Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Sitzung und begrüße Sie sehr herzlich.
Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, möchte ich mit Ihnen gemeinsam Herrn Kollegen Martin Habersaat zum heutigen Geburtstag gratulieren. Alles, alles Gute für das neue Lebensjahr!
Dann darf ich Ihnen mitteilen, dass wir auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler der Jes-Kruse-Skolen aus Eckernförde als Gäste begrüßen dürfen. Herzlich willkommen hier im Kieler Landtag!
Des Weiteren teile ich Ihnen mit, dass sich Frau Kollegin Heike Franzen und Herr Kollege Christopher Vogt erkrankt gemeldet haben. Wir wünschen beiden gute Besserung.
Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/3827
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile zunächst Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner von der SPD-Fraktion das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle führen Gespräche. Wir lesen. Wir sehen. Wir hören Berichte der Medien. Wir bekommen bei Terminen unmittelbare Rückmeldungen auf unsere Arbeit. All das gibt Anlass, sich die Frage zu stellen, was es für ein Land ist, in dem wir leben.
Es ist ein Land, in dem Menschen ihre Sorgen äußern - Sorge um den Arbeitsplatz, Sorge um die Zukunft der eigenen Kinder, auch Sorge vor Kriminalität.
Es ist ein Land, in dem aber auch die Grenzen zwischen berechtigten Sorgen, irrationalen Ängsten und menschenfeindlichem Rassismus immer weiter verschwimmen. In dem Land, in dem wir leben, hat sich Misstrauen breitgemacht. Der Vertrauensverlust gegenüber staatlichen Institutionen, Banken, teilweise auch Kirchen, manchen Vereinen und Verbänden - Parteien sowieso - ist erheblich vorangeschritten. Wir nehmen auch einen ernsthaften Vertrauensverlust gegenüber Sicherheitsbehörden wahr; das Versagen bei der Aufklärung der rechtsterroristischen NSU-Mordserie hat dazu beigetragen. Manchmal kommt die Polizei zu spät. Manche Straftat wird nicht aufgeklärt. Manchmal gerät unsere gewohnte Ordnung durcheinander. Manche stellen sogar die Handlungsfähigkeit des Staates infrage. Sorgen und Misstrauen werden von einigen ausgenutzt, um eine gefährliche Spirale weiterzudrehen.
Es ist ein Land, in dem Führungskräfte rechtspopulistischer beziehungsweise rechtsextremistischer Parteien an den Grenzen auf Flüchtlingsfamilien schießen lassen wollen. Es ist ein Land, in dem dieselbe Partei nicht etwa geächtet wird, sondern teilweise zweistellige Umfragewerte erreicht und womöglich in mehrere Parlamente einzieht.
Es ist ein Land, das Land der Dichter und Denker, dessen Sprache zunehmend verroht. Anonym oder auch mit Klarnamen werden Politiker, Polizisten, Journalistinnen und Journalisten, Ehrenamtliche und andere in sozialen Netzwerken in Misskredit gebracht, verleumdet und bedroht. Es ist ein Land, in dem üble Pöbeleien und Hetze konstruktive Kritik und eine lebendige Streitkultur in der Sache zunehmend in den Hintergrund drängen. Es gibt Galgen auf Demonstrationen und die Forderung nach der Todesstrafe für angebliche „Volksverräter“. Die so bezeichneten demokratischen Politiker lassen sich oftmals nichts anderes zuschulden kommen, außer dass sie Rassismus auch so nennen.
Es ist ein Land, in dem die Unabhängigkeit der Berichterstattung offen bestritten, die Medien als „Lügenpresse“ diffamiert und Journalistinnen und Journalisten in ihrer Arbeit behindert, bedroht und sogar gewaltsam angegriffen werden.
Es ist ein Land, in dem die Hetzer politische Mitverantwortung für zunehmende Gewalt tragen. Das Land, in dem wir leben, ist ein Land, in dem Straf
taten mit rechtsextremem Hintergrund zunehmen bis zu 20.000 allein im Jahr 2015, darunter 921 Gewalttaten. Es ist ein Land, in dem zwei- bis dreimal pro Woche Brandsätze in Wohngebäude geworfen werden, in denen Familien leben. Die Täter nehmen in Kauf, Familien zu töten; sie beabsichtigen das sogar.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das so beschriebene Land unser Land? Was ist eigentlich unser Land? Das Land, in dem wir leben, ist ein reiches Land. Die Wirtschaft wächst. Die Zahl der Erwerbstätigen ist hoch, die der Arbeitslosen niedrig wie seit Jahrzehnten nicht.
Das Land, in dem wir leben, ist ein Land, das jungen Menschen Perspektiven gibt. Es ist ein Land, in dem Menschen frühzeitig Förderung erfahren, ein Land, in dem gute Bildungswege möglich sind, die später berufliche Sicherheit geben und die Menschen Familien gründen lassen.
Es ist ein Land, in dem die Menschen in Frieden und Freiheit leben können. Von einem solchen Land hätten unsere Großeltern nur träumen können.
Es ist ein Land, in dem sich nach den bitteren Erfahrungen der Vergangenheit eine demokratische Streitkultur entwickelt hat, in der meistens das Argument und nicht die Lautstärke zählt, in der es vorgetragen wird.
Es ist ein Land, das sich seiner Verantwortung auch jenseits der eigenen Grenzen stellt, dessen Außenminister weltweit Ansehen genießt und der das ihm entgegengebrachte Vertrauen dazu nutzt, um unermüdlich überall für Frieden und Entspannung zu arbeiten, damit auch Menschen in anderen Teilen der Welt vielleicht einmal die Lebensqualität erleben, die bei uns in Deutschland alltäglich ist.
Es ist ein Land, in dem unendlich viele Menschen Schutzsuchende willkommen heißen und mit Wärme und Herzlichkeit aufnehmen. Sie tun das, weil das ihr Job ist. Viele tun das auch in ihrer Freizeit. Danke dafür! Das sage ich ausdrücklich an dieser Stelle.
Es ist ein Land, in dem Vielfalt als Reichtum gilt und Starke für Schwache einstehen - über Generationen hinweg, quer durch die Bevölkerung. Es ist ein Land, in dem Menschen zusammenhalten, in dem sie füreinander da sind und solidarisch miteinander sind.
Es ist ein Land, das nicht - wie im vergangenen Jahrhundert - Kriege anzettelt und aus dem Menschen flüchten müssen, sondern ein Land der guten Nachbarschaft nach innen und nach außen, das heute Zielpunkt von Hoffnungen und Träumen vieler Menschen aus allen Teilen der Welt geworden ist. Was für ein schöner Unterschied, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Land hat viele Gesichter. Wir wissen, dass Freiheit und Demokratie nicht von allein bleiben. Unsere Vergangenheit lehrt uns, dass wir ihren Feinden entschlossen entgegentreten müssen.
In der Flüchtlingspolitik mag man unterschiedlicher Meinung sein; wer aber aufgrund dieser Frage die AfD wählt oder durch Nichtwahl solchen Parteien Einfluss auf die Regierungsbildung verschafft, der bekommt nicht nur eine andere Flüchtlingspolitik, sondern etwas ganz anderes. Heute wollen die Demokratiefeinde das Asylrecht aussetzen, morgen vielleicht die Meinungsfreiheit und übermorgen die Menschenwürde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, selten war es so wichtig wie in dieser Zeit, dass wir wachsam sind und dass wir klare Haltung zeigen:
Haltung zeigen für Vielfalt in unserem Land; Haltung zeigen für Engagement in und für die Demokratie; Haltung zeigen für leidenschaftliche, kontroverse Debatten im Parlament, die wir so schätzen, wenn wir sie um die Sache führen; Haltung zeigen für Toleranz und Humanität; Haltung zeigen gegen Antisemitismus und Gewalt.
Dafür möchte ich im Namen meiner Fraktion werben; dafür werben die Koalitionsfraktionen mit ihrem Antrag, den wir heute behandeln. Wir werden rechtem Populismus und rechter Hetze immer entschlossen entgegentreten.
Ich sage Ihnen ganz ausdrücklich: Wenn die Republik nach rechts rückt, rücken wir nicht mit. Das wäre ein großer Fehler.
Lassen Sie mich für die 152 Jahre alte Sozialdemokratische Partei Deutschlands sagen: Wir wissen, dass man mit parteipolitischen Konkurrenten leidenschaftlich streiten muss; aber wir kennen die
Karl Otto Meyer, dessen wir gestern gedacht haben, hat das mit leidenschaftlichen Reden in diesem Parlament oftmals zum Ausdruck gebracht. Auch andere wissen sehr genau: wo reden wir über Gegner, und wo reden wir über Feinde der Demokratie. Das ist ein großer Unterschied. Den müssen wir sehr deutlich machen. Da darf es kein Verwischen geben.
Lassen wir nicht zu, dass Gewalt und Hetze ein hässliches Bild unseres Landes ergeben. Wir geben der Vernunft eine Stimme. Wir gestalten das Land, in dem wir leben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die freiheitliche Demokratie ist das Beste, was unserem Land jemals widerfahren ist. Lassen Sie uns diese verteidigen. Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich stellt sich jeder hier im Parlament mit aller Entschlossenheit gegen rechte Hetze. Ich glaube, das machen wir alle in der Praxis, bei dem, was wir politisch unternehmen. Jeder weiß, was im Moment in unserem Land passiert. Schauen Sie sich die Facebook-Seiten, überhaupt die Seiten im Internet an.