Wolfgang Kubicki

Appearances

18/3 18/4 18/5 18/6 18/7 18/8 18/9 18/10 18/11 18/13 18/14 18/15 18/16 18/17 18/19 18/20 18/22 18/23 18/24 18/25 18/27 18/28 18/29 18/30 18/31 18/32 18/33 18/34 18/35 18/36 18/37 18/38 18/39 18/40 18/42 18/43 18/44 18/45 18/46 18/47 18/48 18/49 18/51 18/52 18/53 18/54 18/55 18/57 18/58 18/59 18/60 18/61 18/62 18/63 18/64 18/66 18/67 18/68 18/69 18/70 18/71 18/72 18/73 18/74 18/75 18/76 18/77 18/78 18/79 18/80 18/81 18/82 18/84 18/85 18/86 18/87 18/88 18/89 18/90 18/93 18/94 18/96 18/97 18/98 18/99 18/100 18/102 18/103 18/104 18/105 18/106 18/107 18/108 18/109 18/111 18/112 18/115 18/116 18/117 18/118 18/119 18/120 18/121 18/122 18/123 18/125 18/126 18/127 18/128 18/129 18/133 18/135 18/136 18/137 18/138 18/139 18/140 18/141 18/143 18/144 18/145

Last Statements

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich meine Rede nicht zu Protokoll gebe, weil ich keine schriftliche vorliegen habe, sondern erst den Bericht abwarten wollte. Ich denke, dass es wichtig ist, einige Punkte hier im Plenum darzustellen, denn die Ausführungen der Ministerin machen doch etwas besorgt, insbesondere die Ausführungen des Staatssekretärs Schmidt-Elsaeßer im Innen- und Rechtsausschuss, den ich sonst persönlich sehr schätze und den man vielleicht auf die geltende Rechtslage und auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung hinweisen muss, dass das, was in der JVA Lübeck passiert ist, verfassungs- und
rechtswidrig war und vom Landesvollzugsgesetz des Landes Schleswig-Holstein nicht gedeckt ist.
Ich bin froh, dass mich Kollegen von mir aus der Strafverteidigung darüber unterrichtet haben, dass es mehrfach, nicht nur in der JVA Lübeck, sondern landesweit vorkommt, dass ohne konkreten Anlass Verteidigerpost geöffnet wird und dass es mehrfach vorgekommen ist, dass sogar Briefe von Abgeordneten geöffnet wurden. Ich will auf die Rechtslage hinweisen.
Denn, Frau Ministerin, im Gegensatz zu den bisherigen Ausführungen ist die Sichtkontrolle grundsätzlich untersagt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2011 - Aktenzeichen 2 BvR 979/10 - ausdrücklich auf die Sichtkontrolle abgehoben und ab Randnummer 22 ausdrücklich ausgeführt, dass die Sichtkontrolle grundsätzlich untersagt ist, es sei denn, es gibt konkrete Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Schreiben verbotene Gegenstände in die Anstalt eingeschmuggelt werden sollen.
Jetzt stellt sich für uns die spannende Frage - Frau Ministerin und Herr Staatssekretär, das gilt nicht nur für Verteidigerpost, sondern das gilt auch für die Schreiben von Abgeordneten, des Petitionsausschusses oder des Bundesverfassungsgerichts -, welche konkreten Anhaltspunkte bestanden, in einem kleinen DIN-A4-Umschlag festzustellen, ob darin verbotene Gegenstände wie Handys, Waffen was auch immer - eingeschmuggelt werden sollten. Ist das durch Abtasten erfolgt, ja oder nein? Was war die Feststellung dieser Veranlassung, um dann zu dem Ergebnis zu kommen, es war zulässig, die Geschichte in Anwesenheit des jeweils Betroffenen zu öffnen?
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2003 im Übrigen Folgendes erklärt:
„Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und damit eine Verletzung des Brief- und Postgeheimnisses,“
- das einen geradezu absoluten Schutz gegenüber Eingriffen von Dritten hat
„kann allerdings auch bei einer zulässigerweise angeordneten Überwachung darin liegen, dass die konkrete Durchführung in ihrem eingreifenden Gehalt über das notwendige Maß hinausgeht.“
Deshalb ist auch hier die Frage: Was war der Anlass, die Post des Kollegen Dudda zu öffnen? Was war der Anlass, meine Post zu öffnen, und zwar
zweimal, wie ich von den Gefangenen mitbekommen habe? Und noch einmal: Wir werden ja sehen, wie die gerichtlichen Entscheidungen ausfallen, die zu treffen sind. Ohne konkreten Anlass, ohne dass jemand gefühlt hat, dass überhaupt etwas drin ist, was nicht hineingehört, ist es - noch einmal grundsätzlich unzulässig und durch das Strafvollzugsgesetz des Landes Schleswig-Holstein auch nicht gedeckt; denn auch diese Normen müssen verfassungsgemäß ausgelegt werden und dürfen nicht als Begründung dafür dienen, anlasslose Sichtkontrollen von fast allen Schreiben vorzunehmen.
Ich will zum Schluss noch einmal darauf hinweisen, weil das auch wichtig ist - Sie haben ja bisher von der Rechtsprechung geredet -, dass sowohl das Kammergericht Berlin - 2 Ws 300/13 vom 31. Juli 2013 - als auch das OLG Nürnberg in seinem Beschluss vom 17. November 2010 - 2 Ws 423/10 ich empfehle vielleicht auch einmal dem Justizministerium die Lektüre - ausdrücklich darauf hingewiesen haben, dass bei dem Öffnen von Verteidigerpost, von Post von Abgeordneten, des Bundesverfassungsgerichts und anderen eine äußerste Zurückhaltung an den Tag zu legen ist und dass, ohne dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt vorliegen, eine Öffnung unzulässig ist und deshalb mit der Norm nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Ich wäre dankbar, wenn wir keine Schattendiskussion führten; denn noch einmal: Kleine DIN-A4-Umschläge zum Einschmuggeln von Handys zu benutzen, ist schon absurd.
- Dann müssen Sie aber jeden Brief öffnen, und das wäre unverhältnismäßig. Diese Überlegung, es könnte eine SIM-Karte drin sein, daher müssen wir Sichtkontrollen durchführen, weil das die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdet, ist so was von absurd. In einem Land, das sich - wie wir rühmt, eines der modernsten Strafvollzugsgesetze zu haben, hinter die bisherigen Regelungen des Bundesstrafvollzugsgesetzes zurückzufallen, ist ja geradezu absurd. Der politische Wille war doch nicht, dass wir die verfassungsmäßigen Rechte der Strafgefangenen weiter beeinträchtigen, sondern dass wir sie im Zweifel ausbauen. Wenn ich jetzt höre, dass diese Koalition dahintersteht, Herr Kollege Rother, dass man solche Eingriffe, die bisher unzulässig waren, auf der Grundlage eines modernen Strafvollzugsgesetzes machen darf, dann haben Sie wirklich komplett auf der ganzen Linie versagt.
Dann will ich einmal wissen, was meine Freunde von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, insbesondere der Kollege Peters, dazu sagen. Noch einmal: Das Verhalten in Lübeck war rechtswidrig, und das wird durch Gerichte auch festgestellt werden. Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich der Justizministerin beispringen. Herr Kollege Dudda, es gibt keine rechtsfreien Räume. Das kann man daran erkennen, dass sich der Gefangene zu Recht gegen die Art und Weise wehrt. Was Sie wahrscheinlich gemeint haben, ist, dass Beamte im Rahmen ihrer Ermessensausübung das so gut ausgelegt haben, dass sie ihre Ermessensgrenzen deutlich überschritten haben. Das ist aber etwas anderes als ein rechtsfreier Raum.
Nun zu den brillanten Ausführungen des Kollegen Peters, die ich bei seinem Beitrag unterschrieben hätte. Es ist ja zutreffend, da sind wir uns völlig einig, dass immer dann, wenn ein Anlass besteht, ein Verdacht besteht, dass mit einem Brief etwas in die Anstalt geschmuggelt werden soll, was Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährden könnte, die Möglichkeit bestehen muss, nicht nur eine Sichtkontrolle durchzuführen, sondern auch den Brief zu öffnen, zu schauen, durch Falten oder Herausnehmen festzustellen, ob etwas darin ist, ob der Verdacht bestätigt wird.
Was auf jeden Fall nicht geht, ist das, was Sie gerade behauptet haben. Da ist ein Gefangener, der einmal einen Kassiber hineinbekommen hat, und deshalb müssten wir jetzt durch Öffnen des Briefes überprüfen, ob da nicht ein weiterer Kassiber reingeschmuggelt werden soll. Das würde voraussetzen, dass Sie den Brief lesen. Sonst können Sie nicht feststellen, ob die Botschaft, die darin ist, ein Kassiber ist oder nicht. Das ist definitiv verboten, weil das eine Inhaltskontrolle ist.
Wir müssen aufhören, uns mit solchen theoretischen Möglichkeiten zu beschäftigen. Wir waren schon viel weiter. Frau Ministerin, ich möchte aufgreifen, was Sie gesagt haben. Es wäre doch überhaupt kein Problem, wenn das Justizministerium durch Erlass feststellen würde, dass die Öffnung
von Briefen von der begünstigten Personengruppe, Verteidigern, Abgeordneten, Petitionsausschuss, Verfassungsrichtern, grundsätzlich unzulässig ist, es sei denn, es gibt einen Anhaltspunkt, dass mit dem Brief etwas hineingeschmuggelt werden soll, was die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährden würde. Das ist unstreitig.
Ich möchte darum bitten, dass die Anstalt verpflichtet wird festzulegen, was der Anhaltspunkt war, der zur Öffnung des Briefes geführt hat. Denn eine rechtliche Überprüfung ist ja nur möglich, wenn man hinterher nicht abstruse Erklärungen bekommt, sondern vorher feststellt: Wir haben die Möglichkeit, den Brief zurückzuschicken oder ihn im Beisein des Gefangenen zu öffnen, um festzustellen, ob sich der Verdacht bestätigt. Dann aber bitte auch notieren, was der Anlass dafür war zu glauben, dass die Post die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährden würde.
Wenn wir uns darauf verständigen - so habe ich den zweiten Beitrag der Ministerin verstanden -, wäre allen geholfen. Dann wären wir in dem Bereich, den ich mir vorgestellt habe. Sie können sicher sein: Dass ich einer anlasslosen Öffnung von Verteidigerpost zustimme, können Sie sicher ausschließen.
Lassen Sie uns diesen Weg gehen; wenn das Ministerium bereit ist, das zu machen, ist doch alles in Ordnung. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mich zunächst gefragt, wie bescheuert man sein muss, einen solchen Antrag zu stellen, wenn man in der Opposition sitzt. Aber nach dem Interview, das ich heute von Herrn Dudda und Herrn Breyer in den „Lübecker Nachrichten“ gelesen habe, ist mir klar geworden, warum das so ist, warum man so etwas macht. Denn wer erklärt, dass er sich dafür einsetzen will, dass die Rasseliste im Gefahrhundegesetz gestrichen werden soll und nicht mitbekommen hat, dass wir das in diesem Hause vor zwei Jahren bereits gemacht haben - übrigens gegen den Widerstand der PIRATEN -, der kommt dann auf solche interessanten Ideen.
Gestern haben wir darüber diskutiert, dass wir im Landtagswahlkampf keine Wahlwerbung wollen. Jetzt haben wir auf amtlicher Drucksache nichts anderes als das, was wir gestern bekämpft haben.
(Beifall FDP, vereinzelt SPD und Beifall Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf Daniel Günther [CDU] Ich habe Daniel Günther schon gesagt, die Union müsse das - auch als Oppositionsfraktion, die nicht dazu beitragen soll, dass die Regierung Wahlwer- bung betreiben darf - bei ihrer Klage vielleicht et- was ausweiten. (Sven Krumbeck [PIRATEN]: Sehr gut!)
Ich habe mich interessanterweise auch gefragt, warum der von mir äußerst geschätzte künftige Oppositionsführer Dr. Ralf Stegner diesen Tagesordnungspunkt setzen wollte. Mir ist das an der Rede klar geworden, dass es wirklich keine gute Idee war. In allen meinen Veranstaltungen erkläre ich momentan, wer Albig hört, lernt Stegner schätzen, weil der wenigstens gelegentlich etwas Inhaltliches sagt, im Gegensatz zum Ministerpräsidenten.
Aber heute muss ich das revidieren. Denn der Ministerpräsident hat in der Tat darauf hingewiesen, dass seine Regierung auch gearbeitet hat. Es wäre komisch gewesen, wenn das in fünf Jahren nicht der Fall gewesen wäre. Das hätte mich natürlich mehr gewundert als das, was angesprochen worden ist.
Aber die Frage war, was ist mit dem Koalitionsvertrag? Ich muss den Grünen und den Menschen der PIRATEN vielleicht erklären, dass ein Koalitionsvertrag kein Gesetz ist, dass keine Regierung verpflichtet werden kann, den Koalitionsvertrag umzusetzen, weil die Koalitionsfraktionen dafür zuständig sind.
Parteien verhandeln Koalitionsverträge, und die Fraktionen sind gehalten, das umzusetzen. Eine Regierung soll sich in aller Regel an Recht und Gesetz halten und vor allen Dingen auch auf veränderte Lagen reagieren, ohne dass man sie an Amtshandlungen festmachen kann, die vor fünf Jahren stattgefunden haben.
Es muss ja auch einmal einer darauf hinweisen, dass die Idee, ein Koalitionsvertrag sei etwas, was man einklagen kann, schlicht und ergreifender Unsinn ist und vor allem mit der politischen Realität nichts zu tun hat.
Aber nun zur Sache. Am 14. Januar dieses Jahres sagte Ministerpräsident Torsten Albig gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass die A 20 das einzige Versprechen gewesen sei, das die Koalition nicht eingehalten habe. Es folgte die umwerfend logische Begründung, schon heute könne das Land kaum einen Kilometer Autobahn zusätzlich bauen, weil nicht genügend Tiefbaukapazitäten vorhanden seien. Und wörtlich erklärte der Regierungschef laut dpa mit gewohnter rhetorischer Brillanz:
„Die Menschen und auch die Bagger sind dafür nicht in ausreichender Zahl da. Alles, was wir jetzt mehr an Geld da reingeben würden, würde jeden Kilometer nur teurer machen, aber nicht automatisch zu mehr Kilometern führen.“
Welch eine brillante Logik des Ministerpräsidenten! An dieser Äußerung sind zwei Dinge interessant. Zum einen ist der regierungsamtliche Hinweis schlicht falsch, dass fehlende Ressourcen bei den Bauunternehmen ursächlich für den Stillstand sind. Das sind Fake News. Denn die Ressourcen fehlen eindeutig im Verantwortungsbereich der Landesregierung.
Es wurde in diesem Bereich seit 2012 viel zu wenig Personal eingestellt, sodass wir im Landesbetrieb Straßenbau heute weniger Planer haben als unter der Vorgängerregierung.
- Da kommen wir gleich dazu! - Vielleicht muss man die Diskussion etwas aufheitern: Selbstverständlich hat Herr Meyer es geschafft, 100.000 cm Autobahn in Schleswig-Holstein zu generieren. Man muss die Zahlen, die Größenordnung, nur richtig verstehen und nicht auf einem Kilometer beharren.
Das grundsätzliche Problem ist immer noch nicht gelöst. Die ausgeschriebenen Stellen können nicht einmal annähernd mit qualifiziertem Personal besetzt werden. Hier hat in erster Linie der Verkehrsminister dieses Landes vollständig versagt.
Zweitens, und dies wird bei dem vorherigen Bericht der Landesregierung deutlich: Auch der Hinweis des Ministerpräsidenten, dass dies das einzige Versprechen gewesen sei, das nicht umgesetzt wurde, ist falsch.
Hier nenne ich einige Beispiele, die aus der Antwort auf die vorliegende Große Anfrage hervorgehen und die den Genossen Stegner in besonderer Weise interessieren dürften. Stichwort: einzelbetriebliche Förderung. Der Koalitionsvertrag ist so klar, wie es klarer nicht geht. Hier heißt es auf Seite 12:
„Die einzelbetriebliche Investitionsförderung wird abgeschafft.“
In der Großen Anfrage der Landesregierung lesen wir nun:
„Die einzelbetriebliche Investitionsförderung wurde auf Grundlage des Koalitionsvertrages einer kritischen Analyse unterzogen.“
Auf dieser Basis wurde die EBF neu ausgerichtet, das heißt, sie wurde beibehalten. Ich kann mich erinnern, mit welcher Verve wir von den Sozialdemokraten in den Jahren 2009 bis 2012 kritisiert worden sind.
Tietze? - Matthiessen. - Dr. Stegner. - Um jetzt zu erklären, dass es ein wunderbares Instrument sei, um über das Land hinweg einzelne Betriebe in ihrer Zukunft zu fördern. Dass sich die Landesregierung auf der Grundlage des Koalitionsvertrages für eine Weiterführung dieser Maßnahmen eingesetzt hat, kann nur bedeuten, dass die Verwaltung selbst entschieden hat, den politischen Willen von SPD, Grünen und SSW nicht umzusetzen.
Man müsste vielleicht auch erklären, wie es zu diesem Sinneswandel gekommen ist.
Nächstes Beispiel: Bundesratsinitiative für die Erhöhung des Spitzensteuersatzes. - Sensationell! Die Landesregierung erklärt jetzt in der Antwort auf die Große Anfrage, dass eine Umverteilung von oben nach unten im Bundesrat zurzeit nicht mehrheitsfähig sei. Schauen wir uns an, wie die Landesregierungen aktuell zusammengesetzt sind, stellen wir fest, dass die Sozialdemokratie eine Mehrheit im Bundesrat hat. Die SPD ist in 13 von 16 Regierungen vertreten. Die Frage drängt sich also auf: Wer blockiert dieses Vorhaben,
mit dem die Sozialdemokraten seit Jahren die Ungerechtigkeiten der Welt bekämpfen wollen? - Es können ja nur Bodo Ramelow, die Grünen oder Hannelore Kraft sein. Mehr sind ja nicht im Rennen. Also muss die Sozialdemokratie einmal sagen: Wer sind eigentlich die Bremser bei der Initiative im Bundesrat?
Klar ist hier: Spätestens jetzt bekommt der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Martin Schulz ein Glaubwürdigkeitsproblem,
wenn er beklagt, dass es ungerecht in Deutschland zugeht. Es sind ja die Sozialdemokraten, die diese Pläne verhindern.
Sie bekommen überhaupt im Wahlkampf ein Riesenproblem, Herr Dr. Stegner: Wenn doch Ihre Politik so erfolgreich gewesen ist im Sinne einer neuen Gerechtigkeit, dann ist es schwierig zu erklären, warum man „Mehr Gerechtigkeit für alle“ braucht wobei ich Ihnen einmal sagen will: Intellektuell bedeutet mehr Gerechtigkeit für alle keine Veränderung der Verhältnisse. Wenn alle gleich mehr bekommen, bleibt es, wie es ist. Das hat Peer Steinbrück auch schon einmal gesagt. Das muss man bei dem Slogan „Mehr Gerechtigkeit für alle“ auch einmal deutlich machen.
Ein drittes Beispiel: Die Koalition hat im Bereich der Verkehrsinfrastruktur durchaus Richtiges erkannt. Auf Seite 26 des Koalitionsvertrages können wir lesen:
„Angesichts des sich rapide verschlechternden Zustandes unserer Verkehrswege muss es unser vorrangiges Ziel sein, die Infrastruktur dauerhaft im vollen Umfang betriebsfähig zu halten und eine weitere Substanzschädigung zu verhindern.“
Also, die Erkenntnis war da. Im Landesstraßenzustandsbericht dieser Regierung steht es schwarz auf weiß, dass wir zehn Jahre lang 90 Millionen € in unsere Landesstraßen stecken müssten, um dann den Sanierungsstau von fast 1 Milliarde €, der sich seit 1990 angehäuft hat, abgebaut zu haben.
Im Jahr 2013 zum Beispiel hat Rot-Grün-Blau nicht 90 Millionen €, sondern nur 15,9 Millionen € für die Landesstraßen ausgegeben. Im Jahre 2014 waren es rund 27 Millionen €, im Jahre 2015 28,1 Millionen €, und so weiter. In keinem Jahr dieser Legislaturperiode wurde die eigene Zielmarke von 90 Millionen € auch nur annähernd erreicht. Der Substanzverlust ist fortgeschritten. Ihm ist nicht entgegengewirkt worden. Wenn das eine vernünftige Politik dieser Regierung ist, dann: Gute Nacht, Schleswig-Holstein!
Gehen wir weiter im Koalitionsvertrag. Dort lesen wir auf Seite 13:
„Schleswig-Holstein wird sich zügig für eine Abschaffung der Ermäßigung für Hotels bei der Mehrwertsteuer einsetzen …“.
Es ist mir ein besonderes inneres Anliegen gewesen zu verfolgen, was daraus jetzt geschieht nach den vehementen Angriffen des Genossen Dr. Stegner auf uns wegen der Mövenpick-Steuer und anderer Dinge mehr. Wir erinnern uns: Die sogenannte Mövenpick-Steuer war der große Kampfbegriff für Streiter für soziale Gerechtigkeit und gegen die Unterdrückung des kleinen Mannes.
Was hat diese Landesregierung erreicht, die nach den Worten des Koalitionsvertrages „stark in Berlin“ auftreten will? - In der Antwort auf die Große Anfrage lesen wir auf Seite 62:
„Schleswig-Holstein hat einen Gesetzesantrag zur Abschaffung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Beherbergungsleistungen eingebracht (Mitantragsteller Bremen und Nordrhein-Westfalen). Der Bundesrat hat jedoch am 2. November 2012 beschlossen, den Gesetzentwurf beim Deutschen Bundestag nicht einzubringen... Vor diesem Hintergrund wurde mangels Erfolgsaussicht von weiteren Initiativen Abstand genommen.“
Also nicht einmal jetzt versucht man das, nein: „Stark in Berlin“ heißt: Wir versagen auf ganzer Linie.
Wahrscheinlich - wir haben in unseren Reihen immerhin den sechsten stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD, dessen Kampfkraft in der SPD nicht unterschätzt werden sollte - waren es auch hier wieder Bodo Ramelow und die Grünen, die Ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht haben.
- Außer den Sozialdemokraten waren ja nur Grüne in der Koalition, und beim SSW glaube ich nicht, dass er das verhindert hat.
Sonst könnte uns ja vielleicht Lars Harms noch einmal erklären, dass er daran schuld ist, dass es diese Absenkung der Mehrwertsteuer für Hotels immer noch gibt.
Aber nächstes Beispiel: Koalitionsvertrag, Seite 11:
„Die Landesregierung erarbeitet ein umfassendes Personaleinsparkonzept … Die Landesregierung beabsichtigt, ausgehend von 2010, bis 2020 einen Stellenabbau von 10 % vorzunehmen beziehungsweise das Personalbudget entsprechend zu reduzieren.“
Das hört sich gut an. Umdruck 18/6078 - Anlage 14 - können wir entnehmen, dass die Zahl der Planstellen und Stellen im Landeshaushalt seit mindestens 1998 - das war das dort zuletzt dargestellte Jahr noch nie so hoch war wie derzeit. Im Jahr 2016 waren das immerhin 58.700. Umsetzung des Koalitionsvertrages? - Nein.
Um gleich mit dieser wunderbaren Behauptung aufzuräumen, man habe im Bildungsbereich in Schleswig-Holstein unglaublich viel geleistet, vielleicht auch einige Vergleichszahlen: Der Anteil der Ausgaben für den Bildungsbereich ist abgesenkt worden in Relation zu den Ausgaben insgesamt. Schleswig-Holstein gibt am wenigstens pro Kopf der Schüler im Vergleich der Schüler bundesweit aus. Wir sind dort zurückgefallen.
Wir haben auch nicht mehr Personal in den Schulen. Diese dauernde Erklärung, es gebe mehr Personal in den Schulen, ist eine schlichte Unwahrheit. Ich empfehle, nur einmal den Bericht der Regierung selbst zur Hand zu nehmen. Das ist der Bericht „Schulische Bildung in Schleswig-Holstein 2017“ - Bildungsbericht der Landesregierung. Dort heißt es auf Seite 6 - mehr Lehrkräfte! -: Es gab im Schuljahr 2015/2016 23.577 Lehrkräfte an öffentlichen und allgemeinbildenden Schulen. Im Jahr 2011/2012 waren es 23.643. Auch wenn man keine mathematische Grundbildung hat, Herr Dr. Stegner, wird Ihnen klar sein, dass 23.643 mehr ist als 23.577. Das heißt, Sie haben sogar die Anzahl der aktiven Lehrerinnen und Lehrer noch abgebaut, statt sie anzuheben. Damit müssen Sie mit den Fake News aufhören, dass Sie im Bildungsbereich extrem viel getan haben.
Wenn Sie mir erlauben, diesen einen Gedanken noch zu Ende zu bringen, was die Planstellen angeht, dann komme ich gern darauf zurück.
Das muss man einfach im Zusammenhang zur Kenntnis nehmen, weil es so richtig amüsant ist; und der Effekt würde zerstört werden, wenn ich Ihre Zwischenfrage zulasse.
Das, Frau Präsidentin, ist eine wunderbare Bemerkung von Ihnen. Ich weiß, dass Sie meinen Beiträgen immer sehr genau zuhören.
Apropos Stellenstreichungen: Hier unternehmen wir eine kurze Zeitreise ins Jahr 2011. Ich war anwesend. Der damalige Spitzenkandidat der SPD mit dem Namen Torsten Albig machte mit einem bahnbrechenden Vorschlag zur künftigen Personalpolitik der Landesverwaltung auf sich aufmerksam. Im „Hamburger Abendblatt“ vom 9. September 2011 auch wir lesen sehr sorgfältig, was Sozialdemokraten so sagen
lesen wir:
„Schleswig-Holsteins SPD ist mit dem wohl radikalsten Sparvorschlag in der Geschichte des Landes in den Wahlkampf gestartet. Spitzenkandidat Torsten Albig kündigte an, ein Viertel der knapp 100.000 Stellen bei Land, Kreisen, Städten und Gemeinden bis 2021 abbauen zu wollen... Den Rotstift will er insbesondere bei den Verwaltungsapparaten ansetzen, etwa bei der Ministerialbürokratie im Kieler Regierungsviertel.“
Kurze Zeit später konkretisierte Albig nach heftiger Kritik seinen Vorschlag. Wir lesen also weiter im selben Bericht des „Hamburger Abendblatts“:
„Er teilte nach der Kritik mit, er wolle 25 % der ‚Aufgaben‘ und die damit verbundenen Stellen abbauen.“
Im neuen Sinne des SPD-Spitzenkandidaten forderte der Koalitionsvertrag dann auch auf Seite 11 in bestechender Klarheit:
„Eine weitere finanzielle Entlastung von Land und Kommunen soll durch die Fortführung wirksamer Verwaltungsreformen und durch gestraffte Aufgabenerledigung erwirtschaftet werden. Mehrfachzuständigkeiten sollen gebündelt werden und möglichst entfallen.“
- So der Koalitionsvertrag. In der Antwort auf die Große Anfrage verweist die Landesregierung jetzt in dieser Angelegenheit auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Koch aus dem Jahre 2015 - sehr aktuell für heute -, in der deutlich wird, dass lediglich im Bereich der Chemikalienüberwachung Mehrfachzuständigkeiten erkannt wurden. Einspareffekt: Ganze acht Stellen seien möglich - theoretisch.
Stand der Umsetzung im Jahr 2015: null. Die Gespräche dauern an. In der aktuellen Großen Anfrage lesen wir jetzt unter Berufung auf diese Kleine Anfrage auf Seite 8:
„Im Hinblick auf das stellenmäßige Ergebnis … dauert der Prozess weiter an.“
- Letzter Satz, Kollege Dr. Stegner.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist keine Realsatire, sondern die Wirklichkeit der schleswigholsteinischen Landespolitik dieser Landesregierung. Und mit der werden sich die Wählerinnen und Wähler tatsächlich bis zum 7. Mai 2017 auseinandersetzen. Der Wahlkampf beginnt ja jetzt erst, auf den wir uns alle freuen, Herr Kollege Dr. Stegner.
Nun erwarte ich Ihre Bemerkung, Zwischenfrage, Ihre geistreichen Erklärungen.
Herr Kollege Dr. Stegner, ich fange einmal mit der letzten netten Bemerkung an. Es ist für Sie wahrscheinlich immer hilfreich, wenn Sie lesen, was ich sage; denn, wie gesagt, mein Petitum lautet ja, zur Weiterbildung beizutragen.
Ich kann ja auch sehen, dass meine beständigen Hinweise an Sie Wirkung gezeigt haben: Sie sind längst nicht mehr so bissig wie früher und mittlerweile auch konzilianter.
Sie haben wahrscheinlich auch den Frisör gewechselt. Ich weiß es nicht ganz genau.
Die Behauptung, die Sie dauern aufstellen, lautet nicht: Wir vergleichen Äpfel mit Birnen und schauen, was jemand vor 30 Jahren oder vor 15 Jahren geplant hat. Sie behaupten vielmehr nach wie vor, Sie hätten mehr Lehrerinnen und Lehrer im System.
Das ist schlicht und ergreifend falsch. Absolut ist das falsch. - Man kann ja über alles reden.
Sie müssen sich auch die Frage stellen: Wie ist es in den letzten Jahren dazu gekommen, dass sich der Unterrichtsausfall bei uns nicht verringert, sondern erhöht hat? Wieso ist es dazu gekommen, dass immer mehr Menschen bei uns die Schulen ohne entsprechenden Abschluss verlassen? - Das ist doch nicht das Ergebnis einer erfolgreichen Bildungspolitik, sondern das Ergebnis einer falschen Bildungspolitik. Sonst hätten wir andere Ergebnisse.
Auf nichts anderes will ich hinweisen. Ich gestehe Ihnen ja zu, Herr Dr. Stegner, dass Sie die 2,5 Milliarden €, die Sie heute mehr haben als wir damals, ausgeben müssen. Aber gestehen Sie uns doch zu, dass auch wir sie ausgegeben hätten, unter anderem auch für ein Mehr im Bereich Bildung, für ein Mehr im Bereich sozialer Verantwortung, und hören Sie endlich damit auf, uns dauernd damit zu denunzieren, denn wir hatten 2,5 Milliarden € weniger, als Sie heute zur Verfügung haben.
Herr Kollege Dr. Breyer, ich möchte diese Regierungskoalition nicht verteidigen, aber ich frage Sie trotzdem. Leuchtet es Ihnen ein, dass man in einem Koalitionsvertrag auf Bundesebene beispielsweise vereinbart: Wir wollen die Beziehungen zur Türkei intensivieren. - Nach Herrn Erdogan lässt sich das nicht mehr realisieren, und es wäre sogar sinnlos, es noch zu versuchen. Eine Veränderung der tatsächlichen Gemengelage kann also dazu beitragen, dass ursprüngliche Vereinbarungen obsolet geworden sind oder anders getroffen werden müssen. Ist das einleuchtend?
Liebe Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Da wir ja nicht nur über die Antwort auf die Große Anfrage gesprochen haben, sondern auch über die Bilanz dieser Regierung und des Parlaments, möchte ich etwas aufgreifen, was mir persönlich am Herzen liegt. Herr Kollege Dr. Stegner, das ist wahrscheinlich auch altersbedingt.
Ich habe heute Morgen in den „Lübecker Nachrichten“ eine Berichterstattung über die PIRATEN gelesen, die mir fast die Schuhe ausgezogen hat. Die Überschrift lautete „PIRATEN ziehen Bilanz: ‚Viel bewegt, oft enttäuscht‘“. Ich will hier auf den inhaltlichen Teil zu sprechen kommen.
Auf die Frage, was die PIRATEN denn erreicht hätten, antwortete der Kollege Dr. Breyer:
„Wir haben aufgedeckt, dass überall im Land Bohrschlamm verklappt wird.“
- Herr Kollege Dr. Breyer, das waren nicht Sie, sondern das war das von Herrn Dr. Habeck geführte Ministerium. Sie sagen weiter:
„Wir haben durchgesetzt …“
Wenn Sie Vorhaben von anderen schlicht und ergreifend schneller aufgreifen, dann haben Sie das nicht veranlasst, sondern Sie waren einfach nur schneller als die anderen. Aber man hätte Sie in diesem Parlament definitiv nicht gebraucht,
um all das, was Sie als Erfolg klassifizieren, durchzusetzen.
„Wir haben durchgesetzt, dass Managergehälter von öffentlichen Unternehmen offengelegt werden müssen. Wir haben erreicht, dass die Stelle des Landesdatenschutzbeauftragten erstmals ausgeschrieben wurde.“
Das war unsere Verständigung.
„Wir haben erzwungen, dass eine Karenzzeit für Minister eingeführt wird, ehe sie in die Wirtschaft wechseln.“
Und der größte Erfolg ist - jetzt müssten Sozialdemokraten und Grüne eigentlich auf den Tischen stehen -:
„Dass in Schleswig-Holstein in diesem Jahr schon ab 16 gewählt werden darf, geht auf uns zurück.“
Das kennen Sie vielleicht nicht, aber das hatten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schon bei den vorletzten Wahlen im Wahlprogramm. Da gab es die PIRATEN überhaupt noch nicht.
Zu sagen, das sei der Erfolg der PIRATEN, ist nicht nur anmaßend, sondern das sind schlicht und ergreifend auch Fake News.
Was mich aber besonders betroffen gemacht hat, ist die Aussage des Kollegen Dudda, als es um die Frage eines weiteren Feiertags ging. Wir haben darüber gestritten, teilweise impulsiv, teilweise auch sehr lustig. Er hat hierzu ausgeführt:
„… dann wird unser Antrag als billiges Getue abgetan, als Wahlgeschenk. Ich habe als Redner einen ‚Lynch-Mob‘ erlebt. Es war nur Zorn und Wut da.“
- Ich weiß nicht, in welchem Plenarsaal Sie waren, Herr Kollege Dudda, aber ich habe hier weder etwas von Zorn noch von Wut erlebt, ich habe etwas von kontroverser Debatte erlebt, teilweise sogar lustig.
Dass es Wut und Zorn war, was Sie empfunden haben, tut mir leid. Das spricht wahrscheinlich für oder gegen Ihre Empfindungen, aber es war mit Sicherheit von niemandem hier in diesem Saal gewollt, dass Sie sich als Mob-Opfer fühlen und sich so in der Öffentlichkeit darstellen. Vielleicht muss man das noch einmal klarstellen.
Ich komme jetzt zu einem ganz ernsten Teil. Was mich aber betroffen gemacht hat, Herr Dudda, und es wäre schön, wenn Sie dazu gleich noch etwas sagen würden, ist die Aussage:
„Am gleichen Abend habe ich getwittert: ‚Ich schäme mich, diesem Parlament anzugehören.‘“
„Ich schäme mich, diesem Parlament anzugehören.“ - Auch wenn es sicher ist, dass Sie dem nächsten Parlament nicht mehr angehören werden, ist das eine Sprache, die antidemokratischer nicht sein kann.
Das sage ich in allem Ernst. Wenn Sie das hier nicht klarstellen, werde ich immer wieder erklären, dass Sie von der AfD keinen Steinwurf entfernt sind. Warum? - Sie können sich für einzelne Beiträge schämen, Sie können sich schämen für meine Wortbeiträge, für die von Dr. Stegner, von Herrn Arp, von wem auch immer. Sie können sagen, das sei keine angemessene Debatte gewesen. Aber das Parlament als solches als Ort darzustellen, für den man sich schämen muss, ist in einer demokratischen Grundordnung, wie wir sie haben, einfach inakzeptabel!
Ich ärgere mich häufiger, teilweise bis zur Weißglut. Manchmal gehe ich auch raus, weil ich einige Beiträge nicht ertragen kann, aber ich bin stolz darauf, dass es in diesem Land die Möglichkeit gibt, sich an einem solchen Ort so auszutauschen, wie wir es tun. - Herzlichen Dank.
Mit dem Tierarzt Matthiessen unterhalte ich mich gern über technische Dinge. - Herr Kollege Matthiessen, wenn ich Sie richtig verstanden habe, müsste ein Auto, dessen Reservereifen weniger als 2 mm Profil hat, seinen Betrieb einstellen und stehen bleiben. So ungefähr wäre die Analogie; denn die oxidierten Stäbe sind ja draußen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht ist es ganz hilfreich, den letzten Satz von Ihnen, Frau Midyatli, noch einmal aufzugreifen. Mit dem Modell, das Sie vorschlagen, kommen Sie nie zur Beitragsfreiheit, sondern allenfalls zu einer Entlastung der Eltern.
Nicht „schauen wir mal“, sondern die Gebührenbescheide werden logischerweise erlassen, und dadurch entlasten Sie die Eltern von der unmittelbaren Zuzahlung. Das wird aber nicht zur Beitragsfreiheit der Kita führen; denn das würde bedeuten, dass Sie keinen Beitragsbescheid erlassen. Das ist die Beitragsfreiheit bei der Kita ähnlich wie bei der Schule. Von den Schulen bekommt man ja auch keinen Bescheid darüber, dass man Schulgeld zahlen muss.
Das Versprechen auf Beitragsfreiheit ist also mit Ihrem Modell nicht zu erreichen. Ich verstehe Sie, ich will das aber erklären.
Beitragsfreiheit ist, wenn die Eltern nichts bezahlen müssen. Dahin kommen Sie mit Ihrem Modell jedoch nicht, weil Sie zunächst Gebühren erheben. Beitragsfreiheit heißt doch, man erhebt erst gar keine Gebühren.
Der Rest ist eine Entlastung der Eltern; das ist ja in Ordnung. Ich will ja nur erklären, warum wir dem Gesetzentwurf der Union nicht zustimmen. Wir teilen das Ziel, das Sie haben, sagen aber, das Modell ist falsch. Wir haben ein anderes. Wir halten es aber für unzulässig, nachdem jetzt die Eltern haben entgegennehmen müssen, dass die Beitragsbescheide zum Teil höher ausgefallen sind als im letzten Jahr, man ihnen diesen Zuschuss aufgrund einer Initiative der Union wieder wegnimmt. Das kann man erst dann machen, wenn das andere System sozusagen implementiert ist. Aus diesem Grund werden wir dem Gesetzentwurf der Union nicht zustimmen.
Herr Kollege Dr. Stegner, zunächst einmal stimme ich Ihnen zu. Wenn man den Eltern das Kita-Geld wieder wegnehmen würde, würde man sie im Endeffekt nicht entlasten, sondern belasten; das ist logisch.
Ich freue mich, dass wir zu einer Übereinstimmung gekommen sind. Bei einem so einfachen Sachverhalt habe ich mir das bisher gar nicht vorstellen können.
Das Problem bei Ihrem Modell - das haben wir vor einem halben Jahr schon einmal gesagt - besteht darin: Wenn Sie jetzt 100, 200 oder 300 € aufwachsen lassen, dann wird es für eine politische Instanz schwer sein zu erklären, warum man etwas streicht und dafür keine Beitragsbescheide im Rahmen der Kita-Gebühren erstellt. Vielleicht können wir in der nächsten Legislaturperiode noch einmal darüber nachdenken. Bevor wir einen Weg gehen, der große Schwierigkeiten bereiten wird - denn dann wird den Eltern ja doch etwas weggenommen, was sie vorher bekommen haben -, wird es vielleicht sogar schmerzfrei möglich sein, in ein vernünftiges System einzusteigen, das dazu führt, dass in einigen Jahren tatsächlich Beitragsfreiheit für die Kita besteht. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, das ist eine bemerkenswerte Äußerung der Kollegin Bohn, man sei gewillt, die Regeln des Verfassungsgerichts einzuhalten. Davon gehe ich
selbstverständlich aus. Etwas anderes würde mich sehr überraschen. Sie unterscheiden sich damit aber dankenswerterweise von dem, was Sozialdemokraten uns gerade präsentiert haben.
Herr Kollege Dr. Stegner, schon in der Zeit, als Sie noch Innenminister waren, ist Ihnen mehrfach attestiert worden, dass das, was Sie politisch wollen, mit der Verfassung nicht in Übereinstimmung zu bringen ist.
Ich sage in allem Ernst: Mir persönlich wäre der Anlass nicht wichtig genug gewesen, das Landesverfassungsgericht anzurufen. Nach Ihren Beiträgen halte ich es aber für unabdingbar. Wenn der Ministerpräsident dieses Landes erklärt, er teile die Auffassung des Wissenschaftlichen Dienstes nicht, so ist das eine Sache. Er hat aber erklärt, sie sei grundsätzlich abwegig. Das zwingt dazu, diesem Ministerpräsidenten deutlich zu machen, dass auch seine politische Ambition Grenzen hat. Diese Grenzen setzt die Verfassung.
- Ja, wenn man selbst glaubt, das Land und die Regierung gehörten einem - „mein Land“, „meine Regierung“ - und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler arbeiteten nur für die Sozialdemokraten dieses Landes und für ihn persönlich, dann muss man sich natürlich so verhalten. Das muss aber Grenzen haben. Diese Grenzen wird das Verfassungsgericht definitiv setzen.
Herr Kollege Dr. Stegner: Ihre Behauptung, das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes widerspreche in Teilen den Entscheidungen der Verfassungsgerichte, auf die man sich beruft, müssen Sie belegen. Das ist ein schwerwiegender Angriff auf die Qualität unseres Wissenschaftlichen Dienstes. Wir warten darauf, wie die Sozialdemokraten dieses Landes und die SPD-Fraktion hier im Haus das tatsächlich belegen wollen. Es gibt ganz eindeutige Kriterien.
Man kann sich darüber streiten, ob die Wahlkampfzeit nun sechs Monate vor der Wahl beginnt, wie das Bundesverfassungsgericht es gesagt hat, oder drei Monate, wie es der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes vertritt, oder ob man von einem fließenden Übergang ausgeht, wie der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz erklärt hat: Je näher man zur Wahl rückt, desto höher seien die Anforderungen an die Neutralität zu stellen. Wie auch immer: Was Minister Studt und Ministerin Ernst gemacht
haben, ist mit der Verfassung und der verfassungsrichterlichen Rechtsprechung jedenfalls nicht in Übereinstimmung zu bringen.
Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, was in diesem Zusammenhang verfassungswidrig ist. Ich zitiere aus einer Zusammenfassung des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Landtages Brandenburg:
„Das offene Eintreten für die Wahl einer Partei im Wahlkampfstil, Öffentlichkeitsarbeit, die darauf abzielt, die Regierung als von bestimmten Parteien getragen darzustellen und insofern auf ihre Wiederwahl als Regierung ausgerichtet ist, das Fehlen eines von der Sache her gerechtfertigten Informationsbedürfnisses der Bürger, indiziert durch die Verbreitung von Bilanzen unter Verweis auf während der Amtszeit erbrachte positive Leistungen, Öffentlichkeitsarbeit, deren Schwerpunkt ihrer äußeren Form nach - unter Abwägung des Informationsgehalts mit reklamehaften Elementen - auf der Sympathiewerbung für ein Regierungsmitglied liegt, und die mit Heranrücken des Wahltermins wachsende Intensität von Einzelmaßnahmen.“
Die Entscheidung ist bereits 1977 ergangen und nachzulesen unter dem Aktenzeichen 2 BvE 1/76. Das sind grundlegende Maßstäbe, an die sich alle Verfassungsgerichte der Länder gehalten haben.
Wie gesagt: Es geht nicht um die Frage des Inhaltes, sondern um die Frage der zeitlichen Vorgabe. Selbstverständlich darf die Regierung Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Herr Kollege Dr. Stegner, auch dort gilt aber der Grundsatz: Je näher der Wahltermin rückt, desto sparsamer ist mit der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung umzugehen, weil es nur noch um Bilanzen gehen kann. Gegen dieses Prinzip ist verstoßen worden. Deswegen brauchen wir jetzt die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts. Wir hätten das Verfahren nicht angezettelt, werden uns aber dem Verfahren der Union anschließen, weil es nicht sein kann, dass der politische Wille und die Mehrheit im Parlament alles möglich macht. Herr Kollege Dr. Stegner, das müssen auch Sie begreifen.
Es wäre schön gewesen und hätte die Situation vielleicht etwas entkrampft, wenn Sie heute dem Maßstab gefolgt wären, den Herr Hiersemenzel in seinem Kommentar in den „Kieler Nachrichten“ dargelegt hat, und gesagt hätten: Es tut uns leid, wir sind über die Stränge geschlagen, es kommt nicht
wieder vor. - Darüber hätte man reden können. Dass Sie aber noch darauf beharren, Sie hätten richtig gehandelt, erzwingt eine verfassungsgerichtliche Entscheidung. Ich bin dankbar, dass wir diesen Weg jetzt gehen können. - Herzlichen Dank.
Es war nur glatt, keine Sorge. Es ist hier offensichtlich gebohnert worden.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht wundern, dass ich für mich selbst und möglicherweise auch für eine Mehrheit meiner Fraktion erkläre, dass wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Ich will das kurz begründen.
Zunächst einmal muss man sich vor Augen halten, dass die Entschließung des Deutschen Bundestages vor dem Verfassungsgericht nur deshalb Bestand gehabt hat, weil es bei einer Patt-Entscheidung von vier zu vier immer so ist, dass der Antragssteller verliert, weil er keine Mehrheit beim Gericht erhält. Ich würde allen Beteiligten empfehlen nachzulesen,
was die vier abweichenden Richter erklärt haben, warum die Regelung aus ihrer Sicht mit der Verfassung nicht vereinbar ist.
Zunächst einmal muss man mit der Behauptung aufräumen, es handele sich um Nebentätigkeiten. Nebentätigkeiten sind Tätigkeiten, die neben einem Beruf ausgeübt werden. Die Abgeordnetentätigkeit ist jedoch kein Beruf, sondern eine Mandatserteilung auf Zeit. Die Diät ist kein Gehalt, wie es viele Menschen glauben, sondern die Entschädigung dafür, dass man -
- Herr König, dass Sie das nicht verstehen, leuchtet mir ein, aber es ist tatsächlich so.
- Das hat mit Wortklauberei nichts zu tun. Ich versuche, Ihnen das noch einmal zu erklären, weil Sie offensichtlich nicht begreifen, was das für Unternehmer, Handwerker, Selbstständige und Freiberufler bedeutet.
Jemand, der aus einer Anwaltskanzlei ins Parlament kommt, muss dafür Sorge tragen, dass er in der Kanzlei ersetzt wird; denn wenn er nach vier oder fünf Jahren Abgeordnetentätigkeit nicht wiedergewählt wird, kehrt er sonst ja nicht in ein bestehendes Unternehmen zurück. Er müsste es, hätte er keinen Ersatz dafür, neu aufbauen; er müsste neu anfangen. Wir hatten in unserem Parlament schon einmal Abgeordnetenkollegen, die eine eigene Firma hatten und während der Zeit ihrer Tätigkeit hier in der Firma durch einen Geschäftsführer ersetzt werden mussten. Diese Kollegen werden nicht mit zwei Diäten abgegolten, sondern auch nur mit einer Diät. Das heißt, sie haben ökonomisch im Prinzip nichts davon, dass sie diesem Parlament angehören; vielmehr machen sie das im Gegensatz zu Menschen, die aus dem öffentlichen Dienst oder aus einem Angestelltenverhältnis kommen, im Prinzip auf eigenes Ticket.
Kein Arzt, kein Handwerker oder Anwalt kann sich künftig in einem Parlament wiederfinden, wenn er erklären muss, wie seine Umsätze sind oder seine Einkommenssituation in der Kanzlei ist. Herr Kollege Peters, was machen wir eigentlich mit Kolleginnen und Kollegen, die aus Großkanzleien kommen, von Linklaters oder anderen? Das wird demnächst der Fall sein. Müssen diese die Umsätze der gesamten Kanzlei angeben oder nur ihren Gewinnanteil, der sich aus den Einnahmen der einzelnen Persönlichkeiten errechnet? Wollen Sie, dass
man künftig, wenn Sie es veröffentlichen, feststellt, dass Sie als Anwalt nichts taugen, weil Sie so wenige Umsätze machen, im Gegensatz zu anderen Anwälten, die dort arbeiten? - Ich will das nur einmal spezifizieren. - Was soll ich beispielsweise als Strafverteidiger branchenspezifisch angeben? Soll ich angeben: „Alles Beschuldigte“? Sie kommen ja aus unterschiedlichen Branchen.
Ich will damit sagen: Das Gesetz ist offensichtlich nicht richtig durchdacht und wird eine Vielzahl von Problemen aufwerfen. Nicht, dass ich etwas gegen Transparenz habe. Im Gegenteil. Aber jene, die immer erklären, die Menschen wollten Transparenz, müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Freien Demokraten seit 1992 jedes Mal in den Landtag gewählt worden sind, und dies teilweise mit beachtlichen Ergebnissen, und es den Menschen offensichtlich egal war, was die Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen nebenbei verdienen.
Eine wichtige Frage stelle ich hier wirklich in den Raum. Das hat das Bundesverfassungsgericht auch getan. Man hält Menschen, die aus einem Beruf kommen und ökonomisch nicht darauf angewiesen sind, Diäten zu erhalten, in der Mandatsausübung für freier als Menschen, die nur das Mandat haben, weil deren freie Entscheidung durch politische Einflussnahme der Entscheidungsträger der jeweiligen Partei eingegrenzt werden kann. Ich sage es einmal vorsichtig. Man kann Menschen, die darauf angewiesen sind, damit bedrohen, dass man erklärt: Wenn du nicht artig bist, also deine Meinung nicht der Mehrheitsmeinung der Fraktion unterordnest, dann wirst du nicht wieder aufgestellt. - Das soll es schon gegeben haben, habe ich gehört. Deshalb ist hier die freie Mandatsausübung massiver gefährdet als bei Menschen, die über ein beachtliches Einkommen verfügen und schlicht und ergreifend erklären können: Mir ist völlig egal, wenn ich morgen nicht mehr im Parlament sitze; dann kann ich meinen Beruf weiter ausüben und bin sicher.
Für mich ist viel entscheidender, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass in diesem Gesetzentwurf nicht geregelt ist, dass man Kapitaleinkünfte erklären muss. Die Abhängigkeit ist wahrscheinlich viel mehr davon geprägt, dass man Aktien eines ganz bestimmten Unternehmens besitzt, beispielsweise eines Windenergieunternehmens, dessen weitere produktive Tätigkeit man fördern muss, weil der Aktienwert, das heißt die Dividendenfähigkeit, davon abhängt, dass es dem Unternehmen gutgeht. Wenn man das nicht regelt, dann regelt man einen wesentlichen Teil der politisch motivierten Ein
flussnahme und der ökonomisch motivierten Einflussnahme nicht.
- Herr Kollege Dr. Breyer, dass ausgerechnet Sie, die geglaubt haben, mit Ihren „wunderbaren“ Forderungen würden Ihnen die Herzen der Menschen zufliegen, sich jetzt als Partei der Transparenz hinstellen! Ich bin gespannt, ob sich, abgesehen von den eigenen Mitgliedern, überhaupt noch jemand findet, der die PIRATEN wählt. Jedenfalls war das nicht der Burner, den Sie sich vorgenommen haben. Das hat die Menschen nicht überzeugt.
Ich selbst werde dagegen stimmen, obwohl ich das Bemühen aller Beteiligten anerkenne, dies vernünftig zu regeln. Aber die Regelung ist bedauerlicherweise nicht vernünftig und wird dazu beitragen, dass immer weniger Menschen, die in einem freien Beruf tätig sind, und immer weniger Unternehmer dem Parlament angehören. Das ist etwas, was wir eigentlich nicht wollen. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit dem Versöhnlichen anfangen, Frau Kollegin Bohn, und mich auch bei allen Mitarbeitern und Teilnehmern der Landtagsverwaltung im Untersuchungsausschuss, aber auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen bedanken, auch meiner eigenen, die wirklich sehr intensiv gearbeitet haben, allen voran dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von Gruner + Jahr, meinem Anwaltskollegen Dr. Bernd Buchholz, der uns im Rahmen einer aus seiner Sicht prekären Beschäftigungssituation mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Zitat:
„Der Betreuer kam oft herein, hat uns angeschrien, und dann wurden wir halt wieder auf den Boden gedrückt oder gegen die Wand gehauen.“
Das hat die Zeugin Denise K. vor dem Untersuchungsausschuss gesagt. Zitat:
„Unsere Briefe wurden alle gelesen, und weil ich meiner Mama geschrieben hatte, dass wir Strafsport machen mussten, wurde der Brief nicht abgeschickt.“
Das hat die Zeugin Rebecca R. vor dem Untersuchungsausschuss gesagt. Zitat:
„Ich kenne zwar den Knast nicht von innen, aber für mich war das schon Knast. Ich glaube, die Menschen im Knast haben es sogar besser als wir dort gehabt.“
So hat Denise K. ihre Situation im Friesenhof beschrieben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Erste Parlamentarische Untersuchungsausschuss hat Zustände in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung in unserem Land nachgewiesen, die nicht nur Ministerin Alheit und Staatssekretärin Langner ausweislich ihrer Stellungnahme tief betroffen gemacht haben. Schutzbedürftigen Mädchen ist Leid zugefügt worden. Um diese Mädchen und diese Kinder geht es hier, nicht um die Aktenordnung, Herr Ministerpräsident, und nicht um formal wohl noch korrektes Verwaltungshandeln, Frau Ministerin Alheit. Es geht darum, ob wirklich alles getan wurde, um diese Missstände umgehend zu beenden, und vor allem darum - das sollte uns alle in diesem Haus hoffentlich einen -, wie wir zukünftig sicherstellen, dass sich Derartiges nicht in anderen Einrichtungen in unserem Land wiederholen kann.
Vorab ist festzustellen: Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Ministerin Alheit oder Staatssekretärin Langner vor dem 29. Mai 2015 über Vorkommnisse oder Besonderheiten im Zusammenhang mit dem Friesenhof Kenntnis erlangt haben. Allerdings - das sage ich ausdrücklich - wäre eine frühere Information geboten gewesen. Sie ist unterblieben, weil die Meldekette im Ministerium mehrfach versagt hat.
Herr Kollege Dr. Stegner, wenn ein Untersuchungsausschuss auch zur Entlastung beitragen kann, so ist das nicht verwerflich, sondern eigentlich auch
die Aufgabe des Untersuchungsausschusses. Es geht nicht nur darum, etwas Belastendes zu finden, sondern auch darum, Leute im Zweifel von einem Vorwurf, von einem Verdacht freizusprechen.
Die FDP-Fraktion hat im Verlauf der Untersuchungen festgestellt, dass die Vorgänge um den Friesenhof und deren Aufarbeitung durch den Untersuchungsausschuss alle Beteiligten, auch die Verantwortlichen im Ministerium, zusätzlich sensibilisiert haben und dass heute ein konsequenteres Eingreifen gegenüber Trägern stattfindet. Das, Frau Ministerin Alheit, begrüßen wir im Interesse der Kinder und Jugendlichen ganz ausdrücklich. Es war allerdings eine notwendige Reaktion, eine, die nach unserer Auffassung auch schon früher auf der Basis des geltenden Rechts gegenüber dem Friesenhof möglich gewesen wäre.
Angesichts der Tatsache, dass auch die Frau Ministerin die Zustände im Friesenhof im Nachhinein ausdrücklich bedauert, mutet es wie eine Groteske an, dass die Koalitionsfraktionen im Abschlussbericht eigentlich nichts Schlimmes feststellen konnten. Die Situation in der Einrichtung sei - Zitat - „recht diffus“ geblieben, und Kindeswohlgefährdungen habe man nicht feststellen können, Frau Kollegin Bohn, weil man nicht im Einzelnen nach konkretem Datum, konkretem Ort, Ablauf und den jeweiligen Beteiligten einzelne Sachverhalte ermittelt habe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer sich die Augen ganz fest zuhält, der kann auch nichts sehen. Selbst wenn Sie definitorisch Kindeswohlgefährdungen für Träger einer Jugendhilfeeinrichtung nach dem SGB allein am Maßstab des § 1666 BGB messen wollen, einem Maßstab, den die Familienrichter beim Entzug des Sorgerechts gegenüber den leiblichen Eltern eines Kindes anlegen müssen, würde Ihnen angesichts der Fülle von unterschiedlichen erniedrigenden Erziehungsmethoden, die der Ausschuss zur Kenntnis nehmen musste, angesichts der vielen Aussagen von Betreuten und Betreuern zu Übergriffen und angesichts der Vielzahl von Tatsachen, die eine entwürdigende und auf Zwang basierende Erziehungspraxis im Friesenhof verdeutlichen, nach meiner festen Überzeugung fast jeder Familienrichter das Vorliegen einer insgesamt kindeswohlgefährdenden Situation attestieren.
Regelhafte körperliche Kontrolle der Betreuten bei Aufnahme durch Entkleiden bis auf die Unterwäsche - durch den Rechtsbeistand der Trägerin zuge
standen -; freiheitsbeschränkende Maßnahmen gegen Entweichen durch wiederholtes Abschrauben von Fenstergriffen und Wegnahme der Schuhe; regelhafte inhaltliche Kontrolle ausgehender Post bei gleichzeitiger Kontaktsperre zu den Eltern durch Lesen aller Briefe; regelmäßiges Abhalten von Gruppensitzungen über Stunden, in denen Betreute teilweise intime Details der eigenen Biographie in bloßstellender Weise vor Dritten vortragen mussten; Strafsport; Isolierung; körperliche Gewalt durch Fixierungen; Wegnahme persönlicher Gegenstände; Pflicht zum Tragen von Einheitskleidung und Einheitsfrisur; Einschüchterung und Bedrohung durch verbale Gewalt von Betreuern - und das alles in erheblicher Abweichung zur Konzeption der Einrichtung und ohne eine genügende Anzahl von Fachkräften und qualifiziertem Personal. Und Sie können Kindeswohlgefährdungen nicht sehen?
Ich finde es beschämend, wie Sie durch Ihre Relativierungen und Verniedlichungen im Abschlussbericht die Mädchen verhöhnen und ein zweites Mal zu Opfern machen.
- Ja, so ist es. - Eine gewisse Zeit hatte ich das Gefühl, die Trägerin des Friesenhofs könnte anwaltlich nur ungenügend vertreten sein. Erst nach Vorlage der Bewertung durch SPD, Grüne und SSW und der Aussage des derzeitigen Rechtsbeistandes der Trägerin, dass Ihre Feststellungen seine Klage gegen das Land stützten - das muss man sich einmal vorstellen! -, ist mir klar geworden, dass Sie sich zu Anwälten der Trägerin und damit zu Anwälten dieser furchtbaren Erziehungsmethoden gemacht haben.
Da ist es kein Wunder, dass die Koalitionsfraktionen auch am Verhalten der Heimaufsicht nichts auszusetzen haben. Bis auf die Tatsache, dass eine Auflagenverfügung zu abstrakt und generalisierend formuliert war, hat die Heimaufsicht alles richtig gemacht. - Aha!
Wir haben uns als FDP-Fraktion um ein differenziertes Bild bemüht. Um eines vorweg deutlich zu sagen: Positiv war und ist festzustellen, dass die Heimaufsicht auf alle Hinweise und Beschwerden durch Rückfragen und einige örtliche Prüfungstermine reagiert hat. Eine „Kultur des Wegsehens“, wie sie Kollege Dudda von den PIRATEN behauptet, konnten wir nicht erkennen.
Allerdings hat sich die Heimaufsicht mit den relativierenden und bestreitenden Stellungnahmen der Trägerin und deren Rechtsbeistand in aller Regel zufriedengegeben. Dies mag, wie es die Gutachter
im Ausschuss festgestellt haben, formal noch korrekt gewesen sein. Auch die FDP-Fraktion bestreitet nicht, dass die Gutachter attestiert haben, dass die Heimaufsicht nicht anders hätte handeln müssen.
Die Frage aber lautet: Ist wirklich alles getan worden, um die Missstände in der Einrichtung so früh wie möglich zu beenden? Anders gefragt: Hätte die Heimaufsicht auch anders handeln können? Und diese Frage beantwortet meine Fraktion mit einem eindeutigen Ja.
Wir haben uns die Mühe gemacht, im Abschlussbericht darzulegen, wo wir die Handlungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten gesehen haben. Dies betrifft eine intensivere Aufklärung der Zustände in der Einrichtung, insbesondere aufgrund der sich ab Herbst 2013 massiv verdichtenden Beschwerden und Hinweise, eine konsequentere Erteilung und Durchsetzung von konkreten Auflagen, eine frühzeitigere Gesamtschau auf die Zustände in der Einrichtung statt einer nur singulären und isolierten Betrachtung von Einzelvorkommnissen und eine juristisch präzisere und fundiertere Bearbeitung. Ein solches Vorgehen hätte der Heimaufsicht die Möglichkeit gegeben, deutlich früher als erst im Sommer 2015 gegenüber der Trägerin einzuschreiten. Und nur darauf kann es doch ankommen. Dies bedeutet auch - dies kann auch in völliger Übereinstimmung mit den Gutachtern festgestellt werden -, dass ein Widerruf der Betriebserlaubnis auch früher hätte erfolgen können.
Dies führt mich abschließend zu einer weiteren Feststellung: Wer nach den Vorgängen im Friesenhof sofort reflexartig nach Gesetzesänderungen ruft, wie wir das ansonsten nur aus dem Bereich der inneren Sicherheit kennen, der will gemeinhin nur von Vollzugdefiziten ablenken.
Natürlich kann man die Forderung erheben, anlasslose örtliche Prüfungen von Einrichtungen nach § 46 Absatz 1 SGB VIII ausdrücklich zu ermöglichen. Aber im vorliegenden Fall hätten sie nichts verändert; denn Kontrollen und daraus resultierende Erkenntnisse gab es ja genug, nicht aber genügende Konsequenz in der Aufklärung und der Durchsetzung von Maßnahmen gegenüber dem Träger.
Und auch auf der Grundlage des geltenden Rechts kann man bei der Prüfung der Konzeptionen von Einrichtungen einen individuellen Personalschlüssels festlegen und durchsetzen, zumindest einmal überprüfen, ob ausreichend Fachpersonal vorhanden ist. Wer als Konsequenz aus diesem Untersuchungsausschuss nur auf Gesetzesänderungen
starrt, der wird eine Wiederholung des Falles Friesenhof nicht verhindern können.
Ich sage ausdrücklich - dies gilt auch für meine Fraktion -: Ich bin tatsächlich froh, dass das Personal der Heimaufsicht aufgestockt worden ist, weil das mehr Kontrollen und mehr Durchsetzungsfähigkeit sicherstellen kann.
Bleibt zu hoffen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass durch den Untersuchungsausschuss und die dadurch erfolgte Sensibilisierung des Ministeriums und der Heimaufsicht ein konsequenteres Eingreifen gegenüber Trägern und damit eine veränderte Verwaltungspraxis erzeugt wurde. Im Interesse der untergebrachten Kinder wäre das viel wert.
Ich wünsche mir, dass Vorfälle wie im Friesenhof in Schleswig-Holstein künftig tatsächlich ausgeschlossen sind. - Herzlichen Dank.
Herr Kollege Meyer, nehmen Sie freundlicherweise zur Kenntnis, dass die Mitteilung des Rechtsbeistandes lautete, dass die Abteilungsleiterin Frau Dr. Duda ihre Informationen an die Frau Staatssekretärin Langner weitergegeben habe. Das war die Information. Zweitens. Nehmen Sie freundlicherweise zur Kenntnis, dass in der Tat für einen Untersuchungsausschuss ähnlich wie für ein Gericht nur das relevant ist, was in einer Verhandlung protokolliert wird und ansonsten Äußerungen außerhalb dieses Gremiums keine Bedeutung haben.
Nur eine weitere Bemerkung, auch für das Protokoll dieses Landtags: Nehmen Sie freundlicherweise zur Kenntnis, dass der Rechtsbeistand von Frau Dr. Duda nur erklärt hat, dass die Bezeichnung Staatssekretärin Frau Dr. Duda falsch war, dass er inhaltlich nichts von dem, was er gesagt hat, korrigiert hat, nämlich dass Informationen weitergereicht worden seien.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte nur festhalten, auch noch einmal für das Protokoll und ausdrücklich, dass der Vorwurf von Herrn Meyer der nicht gebundenen Tatsachen von ihm falsch dargestellt worden sind. Ich zitiere aus der Pressemitteilung von mir vom 13. Juni 2016 im Anschluss an die Sitzung des Untersuchungsausschusses. Diese Pressemitteilung hat folgenden Wortlaut:
„Es ist sehr bedauerlich, dass die Zeugin Sabine Toffolo nicht persönlich zu den Vorgängen innerhalb des Sozialministeriums Stellung genommen hat. Allerdings wirft die Erklärung ihres Rechtsbeistandes Fragen an die Spitze des Ministeriums auf.
Wenn die Aussage stimmen sollte, dass alle relevanten Informationen an die Hausspitze, Frau Dr. Duda und Staatssekretärin Langner, weitergeleitet wurden, dann kommt Ministerin Kristin Alheit (SPD) in erhebliche Erklärungsnot. Dann wird ihr gebetsmühlenartig vorgebrachtes Mantra, ihre Staatssekretärin
und sie hätten erst im Mai 2015 von den entsprechenden Vorfällen erfahren, schwer zu halten sein.“
Das ist zutreffend.
Noch einmal: Ich kann nur wiederholen, was der Rechtsbeistand in der Sitzung gesagt hat, und darauf haben wir reagiert. Selbstverständlich ist es richtig, wenn dessen Aussage zutreffend gewesen wäre.
Das habe ich doch so formuliert. Nichts anderes ist doch darzustellen.
Daraus einen Vorwurf abzuleiten, ich hätte mit falschen Unterstellungen gearbeitet, finde ich unerhört.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Frau Ministerin, ich glaube, Herr Kollege Wiegard muss seinen jüngeren Fraktionskollegen nicht erklären, wie die Garantie funktioniert. Sie haben ja dafür gestimmt, im Gegensatz zu uns, wir haben damals dagegen gestimmt. Wir gehen davon aus, dass die Abgeordneten, einschließlich des Kollegen Koch, damals verstanden haben, worum es geht. Deshalb bedurfte es dieser Belehrung nicht.
- Ja, aber dafür kann ich nichts.
Ich möchte auf eins hinweisen, Frau Ministerin; ich wiederhole das immer wieder: Wir sind seit 2007 von den Bankvorständen definitiv jedes Mal mit herausragend guten Erklärungen über den Zustand der Bank, die weitere Geschäftsentwicklung, die Weltgeltung und andere Dinge mehr hinter die Fichte geführt worden. Es hat sich bis heute immer herausgestellt, dass diese aus Sicht des Vorstands vielleicht sinnvollen Äußerungen am Ende des Jahres mit der Realität nicht übereingestimmt haben.
Ich habe auch heute meine Zweifel daran, dass wir so ohne Weiteres immer den Erklärungen von Herrn Ermisch glauben sollten. Er hat ja ein ganz eigenes Interesse, nämlich nachzuweisen, dass es ihm gelingen kann, eine Kernbank zu produzieren, die an sich profitabel wäre, die man isoliert verkaufen könnte. Was allerdings vom Verkaufsprozess nicht gedeckt ist, ist, dass dann die Abbaubank mit einem wirklich beachtlichen Paket an den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein hängen bliebe. Herr Ermisch würde dokumentieren, er ist ein guter Banker, die Lasten müssten dann schließlich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aus SchleswigHolstein tragen.