Protokoll der Sitzung vom 23.01.2013

Meine Damen und Herren, ich eröffne die 7. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig. Erkrankt ist der Herr Abgeordnete Hartmut Hamerich. Herr Minister Meyer ist ab 17 Uhr beurlaubt.

Gestatten Sie mir die Vorbemerkung, dass meine Stimme heute etwas problematisch ist. Das hängt mit einer leichten Erkältung zusammen. Man sollte doch einen Mantel mitnehmen, wenn bei uns im Haus hin und wieder der Alarm losgeht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Abgeordneten erheben sich)

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich die traurige Aufgabe, an den Tod von vier Persönlichkeiten zu erinnern, die dem Schleswig-Holsteinischen Landtag eng verbunden waren: Heinz-Wilhelm Fölster, Wulf Jöhnk, Dr. Franz Froschmaier und Eva Rühmkorf.

Unser früherer Abgeordnetenkollege Heinz-Wilhelm Fölster verstarb am 22. Dezember 2012 im Alter von 87 Jahren.

Er gehörte dem Schleswig-Holsteinischen Landtag mehr als 20 Jahre als Mitglied der CDU-Fraktion an; von 1967 bis 1988. Heinz-Wilhelm Fölster brachte sich hier vor allem in der Landwirtschaftspolitik und in der Sozial- und der Jugendpolitik ein. Er war Mitglied des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und später des Agrarausschusses, Mitglied des Ausschusses für Jugend und Sport, des Sozialausschusses und des Landesplanungsausschusses. Von 1972 bis 1982 war er überdies Parlamentarischer Vertreter des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

1925 in Willenscharen im Kreis Steinburg geboren, durchlief Heinz-Wilhelm Fölster nach dem Abitur zunächst eine landwirtschaftliche Lehre und legte später die Prüfung zum Landwirtschaftsmeister ab. Die Liebe zur Natur, zur Landwirtschaft und zu seiner Heimat prägte Heinz-Wilhelm Fölster in ganz eigener Weise. Er lebte im Herzen unseres Landes und hatte dort tiefe Wurzeln geschlagen. Zum Wohle Schleswig-Holsteins und ganz besonders seiner Heimat Aukrug beizutragen, sich mit Weitsicht und Augenmaß für seine Mitbürgerinnen und Mitbürger einzusetzen, das Gute zu bewahren und

notwendigen Veränderungen den Weg zu bahnen, das trieb diesen Mann an.

Heinz-Wilhelm Fölster, der entscheidend zur Gründung der Gemeinde Aukrug im Jahr 1970 beigetragen hatte, erwarb sich in vielen Bereichen bleibende Verdienste: als in Jahrzehnten erfahrener Kreistagsabgeordneter und in den 25 Jahren seines Vorsitzes im Kreisbauernverband Rendsburg sowie während seiner 15-jährigen Mitgliedschaft im Vorstand des Bauernverbandes Schleswig-Holstein. Hierfür wurde Heinz-Wilhelm Fölster mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland sowie mit der Ehrenbürgerwürde seiner Heimatgemeinde Aukrug ausgezeichnet.

Tief betroffen macht uns auch der unerwartete Tod des ehemaligen Flüchtlingsbeauftragten Wulf Jöhnk. Er verstarb am 25. Dezember 2012 im Alter von 74 Jahren.

Wulf Jöhnk, 1938 in Hamburg geboren, machte sich zeitlebens für das gute Miteinander in einer toleranten, weltoffenen Gesellschaft stark. Mit scharfem Verstand, klaren Worten und einem unerschütterlichen Wertekanon setzte sich der Jurist in hohen Funktionen für Recht und Gerechtigkeit ein. Ganz gleich, ob als Richter am Verwaltungsgericht, als Abteilungsleiter im Innenministerium oder - von 1991 bis 1996 - als erster Präsident des SchleswigHolsteinischen Oberverwaltungsgerichts: Wulf Jöhnk hatte neben der Konfliktlösung im Einzelfall immer das große Ganze im Blick und war zudem ein hochpolitischer Mensch. 1996 wurde er deshalb als Staatssekretär in das damalige Ministerium für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten berufen. Dort prägte der Sozialdemokrat bis 2003 ganz maßgeblich die Justizpolitik in Schleswig-Holstein.

Seiner Pensionierung folgte - wie bei dieser hochaktiven und engagierten Persönlichkeit nicht anders zu erwarten - kein wohlverdienter Ruhestand, sondern eine neue wichtige Aufgabe, in der Wulf Jöhnk seine Energie und all sein Können erneut zum Wohle seiner Mitmenschen einbringen konnte: 2005 wurde er Beauftragter für Flüchtlings-, Asylund Zuwanderungsfragen. Er blieb dies bis 2011 und stellte sich in dieser Zeit ehrenamtlich in den Dienst von Flüchtlingen und Menschen mit Migrationshintergrund.

Wulf Jöhnk, der sich die fußballerischen Tugenden seiner jungen Jahre bewahrt hatte, war eine zähe, mitunter auch hartnäckige, aber stets faire Kämpfernatur. Oft deutlich vernehmbarer als andere empörte er sich über Ungerechtigkeit und Intoleranz,

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gesellschaftliche Benachteiligung und Diskriminierung. Als entschiedener Streiter für die Menschenrechte ging Wulf Jöhnk schonungslos mit Politik und Verwaltung ins Gericht. Er hielt unserer Gesellschaft den Spiegel vor und war immer wieder unbequemer Mahner. Mit großem persönlichem Einsatz und unkonventionellen Mitteln versuchte er, das schwere Los vieler Flüchtlinge zu erleichtern. Besonders am Herzen lagen ihm vor allem zwei Aufgaben: Zum einen die Verbesserung der Bedingungen in der Abschiebehaft, zum anderen die Lebenssituation junger Afghaninnen und Afghanen zu verbessern, die aus diesem kriegsgeplagten Land einst an Körper und Seele verletzt zu uns nach Deutschland kamen.

Wulf Jöhnk war ein aufrechter, streitbarer Demokrat, der dem Amt des Flüchtlingsbeauftragten großen Respekt verschafft hat.

Vor wenigen Tagen erreichte uns überdies die Nachricht, dass am 8. Januar 2013 der frühere Minister für Wirtschaft, Technik und Verkehr, Herr Dr. Franz Froschmeier, verstorben ist. Er wurde 82 Jahre alt.

Der 1930 in Bamberg Geborene studierte zunächst Rechtswissenschaften an der Universität München. Er arbeitete dort auch als wissenschaftlicher Assistent am gerade neu gegründeten Institut für ausländisches und internationales Patent-, Marken- und Urheberrecht.

Nach erfolgreicher Promotion trat Dr. Franz Froschmaier 1958 in den Dienst der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWG. Seiner Verwendung als stellvertretender Direktor des Presse- und Informationsbüros der Europäischen Gemeinschaft in Washington folgte ab 1967 die Tätigkeit als Berater im Kabinett des EWGKommissionsmitglieds Hans von der Groeben.

1970 wurde Dr. Franz Froschmaier zum stellvertretenden Kabinettschef und 1973 zum Kabinettschef des Vizepräsidenten der EG-Kommission, Wilhelm Haferkamp, berufen. In dessen Zuständigkeit fielen die Arbeitsfelder Binnenmarkt und Rechtsangleichung, das Wirtschafts- und Finanzressort sowie die Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft.

1981 folgte ein weiterer Aufstieg: Dr. Franz Froschmeier wurde Generaldirektor für Information, Kommunikation und Kultur bei der EG-Kommission und blieb dies bis 1987.

Im Jahr darauf gewann ihn der damalige Ministerpräsident Björn Engholm für den Wechsel in die

Landespolitik. Dr. Franz Froschmaier wurde Minister für Wirtschaft, Technik und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein. Während seiner Amtszeit von 1988 bis 1992 setzte er wichtige Akzente in der Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik. Der überzeugte Europäer ging aber auch in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit neue Wege, gilt als einer der Wegbereiter für die Region SønderjyllandSchleswig und eine engere Kooperation der Ostseeanrainer.

Dr. Franz Froschmaier hat in wichtigen Funktionen den Weg der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Europäischen Union begleitet. Als Landesminister prägte er die europapolitische Strategie unseres Landes. Umso wertvoller war es, dass Schleswig-Holstein und Hamburg mit ihm auch nach seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt der starken Vertretung ihrer Interessen in Brüssel sicher sein konnten: Von 1995 bis 2004, in den entscheidenden Jahren der Erweiterung und der inneren Reform der Europäischen Union, leitete Dr. Franz Froschmeier mit dem Hanse-Office unser Verbindungsbüro bei den europäischen Institutionen. Für seine Verdienste um unser Land wurde Dr. Franz Froschmeier mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

Meine Damen und Herren, mit tiefer Trauer denken wir heute auch an die frühere Landesministerin Eva Rühmkorf, die nach langer, schwerer Krankheit in der Nacht zu Dienstag verstorben ist. Eva Rühmkorf, 1935 in Breslau geboren, wurde 77 Jahre alt.

Nach einem Studium der Psychologie, Theologie und Germanistik an den Universitäten Marburg und Hamburg arbeitete die Diplom-Psychologin zunächst als Markt- und Motivforscherin, bevor sie 1968 in die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg eintrat. Zunächst war sie dort als Grundsatzreferentin im Strafvollzug, im Anschluss daran - von 1973 bis 1978 - als wissenschaftliche Direktorin der Jugendanstalt Vierlande in Hamburg-Bergedorf tätig.

1979 übernahm sie eine zu dieser Zeit in Deutschland einzigartige Funktion: Sie wurde in Hamburg die erste Leiterin einer Gleichstellungsstelle. 1983 folgte die Ernennung zur Staatsrätin.

Fünf Jahre später folgte der Wechsel nach Schleswig-Holstein: Eva Rühmkorf wurde Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur, bekleidete von 1990 bis 1992 das Amt der Ministerin für Bundesangelegenheiten, und sie war stellvertreten

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(Präsident Klaus Schlie)

de Ministerpräsidentin des Landes Schleswig-Holstein.

Eva Rühmkorf war eine mutige Frau, die dem Denken ihrer Zeit oft weit voraus war. Auch gegen oft beachtliche Widerstände setzte sie sich für gesellschaftliche Gleichberechtigung und die Gleichstellung von Frau und Mann ein. Sie war dabei mitunter eine Unbequeme, ein selbstbewusster Freigeist, der anderen Orientierung bot und sich mit Erfolg im bis dahin vorwiegend, wenn auch nicht ausschließlich, von Männern dominierten Politikbetrieb durchzusetzen wusste. Als eine der engagierten und profiliertesten Frauenrechtlerinnen ihrer Generation prägte sie nachhaltig die gesellschaftspolitische Entwicklung unseres Landes. Vieles von dem, was Eva Rühmkorf auf den Weg brachte, gilt uns allen heute als selbstverständlich. Das ist es aber erst seit wenigen Jahren.

Meine Damen und Herren, der Schleswig-Holsteinische Landtag gedenkt seines früheren Abgeordneten Heinz-Wilhelm Fölster und seines ehemaligen Flüchtlingsbeauftragten Wulf Jöhnk sowie der einstigen Landesminister Dr. Franz Froschmaier und Eva Rühmkorf in Dankbarkeit und voller Respekt. Unsere große Anteilnahme gilt ihren Angehörigen. Ich bitte Sie, den Verstorbenen in Stille zu gedenken.

- Sie haben sich zu Ehren von Heinz-Wilhelm Fölster, Wulf Jöhnk, Dr. Franz Froschmaier und Eva Rühmkorf erhoben. - Ich danke Ihnen.

Lassen Sie uns gemeinsam auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler der Friedrich-Junge-Gemeinschaftsschule aus Kiel begrüßen. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln: Zu den Tagesordnungspunkten 4, 5, 9, 12, 24 und 26 ist eine Aussprache nicht geplant. Von der Tagesordnung abgesetzt werden soll der Tagesordnungspunkt 25. Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte 3 und 28 zweite Lesung des Gesetzentwurfs zum Haushalt 2013 sowie Bericht zum strukturellen Abbaupfad bis 2020 - sowie die Punkte 6 und 8, Gesetzentwürfe zur Änderung des Sparkassengesetzes. Gemeinsam beraten werden sollen auch die Punkte 14 und 22, Modellprojekt und Konzept für Familien- und

Nachbarschaftszentren. Anträge zu einer Fragestunde oder einer Aktuellen Stunde liegen nicht vor. Wann die Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratung der 7. Tagung.

Es gibt eine Wortmeldung der parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Frau Herdejürgen, zur Festlegung der Tagesordnung:

Geschäftsordnungsantrag auf Änderung der vorläufigen Tagesordnung - erste und zweite Lesung des Sparkassengesetzes in dieser Tagung

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt in diesem Haus sehr unterschiedliche Auffassungen, was die möglichen rechtlichen Konsequenzen aus dem bestehenden Sparkassengesetz angeht. Aus unserer Sicht ergibt sich für diese Sitzung eine besondere Eilbedürftigkeit im Umgang mit den Gesetzentwürfen. Daher beantragen wir abweichend von der vorliegenden Reihenfolge der Beratung, die Tagesordnungspunkte 6 und 8, Gesetzentwürfe zur Änderung des Sparkassengesetzes, zum einen in dieser Tagung in erster und zweiter Lesung zu beraten. Um den Anforderungen nach § 25 Abs. 3 Geschäftsordnung zu entsprechen, sind für die gemeinsame Sitzung von Finanz- sowie Innen- und Rechtsausschuss die kommunalen Spitzenverbände hinzugeladen.

Damit in erster und zweiter Lesung beraten werden kann, gemäß § 27 Abs. 1 Geschäftsordnung, beantragen wir zum anderen, die vorliegende Reihenfolge wie folgt zu ändern: Mittwoch, nach der Haushaltsberatung, sollen die Tagesordnungspunkte 6 und 8 behandelt werden, danach folgt Tagesordnungspunkt 29. Donnerstag beginnt die Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt 7, Änderung des Hochschulzulassungsgesetzes. Danach folgt der Tagesordnungspunkt 2, Glücksspiel. Die zweite Lesung des Sparkassengesetzes könnte aus unserer Sicht ohne Aussprache erfolgen; aber es besteht natürlich die Option, eine zweite Aussprache am Freitag vorzusehen.

Ich gehe davon aus, dass die Opposition den Teil 1 unseres Antrages mit Abscheu und Empörung zurückweisen wird. Über den zweiten Teil, was die Reihenfolge der Tagesordnung angeht, gibt es aber eine Verständigung. - Danke schön!

(Präsident Klaus Schlie)

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zu einem weiteren Geschäftsordnungsbeitrag erteile ich das Wort dem Herrn Oppositionsführer und Vorsitzenden der CDU-Fraktion, dem Abgeordneten Johannes Callsen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was wir heute erleben, ist schon ein einmaliger Akt parlamentarischer Stillosigkeit.

(Beifall CDU, FDP und PIRATEN - Wider- spruch SPD)

Es ist gute Praxis in diesem Haus, dass sich der Ältestenrat einvernehmlich über die Tagesordnung und den zeitlichen Ablauf verständigt. Dabei sind wir - ich will gern darauf hinweisen - am vergangenen Mittwoch einvernehmlich übereingekommen, das Sparkassengesetz am Donnerstag um 10 Uhr aufzurufen. Was auch immer sich zwischendurch bei Ihnen, Herr Dr. Stegner, getan hat: Einen Tag nach der Sitzung des Ältestenrates hat die Koalition angekündigt, diesen Tagesordnungspunkt auf Mittwoch vorzuziehen und am Freitag die zweite Lesung durchzuführen.

Ich will auf die Kommentierung zur Geschäftsordnung des Landtages hinweisen. Dort heißt es zur Reihenfolge der Tagesordnungspunkte: