Protocol of the Session on March 23, 2017

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(Beifall FDP und CDU)

Zweitens, und dies wird bei dem vorherigen Bericht der Landesregierung deutlich: Auch der Hinweis des Ministerpräsidenten, dass dies das einzige Versprechen gewesen sei, das nicht umgesetzt wurde, ist falsch.

Hier nenne ich einige Beispiele, die aus der Antwort auf die vorliegende Große Anfrage hervorgehen und die den Genossen Stegner in besonderer Weise interessieren dürften. Stichwort: einzelbetriebliche Förderung. Der Koalitionsvertrag ist so klar, wie es klarer nicht geht. Hier heißt es auf Seite 12:

„Die einzelbetriebliche Investitionsförderung wird abgeschafft.“

In der Großen Anfrage der Landesregierung lesen wir nun:

„Die einzelbetriebliche Investitionsförderung wurde auf Grundlage des Koalitionsvertrages einer kritischen Analyse unterzogen.“

(Heiterkeit FDP)

Auf dieser Basis wurde die EBF neu ausgerichtet, das heißt, sie wurde beibehalten. Ich kann mich erinnern, mit welcher Verve wir von den Sozialdemokraten in den Jahren 2009 bis 2012 kritisiert worden sind.

(Christopher Vogt [FDP]: Von Tietze!)

Tietze? - Matthiessen. - Dr. Stegner. - Um jetzt zu erklären, dass es ein wunderbares Instrument sei, um über das Land hinweg einzelne Betriebe in ihrer Zukunft zu fördern. Dass sich die Landesregierung auf der Grundlage des Koalitionsvertrages für eine Weiterführung dieser Maßnahmen eingesetzt hat, kann nur bedeuten, dass die Verwaltung selbst entschieden hat, den politischen Willen von SPD, Grünen und SSW nicht umzusetzen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Irgendwie muss man den Minister ja beschäftigen!)

Man müsste vielleicht auch erklären, wie es zu diesem Sinneswandel gekommen ist.

Nächstes Beispiel: Bundesratsinitiative für die Erhöhung des Spitzensteuersatzes. - Sensationell! Die Landesregierung erklärt jetzt in der Antwort auf die Große Anfrage, dass eine Umverteilung von oben nach unten im Bundesrat zurzeit nicht mehrheitsfähig sei. Schauen wir uns an, wie die Landesregierungen aktuell zusammengesetzt sind, stellen wir fest, dass die Sozialdemokratie eine Mehrheit im Bundesrat hat. Die SPD ist in 13 von 16 Regierungen vertreten. Die Frage drängt sich also auf: Wer blockiert dieses Vorhaben,

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

mit dem die Sozialdemokraten seit Jahren die Ungerechtigkeiten der Welt bekämpfen wollen? - Es können ja nur Bodo Ramelow, die Grünen oder Hannelore Kraft sein. Mehr sind ja nicht im Rennen. Also muss die Sozialdemokratie einmal sagen: Wer sind eigentlich die Bremser bei der Initiative im Bundesrat?

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

(Wolfgang Kubicki)

Klar ist hier: Spätestens jetzt bekommt der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Martin Schulz ein Glaubwürdigkeitsproblem,

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

wenn er beklagt, dass es ungerecht in Deutschland zugeht. Es sind ja die Sozialdemokraten, die diese Pläne verhindern.

Sie bekommen überhaupt im Wahlkampf ein Riesenproblem, Herr Dr. Stegner: Wenn doch Ihre Politik so erfolgreich gewesen ist im Sinne einer neuen Gerechtigkeit, dann ist es schwierig zu erklären, warum man „Mehr Gerechtigkeit für alle“ braucht wobei ich Ihnen einmal sagen will: Intellektuell bedeutet mehr Gerechtigkeit für alle keine Veränderung der Verhältnisse. Wenn alle gleich mehr bekommen, bleibt es, wie es ist. Das hat Peer Steinbrück auch schon einmal gesagt. Das muss man bei dem Slogan „Mehr Gerechtigkeit für alle“ auch einmal deutlich machen.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Ein drittes Beispiel: Die Koalition hat im Bereich der Verkehrsinfrastruktur durchaus Richtiges erkannt. Auf Seite 26 des Koalitionsvertrages können wir lesen:

„Angesichts des sich rapide verschlechternden Zustandes unserer Verkehrswege muss es unser vorrangiges Ziel sein, die Infrastruktur dauerhaft im vollen Umfang betriebsfähig zu halten und eine weitere Substanzschädigung zu verhindern.“

Also, die Erkenntnis war da. Im Landesstraßenzustandsbericht dieser Regierung steht es schwarz auf weiß, dass wir zehn Jahre lang 90 Millionen € in unsere Landesstraßen stecken müssten, um dann den Sanierungsstau von fast 1 Milliarde €, der sich seit 1990 angehäuft hat, abgebaut zu haben.

Im Jahr 2013 zum Beispiel hat Rot-Grün-Blau nicht 90 Millionen €, sondern nur 15,9 Millionen € für die Landesstraßen ausgegeben. Im Jahre 2014 waren es rund 27 Millionen €, im Jahre 2015 28,1 Millionen €, und so weiter. In keinem Jahr dieser Legislaturperiode wurde die eigene Zielmarke von 90 Millionen € auch nur annähernd erreicht. Der Substanzverlust ist fortgeschritten. Ihm ist nicht entgegengewirkt worden. Wenn das eine vernünftige Politik dieser Regierung ist, dann: Gute Nacht, Schleswig-Holstein!

(Beifall FDP und CDU)

Gehen wir weiter im Koalitionsvertrag. Dort lesen wir auf Seite 13:

„Schleswig-Holstein wird sich zügig für eine Abschaffung der Ermäßigung für Hotels bei der Mehrwertsteuer einsetzen …“.

Es ist mir ein besonderes inneres Anliegen gewesen zu verfolgen, was daraus jetzt geschieht nach den vehementen Angriffen des Genossen Dr. Stegner auf uns wegen der Mövenpick-Steuer und anderer Dinge mehr. Wir erinnern uns: Die sogenannte Mövenpick-Steuer war der große Kampfbegriff für Streiter für soziale Gerechtigkeit und gegen die Unterdrückung des kleinen Mannes.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Und die reichen Er- ben!)

Was hat diese Landesregierung erreicht, die nach den Worten des Koalitionsvertrages „stark in Berlin“ auftreten will? - In der Antwort auf die Große Anfrage lesen wir auf Seite 62:

„Schleswig-Holstein hat einen Gesetzesantrag zur Abschaffung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Beherbergungsleistungen eingebracht (Mitantragsteller Bremen und Nordrhein-Westfalen). Der Bundesrat hat jedoch am 2. November 2012 beschlossen, den Gesetzentwurf beim Deutschen Bundestag nicht einzubringen... Vor diesem Hintergrund wurde mangels Erfolgsaussicht von weiteren Initiativen Abstand genommen.“

Also nicht einmal jetzt versucht man das, nein: „Stark in Berlin“ heißt: Wir versagen auf ganzer Linie.

(Beifall FDP und CDU)

Wahrscheinlich - wir haben in unseren Reihen immerhin den sechsten stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD, dessen Kampfkraft in der SPD nicht unterschätzt werden sollte - waren es auch hier wieder Bodo Ramelow und die Grünen, die Ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht haben.

(Sandra Redmann [SPD]: Immer die gleichen Reden!)

- Außer den Sozialdemokraten waren ja nur Grüne in der Koalition, und beim SSW glaube ich nicht, dass er das verhindert hat.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Echt nicht? - Zuruf Lars Harms [SSW])

Sonst könnte uns ja vielleicht Lars Harms noch einmal erklären, dass er daran schuld ist, dass es diese Absenkung der Mehrwertsteuer für Hotels immer noch gibt.

(Wolfgang Kubicki)

Aber nächstes Beispiel: Koalitionsvertrag, Seite 11:

„Die Landesregierung erarbeitet ein umfassendes Personaleinsparkonzept … Die Landesregierung beabsichtigt, ausgehend von 2010, bis 2020 einen Stellenabbau von 10 % vorzunehmen beziehungsweise das Personalbudget entsprechend zu reduzieren.“

Das hört sich gut an. Umdruck 18/6078 - Anlage 14 - können wir entnehmen, dass die Zahl der Planstellen und Stellen im Landeshaushalt seit mindestens 1998 - das war das dort zuletzt dargestellte Jahr noch nie so hoch war wie derzeit. Im Jahr 2016 waren das immerhin 58.700. Umsetzung des Koalitionsvertrages? - Nein.

Um gleich mit dieser wunderbaren Behauptung aufzuräumen, man habe im Bildungsbereich in Schleswig-Holstein unglaublich viel geleistet, vielleicht auch einige Vergleichszahlen: Der Anteil der Ausgaben für den Bildungsbereich ist abgesenkt worden in Relation zu den Ausgaben insgesamt. Schleswig-Holstein gibt am wenigstens pro Kopf der Schüler im Vergleich der Schüler bundesweit aus. Wir sind dort zurückgefallen.

Wir haben auch nicht mehr Personal in den Schulen. Diese dauernde Erklärung, es gebe mehr Personal in den Schulen, ist eine schlichte Unwahrheit. Ich empfehle, nur einmal den Bericht der Regierung selbst zur Hand zu nehmen. Das ist der Bericht „Schulische Bildung in Schleswig-Holstein 2017“ - Bildungsbericht der Landesregierung. Dort heißt es auf Seite 6 - mehr Lehrkräfte! -: Es gab im Schuljahr 2015/2016 23.577 Lehrkräfte an öffentlichen und allgemeinbildenden Schulen. Im Jahr 2011/2012 waren es 23.643. Auch wenn man keine mathematische Grundbildung hat, Herr Dr. Stegner, wird Ihnen klar sein, dass 23.643 mehr ist als 23.577. Das heißt, Sie haben sogar die Anzahl der aktiven Lehrerinnen und Lehrer noch abgebaut, statt sie anzuheben. Damit müssen Sie mit den Fake News aufhören, dass Sie im Bildungsbereich extrem viel getan haben.

(Beifall FDP und CDU - Wortmeldung Dr. Ralf Stegner [SPD])

Herr Kollege!

Wenn Sie mir erlauben, diesen einen Gedanken noch zu Ende zu bringen, was die Planstellen angeht, dann komme ich gern darauf zurück.

Ja.