Protocol of the Session on September 24, 2003

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Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 36. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig. Erkrankt sind Frau Ministerin Moser, Frau Abgeordnete Schlosser-Keichel, Herr Abgeordneter Weber und Frau Abgeordnete AschmoneitLücke. - Ich wünsche allen im Namen des Hauses eine gute Genesung!

(Beifall)

Not the same procedure as every day: Jede Plenartagung hat ihren eigenen Verlauf, aber auch ihren besonderen Einstieg. Heute gibt es Erfreuliches zu vermelden. Frau Abgeordnete Sandra Redmann ist Mutter einer Tochter geworden; beide sind gesund und wohlbehalten. - Wir gratulieren ihr und wünschen ihr und ihrer Tochter alles erdenklich Gute!

(Beifall)

Deshalb haben wir auch Verständnis für die zu vermeldende Beurlaubung.

Die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie die Abgeordneten des SSW haben die Bitte geäußert, die Behandlung des Tagesordnungspunktes „Gesetzentwurf zur Änderung des Landeswassergesetzes“ als Dringlichkeitsantrag vorzusehen. Dieser Gesetzentwurf liegt Ihnen als Drucksache 15/2920 (neu) vor.

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landeswassergesetzes

Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/2920 (neu)

Wird das Wort zur Begründung der Dringlichkeit gewünscht? - Herr Abgeordneter Astrup!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Landtag hat in der Juni-Tagung ein Landeswassergesetz in zweiter Lesung verabschiedet, bei dem sich herausgestellt hat, dass durch einen Übertragungsfehler auf dem Weg vom Umweltausschuss zur Beschlussfassung hier im Plenarsaal eine Fassung verabschiedet worden ist, die so nicht gewollt war. Die Wasser- und Bodenverbände haben uns darauf aufmerksam gemacht. Deshalb schlagen wir vor, dieses kurzfristig zu korrigieren. Wenn Sie der Dringlichkeit zustimmen sollten - für die wir eine Zweidrit

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(Holger Astrup)

telmehrheit brauchen, die im Umweltausschuss in der Sitzung in der letzten Woche auch gewährleistet war -, empfehle ich, Herr Präsident, diesen Gesetzentwurf sofort ohne Aussprache in den Umweltausschuss zu überweisen, damit wir - nach einer Sitzung des Umweltausschusses morgen - am Freitag diese Gesetzesänderung in zweiter Lesung verabschieden können.

Gibt es weitere Wortmeldungen zur Begründung der Dringlichkeit? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über die Dringlichkeit abstimmen und greife den Hinweis von Herrn Abgeordneten Astrup auf, dass zur Bejahung der Dringlichkeit nach § 51 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Wer der Dringlichkeit zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann haben wir einstimmig so beschlossen.

Ich rufe nun gleich auf als Tagesordnungspunkt 1:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Landeswassergesetzes

Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/2920 (neu)

Ich lasse dann auch gleich - wie vorgeschlagen ohne Aussprache - über die Überweisung in den Umweltausschuss abstimmen. Wer dieser Überweisung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Auch das ist einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich darauf verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln: Zu den Tagesordnungspunkten 2 bis 4, 8, 14, 16, 24, 25, 35, 39 bis 41, 44, 47 und 48 ist eine Aussprache nicht geplant. Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte 5, 6 und 7, Staatsverträge Statistisches Amt, Eichdirektion Nord und „Dataport“, die Punkte 10 und 38, Gesetz zur Gewährung jährlicher Sonderzahlungen und Zukunft des öffentlichen Dienstes, die Punkte 12 und 20, Vermögensfreibeträge des künftigen Arbeitslosengeldes II und Sozialhilfeausgaben senken, die Punkte 22 und 23, EuGHUrteil zu Arbeitszeiten und Bereitschaftsdiensten in Krankenhäusern, sowie die Punkte 27 und 49, Zielvereinbarung mit den Hochschulen und Eckwerte zur Modernisierung der Hochschulen. Der Tagesordnungspunkt 21 wurde von den Antragstellern zurück

gezogen. Nachträglich haben sich die Fraktionen noch verständigt, dass zum Punkt 11, Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte, doch eine Aussprache stattfinden soll. Hierfür sind für die Fraktionen und die Landesregierung jeweils fünf Minuten Redezeit vorgesehen. Fragen zur Fragestunde liegen nicht vor.

Wann die einzelnen Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratung der 36. Tagung. Unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause werden wir jeweils längstens bis 18 Uhr tagen. Widerspruch höre ich nicht, dann werden wir so verfahren.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Gäste begrüßen. Auf der Tribüne haben Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte der Theodor-HeussRealschule Preetz sowie Mitglieder des SPD-Ortsvereins Bad Segeberg Platz genommen. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Außerdem haben auf der Tribüne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma Motorola Platz genommen, deren Sorgen wir kennen und die heute auch in einer Debatte zum Ausdruck gebracht werden, die wir gleich anschließend führen werden. - Seien auch Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde Motorola

Antrag der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD

Als Erstes erteile ich Herrn Abgeordneten Hay das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als vor kurzem die Nachricht der Konzernleitung von Motorola kam, dass in Flensburg in dem bedeutendsten Unternehmen in der Region 600 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen, war das ein Schlag in das Kontor der Region. Unser Mitgefühl gilt an dieser Stelle den von Arbeitslosigkeit und Entlassung bedrohten Kolleginnen und Kollegen der Firma Motorola.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich möchte an dieser Stelle nicht nur auf das eingehen, was wir gerade draußen bei der Demonstration erleben und worüber wir uns hier drinnen in der Ak

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(Lothar Hay)

tuellen Stunde unterhalten, nämlich die Sorgen der 600 von Entlassung bedrohten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern ich möchte mich vor allem auch auf das konzentrieren, was aus meiner Sicht im Augenblick erforderlich ist.

Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde der größte Scheck in der Geschichte des Landes aus der GAFörderung dem Unternehmen Motorola überreicht, um langfristig den Standort Flensburg auszubauen und weitere Arbeitsplätze zu sichern. Und auch im Nachhinein, in der jetzigen Stunde, bin ich der Überzeugung, dass das eine richtige Entscheidung gewesen ist und dass wir auch in Zukunft von Landesseite alles tun müssen, mit dem Instrument der GAFörderung Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein zu sichern, zu erhalten und auch aufzubauen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und vereinzelt bei CDU und FDP)

Das gilt sowohl für den Bereich der alten Technologien als auch für den Bereich der neuen Technologien.

Wenn es jetzt zum Abbau von 600 Arbeitsplätzen kommt, hat das nicht an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gelegen. Die Mitarbeiterschaft ist so engagiert gewesen, wie - glaube ich - selten eine Mitarbeiterschaft in Schleswig-Holstein gewesen ist, um alles dazu beizutragen, die Arbeitsplätze zu erhalten. Zwölf-Stunden-Schichten, die Ausweitung der Arbeitszeit, die Reduzierung der Arbeitszeit - das alles waren Maßnahmen, die in großer Einmütigkeit von der Belegschaft mit getragen worden sind.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW sowie der Abgeordneten Jut- ta Scheicht [CDU]) und Brita SchmitzHübsch [CDU] Was erwarten wir jetzt von der Landesregierung? - Wir erwarten von der Landesregierung, dass aufgrund der geltenden Rechtslage und der Verträge geprüft wird, welche Fördergelder wieder zurückgezahlt werden müssen. Ich weiß, dass davon wieder 50 % in den Berliner Topf zurückgehen, der Rest aber, die anderen 50 %, verbleiben beim Land Schleswig-Holstein. Wir erwarten von der Landesregierung, dass dieses Geld dafür eingesetzt wird, um den von Arbeitslosigkeit betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Perspektive und die Möglichkeit zu geben, durch Qualifizierungsmaßnahmen wieder Fuß zu fassen, im Arbeitsmarkt neue Chancen zu erhalten, sodass sie nicht von Dauerarbeitslosigkeit bedroht sind. Das ist unsere Erwartung. (Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Aber gleichzeitig erwarten wir auch, dass sich die Firma Motorola an diesem Konzept beteiligt. Ich kann mich noch sehr gut erinnern - es ist noch gar nicht lange her -, dass man sich auf dem Flensburger Arbeitsmarkt bemüht hat, weitere Arbeitskräfte zu erhalten. Das ist ungefähr parallel gelaufen zu der Ankündigung, Arbeitsplätze abzubauen.

Wir erwarten auch von der Konzernleitung eine klare Aussage, was in Zukunft mit dem Standort Flensburg geschehen soll. Was ist mit den verbleibenden 1.200 Arbeitsplätzen? Ich bin mir sicher, dass unsere Ministerpräsidentin und unser Wirtschaftsminister in direkten Gesprächen mit der Konzernleitung für Klarheit sorgen werden. Flensburg braucht dringend die verbleibenden 1.200 Arbeitsplätze. Die Region braucht eine Perspektive, dass diese Arbeitsplätze erhalten bleiben. Ich kann mir vorstellen, dass wir alles dazu beitragen werden, um diesen Standort auch in Zukunft sicher zu machen. An den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat es nicht gelegen. Die haben alles dazu beigetragen. Hier sind Fragen zu stellen hinsichtlich der Verantwortung der Konzernleitung, welche Entwicklungen verschlafen worden sind und wie man auf bestimmte Marktentwicklungen reagiert hat.

Das sei an dieser Stelle zu diesem Thema gesagt. Ich hoffe, dass wir in Zukunft über Motorola nur noch positiv in diesem hohen Hause diskutieren werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten SchmitzHübsch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Belegschaft der Firma Motorola in Flensburg war immer kooperationsbereit. Sie willigte ein in den Siebentagebetrieb, sie willigte ein in den 12-Stunden-Tag bei 36 Arbeitsstunden in der Woche, in die Arbeitszeitverkürzung der Nachtschicht. Bei Motorola Flensburg waren zeitweilig viele Zeitarbeiter beschäftigt. Weitere Arbeiter, vor allem Studenten, standen auf Abruf kurzfristig zur Verfügung. Die betrieblichen Vereinbarungen zwischen Firmenleitung, Belegschaft und Betriebsrat waren Zeichen hoher Flexibilität und schafften ein gutes Betriebsklima und doch müssen sich jetzt 600 Menschen darauf einstellen, dass sie ihre Arbeit bei Motorola verlieren werden. Die Aus

(Brita Schmitz-Hübsch)

sicht, im Raum Flensburg einen ähnlichen Arbeitsplatz wiederzufinden, ist gering. Das wird ein trauriges Weihnachtsfest.

Die Ursachen für den Abbau der Arbeitsplätze im Flensburger Werk sind schnell genannt. Erstens gibt es eindeutig Versäumnisse des Managements in den USA, nicht der Firmenleitung in Flensburg, wie ich ausdrücklich betonen möchte. In der „FAZ“ vom Montag war zu lesen, dass Motorola noch im Jahre 1996 einen Anteil am weltweiten Handymarkt von 26 % hatte, gefolgt von Nokia mit 20 %. Im ersten Halbjahr dieses Jahres hingegen kam Nokia auf 36 %, und der Anteil von Motorola betrug nicht einmal mehr 15 %. Im Gegensatz zu den Wettbewerbern hatte es Motorola versäumt, innovative Mobiltelefone auf den Markt zu bringen.

Zweitens. Für gewerbliche Massenprodukte ist die Kostenstruktur in Deutschland im Vergleich mit Asien zu ungünstig. Zu nennen sind vor allem die Löhne mit den hohen Lohnzusatzkosten, aber auch alle anderen Kosten. Die Firmenleitung in Flensburg hat verzweifelt versucht, die Kosten herunter zu fahren, aber gegen die enorme Differenz zu China war sie auf Dauer machtlos.