland.

(Beifall bei der CDU)

Leider hat die Politik der rot-grünen Bundes- und Landesregierung den Mittelstand in den letzten Jahren vernachlässigt. Besonders schlimm finde ich aller

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(Martin Kayenburg)

dings die Benachteiligung des Mittelstandes bei der vergangenen Steuerreform. Ausgesprochen kritisch ist deswegen für den Mittelstand die jüngste Entscheidung der Bundesregierung zu werten, die nächste Stufe der Steuerreform zu verschieben. Natürlich wird nachher wieder einer aus der SPD-Fraktion davon reden, wir seien Miesmacher und dies sei nichts als der Versuch, das Land schlechtzureden. Aber leider geben uns die Wirtschaftsforschungsinstitute Recht. Der Wahlkampf ist vorbei

(Zuruf des Abgeordneten Bernd Schröder [SPD]: Erst seit heute!)

und ich hoffe, dass Rot-Grün jetzt endlich den Menschen die Wahrheit sagt und die wirtschaftliche Lage realistisch beschreibt.

(Beifall bei der CDU)

Es reicht nicht, wenn der Wirtschaftminister allein das tut; da ist auch die SPD-Fraktion gefordert. Ich will mich auch gerne auf den Wirtschaftsminister des Landes berufen, der noch im Mai dieses Jahres davon sprach, „dass die Bundesregierung ihre Politik teilweise zu sehr auf größere Unternehmen ausgerichtet" hat. Zu den fünf Punkten, die Herr Rohwer damals richtigerweise als Kernprobleme des Mittelstandes herausgehoben hat, gehört auch die steuerliche Schlechterbehandlung der Personengesellschaften bei einbehaltenen Gewinnen. Deutlicher darf und kann ein SPD-Politiker die Steuerpolitik der eigenen Genossen in Berlin wohl kaum kritisieren.

Der Maßnahmenkatalog, der dem Mittelstand helfen kann, ist vielfältig. Bereits im vergangenen Jahr haben wir mit unserem „Pakt für den Mittelstand" eine Reihe von Forderungen an die Landes- und Bundesebene gestellt, um die Situation des Mittelstandes zu verbessern. Mit unserem Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz nehmen wir jetzt einen erneuten Anlauf dazu. Dabei ist uns durchaus bewusst, dass die Politik nur wirtschaftliche Rahmenbedingungen beeinflussen kann, dass wir das wirtschaftspolitische Klima aber per Gesetz nicht verordnen können. Aber wir können in jedem Fall mit diesem Gesetz die Förderungsbedingungen für den Mittelstand verbessern, öffentliche Gelder effizienter einsetzen und die Wettbewerbsbedingungen für die mittelständische Wirtschaft erheblich und deutlich verbessern. Darüber hinaus halten wir es für sinnvoll, die Vergabe- und Verdingungsordnungen mit der Mittelstandsförderung zu verbinden und diese insgesamt mittelstandsfreundlicher zu gestalten. Konkret wollen wir - das ist der entscheidende Ausweg aus der Krise - das private Engagement im Mittelstand einschließlich der freien Berufe fördern. Wir wollen die wirtschaftliche Betä

tigung des Staates und der öffentlichen Hand gerade im kommunalen Sektor zurückführen und so der privaten Leistungserbringung mehr Raum einräumen. Wir sind gern bereit, im Detail auch mit der Regierung und Ihnen über Formulierungen zu diskutieren. Aber an einem wichtigen Ziel möchten wir auf jeden Fall festhalten. Ich möchte es einmal so formulieren: Die Insichgeschäftigkeit zu bekämpfen ist ein Ziel, an dem nicht gerüttelt werden darf. Der Staat darf nicht Konkurrent des Mittelstandes sein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir wollen mehr Transparenz in die Mittelstandspolitik bringen. Dies muss durch regelmäßige Berichterstattung im Landtag ebenso erreicht werden wie durch eine gesonderte Darstellung im Haushalt. Wir wollen eine Ausschreibungspraxis der öffentlichen Hand, die sich ordnungspolitisch auf EU- und bundesrechtlich einwandfreie Regelungen stützen kann. Die Durchsetzung der Verdingungsordnungen beispielsweise muss ohne Wenn und Aber gesichert sein und deren Missbrauch wirksam geahndet werden können. Dazu gehört vor allem dann aber auch, dass die Ausschreibung von Fachlosen statt des Einsatzes von Generalunternehmern vorzusehen ist.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen mehr Transparenz bei Ausschreibungen und Vergaben der öffentlichen Hand auch für Vergabevolumina unterhalb der EU-Schwellenwerte. Ein wichtiger Punkt wäre - das ist allerdings ein Wunsch - auch die Verstetigung der Mittelstandsförderungsfinanzmittel. Andere Bundesländer haben tatsächlich im Mittelstandsförderungsgesetz diese Verstetigung festgeschrieben. Leider ist allerdings die Finanzsituation unseres Landes so, dass wir in der derzeitigen Situation eine Verstetigung wohl kaum gesetzlich festschreiben können. Aber vielleicht sollten wir wenigstens unsere Absicht deutlich machen, dass wir daran arbeiten.

Ich will festhalten - das sollte auch ein entscheidender Punkt für die Diskussion sein -, dass durch das Gesetz keine Mehrkosten entstehen werden. Es führt jedoch zu einer transparenteren Planung und einer klareren Haushaltsdarstellung; erleichtert wird auch die Evaluierung von Maßnahmen, die Fehllenkungen und unnötige Ausgaben vermeiden soll. Dies sollten wir im Ausschuss weiter diskutieren. Wir sollten aber auch die Sorge mit in den Ausschuss nehmen, dass die Investitionsquote nochmals gesunken ist. Nachdem wir mit 9,3 % im vergangenen Jahr bereits einen unwahrscheinlich niedrigen Satz erreicht haben, ist es

(Martin Kayenburg)

tatsächlich noch einmal gelungen, die Investitionsquote in diesem Jahr auf 9,1 % herabzusetzen.