Protocol of the Session on June 20, 2003

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Ich wünsche allen einen schönen guten Morgen und eröffne die Sitzung. Ich möchte darauf hinweisen, dass der Auftritt meines Kollegen zur Linken auf ein besonderes Ereignis hinweist. Das wollen wir Ihnen auch nicht vorenthalten. Das besondere Ereignis besteht darin, dass wir heute ein Geburtstagskind unter uns haben. Sehr geehrter Herr Abgeordneter Müller, zu Ihrem heutigen Geburtstag gratulieren der Schleswig-Holsteinische Landtag beziehungsweise die Damen und Herren des Schleswig-Holsteinischen Landtages ganz besonders herzlich.

(Beifall)

Dann möchte ich auf der Tribüne eine Besuchergruppe, Gäste des Schleswig-Holsteinischen Landtages, begrüßen. Ich begrüße die Schülerinnen und Schüler sowie ihre Lehrerinnen und Lehrer der HumboldtSchule in Kiel und der Walter-Lehmkuhl-Berufsschule Neumünster. - Ihnen allen ein herzliches Willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Wir treten dann in die Tagesordnung ein. Ihnen ist die von den Geschäftsführern verabredete geänderte Tagesordnung vorgelegt worden. Gibt es dazu Wortmeldungen? - Das ist nicht der Fall. Dann möchte ich kurz darauf hinweisen, dass der Tagesordnungspunkt 24, Stichwort Handwerksordnung - wie gestern beschlossen -, heute zur Abstimmung steht. Diese soll nach Tagesordnungspunkt 46 erfolgen. Ist das Haus damit so einverstanden? - Das sehe ich so, dann bedanke ich mich dafür.

Bevor ich Tagesordnungspunkt 5 aufrufe, muss ich noch bekannt geben, wer heute erkrankt und beurlaubt ist - das sehe ich hier gerade. Erkrankt sind die Frau Abgeordnete Gisela Böhrk und der Herr Abgeordnete Günter Neugebauer. Beiden von hier aus eine hoffentlich gute Besserung!

(Beifall)

Beurlaubt sind die Abgeordneten Steincke und Schmitz-Hübsch. Wegen dienstlicher Verpflichtungen abwesend ist die stellvertretende Ministerpräsidentin, Frau Ministerin Lütkes, sowie der Minister für Finanzen Dr. Stegner. Weitere Mitteilungen sehe ich im Moment nicht, sodass wir jetzt wirklich - wie angedroht - in den Tagesordnungspunkt 5 einsteigen können.

(Vizepräsident Thomas Stritzl)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Zweite Lesung des Entwurfes eines Gesetzes zur Förderung des Mittelstandes (Mittelstandsförde- rungs- und Vergabegesetz)

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU Drucksache 15/2056 (neu) - 2. Fassung -

Bericht und Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses Drucksache 15/2734

Ich erteile zunächst der Berichterstatterin des Wirtschaftsausschusses, Frau Abgeordneter Roswitha Strauß, das Wort.

Herr Präsident! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Mittelstandes, Gesetzentwurf der Fraktion der CDU, ist dem Wirtschaftsausschuss durch Plenarbeschluss am 10. Oktober 2002 zur Beratung überwiesen worden. Der Wirtschaftsausschuss hat sich mit dem Gesetzentwurf in mehreren Sitzungen und einer Anhörung befasst.

Zur abschließenden Beratung der Vorlage im Wirtschaftsausschuss legten die Fraktionen von SPD, CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Abgeordneten des SSW einen interfraktionell erarbeiteten Änderungsantrag vor. In einer außerplanmäßigen Sitzung am 18. Juni 2003 führte der Ausschuss darüber hinaus noch ein Gespräch mit den kommunalen Landesverbänden über die interfraktionell getragene Fassung des Gesetzentwurfs, wie er dem Landtag mit der Drucksache 15/2734 vorliegt. Als Ergebnis dieses Gespräches nahm der Ausschuss einstimmig die Empfehlung der kommunalen Landesverbände auf, in § 4 einleitend zu formulieren: „Die öffentliche Hand im Sinne des § 3 dieses Gesetzes soll, vorbehaltlich spezifischer Regelungen…“.

Sehr geehrter Herr Präsident, unter Einschluss dieser eben von mir vorgetragenen Änderung, die der Klarstellung dient, schlage ich dem Landtag im Namen des Wirtschaftsausschusses vor, den Gesetzentwurf in der Fassung der Drucksache 15/2734 anzunehmen.

Vielen Dank, Frau Berichterstatterin. Wortmeldungen zum Bericht sehe ich nicht. Dann eröffne ich jetzt die Aussprache. Das Wort für die antragstellende Fraktion der CDU erteile ich der Frau Abgeordneten Roswitha Strauß.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich die erste Lesung der CDU-Initiative zur Änderung des Mittelstandsförderungsgesetzes noch einmal in Erinnerung ruft, war durchaus nicht zu erwarten, dass es uns gelingen würde, für ein neues Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz eine Mehrheit zu erringen und Einvernehmen zu erzielen. Umso erfreulicher ist das Ergebnis, dass Ihnen mit dem interfraktionell erarbeiteten Änderungsantrag zur Abstimmung vorliegt.

Ich möchte an dieser Stelle allen Kolleginnen und Kollegen, die an diesem Ergebnis mitgearbeitet und mit gerungen haben, meinen herzlichen Dank sagen.

(Beifall bei der CDU)

Ein besonderer Dank geht an dieser Stelle an meinen Kollegen Bernd Schröder,

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

der dazu die Initiative ergriffen hat, immer drangeblieben ist und mit dem wir hervorragend zusammengearbeitet haben.

(Beifall bei CDU, FDP, SSW und vereinzelt bei der SPD)

In diesen Dank möchte ich ausdrücklich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Innen- und des Wirtschaftsministeriums einbeziehen, die uns mit Sach- und Fachkunde unterstützt haben und - wie ich meine - ebenso wie die teilnehmenden Abgeordneten mit Erkenntnisgewinnen aus diesen Sitzungen herausgegangen sind.

Nicht Parteipolitik, sondern der Wille, die gesteckten Ziele zu erreichen, haben zu diesem positiven Ergebnis geführt. Natürlich gehörten zu diesem Ergebnis auch der Wille zum Kompromiss, allerdings nicht zum faulen Kompromiss, wie ich ausdrücklich betonen möchte.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Selbstverständlich würde dieses Gesetz, wenn wir es als CDU allein gemacht hätten, in einigen Punkten anders aussehen. Darauf werde ich später noch etwas mehr eingehen.

Für uns als CDU war wichtig und auch nicht verhandelbar: erstens die Einbindung der freien Berufe in die Mittelstandsdefinition; zweitens die in § 3 definierte Allgemeinbindung der öffentlichen Hand an die Ziele und Vorgaben dieses Gesetzes - auch dann, wenn die Behörden des Landes, der Kreise, Ämter

(Roswitha Strauß)

und Gemeinden als juristische Person am Unternehmen beteiligt sind -; drittens die Verankerung und Sicherung ordnungspolitischer Grundsätze, wie die Umkehr der Beweislast beim Vorrang der privaten Leistungserbringung in § 4 und im Vergabeteil dieses Gesetzes in § 14; viertens - last, but not least - die Verbesserung der Evaluierungs- und Kontrollmöglichkeiten bei der Mittelstandsförderung und des Vergabewesens.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Für die Umkehr der Beweislast bei dem Vorrang der privaten Leistungserbringung hat die CDU lange gekämpft. Wir finden es besonders erfreulich, dass in diesem Punkt Einigkeit erzielt werden konnte. Es ist dringend geboten, der zunehmenden „Wilderei“ der öffentlichen Hand an dieser Stelle zu begegnen. Allerdings bedarf die Umkehr der Beweislast dann auch einer Entsprechung in den kommunalrechtlichen Gesetzesgrundlagen. Diese Aufgabe werden wir spätestens 2005 in Angriff nehmen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Bereits im Mai 2001, im Rahmen der Debatte um einen Vergabegesetzentwurf des SSW, hatte die CDU sehr deutlich gemacht, dass die öffentliche Hand als größter Einzelnachfrager für Bauleistungen, Beschaffung und Dienstleistungen eine besondere ordnungspolitische Verantwortung zur Sicherstellung eines fairen und rechtskonformen Wettbewerbs hat. Dass es hier erhebliche Umsetzungsdefizite und Verstöße, sowohl auf Landes- als auch auf kommunaler Ebene, gibt, wird in den aktuellen Berichten des Landesrechnungshofes überdeutlich. Deshalb ist für die CDU der Vergabeteil dieses Gesetzes von großer Bedeutung. Die in § 14 unter der Überschrift „Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen und Auftragsvergaben“ neu aufgenommenen Regelungen schieben den zunehmenden Tendenzen, die ordnungspolitischen Vorgaben zu unterlaufen, einen deutlichen Riegel vor - und zwar verbindlich für die Landes- und kommunale Ebene.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Es wird klargestellt und rechtlich verankert, was öffentliche Aufträge sind. Es wird darüber hinaus klargestellt, dass sie dies auch bleiben, wenn sich der öffentliche Auftraggeber „ein privates Kleid“ anzieht, bei so genannten Scheinprivatisierungen, oder das Bauvorhaben privat finanziert wird.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Hauptsache, kein geblümtes Kleid!)

VOB, VOL und VOF werden in der aktuellen Fassung rechtlich verankert und können bei Veränderungen problemlos durch Rechtsverordnungen angepasst werden. Gleichzeitig können damit die vielen im alten Gesetz enthaltenen Erlasse entfallen und der gesamte Vergabeteil dieses Gesetzes kann in einer schlanken Verordnung gebündelt werden.

(Beifall bei der CDU)

Dies trägt zur Klarheit und Rechtssicherheit bei und ist somit für Auftraggeber und Auftragnehmer ein Vorteil.

Eine weitere wichtige Ergänzung bedeutet der Absatz 4 des § 14. Zur Sicherung der Transparenz und zur Korruptionsbekämpfung bei den Vergabeverfahren von Bauleistungen haben wir ein paar „Korsettstangen“ eingezogen, um nachträgliche Angebotsmanipulationen zu verhindern. Dies funktioniert unbürokratisch entweder durch die Sicherstellung einer unabhängigen rechnerischen Prüfung mittels interner organisatorischer Maßnahmen oder alternativ durch das Verlangen einer Zweitausfertigung des Angebots vom Bieter. Die Zweitausfertigung dient als Prüfungsunterlage in Zweifelsfällen.

Darüber hinaus erhöhen wir die Transparenz der Angebotsvergabe durch die Informationspflicht des Auftragsgebers auch unterhalb der Schwellenwerte. Galt diese Vorschrift bisher nur für Millionenaufträge, machen wir sie nunmehr auch ab einem Auftragswert von 10.000 € netto verbindlich. Danach hat der öffentliche Auftraggeber die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, 14 Tage vor Auftragsvergabe über die Sachlage zu informieren. Für Mitbieter erhöht sich dadurch die Chance, eine möglicherweise fehlerhafte Entscheidung vor der Auftragsvergabe korrigieren zu können. So bleiben ihnen nachträgliche Gerichtsverfahren erspart. Das bedeutet möglicherweise eine Entlastung unserer Justiz.

Die CDU-Landtagfraktion hat sich für die Nichtigkeit der Auftragsvergabe bei Unterlassung dieser Informationspflicht durch den Auftraggeber eingesetzt. Dies war leider nicht mehrheitsfähig. Ich räume ein, dass rechtliche Bedenken hierfür begründbar sind. Aber dennoch ist die Aufnahme der Informationspflicht auch nach unserer Auffassung ein Fortschritt für mittelständische Unternehmer.

Zu den Punkten, auf die wir als CDU in diesem Gesetz gern hätten verzichten können, gehören die Aufnahme des Bundesgesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und des schleswig-holsteinischen Tariftreuegesetzes. Es handelt sich um eigenständige Gesetze, die deshalb zu befolgen sind. Ihre explizite

(Roswitha Strauß)

Erwähnung erhöht weder ihre Wirksamkeit, noch ist sie förderlich für die Klarheit dieses Gesetzes. Das betrifft insbesondere das Tariftreuegesetz, da es nur für Teilbereiche gilt. Gesetze auf diese Weise über die Maßen legitimieren zu wollen, hinterlässt einen faden Beigeschmack und bestärkt uns in unseren Zweifeln an der Legitimität und der Wirksamkeit des Tariftreuegesetzes. Da hierdurch allerdings keine neue Rechtslage geschaffen wird, also auch kein weiterer Schaden angerichtet wird, haben wir unsere Zustimmung zu diesem Gesetz davon nicht abhängig gemacht.

Natürlich wissen wir alle, dass wir mit diesem Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz nicht die großen Probleme des Mittelstandes bewältigen können. Der enorme Druck der Abgaben- und Steuerlast kann nur auf Bundesebene gemindert werden. Hierzu kann das Land Schleswig-Holstein im Bundesrat beitragen. Die Weichen hierfür müssen jedoch in Berlin gestellt werden. Dennoch ist dieses Mittelstandsförderungsgesetz ein wichtiger Beitrag für erfolgreiches Wirtschaften der mittelständischen Unternehmer in diesem Land.

Dieser interfraktionelle Änderungsantrag ist das Ergebnis ordentlicher parlamentarischer Arbeit, die ein gemeinsames Ziel hatte und nicht - wie so viele andere Initiativen - durch politische Grabenkämpfe blockiert wurde.